Die neuen Wege zum perfekten Lächeln Pflege Implantate

www.focus.de
DIE ERFOLGREICHSTEN START-UPS UND IHRE MACHER
Nr. 32/14 04. August 2014
ENTHÜLLT
So werden
Flüchtlinge
zu uns
geschleust
Pflege ● Implantate ● Bleaching
DIE
KOSTEN
WAS
DIE KASSE
ZAHLT
SCHÖNE ZÄHNE
GESUNDE ZÄHNE
Die neuen Wege zum perfekten Lächeln
WISSEN
Die Techniken für
Implantate, Kronen
und Co. sind ausgereift.
Aber kaum ein Patient
kann nachvollziehen,
was für ihn das Beste ist.
FOCUS erklärt, worauf
Sie achten müssen
LÄCHELN
70
FOCUS 32/2014
Fotos: Norbert Kniat / folio-id.com, Alan Brooke/Image Source
Der beste Weg
zum schönen
Strahlend
schöner Mund
Die Zähne müssen
zum Menschen passen, der sie trägt.
Hollywood-Weiß
steht nicht jedem
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die Titelgeschichte
vorlesen
71
TITEL
Im ästhetischen
Bereich sind
Implantate sicher
erste Wahl“
Frank Schwarz
Deutsche Gesellschaft
für Implantologie
ähne halten mitunter böse Überraschungen bereit. Als Bernd Schneider (Name geändert) im Frühjahr
2013 in seinem Briefkasten eine
Zahnarztrechnung über 6138,40
Euro fand, konnte er es erst gar
nicht fassen. Der 50-Jährige fühlte sich in dem Moment ähnlich
hilflos wie wenige Monate zuvor
im Behandlungsstuhl des Hannoveraner Zahnimplantat-Spezialisten Ralf L. Dort, so erinnert
er sich, hatte er gerade mehrere
Betäubungsspritzen bekommen,
als er noch ein paar Formulare
unterschreiben sollte. „Ich war
noch geschockt von den heftigen
Schmerzen der Spritzen, da hielt
mir der Arzt eine Schreibmappe
mit einem Stapel Papier hin.“
Schneider unterschrieb alles,
auch Einwilligungen in kostspielige Behandlungen, die er nicht
wollte. L.s Anwalt Manfred Parigger widerspricht der Schilderung:
72
„So etwas hat es nicht gegeben.“
Die Abrechnungspraxis des
Zahnarztes regt nicht nur Bernd
Schneider auf. Rund 120 mehr oder
weniger freiwillige Kunden der
Praxis haben sich zu einer „Patienteninitiative Hannover“ zusammengeschlossen. Ein Sprecher des
dortigen Landgerichts bestätigt:
„Es gab und gibt Dutzende Verfahren wegen L.s Rechnungen.“
Viele Patienten begleichen die
Honorarforderungen einfach nicht.
Sie halten sie für dreist.
Jetzt hat auch noch die Staatsanwaltschaft Hannover Anklage
wegen gewerbsmäßigen Betrugs
in 24 Fällen und versuchten
gewerbsmäßigen Betrugs in 36
Fällen erhoben. Zwischen 2007
und 2012 sei so ein Schaden
von 120 000 Euro entstanden.
„Wir werfen ihm vor, Leistungen
abgerechnet zu haben, die er
nicht erbracht hat oder die nicht
FOCUS 32/2014
Fotos: Donimik Pietsch für FOCUS-Magazin, Getty Images, F1online
Spezialist für
Schrauben
Schwarz ist stellvertretender Leiter der
Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie an
der Uni Düsseldorf
abrechenbar sind“, sagt Staatsanwalt Oliver Eisenhauer. Anwalt
Parigger gibt sich gelassen: „Die
Anklage steht auf tönernen
Füßen, ich bin mir nicht sicher,
dass das Gericht die in der Form
zulassen wird.“
Der Streit um Dr. L. ist ein extremes Beispiel dafür, wie unübersichtlich die Zahnmedizin heute ist. Der Weg zum makellosen
Lächeln kann schwierig sein.
Jedes Jahr setzen Zahnärzte in
Deutschland Schätzungen zufolge
eine Million Implantate. Die kleinen Schrauben füllen unschöne
Lücken im Gebiss. Fachkundig
eingesetzt, gelten sie als sichere und dauerhafte, aber auch als
teure Lösung.
Die meisten Schäden im Mund
werden noch immer mit Kronen,
Brücken und Prothesen behoben.
Zugleich warnen Fachleute, dass
unnötig viele Zähne gezogen werden, statt das natürliche Gebiss
zu erhalten.
Patienten verlieren in diesem
Gemenge schnell den Überblick. Viele akzeptieren noch im
Behandlungsstuhl die Lösung,
die der Zahnarzt ihnen vorschlägt
und stellen sich die wichtigen Fragen erst hinterher: Ist das wirklich
die beste Behandlung für mein
Zahnproblem? Ist der Zahnarzt
dafür ausreichend qualifiziert?
Sollte man nicht doch versuchen,
den kranken Zahn zu retten? Wie
viel Geld bin ich bereit auszugeben? Ist der Preis fair?
Nicht immer gibt es auf diese
Fragen eindeutige Antworten.
Willkommen im Angebotsdschungel der Zahnmedizin.
Karin Vogt hat von vier Fachleuten vier verschiedene Meinungen
gehört, ehe sie für sich die richtige
Entscheidung traf. Im Oberkiefer hinten rechts fehlen der Berlinerin seit drei Jahren zwei Zähne. „Mein Hauszahnarzt meinte
anfangs, ich solle doch probieren,
ob die Lücke bleiben könne“,
schildert sie. Aber beim Essen
störte sie die Fehlstelle. Der Arzt
meinte, Implantate seien nicht
machbar, weil ihr Kieferknochen
zu dünn sei.
