„28. Oktober der Menschwerdung des Herrn 1237“: Die Urkunde oben markiert den „amtlichen“ Geburtstag der Stadt, noch unter dem Namen Cölln. 1244 dann das erste Dokument mit dem Namen „Berlin“, links daneben. N och war der Name „Berlin“ in keinem Bericht mittelalterlicher Chronisten über die Mark Brandenburg gefallen, denn im Fokus der Geschichtsschreibung standen Spandau, Köpenick und Brandenburg. Dennoch hatten sich Kaufleute zu beiden Seiten der Spree (im heutigen Bezirk Mitte) angesiedelt. Und dann flossen den Verfassern zeitgenössischer Urkunden im Jahr 1237 die Namen „Cölln“ und 1244 auch „Berlin“ aus der Feder. Einem Pfarrer und zukünftigen Berliner Propst namens „Symeon von Cölln“ verdankt die spätere Doppelstadt ihre urkundliche Ersterwähnung noch unter dem Namen Cölln. Der Geistliche hatte die Beilegung eines Streites über die Zahlung von Kirchensteuern zwischen dem Brandenburger Bischof Gernand - 16 - und den Markgrafen Johann I. und Otto III. schriftlich bezeugt. Und das Datum dieser Urkunde – „der 28. Oktober im Jahr der Menschwerdung des Herrn 1237“ - betrachten die Historiker als den offiziellen Geburtstag von Berlin. Die Anfänge der Doppelstadt Cölln-Berlin reichen jedoch mindestens sechzig Jahre weiter zurück. Ausgrabungen unter der Nikolaikirche lassen darauf schließen, dass die Siedlungen bereits um 1170 entstanden waren. Sofort nach seiner Landnahme im Gebiet der Spreewanen und Heveller hatte Albrecht der Bär damit begonnen, Siedler aus dem Westen anwerben zu lassen. Die ersten Einwanderer stammten wahrscheinlich aus dem östlichen Vorharz und der Altmark. In einer zweiten Phase warben Albrechts Emissäre Bauern und Handwerker aus Flandern und dem Rheingebiet an. Eine wichtige Rolle spielten dabei Holländer, die nach verheerenden Sturmfluten an ihren Küsten eine neue Existenz suchten. Erfahren im Deichbau an der Nordsee, begannen sie um 1160 in ihren neuen Siedlungsgebieten, die Flüsse Elbe, Spree und Havel einzudeichen. Damit konnten sich die neuen Bewohner nun auch in den Flussniederungen niederlassen. Auf zwei Sandinseln in den Spree-Auen entstanden an der schmalsten Stelle des Flusses zwischen Barnim und Teltow neue Ansiedlungen: Cölln im Süden und Berlin im Norden. Die Historiker und Archäologen sind sich allerdings nicht einig, ob schon zu dieser Zeit ein Seitenarm der Spree im Norden um Berlin verlief, oder ob der Stadtgraben erst zu späterer Zeit künstlich angelegt wurde. Somit könnten die Wurzeln der Stadt Berlin zunächst direkt am rechten Spreeufer gelegen haben. Die Wurzeln Berlins legten Bauern und Handwerker (unten) aus Altmark und Harz, die dem Aufruf Albrecht des Bären gefolgt waren. Später trafen Holländer mit Know-how im Deichbau ein: Sie schützten die jungen Siedlungen zu beiden Seiten der Havel vor Überschwemmungen. m Schnittpunkt eines Handelsweges von Magdeburg nach Posen und einer Nord-Süd-Route von der Ostsee über Leipzig ins heutige Böhmen gewannen die Orte schnell wirtschaftliche Bedeutung: Hier boten Furten in der Spree Kaufleuten die Möglichkeit zum Überqueren des Flusses. Außerdem ließen sich Handelswaren auf den Inseln weitgehend sicher vor Hochwasser stapeln und von Achse auf Kiel umladen. Warum waren für die askanische Kontrolle des Handels an der Furt gleich zwei Siedlungen an der Spree notwendig? Historiker halten ein recht plausibles Argument bereit: Zwei Einwanderungsgruppen aus verschiedenen Herkunftsländern siedelten an der Spree. Die Petrikirche auf Cöllner Gebiet und die Nikolaikirche in Berlin zeugen zudem von unterschiedlichen Schutzheiligen der Siedlungsgründer. Die eine Siedlergruppe übernahm nach Meinung der Historiker die Bezeichnung ihres neuen Lebensraumes von den Slawen: „Brlo“ für Feuchtgebiet