SO 13. MÄRZ 2016 | 17 UHR TRINITATISKIRCHE FORUM ALTE MUSIK KÖLN WDR 3 SONNTAGSKONZERTE m+k e.V. CANTUS CÖLLN LEITUNG KONRAD JUNGHÄNEL „AUF DEM WEG INS PARADIES ...“ im rahmen von kölner fest für alte musik 2016 HIMMLISCHE KLÄNGE ZWISCHEN DIESSEITS UND JENSEITS „Per aspera ad astra“: aus dem Tal der Finsternis und Tränen führt der Weg der Erlösung ins Paradies. Das heutige Programm von Cantus Cölln bietet wegweisende Werke der Vokalmusik des deutschen Barocks aus Norddeutschland und Sachsen. Dietrich Buxtehude, Nicolaus Bruhns, Johann Kuhnau und Johann Schelle heißen die Komponisten, die in ihren Werken einen musikalischen Weg hin zu Gott nachvollziehen. Es sind ambitionierte Musiker an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert, die oft schon als Jugendliche ins kirchenmusikalische Metier fanden – ob als Chormitglieder städtischer Lateinschulen, die regelmäßig unter der Leitung ihres Kantors in den Gottesdiensten sangen, oder als talentierte Instrumentalschüler versierter Organisten. Lange Zeit hat die Musikgeschichtsschreibung sie nur als Vorläufer Johann Sebastian Bachs wahrgenommen – bis die historische Aufführungspraxis Alter Musik auch die Ausdruckskraft und Originalität ihrer Kompositionen wiederentdeckte und damit sogar neue interpretatorische Zugänge zu den längst als Repertoire-Klassiker gehandelten „Bach-Kantaten“ aufzeigte. Das trifft im besonderen Maße auf das Werk von Johann Kuhnau zu, dem direkten Vorgänger Bachs im Amt des Leipziger Thomaskantors. Der aus dem kleinen Erzgebirgsort Geising stammende Komponist hinterließ ein gewaltiges Œuvre an Musik, darunter etliche geistliche Konzerte, aber auch zentrale Werke für Tasteninstrumente wie etwa die Musicalische Vorstellung einiger biblischer Historien, ein veritables Stück geistlicher Programmmusik. Der studierte Jurist war seinerzeit auch für seine Romane bekannt; so schrieb er 1700 die Johann Kuhnau Satire Der musicalische Quack-Salber, die manchen erhellenden Einblick in die damalige Musikwelt liefert. In Dresden an der Kreuzschule und in Hofmusikerkreisen ausgebildet, floh Kuhnau von dort 1680 vor der Pest und wurde Organist und Chorpräfekt an der Johanniskirche in Zittau. Nach dem Jurastudium in Leipzig und der Tätigkeit als Anwalt trat er seine Stelle als Organist an der Thomaskirche an; von 1701 bis zu seinem Tod 1722 war er als Nachfolger von Johann Schelle der Thomaskantor. Neben seinen alltäglichen Aufgaben an Schule und Kirche versuchte er sich auch als Opernkomponist, was allerdings nicht von Erfolg gekrönt war, so dass sich seine ursprünglich positive Einstellung gegenüber der Oper nachhaltig änderte. Dietrich Buxtehude war von 1668 bis zu seinem Tod als Organist an der Lübecker Marienkirche tätig. Wenig weiß man über seine Jugendjahre. Einer Mitteilung in den Nova literaria Maris Balthici, die kurz nach seinem Tod erschien, entnimmt man, dass er „Dänemark als sein Vaterland“ ansah, „woher er in unsere Region kam“. Buxtehude war ein angesehener Lehrer, den 1703 die jungen Tastenspieler und Opern- komponisten Georg Friedrich Händel und Johann Mattheson von Hamburg aus und im Winter 1705 der fast ebenso junge Johann Sebastian Bach von Arnstadt aus aufsuchten, um sich in der Komposition und im Orgelspiel zu vervollkommnen. Ein weiterer Grund für die Reise, von der man weiß, dass Bach sie zu Fuß unternahm, während Händel und Mattheson den Wagen nahmen, war offenbar, dass Buxtehude einen Nachfolger suchte. Das war allerdings an die Bedingung geknüpft, die Tochter Buxtehudes zur Frau zu nehmen, worauf sich aber Dietrich Buxtehude (?) keiner der drei einlassen mochte. Das kompositorische Schaffen Buxtehudes umfasst neben einer Vielzahl an wegweisenden Tastenkompositionen und einiger Kammermusik vor allem zahlreiche für die Aufführung in der