Vogt ging daraufhin zu einer
zweiten Zahnärztin, die ihr aber
empfahl, ein Implantat in die
Riesige Unterschiede in den Rechnungen
3500
Gängige Preisspannen
für Zahnarztleistungen
in Euro
2800
teuerstes
Angebot
2500
1700
1600
1200
900
München
Preisspanne 500
Chemnitz
Krone
Frontzahn,
Vollkeramik
FOCUS 32/2014
1100
Wo es teuer ist
Die Zahlen stammen
vom Vergleichsportal
2te-zahnarztmeinung.de. Günstige
Angebote werden
häufig in den neuen
Bundesländern, teure
eher in Süddeutschland abgegeben
Zahnarzt-Check
So finden Sie den richtigen
Behandler für Ihr Zahnproblem
DAS PASSENDE FACHGEBIET
Wie ein Zahn behandelt wird, hängt vom Fachschwerpunkt des Zahnarztes ab. Ist er Experte für
Zahnerhaltung oder Zahnersatz? Lassen Sie sich
Alternativen zur vorgeschlagenen Behandlung
erläutern. Komplexe Fälle gehören zum Spezialisten: Implantologen können auch an schwierigen
Stellen Kunstzähne setzen. Endodontologen kümmern sich um Wurzel-, Parodontologen um Zahnbettentzündungen. Prothetiker sind Experten für
klassischen Zahnersatz.
ORIENTIERUNG IM SCHILDERWALD
Welche Fachgebiete auf einem Praxisschild stehen, unterliegt kaum einer Regulierung. Aussagekräftig sind dagegen Weiterbildungszertifikate
der zuständigen Fachgesellschaften.
Zertifizierte Implantologen finden Sie unter
www.konsensuskonferenz-implantologie.de.
ROUTINE ZÄHLT
Je öfter und regelmäßiger ein Arzt einen Eingriff
vornimmt, desto geringer ist in der Regel die Komplikationsrate. Fragen Sie Ihren Behandler, wie
viel und wie lange er Erfahrung auf dem Gebiet
hat. „Ab 200 Implantaten ist ein Zahnarzt routiniert“, sagt der Implantologe Frank Schwarz.
FRAGEN SIND DIE BESTE VERSICHERUNG
Ein guter Mediziner geht auf Ihre Fragen und Unsicherheiten ein. Stimmen Sie einer Behandlung
erst zu, wenn Sie klar verstanden haben, was
geplant ist. Lassen Sie sich nicht drängen. Die
meisten Zahnprobleme erlauben einige Tage Bedenkzeit, bei Zahnersatz oft auch einige Monate.
Filigranes
Handwerk
Ein Zahnarzt bei
einer Operation
Quelle: 2te-zahnarztmeinung.de
Brücke
ein fehlender
Seitenzahn,
Nicht-Edelmetall
Implantat
ein fehlender
Seitenzahn,
Krone aus
Vollkeramik,
kein Knochenaufbau
73
TITEL
Peter Eickholz
Präsident der
Deutschen
Gesellschaft für
Parodontologie
Lücke zu setzen und mit einem
inzwischen gelockerten Zahn zu
verbrücken. In einer weiteren
Praxis bekam sie den Vorschlag,
nur ein Implantat einzuschrauben und am Schluss der Zahnreihe eine Lücke zu lassen. Doch für
die Klavierpädagogin war klar:
„Ich wollte an allen Stellen wieder
etwas Festes.“
Schließlich setzte ihr der
Implantologe Steffen Köhler aus
der Berliner Klinik Garbátyplatz
vor wenigen Wochen zwei Titanschrauben ein. „Der Wunsch des
Patienten wird wichtiger“, sagt
er. „Umso mehr muss ihn der
Zahnarzt aufklären, was die verschiedenen Möglichkeiten für ihn
bedeuten.“
Der Eingriff selbst dauert eine
knappe halbe Stunde. Der Patient liegt im Operationssaal unter
einem Tuch, das nur Mund und
Nase frei lässt. Mit einem Skalpell öffnet der Zahnarzt das
Zahnfleisch und legt den Kieferknochen frei. Dort bohrt er ein
Loch an die Stelle, wo wenig
74
später die rund ein Zentimeter
langen Schrauben aus Titan oder
Zirkonoxid eingedreht werden.
Anschließend verschließt er sie
mit winzigen Kappen und näht
das Zahnfleisch wieder zu.
Bei Karin Vogt musste der
Implantologe zudem den fehlenden Knochen mit künstlichem Knochenmaterial auffüllen
(Sinuslift), damit die Titanwurzel
genug Halt findet. „Das ist heute ein gängiges Verfahren“, sagt
Köhler. Fast alle Kieferdefekte
können geübte Chirurgen mit
Ersatzmaterial, Tier- oder Eigenknochen des Patienten reparieren.
Jetzt muss die Berlinerin bis
Oktober warten. So lange benötigt der Knochen, um fest mit den
Titanwurzeln zu verwachsen.
Danach wird Köhler das Zahnfleisch erneut öffnen, die Festigkeit der Implantate prüfen, und
eine Prothetik-Spezialistin wird
ihnen Kronen aufsetzen. „Patienten müssen wissen, dass Implantate Zeit brauchen“, erklärt der
Implantologe.
Fest
verbunden
Karin Vogt holte sich
Rat bei vier Zahnärzten, ehe sie sich zwei
Implantate im Oberkiefer einsetzen ließ.
