2 5* Berliner Zeitung · Nummer 182 · Freitag, 7. August 2015 ·· · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·· Feuilleton/Medien Stadtmaskerade und märkische Pastoralen Viel Zuspruch für Anja Reschke Zum Tode des Berliner Malers Manfred Pietsch „Tagesthemen“-Kommentar zur Hetze gegen Flüchtlinge D M askenmenschen, FigurenTier-Allegorien wie aus Dantes Welttheater, dann wieder poetische Motive der märkischen Landschaft abseits der touristischen Trampelpfade und lyrische Abstraktionen (Abb.) – Manfred Pietschs Bilder erzählen von einem intensiven Dialog mit Vergangenheit und Gegenwart. Von der Zwiesprache mit der Moderne und mit dem engsten Freund, dem Maler Harald Metzkes. Der Berliner Schule aber ist Pietsch, der, wie jetzt bekannt wurde, am 24. Juli in Berlin nach schwerer Krankheit im Alter von 79 Jahren starb, nicht zuzurechnen. Der gebürtige Schlesier, der wie Metzkes an der Dresdner Kunstakademie studierte, dort Ernst Hassebrauk zum Mentor hatte, war ein Einzelgänger. Seine Bilder wurden von den Staatlichen Museen in Berlin, Potsdam und Schwerin, Museen in Weimar und anderen deutschen Städten gesammelt und fanden Eingang in schöne Kunstbücher im Eigenverlag. Jüngst erst erschien sein Bilderbuch PRIVAT „Brandenburg“, Manfred Pietsch das zur Liebeser(1936–2015) klärung an die Niederlausitz wurde, wo er aufwuchs. Solche märkischen oder Spreewald-Pastoralen, die an Fontane denken lassen, sind nun der Nachlass dieses stillen, lyrisch fabulierenden Künstlers, genauso wie die mythischen Maskeraden und die Sinnbilder vom steinernen Berlin. Mit Pietsch verliert die hiesige Malerszene einen Harmoniesucher, der aber sehr wohl die Abgründe unseres gegenwärtigen Alles-oder-nichts-Lebens anzudeuten wusste. (ir.) BLZ/GERD ENGELSMANN (2) Das Ensemble der 100. GWSW-Folge bei der Probe. Der Chef Oliver Tautorat (3. v. r.) und die Autorin Constanze Behrends (1. v. r.) spielen und singen auch mit. Mit Kalle an der Kasse Das Prime Time Theater zeigt die 100. Folge von „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“ als Musical V ON C ORNELIA G EISSLER I n der Dönerbude Chez Ölgür sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa. Nein, schlimmer: Da sind auch Brandspuren. Der Fleischspieß liegt auf dem Boden. Murat, der Dönertaxi-Fahrer mit der dicken Goldkette, steht fassungslos dazwischen und gelt sich die Haare. Seine Neffen Orkan und Taifun eilen herbei wie der Wind. Die beiden Jungs nehmen die Basecaps ab und bekommen erst einmal eine tröstliche Salbung. Die Geltube quietscht, die Klischees auch. Aber so, wie die drei Männer auf der Bühne sich anbellen, wer schuld sein könnte an dem Debakel, rühren sie zu herzlichem Lachen. Und als Orkan und Taifun sagen, sie hätten einen Plan A und B und C, wird es gleich richtig lustig. Denn für die Buchstaben stehen drei mädchenhafte Frauen im Highschool-Outfit mit Cheerleader-Puscheln. Wie die dann singen! Real Sex is only Wedding M.P/NACHLASS Dialog mit der Moderne: Manfred Pietschs „Zitat Strawinsky“, 2001. So sind wir mittendrin in der neuesten Folge der Theater-Sitcom„Gutes Wedding, schlechtes Wedding“ (GWSW), so war es bei den Proben in dieserWoche. Es ist die 100. Folge, deshalb künstlerisch eine besondere, ein Musical. Die beliebtesten Figuren der vergangenen elf Jahre tauchen auf. Die ersten Tage sind schon ausverkauft. Doch die Hitze bereitet dem Döner-Murat Sorgen, auch dem Vati aus Hassleben. Diese und mehr Rollen spielt Oliver Tautorat, der Theaterleiter. Im Juli blieben an einigen Abenden mehr als fünfzig Plätze leer. Das kann sich keiner vorstellen, der hier schon in der Schlange stand und wieder abrücken musste. 