Lübecker Marienkirche geschriebene Vokalkompositionen. Sie sind stilistisch sehr unterschiedlich gehalten und haben nicht immer eine rein religiöse Motivation. Denn zum Teil führte Buxtehude sie zwischen dem vorletzten Sonntag des Kirchenjahres und dem vierten Advent in besonderen Konzertveranstaltungen auf, die man in Lübeck „Abendmusiken“ nannte. Durch Spenden vermögender Kaufleute und gelegentliche Zuschüsse aus der Kirchenkasse unterstützt, stellte Buxtehude bei diesen Gelegenheiten auch aufwändige musikdramatische Werke geistlichen Inhalts vor – und das bemerkenswerterweise erstmals im Jahr 1678, als im benachbarten Hamburg die weltliche Oper am Gänsemarkt ihre Pforten öffnete. Der berühmteste Schüler Buxtehudes war Nikolaus Bruhns, der Lübeck in der zweiten Hälfte der 1680er Jahre als veritabler Violin- und Orgelvirtuose verließ und vermutlich nach einem mehrjährigen Gastspiel in Kopenhagen zum Stadtorganisten in Husum berufen wurde. Nur wenig Zeit blieb ihm dort bis zu seinem frühen Tod mit nur 31 Jahren, um für die Gottesdienste neben Orgelmusik auch eine Reihe von ausdrucksstarken Vokalwerken in der Tradition seines Lübecker Lehrers zu komponieren. Johann Schelle stammte wie der zwölf Jahre jüngere Kuhnau aus dem erzgebirgischen Geising und sang in Dresden als Knabensopran unter dem Hofkapellmeister Heinrich Schütz, der ihn später an den Wolfenbütteler Hof vermittelte. Von 1665 bis 1667 war er Sänger im Chor der Thomasschule in Leipzig, wo er anschließend auch die Universität besuchte. Auf Empfehlung des Thomaskantors Sebastian Knüpfer wurde er 1670 Kantor an der Stadtschule in Eilenburg, 1677 nach dem Tod Knüpfers dessen Amtsnachfolger in Leipzig und damit „Director chori musici“ der Stadt. Schelle komponierte vor allem vokal-instrumentale Kirchenmusik und führte als einer der Ersten deutschsprachige oratorische Evangelien-Vertonungen, die Verbindung von vertontem Evangelientext mit geistlichen Liedern und reine Choralkantaten in den Gottesdienst ein. Der unterschiedliche Charakter der ausgewählten Kompositionen tritt in der Abfolge des heutigen Abends deutlich zutage. Auf breiten und wirkungsvollen Wechseln zwischen Tutti- und Solo-Abschnitten ist das 1705 entstandene geistliche Konzert Gott, sei mir gnädig aufgebaut. Dieses zu den wichtigsten Kompositionen Johann Kuhnaus gehörende Werk für Sopran, Alt, Tenor, Bass, zwei Violinen, zwei Violen und Basso continuo kann wegen seines formalen Aufbaus durchaus als Vorläufer der Bach’schen Kantate verstanden werden, die dann allerdings entschiedener von den Opern-Formen Rezitativ und (Da-capo-)Arie gebrauchen machen wird. Das geistliche Konzert Ich liege und schlafe von Nicolaus Bruhns, dessen Text einen Trauergottesdienst als Entstehungsanlass nahelegt, scheint den in den Stücken zuvor beschriebenen Leidensweg hinter sich lassen. Nicht zuletzt wegen seiner dunkel klingenden Tonart c-Moll mutet es aber doch auch dramatisch an. Die Hoffnung auf Erlösung, Barmherzigkeit und Frieden erscheint noch nicht mit letzter Sicherheit als Ausweg aus dem Leiden. Trotz zuversichtlicher Choralworte („In Jesu Namen schlaf ich ein, er führt allein mich aus dem Tod ins Leben“) bleibt in der von Vorhalten durchzogenen Musik ein bitterer Beigeschmack von Resignation und unendlicher Trauer. Ganz anders wirkt da Buxtehudes geistliches Konzert Herzlich lieb hab ich dich, o Herr, mit dem das Programm beschlossen wird. Dieser Choralbearbeitung liegt ein 1567 entstandener Text des Wittenberger Theologen Martin Schalling zugrunde; die zugehörige und auch von Buxtehude verwendete Liedmelodie ist erstmals in einem Straßburger Choralbuch von 1577 nachweisbar. Vor allem die letzte Strophe „Ach Herr, lass dein lieb Engelein“ ist auch heute noch von großer Bekanntheit, benutzte doch Bach eben diesen Text