Sie ist überzeugt, die
richtige Lösung
gefunden zu haben
Fotos: Steffen Roth für FOCUS-Magazin, Tim Wegner für FOCUS-Magazin
Wir können
mehr Zähne
erhalten, als
man gemeinhin glaubt“
Trotzdem werben Firmen mit
Schnelllösungen. Sie versprechen künstliche Wurzeln samt
Aufbauten in einem oder wenigen Tagen. Diese Verfahren sind
umstritten. „Es gibt nur ganz
wenige Wirksamkeitsnachweise für diese sogenannten ‚Zähne an einem Tag‘“, sagt Germán
Goméz-Román von der Uniklinik
Tübingen. Das Risiko, dass die
teuren Schrauben nicht festwachsen, weil vom ersten Tag an Druck
und Zug auf sie wirken, sei groß.
Welches Implantat für einen
Patienten das beste ist, können
auch Zahnärzte kaum überblicken. „Mehr als 200 verschiedene Implantatsysteme sind in
Deutschland auf dem Markt“,
sagt Frank Schwarz von der Deutschen Gesellschaft für Implantologie. Gute Studien, welche Baureihe, Form und Oberfläche am
besten hält, gibt es kaum. Nach
zehn Jahren sollen etwa 90 Prozent der künstlichen Wurzeln
noch funktionstüchtig sein, besagen die Untersuchungen großer
Hersteller.
Ob sich solche Spitzenwerte
auch jenseits spezialisierter Praxen und Kliniken erreichen lassen, ist aber unklar. Ein deutschlandweites Register, mit dem sich
Erfolg und Misserfolg systematisch untersuchen ließen, ist nicht
geplant.
Die größte Gefahr, dass ein
Patient ein Implantat wieder verliert, geht von Bakterien aus.
FOCUS 32/2014
Kleine und große Baustellen
Geht ein Zahn kaputt oder verloren, stehen verschiedene
Reparatur- und Ersatzmöglichkeiten zur Verfügung. Welche Methode eignet sich wofür?
KRONE
Wenn Zähne durch Karies stark
zerfressen sind, schützt ein
künstliches Hütchen Wurzel und
Zahnmark vor weiteren Schäden.
Es wird im Zahnlabor aus
Metalllegierungen, Edelmetall
oder Keramik gefertigt. Gesetzliche Kassen zahlen nur für
einfache, graue Metallkronen, im
Frontzahnbereich auch für eine
helle Verblendung.
VENEER
Schiefe, kurze, verfärbte oder
abgebrochene Zähne kaschieren
Verblendschalen aus Keramik.
Um sie anzubringen, muss der
Zahnarzt etwa 0,5 Millimeter
gesunden Zahnschmelz abschleifen. Das angepasste Schälchen
klebt er mit Speziallösung auf.
Inzwischen gibt es auch 0,2 Millimeter dünne Veneers, für die kein
Abschleifen mehr nötig ist.
BRÜCKE
IMPLANTAT
Die teuerste Form des Zahnersatzes besteht in der Regel
aus drei Teilen: einer Schraube im
Kiefer, einem Verbindungsaufsatz
und einer Krone aus dem Dentallabor. Um sie zu befestigen, muss
der Kieferknochen allerdings
FOCUS 32/2014
stabil genug sein. Implantate
können auch als Befestigung von
Brücken und Prothesen dienen.
Bei starken Rauchern, schlecht
eingestellten Diabetikern oder
mangelnder Mundhygiene ist die
Komplikationsrate erhöht.
Die Konstruktion aus Metall und
Keramik überspannt kurze Zahnlücken mit bis zu drei Fehlstellen.
Auf den Pfeiler-Zähnen, die die
Brücke halten, lastet jetzt
zusätzlich der Kaudruck, den
früher die fehlenden Zähne getragen hätten. Deswegen müssen
die Ankerzähne noch fest im
Kiefer stehen. Für eine Brücke
werden ihre Kronen allerdings
stark beschliffen.
75
TITEL
Eine dauerhafte Infektion greift
den Kieferknochen an. Die HighTech-Schrauben können dann
schon nach Wochen ausfallen.
Zahnärzte müssen deshalb bei
jedem Patienten akribisch prüfen, ob er noch Karies oder eine
Zahnbettentzündung (Parodontitis) hat. Bevor sie die Bakterienherde nicht beseitigt haben,
darf kein Implantat eingesetzt
werden.
Das hat auch Anton Lich (Name
geändert) zu spüren bekommen.
Den 45-Jährigen würden viele
Leidgeplagte um sein Gebiss
beneiden. Er hat nur zwei Füllungen und „noch nie im Leben
Zahnschmerzen gehabt“. Doch
ganz langsam hat sich in seiner
sonst makellosen Zahnreihe ein
Frontzahn gelockert. Inzwischen
ist er so weit gedreht und herausgeschoben, dass Lich den pro-
14
Zähne
fehlen im Gebiss von
65- bis 74-jährigen
Deutschen durchschnittlich
minent stehenden Sonderling
ziehen und durch ein Implantat
ersetzen lassen will. „Im ästhetischen Bereich sind Implantate
sicher erste Wahl für den Zahnersatz“, empfiehlt Implantologe
Schwarz.