230 Plätze hat das PrimeTimeTheater direkt am U-Bahnhof Wedding, meist sind alle besetzt. Die Titelmelodie Themenraum Immer zur Hauptsendezeit Die Folge 100 der Theatersitcom „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“ hat am Freitag Premiere. Sie beginnt zur Fernseh-Hauptsendezeit, zur Prime Time, um 20.15 Uhr. Einlass ist ab 19 Uhr. Adresse: Müllerstr. 163 / Eingang Burgsdorfstraße, Karten zwischen 8 (ermäßigt) und 17 Euro, Tel. 49 90 79 58 Werbetafel am Eingang des Prime Time Theaters. Die Folge 99 führte nach Hassleben in die Uckermark. der Serie lockt seit Jahren: „Mitte ist schitte, Prenzlberg is Petting, Real Sex ist only Wedding.“ Das echte Leben spielt hier auf der Bühne. Das Prime Time ist das einzige Sprechtheater im Wedding und es ist anders als die anderen in Berlin. Im Publikum sitzen Leute aller Altersgruppen und längst nicht nur aus dem Kiez. Seit 2014 erhält das Haus eine Basisförderung des Senats, das war eine der letzten Entscheidungen von Klaus Wowereit als Kultursenator. Etwa 1,30 Euro pro Karte beträgt der Zuschuss. Bei den anderen Häusern in der Stadt geht das bis in den dreistelligen Bereich. Jahrelang sträubten sich die Entscheider, den Weddingern Geld zu spendieren – vor allem, weil sich das Prime Time so schlecht einordnen lässt. Das Wort Theater-Sitcom war noch nicht erfunden, als Constanze Behrends und Oliver Tautorat anfingen, selbst geschriebene Stücke über das Leben im Kiez zu spielen. Mittlerweile wird Behrends als Dramatikerin mit Preisen geehrt. „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“ verbindet Elemente des aufklärerischen Volksstücks à la Marieluise Fleißer, Carl Zuckmayer oder Bertolt Brecht mit einem Volkstheater wie Ohnsorg in Hamburg, Millowitsch in Köln oder dem Komödienstadl aus dem Fernsehen und der Sitcom. Tautorat und Behrends schwärmen für „Friends“ wie für die „Simpsons“. Hier klappen auch die Türen wie bei Ohnsorgs, doch die Anekdoten sind modern und die technischen Mittel ebenfalls. GWSW arbeitet mit Videoeinspielern, greift auf, was in der UBahn gesagt und im Jobcenter geklagt wird. Die „Invasion der Prenzlwichser“ gab es schon in Folge 29, da spielte das Theater noch in einem Saal für 70 Zuschauer an der Osloer Straße. Taurorat: „In unserer Gegend tauchten plötzlich lauter Designer und Architekten auf, die wenig für ihre Büros bezahlen mussten, aber aus Angst, dass sie beklaut würden, keine Namen an die Klingelschilder schrieben. Die kamen nur zum Arbeiten, sie wohnten im Prenzlauer Berg.“ Die Schwaben blieben Thema in den Stücken, insofern ist das Prime Time Theater ein Gentrifizierungsgewinnler. Ostler und Westler, Pfarrer und Stasileute, türkische Machos und Mamas, Ökos, stillwütige Frauen, Kif- fer, Punks – ein buntes Typenspektrum besiedelt die kurzen Szenen. Doch „wir nähern uns den Figuren liebevoll“, sagt Tautorat, „nicht von oben herab wie im deutschen Kabarett.“ Die Witze sind oft derb, polterig, an der Grenze des guten Geschmacks, aber der Theaterleiter sagt: „Die Gürtellinie streifen darf es schon, Comedy im Fernsehen geht da oft weiter.“ Dieses Theater unterhält, es gibt dem Publikum keine Grübel-Aufgaben mit. Die 100. Folge läuft bis Ende September. Wenn es am schönsten ist, hören manche auf, das Prime Time Theater verabschiedet sich aus der Chronologie. Erst kommt eine zweite Ausgabe der in diesem Frühjahr gestarteten Kriminalparodie „CSI Wedding“, dann steht im Spielplan nebulös etwas von Classic-Folgen. Derweilen wird eine Serie fürs RBB-Fernsehen erarbeitet. Erst im nächsten Jahr kommt Folge 101. Familiär soll es bleiben Ließe sich das Wort anders als mit viel Staub im Mund aussprechen, könnte man das Gesamtkonzept volkstümlich nennen. Tautorat sitzt als Postbote Kalle mit Vokuhila-Frisur jeden Abend eine Dreiviertelstunde an der Kasse und empfängt die Leute. Deshalb würde er nach zwei Umzügen nicht mehr noch einmal in ein größeres Haus wechseln. „Ich möchte die Gäste begrüßen. Ich möchte im Publikum noch die Gesichter in der letzten Reihe sehen können.