oder Sumpf wandelte sich zu „Berlin“. Zur Namensgebung von Cölln zwei Theorien: Vielleicht kamen die Neusiedler tatsächlich aus dem Raum Köln am Rhein. Denn ihre erste Pfarrkirche auf der Spreeinsel war - wie der Kölner Dom - dem heiligen Petrus geweiht. Möglicherweise aber leiten sich die Namen „Cölln“ und „Köln“ auch nur gemeinsam vom lateinischen „Colonia“ ab: Siedlung. Sicherlich prägten die Gruppen der Zuwanderer zunächst weniger Kaufleute, die ein neues Betäti- Darstellung am Roten Rathaus: Die Urbarmachung der Siedlungsgebiete. gungsfeld suchten, sondern vornehmlich Fischer, Bauern Lietzow, Lankwitz, Gatow, Lübars, Tegel und Dalldorf und Handwerker. Sie schufen die Vorraussetzung für den zu. Die inzwischen wohlhabenden Zisterzienser von Aufbau eines funktionsfähigen Gemeinwesens und errichLehnin erwarben von dem Brüderpaar 1242 die Einteten Häuser und Hütten, kultivierten Land und stellten kommensrechte an Krummensee in der Krummen Lanke, Werkzeuge her. Dazu war die Hilfe der benachbarten SlaZehlendorf und Slatdorp, und sie gründeten das Nonnenwen sicherlich willkommen. kloster in Zehdenick. Die Anfänge von Cölln-Berlin scheinen den Menschen Die Markgrafen förderten Cölln und Berlin nach Kräften. eine friedliche Zeit beschert zu haben. Von AuseinanderAuf der Berliner Insel legten sie einen Wirtschaftshof zur setzungen mit den Spreewanen und Hevellern ist in den Verwaltung der beiden Siedlungsorte an, Aufsicht über Chroniken keine Rede. Menschen undie Einhaltung der Gerichtsordnung terschiedlicher Kulturkreise traten in und zur Kontrolle über die ZolleinKontakt und gingen eheliche Verbinnahmen an den Land- und Wasserwedungen ein. Die Religionszugegen. Der rasante Aufstieg von Cöllnhörigkeit in der Gründungsphase von Berlin zu einer Handelsmetropole in Cölln-Berlin: noch eine Nebensache. der Mark Brandenburg beann. Die Nur der Papst im fernen Rom wies die Konkurrenz Köpenick verlor allmähAskanier an, sich doch etwas mehr um lich an Bedeutung, da der Ort immer die Heidenmission zu kümmern... wieder in kriegerische AuseinandersetAlbrecht der Bär starb 1170 im damals zungen zwischen den Askaniern und hohen Alter von 70 Jahren. Ihm folgte Klosterkirche Lehnin den Wettinern geriet. sein Sohn Otto I., der die SiedlungsEine Urkunde zur Verleihung der politik und Stabilisierung der Mark Brandenburg mit GeMark- oder Stadtrechte, wie im Jahr 1232 für Spandau schick fortsetzte. Verheiratet war Otto mit der die Piastin ausgestellt, können weder die Cöllner noch die Berliner Judith, einer Schwester der Polenherzöge Boleslaw IV. vorweisen. Aber indirekt lässt sich die Stellung des und Mieszko III. Mit dieser Verbindung gelang es ihm, Doppelortes aus dem Quellenmaterial zur Stadtgeschichseine Ostgrenze weitgehend abzusichern. Im Jahr 1180 te doch erschließen: Eine Urkunde aus dem Jahr 1247 begründete Otto I. in der Zauche mit Lehnin das erste märrichtet von einem Mann namens „Marsilius“ als „Schultekische Kloster, in dem er vier Jahre später seine letzte Rutus“ (Schultheiß) von Berlin. Er nahm seine Aufgaben hestätte fand. Den reichlich bedachten Zisterziensern fiel vom Wirtschaftshof am Spreeufer aus wahr. Zum ersten die Aufgabe der Missionsarbeit in der Mark zu. Die Mal bezeichnet 1251 eine Urkunde Berlin als „Stadt“. Markgrafen Otto III. und Johann I., die seit 1225 ihr Und zwei Jahre später verlieh Markgraf Johann I. am 12. Land gemeinsam verwalteten, gründeten 1232 in Spandau Juli 1253 dem Ort Frankfurt an der Oder das Stadtrecht ein weiteres Kloster, in das Benediktinerinnen einzogen. „nach Berliner Vorbild“ - also nach einem bereits erprobIhnen standen die Zehnteneinnahmen aus den Dörfern ten Modell. - 17 -
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