Bis Lich jedoch eine Kunstwurzel bekommen kann, dürfte fast
ein Jahr vergehen. Sein Zahnarzt
entdeckte eine Entzündung, die
die Haltefasern des verdrehten
Verwirrende Schraubenvielfalt
Mehr als 200 Implantatsysteme sind in Deutschland im Einsatz. Hersteller experimentieren mit neuen
Formen, Oberflächen und Materialien. Ein Überblick über die wichtigsten Implantatgruppen
Zirkonoxid
ZIRKONOXID
S
ie bestehen meistens aus
reinem Titan. Abgesehen
von Länge und Durchmesser
unterscheiden sich die
geschraubten Wurzeln vor
allem in der Verarbeitung ihrer
Oberflächen. Diese werden
durch verschiedene chemische
oder mechanische Prozesse
bearbeitet, damit Knochenzellen besser anwachsen. Vorteil:
Das Material ist sehr zuverlässig. Nach zehn Jahren sind
noch 83 bis 97 Prozent der
Implantate funktionstüchtig.
Nachteil: Allergien gegen das
Metall sind selten, aber möglich. Das Risiko kann erhöht
sein, wenn die Schraube aus
einer Legierung besteht, die
Nickel, Kupfer, Beryllium oder
Palladium enthält.
76
W
ird heute von KeramikImplantaten gesprochen,
ist meist kein Porzellan, sondern metallfreie ZirkonoxidKeramik gemeint. Vorteil: Das
Material ist härter als Titan und
die Stifte sind weiß statt grau.
Das sieht schöner aus, wenn
das Zahnfleisch sehr dünn ist.
Allergien gegen Zirkon sind
bislang nicht bekannt.
Nachteil: Für Zirkonimplantate
ist ein gutes knöchernes Lager
nötig. Das heißt, der Kieferknochen darf nicht zu schmal oder
zu weit abgebaut sein. Auch
nach einem Knochenaufbau
muss man mit einer längeren
Einheilungszeit rechnen. Langzeitdaten über die Sicherheit
von Zirkonimplantaten liegen
noch nicht vor.
Beschichtet
Miniimplantat
BESCHICHTETE IMPLANTATE
E
inige Hersteller haben die
Kunstwurzeln aus Zirkon
oder Titan mit einer Spezialschicht versehen, um die Einheilung in den Knochen zu
beschleunigen und um das
Ansiedeln von Bakterien zu verhindern. Die Schutzüberzüge
bestehen aus körperverwandten Stoffen wie Hydroxylapatit,
Kalziumphosphat, aber auch
Antibiotika, das Klebe-Eiweiß
Kollagen oder wachstumsfördernden Substanzen.
Erste klinische Studien lassen keinen Vorteil solcher
Zahnimplantate im Vergleich
zu unbeschichteten Modellen erkennen. Die meisten
Vergleichstests sind allerdings
noch im Tierversuchs- oder
Zellkultur-Stadium.
MINI-IMPLANTAT
F
ür schmale Kieferknochen
gibt es Implantate mit nur
zwei bis drei Millimeter Durchmesser, halb so breit wie viele
Standardschrauben. Zum Einsatz kommen sie bei engen
Einzelzahnlücken oder als filigrane Stützpfeiler für eine Zahnprothese.
Weniger als sechs Millimeter
lange, aber normal breite Kurzimplantate können eine Alternative für Patienten sein, bei
denen die Höhe des Kieferknochens stark geschrumpft ist.
Nachteile: Sie brechen und
reißen schneller und halten
im Mittel weniger lang als
herkömmliche Implantate.
Eine Titan-Legierung soll sie
fester machen, birgt aber ein
Allergierisiko.
FOCUS 32/2014
Foto: Steffen Roth für FOCUS-Magazin
Titan
TITAN-IMPLANTATE
Kosten-Check
Die Preisspanne bei Zahnersatz ist
groß. Worauf Sie achten sollten
GESETZLICHE KASSEN ZAHLEN WENIG
Für Zahnersatz und Kronen gibt es einen Festzuschuss, etwa der halbe Preis der sogenannten
„Regelversorgung“, z. B. unverblendete NichtEdelmetall-Kronen für Backenzähne. Der
Zuschuss steigt, wenn das Bonusheft fünf oder
zehn Jahre lang lückenlos geführt wurde. Den
Rest der Rechnung trägt der Patient.
Viele Kassen bieten aber auch Zahnersatz zum
Nulltarif mit besonderen Bedingungen (S. 82).
Ein Jahr bis
zum Ziel
In Anton Lichs Mund
hat sein Zahnarzt
eine Parodontitis
entdeckt. Sie muss
erst abklingen,
ehe ein Implantat
gesetzt werden kann
Zahns zerstört und auch weitere
Zähne befallen hat.
Um die Infektion zu bekämpfen,
reinigt er die bakterienverseuchten Zahnfleischtaschen. In schwierigen Fällen verabreicht er auch
Antibiotika. Dadurch klingt die
Entzündung meist ab. Sogenannte Schmelzmatrix-Proteine sollen
den geschwundenen Knochen
regenerieren helfen. Die anderen
befallenen Zähne wird der Arzt
so wahrscheinlich retten können –
ohne ästhetische Einbußen.
Von den 13 Millionen Zähnen,
die jedes Jahr in Deutschland
gezogen werden, könnte man viele retten, kritisieren einige Fachleute. Doch der Aufwand lohnt
sich für einen Zahnarzt oft nicht.
Er verdient meist mehr daran,
einen Zahn zu ziehen und Ersatz
einzubauen, als mit mühseligen
Wurzelkanalbehandlungen und
Parodontitis-Therapien. Hans Jörg
Staehle von der Uniklinik Heidelberg bemängelt zudem, dass sich
zu wenige Mediziner auf diesen
Feldern weiterbilden. Er sagt: „Es
gibt in Deutschland zwar Fachzahnärzte fürs Zähneziehen, aber
keine fürs Zähneerhalten.“
FOCUS 32/2014
Wie wichtig der richtige Fachmann ist, hat Eva Schober erfahren. Ende der 80er-Jahre bemerkte sie, dass ihre Zähne wackeln.