für den Schlusschoral seiner Johannes-Passion. In der protestantischen Liturgie findet sich der Choral noch heute als Predigtlied zum 18. Sonntag nach Trinitatis. Buxtehudes Vertonung strahlt eine gewisse Leichtigkeit aus und unterscheidet sich darin deutlich von den übrigen Werken, gleichzeitig spannt sie aber auch einen Bogen zu den von Leid und Trauer geprägten Stücken des Anfangs. So ist der Weg ins Paradies hier gleichzeitig ein Passionsweg, der über die Bitte um Gnade, Hilfe und Barmherzigkeit, aber auch über Resignation und Zweifel zu einer auf Vertrauen beruhenden Erlösung führt. Felix Knoblauch / Hanna Schörken / behe Der Textbeitrag entstand im Rahmen einer Zusammenarbeit von musik + konzept e.V. mit dem Master-Studiengang Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik und Tanz Köln (Vertr.-Prof. Dr. Corinna Herr). PROGRAMM Johann Kuhnau (1660–1722) Gott, sei mir gnädig Geistliches Konzert für Sopran, Alt, Tenor, Bass, 2 Violinen, 2 Violen und Basso continuo Dietrich Buxtehude (1637–1707) Gott, hilf mir Geistliches Konzert für 2 Soprane, Alt, Tenor, Bass, 2 Violinen, 2 Violen und Basso continuo Johann Schelle (1648–1701) Barmherzig und gnädig ist der Herr Geistliches Konzert für 2 Soprane, Alt, Tenor, Bass, 2 Violinen, 2 Violen und Basso continuo Nikolaus Bruhns (1665–1697) Ich liege und schlafe Geistliches Konzert für Sopran, Alt, Tenor, Bass, 2 Violinen, 2 Violen und Basso continuo Dietrich Buxtehude Herzlich lieb hab ich dich, o Herr Geistliches Konzert für 2 Soprane, Alt, Tenor, Bass, 2 Violinen, 2 Violen und Basso continuo Die Aufzeichnung des Konzertes sendet WDR 3 am Mittwoch, dem 20. April 2016, ab 20:05 Uhr. DIE INTERPRETEN Das solistische Vokalensemble Cantus Cölln gehört heute zu den renommiertesten Formationen seiner Art weltweit. Zu Hause in der Tradition des frühen italienischen Renaissancemadrigals ebenso wie im deutschen Hochbarock, bewegt das Ensemble die Zuhörer weltweit mit seinem Klangideal: Leichtigkeit des „parlar cantando“ und Transparenz in der Stimmführung schaffen Raum für die charakteristischen nuancierten und ausdrucksstarken Cantus Cölln-Interpretationen. Seit Beginn seines künstlerischen Schaffens überzeugt das Ensemble die Kritik einhellig mit seinem außerordentlich homogenen Ensembleklang, stimmigen Tempi und souveräner intonatorischer Präzision. Die über 35 CD-Einspielungen von Cantus Cölln wurden mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet und umfassen musikalische Raritäten ebenso wie wegweisende Interpretationen von „Klassikern“ des barocken Repertoires. Auch im szenischen Bereich agiert Cantus Cölln mit Erfolg: Die Produktion Combattimenti mit Madrigalen von Monteverdi wurde 1998 als Koproduktion der Nationalen Reisopera in Holland und dem Tourneetheater Transparant in Belgien begonnen und stand aufgrund ihres Erfolges drei Jahre lang auf den Spielplänen. Ein Grundsatz der musikalischen Arbeit von Cantus Cölln ist die möglichst gleichbleibende Besetzung, die zu einem immer harmonischeren Zusammenklang, einem „blinden“ musikalischen Verstehen führt. Diese Haltung, selbstverständlich etwa für ein Streichquartett internationaler Ausprägung, ist Grundlage für den Qualitätsmaßstab, mit dem Cantus Cölln seinen künstlerischen Anspruch auch im schnelllebigen Musikmarkt bewahrt. Für Produktionen in größerer Besetzung wird der Kern der vier Solisten nach Bedarf durch zusätzliche Kräfte verstärkt, wobei auch hier möglichst immer dieselben Sänger und Instrumentalisten einbezogen werden. Die meisten der CD-Produktionen, die ein Repertoire von Monteverdis Madrigalen und seiner Marienvesper über die Psalmen Davids von Schütz bis hin zu Bachs Kantaten und Motetten umfassen, wurden mit internationalen Preisen gewürdigt. Für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Kirchenmusik