“ Einmal hatten sie im Hebbeltheater gastiert bei einem Festival. Der Saal war zu groß, der Humor kam nur vorne an. Tautorat fragt zu Beginn von der Bühne aus: „Wer ist heute zum ersten Mal hier? – Wer von denen geht sonst in andere Theater?“ Und er stellt klar: Das ist kein Mitmachtheater. Mitlachen aber kann und muss man schon. IN KOOPERATION MIT DER BERLINER ZEITUNG Homosexualität_en ie NDR-Journalistin Anja Reschke hat in den „Tagesthemen“ mit fremdenfeindlichen Online-Kommentaren abgerechnet und damit hitzige Diskussionen im Netz hervorgerufen. „Die HassSchreiber müssen kapieren, dass diese Gesellschaft das nicht toleriert“, hatte die 42-jährige Reschke am späten Mittwochabend gesagt. „Wenn man also nicht der Meinung ist, dass alle Flüchtlinge Schmarotzer sind, die verjagt, verbrannt oder vergast werDPA den sollten, dann Anja Reschke, sollte man das Moderatorin ganz deutlich kundtun.“„Wenn ich mich jetzt hier hinstelle und öffentlich sage: Ich finde, Deutschland soll auch Wirtschaftsflüchtlinge aufnehmen – was glauben Sie, was dann passiert?“, sagt sie in die Kamera. „Es ist nur eine Meinung, die darf man äußern. Ich bekäme eine Flut von Hasskommentaren.“ Binnen weniger Stunden wurde der Beitrag allein bei Facebook mehr als zwei Millionen Mal aufgerufen, Tausende kommentierten den Appell. Der Kommentar, der bis Donnerstagnachmittag auf Facebook am häufigsten mit einem zustimmenden Klick („Like“) versehen wurde, widersprach allerdings den Worten Reschkes: „Ich denke nicht, dass das, wie ja immer berichtet wird, alles Nazis sind und das auch nicht immer etwas mit Rechtsextremismus zu tun hat“, hieß es darin. Reschke, die die Sendung „Panorama“ moderiert, bekam aber auch viel Unterstützung – in einem anderen Facebook-Post hieß es etwa: „Jeder, der menschlich bleibt, ist ein Lichtstrahl der Hoffnung.“ Juliane Leopold, Chefredakteurin des Online-Magazins Buzzfeed Deutschland, beurteilte die Kontroverse kritisch. „Was Reschke sagt, ist wichtig. Aber es reicht nicht, auf Facebook gegen Ausländerfeindlichkeit zu sein“, sagte Leopold. „Ein Shitstorm gegen Nazis im Netz wird keinen Rassisten bekehren.“ (dpa) TOP 10 Mittwoch, 5. August 1. Audi-Cup ZDF 2. heute-journal ZDF 3. Tagesschau ARD 4. RTL Aktuell RTL 5. heute ZDF 6. Auslandsjournal ZDF 7. Soko Wismar ZDF 8. GZSZ RTL 9. Adam sucht E. (4) RTL 10. Adam sucht E. (6) RTL 6,32 5,39 3,52 2,97 2,92 2,76 2,39 2,38 2,36 2,32 ZUSCHAUER IN MIO/MARKTANTEIL IN % 03.09. – . 7 0 . 14 ka-Geden k i r e m A ek biblioth REI! TF EINTRIT Queeres Leben in Berlin, homosexuelle Geschichte, Kultur und Politik © ZLB Wer wissen will, was das El Dorado war, wie die homosexuelle Subkultur in den 1930er Jahren in Deutschland zerschlagen wurde und ab den 1960er Jahren wieder auferstand und wo heute homosexuelles und queeres Leben in Berlin brummt, kann sich in unserem neuen Themenraum „Homosexualität_en“ informieren. Themenzeit Sonntag, 16.08.2015 | 18.00 Uhr Schwules Museum, Lützowstraße 73, 10785 Berlin-Tiergarten Bücher in Bewegung – als Lesen noch subversiv war … Führung im Themenraum: Montag, 20.07. | Freitag, 31.07. | jeweils 16 Uhr THEMENRAUM Eine Reihe der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) und der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) | Blücherplatz 1 | 10961 Berlin | Öffnungszeiten: Mo – Fr, 10.00 – 21.00 Uhr | Sa, 10.00 – 19.00 Uhr | www.zlb.de In Zusammenarbeit mit: Schwules Museum Deutsches Historisches Museum 25% 20% 16% 19% 17% 15% 17% 12% 9% 13%
© Copyright 2024 ExpyDoc