Versuche, die Parodontitis zu
behandeln, verliefen erfolglos. Ihr
Zahnarzt hatte schon einen Plan
aufgestellt, nach dem er die Hälfte ihrer Zähne ziehen und durch
eine Prothese ersetzen wollte.
Doch mit Mitte 40 wollte sie ihr
natürliches Gebiss nicht verlieren, wechselte die Praxis. Schober geriet an eine Zahnärztin, die
die Bakterienbekämpfung ernst
nahm. Seit mehr als 15 Jahren
lässt sie sich nun alle drei Monate ihr Zahnfleisch reinigen.
Die regelmäßigen NachsorgeSitzungen zahlen die gesetzlichen Krankenkassen nicht.
Peter Eickholz von der Deutschen
Gesellschaft für Parodontologie
ist überzeugt, dass sich damit
trotzdem Geld sparen lässt. So
geht seine Rechnung: Zehn Jahre Nachsorge kosten einen Parodontitis-Patienten etwa 3000
Euro. Wenn sie gut gemacht wird,
müssen in dieser Zeit im Durchschnitt zwei Zähne weniger gezogen werden. „Zahnersatz für
VERGLEICHEN IST ERLAUBT
Vor der Behandlung erstellt der Arzt einen Heilund Kostenplan. Er umfasst Ausgangsbefund,
geplante Maßnahmen und zu erwartende Kosten.
Auf dieser Grundlage entscheidet die Kasse über
den Zuschuss. Holen Sie sich vor größeren Maßnahmen ein Vergleichsangebot ein. Einen Zweitmeinungsservice bieten die Kassenzahnärztliche
Bundesvereinigung (www.zahnarzt-zweitmeinung.de) und kommerzielle Anbieter wie 2tezahnarztmeinung.de. Aber: Der günstigere
Zahnarzt muss nicht der bessere sein.
Lassen Sie sich größere Preisunterschiede erklären. Achtung: Bei Implantaten werden mitunter
getrennte Kostenpläne für das Einsetzen der
Schrauben und den späteren Aufbau erstellt. Fragen Sie nach den zu erwartenden Gesamtkosten.
TEURE EXTRAS
Höherwertige Materialien und Implantate
rechnt der Zahnarzt mit Patienten privat ab.
Je nach Aufwand und Schwierigkeitsgrad multipliziert er einen Basisbetrag mit einem Faktor. Die
Rechnung wird entsprechend teurer. Faktoren
über 2,3 muss der Zahnarzt begründen. Faktoren
über 3,5 sind nur in Ausnahmefällen möglich.
Haken Sie nach, ob teure zusätzliche Diagnostik wirklich nötig ist. 3-D-Aufnahmen vom Kiefer geben dem Zahnarzt in schwierigen Fällen zwar
mehr Sicherheit. Dass sie in der Regel zu besseren
Ergebnissen führen, ist aber nicht belegt.
ÜBERRASCHUNGEN BLEIBEN
Unvorhersehbare Komplikationen und Mehraufwand kann der Zahnarzt in Rechnung stellen, auch
wenn sie nicht auf dem Heil- und Kostenplan
standen. Fragen Sie im Voraus, mit welchen
möglichen Komplikationen der Arzt rechnet.
77
Biss
gerettet
Vor knapp 30 Jahren
begannen Eva
Schobers Zähne zu
wackeln. Kurz bevor
sie gezogen werden
sollten, fand sie eine
Zahnärztin, die ihre
Parodontitis richtig
behandelte. Heute
sitzen fast alle Zähne
wieder fest
diese zwei Zähne ist deutlich teurer“, sagt Eickholz.
Nicht jeder Zahn lässt sich retten. Auch Eva Schober hat inzwischen vier Implantate. Trotzdem
sieht sie das Ergebnis als Erfolg:
„Wenn ich nichts unternommen
hätte, hätte ich wahrscheinlich
heute keine eigenen Zähne mehr.“
Gerettete Zähne sehen mitunter nicht schön aus. Inzwischen
bieten spezialisierte Praxen aber
auch für solche Fälle Lösungen an. Mit Transplantaten
verdecken sie lange Zahnhälse und stellen den ursprünglichen rosa Fleischsaum wieder
her. Verfärbte Wurzelfüllungen
können gebleicht werden. Mit
modernen zahnfarbenen Komposit-Werkstoffen lassen sich gar
Zahnlücken kaschieren.
Die Grenzen der Kunst erfahren viele Patienten, wenn sie
den Kostenvoranschlag ihres
Arztes in den Händen halten. Wie viele zahnmedizinischen Leistungen sind
ästhetische Extras Privat78
sache, für die manche Patienten
viel Geld ausgeben. Preisvergleiche zwischen verschiedenen Praxen sind deshalb heute gängig.
Volker Schwarz sollte neue Kronen bekommen. 2348 Euro waren
für die Behandlung mit drei edlen
Hütchen aus Vollkeramik angesetzt. „Das erschien mir extrem
viel“, berichtet der Stuttgarter.