wurde das Ensemble im Jahr 2000 mit dem begehrten Buxtehude-Preis der Hansestadt Lübeck ausgezeichnet, den als letzter Preisträger zuvor John Eliot Gardiner 1994 erhalten hatte. Auftritte in ganz Europa (Festivals in Utrecht, Herne, Stuttgart, Barcelona, Innsbruck, Schleswig-Holstein, Flandernfestival, Salzburg, Breslau etc.) sowie Einladungen nach Übersee (Nord- und Südamerika, Asien, Afrika, Australien) tragen ebenso zu seinem Ruf bei wie exklusive Zusammenarbeiten mit der Deutschen Harmonia Mundi-BMG und Harmonia Mundi France. Seit 2010 ist das Accent-Label Partner für die CD-Einspielungen von Cantus Cölln. www.cantuscoelln.com Konrad Junghänel gehört zu den führenden Dirigenten auf dem Gebiet der Alten Musik. Er begann seine Karriere als international gefragter Lautenist. Als Solist wie auch in kammermusikalischen Formationen trat er überall in Europa auf, in den USA, in Japan, Australien, Südamerika und Afrika. Für seine Aufnahmen der Lautenwerke Bachs und von Solowerken Silvius Leopold Weiss’ wurde er mit internationalen Preisen ausgezeichnet. Seit 1994 ist er Professor an der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln. Die fortgesetzte Beschäftigung mit der vokalen Musik des Barocks führte ihn 1987 zur Gründung des Vokalensembles Cantus Cölln, das heute zu den angesehensten Ensembles dieser Art im internationalen Musikleben gehört. Darüber hinaus ist er ein gefragter Gastdirigent im In- und Ausland, im Konzertbetrieb und vor allem bei Opernproduktionen des Barocks und der frühen Klassik. So gab er 2009 sein Debüt an der Oper Köln mit Glucks Orfeo ed Euridice (Regie: Johannes Erath); dort begannen im Herbst 2010 mit den Premieren von Monteverdis L’incoronazione di Poppea (Regie: Dietrich Hilsdorf) und Mozarts Die Entführung aus dem Serail (Regie: Uwe Eric Laufenberg) ein Monteverdi-Zyklus und ein Mozart-Zyklus unter seiner musikalischen Leitung. Von den weiteren Produktionen der letzten Jahre seien Händels Jephta in Potsdam (November 2013, Regie: Lydia Steier) und Hasses Leucippo bei den Schwetzinger Festspielen genannt (Mai 2014, Regie: Tatjana Gürbaca). Cantus Cölln ist heute in der folgenden Besetzung zu hören: Magdalene Harer, Hanna Zumsande – Sopran Elisabeth Popien – Alt Gerd Türk – Tenor Manfred Bittner – Bass Ulla Bundies, Anette Sichelschmidt – Violine Friederike Kremers, Volker Hagedorn – Viola Hartwig Groth – Violone Carsten Lohff – Orgel KONZERTVORSCHAU SAISON 2015/2016 17.04.16 | 17 UHR MUSEUM FÜR ANGEWANDTE KUNST 22.05.16 | 17 UHR WDR-FUNKHAUS stephan schardt – violine philipp vogler – pianoforte „brahms und dvořák“ – johannes brahms: sonaten für violine und klavier a-dur op.100, d-moll op.108; antonín dvořák: ballade für violine und klavier d-moll op.15 concerto köln „concertissimo“ – konzerte für mehrere instrumente von charles avison, johann sebastian bach, francesco saverio geminiani und georg philipp telemann Veranstalter WDR 3 gemeinsam mit musik + konzept e.V. in Kooperation mit der Kölner Gesellschaft für Alte Musik e.V.; gefördert von Kulturamt der Stadt Köln, Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, Kunststiftung NRW, Sparkasse KölnBonn Programm Maria Spering / musik + konzept e.V., Dr. Richard Lorber / WDR 3 Programmhefte Bernd Heyder; Copyright bei den Autoren Gestaltung Johannes Ritter Druck Druckhaus Süd Nachweis der Abbildungen Stefan Schweiger (Künstlerfoto); Hamburg, Museum für Hamburgische Geschichte (Dietrich Buxtehude? – Detail eines Gemäldes von Johannes Voorhout, 1674); Privat (Johann Kuhnau, Detail auf dem Frontispiz der „Neuen Clavier-Übung erster Theil“, Leipzig 1689) Vorverkauf, Abonnement und Information musik+konzept e.V., Fon 0221.552558, [email protected] www.forum-alte-musik-koeln.de
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