„Als ich meinen Zahnarzt darauf
ansprach, meinte er nur, es würde
schließlich alles teurer, und das
wäre jetzt eben der Preis.“
Tatsächlich liegt das Angebot im oberen Bereich für so
eine Behandlung. Die Zahnarzt-Preise unterscheiden sich
massiv von Region zu Region
in Deutschland. Laut jüngstem Zahnreport der Barmer
GEK zahlten Versicherte der
Krankenkasse in Baden-Württemberg durchschnittlich 936
Euro Eigenanteil für Zahnersatz und Kronen, in SachsenAnhalt nur 508 Euro. Die
Kasse erklärt das mit dem
„Wohlstandgefälle“. Will
720
Euro
Eigenanteil gaben
gesetzlich
versicherte Patienten 2012 im Schnitt
für neuen Zahnersatz und Kronen aus
3-D-GRAFIK
Seite scannen
mit FOCUS
ACTIVE APP
Sehen Sie einen Zahn
in 3-D
heißen: Wer mehr hat, leistet sich
auch teureren Zahnersatz. Andere
Kritiker vermuten hingegen, dass
Zahnärzte dort mehr für die gleiche Leistung verlangen können,
wo die Lebenshaltungskosten
höher sind.
„In keinem anderen medizinischen Bereich ist der Spielraum für Ärzte, ihre Leistungen
abzurechnen, so groß wie in der
Zahnmedizin“, sagt Holger Lehmann, der die Web-Seite 2tezahnarztmeinung.de betreibt.
Über das Portal hat Volker
Schwarz seine Kronen für rund
1000 Euro billiger bekommen.
Dafür musste er alle Daten aus
dem Heil- und Kostenplan seines Zahnarztes online eintragen. Andere Zahnärzte können
dann Vergleichsangebote abgeben. Schwarz entschied sich für
eine Praxis in der Nachbarstadt
Leinfelden-Echterdingen und ist
mit dem Behandlungsergebnis
zufrieden.
Der Weg zur besten Therapie
führt über den richtigen Behandler, betonen alle Experten einhellig. „Welche Lösung am Ende den
Vorzug erhält, hat viel damit zu
tun, welche Behandlungsphilosophie der Zahnarzt verfolgt“, sagt
Parodontologe Eickholz. „Eine
zweite Meinung einzuholen ist
nie falsch“, betont Implantologe
Frank Schwarz.
Dabei muss der zweite Experte
nicht unbedingt der bessere sein.
Seine Einschätzung hilft aber
meist, einen Überblick über die
verschiedenen Möglichkeiten zu
bekommen, die Zahnärzte heute
haben. „Am Ende entscheidet oft
das Bauchgefühl des Patienten“,
sagt Schwarz. Das muss nicht
schlecht sein.
Die Implantat-Klinik, für die
sich Karin Vogt schließlich entschied, hinterließ bei ihr einen
guten Eindruck. Sie sagt: „Hier
hatte ich nicht das Gefühl, wie
am Fließband durchgeschleust zu
werden.“
n
PAUL KLAMMER / SUSANNE DONNER /
JAN-PHILIPP HEIN / SUSANNE KAILITZ /
MARION MEINERS
FOCUS 32/2014
F otos: Nino Halm für FOCUS-Magazin, plainpicture, F1online
TITEL
So putze ich meine
Zähne richtig
Regelmäßiges Bürsten und Fädeln ist die
beste Vorsorge. Was Sie wissen müssen
ELEKTRISCH ODER VON HAND?
Elektrische Zahnbürsten helfen, typische
Putzfehler zu vermeiden. Weil man mit ihnen
Zahn für Zahn putzen muss, schrubbt man nicht
und drückt weniger auf. Außerdem wird seltener
ein Zahn vergessen. Zudem putzen Benutzer von
elektrischen Bürsten länger. Wer jedoch mit einer
Handzahnbürste geschickt, sanft und gründlich
reinigt, erreicht das gleiche Ergebnis.
KANN ICH
DIE WELT
AUCH VOM
LIEGESTUHL
AUS ENTDECKEN?
JA
WORAN ERKENNE ICH EINE GUTE ZAHNPASTA?
Der Wirkstoff Fluorid härtet den Zahnschmelz und
beugt Karies vor, ist aber nicht in allen Produkten
enthalten. Die Wirkung ist stärker, wenn man
nach dem Putzen nur ausspuckt und nicht
spült. Eine Kombination von Aminfluorid und
Zinnfluorid hemmt auch Bakterien und Entzündungen. Wer empfindliche Zähne hat, sollte eine
Paste mit sehr feinen Schleifkörnern wählen.
SOLL ICH FÄDELN, STOCHERN ODER KRATZEN?
Mit Zahnseide säubert man die Zwischenräume,
die beim Bürsten nicht erreicht werden. Wer täglich fädelt, beugt Zahnbettentzündungen vor.
Größere Lücken reinigt man besser mit Zwischenraumbürstchen. Zahnhölzer bergen die Gefahr,
dass man das Zahnfleisch zu stark verletzt.
HILFT MUNDWASSER?
Mundwässer erfrischen nur den Atem. Spüllösungen mit Chlorhexidin dagegen reduzieren den Bakterienbestand und Entzündungen im Mund. Ob
Zähne dadurch länger halten, ist nicht belegt.
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Schrubben
Fehlanzeige
Nur sanfte
Kreisbewegungen
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FOCUS 32/2014
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Preisänderungen vorbehalten. Stand Juni 2014. JAHN REISEN, eine Marke der
DER Touristik Köln GmbH, Humboldtstr. 140, 51149 Köln.
TITEL
GUTE VORBEREITUNG
Bevor die Zähne aufgehellt werden, müssen
sie gesund sein. Denn die zum Teil aggressiven
Bleichmethoden greifen Zahn und Zahnfleisch
an. Ein Zahnarzt sollte deshalb vor einem
Bleaching – auch mit frei verkäuflichen Mitteln – überprüfen, ob die Zähne weder Karies
noch Entzündungen aufweisen. Auch müssen
Kronen und Füllungen absolut dicht sein,
damit kein Bleichmittel in den Zahn eindringt
und ihn schädigt.
Vor dem Bleichen ist eine professionelle
Zahnreinigung (Kosten: 60 bis 200 Euro)
ratsam. Sie beseitigt Ablagerungen und bringt
den natürlichen Farbton zum Vorschein.
Vielleicht reicht sie auch schon aus, um die
gewünschte Aufhellung zu erreichen.
Kronen und Füllungen verändern ihre
Farbe durch Bleichen übrigens nicht.
Vor der Behandlung sollte mit dem Zahnarzt
geklärt werden, ob eine Farbanpassung
der sanierten Stellen möglich ist.
Natürliches
Lächeln
Europäer haben
leicht gelblichen
Zahnschmelz
Wie weiß darf’s denn sein?
Eine lückenlose Zahnreihe kann unansehnlich wirken, wenn sie
verfärbt ist. Reinigung und Bleichmittel hellen die Tönung auf
WARUM ZÄHNE DUNKEL WERDEN
Mitteleuropäer haben von Natur aus leicht
gelblichgraue Zähne. Die Farbnuancen sind
zudem genetisch bedingt verschieden. Zähne,
weiß wie Neuschnee, wirken in den meisten
Gesichtern eher künstlich.
Mit dem Alter reibt sich der helle Zahnschmelz
langsam ab. Das bräunliche Zahnbein schimmert dann stärker durch und lässt das Gebiss
80
dunkler wirken. Gegen diesen Prozess kann
kein Zahnarzt etwas ausrichten.
Oft stammt der hässliche Gilb jedoch von
Ablagerungen im Schmelz. Rauchen, Rotwein,
Kaffee, Tee, dunkle Früchte, Safran – die Liste
der Farbstoffe ist lang.
Selten führen andere Ursachen wie Blutoder Lebererkrankungen dazu, dass Zähne
dauerhaft verfärbt sind.
PUTZEN, KLEBEN, PINSELN
In der Drogerie werden Zahnpasten, Klebestreifen und Pinsellösungen mit Bleichmitteln
verkauft. Die meisten Produkte enthalten
Wasserstoffperoxid oder Carbamidperoxid. Diese Wirkstoffe setzen am Zahn aktiven Sauerstoff frei, der färbende Substanzen
zerstört. Seit November 2012 dürfen jedoch
nur Mittel mit einer Peroxid-Konzentration
unter 0,1 Prozent ohne zahnärztliche Konsultation verkauft werden. Der Effekt ist dadurch
sehr gering und nicht garantiert.
Zahncremes mit Schmirgelpartikeln reiben
den Zahnschmelz ab und sind deshalb nicht
zu empfehlen.
PROFESSIONELL BLEACHEN ZU HAUSE
Für einen stärkeren Bleicheffekt fertigt der
Zahnarzt beim sogenannten HomeBleaching eine individuell passende Schiene.
Sie wird zu Hause mit einem speziellen Gel mit
bis zu sechs Prozent Peroxid gefüllt und zwei
Wochen lang täglich mehrere Stunden, z. B.
über Nacht, getragen. In dieser Zeit sind färbende Lebensmittel und säurehaltiges Obst
tabu. Bis zu zwei Wochen nach der Behandlung können die Zähne temperaturempfindlich
sein. Die Aufhellung misst der Zahnarzt
anhand einer Farbskala mit 16 Stufen. Bis zu
sechs Farbnuancen Veränderung sind
möglich. Kosten: 200 bis 600 Euro.
FOCUS 32/2014
Licht-Turbo
UV-Strahlung
soll das Bleichen
beschleunigen
SEHE ICH
MEHR,
WENN ICH DIE DINGE MIT
ANDEREN AUGEN
SEHE?
BLEICHEN BEIM ZAHNARZT
Schnelleren Erfolg verspricht ein In-OfficeBleaching beim Zahnarzt. Er kann hochkonzentrierte Bleichmittel anwenden. Der
Behandler schützt das Zahnfleisch mit Kofferdam, einem speziellen Kunststofftuch. Dann
trägt er die Bleichlösung auf die Zähne auf.
Zusätzlich kann er sie mit Laser- oder UVLampen bestrahlen. Die Lichtenergie soll die
Reaktion verstärken. Fachleute raten jedoch
zur Vorsicht. Lieber ohne Licht, aber dafür
schonender. Bis zu sechs Farbnuancen sind
möglich. Kosten: 300 bis 800 Euro.
FOCUS 32/2014
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© Corbis. All Rights Reserved.
RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN
Bei gesunden Zähnen und dichten Füllungen
sind keine dauerhaften Schäden bekannt. Alle
Bleichmethoden sind aber nicht als Dauerbehandlung geeignet, sondern nur für wenige Wochen, bis der gewünschte Farbton
erreicht ist. Dann sollte mindestens ein halbes
Jahr, besser zwei bis drei Jahre Pause sein. kla
F otos: TREJO/PHOTOMASI/Picture Press, Wolfgang Wilde für FOCUS-Magazin
HILFE FÜR SPEZIALFÄLLE
Wurzelbehandelte Zähne können sich mit der
Zeit von innen verfärben. Beim sogenannten
Walking-Bleach öffnet der Zahnarzt die Krone und bringt eine Einlage mit Bleichmittel
ein. Etwa alle drei Tage wechselt er sie, bis der
gewünschte Ton erreicht ist. Kosten: 70 bis
400 Euro pro Zahn.
Ist Bleichen aus medizinischen Gründen nicht
möglich und der Zahn zudem verformt oder
leicht beschädigt, kann mitunter ein Veneer
helfen. Der Zahnarzt schleift dafür etwa 0,5
Millimeter Schmelz ab und klebt später eine
individuell angepasste Porzellanschale auf.
Die Farbe kann das Dentallabor nach Wunsch
gestalten. Veneers halten normalen Kaubelastungen stand und sind über zehn Jahre hinaus
stabil. Kosten: 850 bis 1200 Euro pro Zahn.
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Tausende Euro im
Ausland sparen?
Zähne können ein Vermögen kosten. Günstiger: Zahnersatz aus
dem Ausland. Das ist vor allem für Kassenpatienten interessant
– wenn sie einen kooperationswilligen Zahnarzt finden
A
ls Susanne Wincek endlich einen Zahnarzt
fand, der sich wirklich
um ihr Problem kümmerte, erhielt sie eine niederschmetternde Diagnose. „Er sagte zu mir, meine Zähne würden
aussehen wie eine viel befahrene
Autobahn“, erinnert sich die Düs-
seldorferin. Die 48-Jährige hatte
jahrelang im Schlaf so heftig mit
den Zähnen geknirscht, dass sie
diese regelrecht abrasierte. Zahnarzt und Krankenkassen-Gutachter kamen zum selben Schluss:
Susanne Wincek benötigte 26
Kronen und zwei Implantate.
„Mir war klar: Wenn ich mich
Gespartes
Geld
Ausländische Labors
unterbieten bei
gleichwertiger
Qualität die deutsche Konkurrenz.
Zwei Beispiele:
Dreigliedrige
keramisch vollverblendete Brücke
ausländisches Labor
382 Euro
deutsches Labor
575 Euro
Ersparnis
193 Euro
Teleskopprothese
mit drei verblendeten Teleskopen
ausländisches Labor
1146 Euro
deutsches Labor
1675 Euro
Ersparnis
529 Euro
Im Netz gespart
Zahnarzt Efthymios
Pantas von der Praxis
Dr. Z in Düsseldorf
behandelte Susanne
Wincek. Oben
rechts im Bild: ihre
Röntgenaufnahme
mit 26 Kronen
82
schon so einem Mammuteingriff
unterziehen würde, dann sollte
mein Gebiss danach top aussehen“, so Wincek. Deshalb schied
die Standardtherapie – Kronen,
die nur zur sichtbaren Seite hin
zahnfarben verblendet sind – für
die Verwaltungsfachwirtin aus:
„Bei jedem Lachen hätte das
Metall sonst nur so aus meinem
Mund geblitzt.“ Eine Luxusrenovierung (mit Zahnersatz aus
deutschen Labors) kam für Sie
angesichts der prognostizierten
Kosten von mehr als 30 000 Euro
auch nicht in Frage.
Doch die Patientin hatte eine
Alternative. Ihr Zahnarzt gehört
zum Praxis-Netz Dr. Z, das günstige Brücken, Kronen, Prothesen
und Implantate aus dem Ausland beschafft. In ihrem Fall Vollkeramik-Kronen aus Thailand,
die bei 11 500 Euro Gesamtpreis
den Wunsch nach einem strahlenden und zugleich bezahlbaren
Lächeln erfüllten.
Niedrigere Mieten, Materialkosten sowie Löhne im Ausland
eröffnen deutschen Kassenpatienten wie Susanne Wincek die
Möglichkeit, ihr Gebiss preiswert
zu verschönern oder gar kostenlos
zu reparieren.
Trotzdem tun sich viele Versicherte schwer mit einer Entscheidung zwischen Zahnersatz
aus (fern-)östlichen oder aus heimischen Labors. Sie beschleicht
Unbehagen bei dem Gedanken,
medizinische Teile ohne das Siegel made in Germany im Mund
zu tragen.
„Manchmal ist es schwierig
nachzuvollziehen, welche Materialien oder Metalle bei ImportZahnersatz verwendet wurden“,
gibt Peter Engel, Präsident der
Bundeszahnärztekammer, zu
bedenken. Zahnmediziner und
Dr.-Z-Gründer Alexander Berstein
hält dagegen: „Die Herstellung
unseres Zahnersatzes ist in allen
ausländischen Partner-Labors
TÜV-geprüft und entspricht den
europäischen Vorschriften.“
Nach Eintreffen der Arbeiten
in Deutschland würden diese
zentral von einem ZahntechnikFOCUS 32/2014
F oto: Thomas Rabsch für FOCUS-Magazin
TITEL
meister überprüft und dann
weitergeschickt. „Jede unserer
Praxen ist mit einem Dentallabor ausgestattet. Anpassungen
oder womögliche Korrekturen
können direkt vor Ort erfolgen“,
so Berstein. „Dr. Z“ wirbt mit
vier bis fünf Jahren Garantie,
gesetzlich vorgeschrieben sind
zwei Jahre.
Zahnersatz aus dem Ausland
zum Nulltarif bieten mehr als
40 Krankenkassen ihren Versicherten heute an. Allerdings
müssen sie sich für eine einfache Standardtherapie, die sogenannte „Regelversorgung“, entscheiden.
Dazu zählen z. B. (teil-)verblendete Stahlkronen, Stahlbrücken oder Klammerprothesen.
Der Kassenzuschuss deckt die
Rechnung komplett ab. Voraussetzung: Versicherte müssen ihr
Bonusheft mit den abgestempelten Vorsorgeterminen der
letzten zehn Jahre lückenlos
vorweisen – nur wenige Kassen
begnügen sich mit fünf.
Eine weitere Hürde ist, dass
sich die Patienten oft einen neuen Zahnarzt suchen müssen,
der mit einem ausländischen
Dentallabor kooperiert. Vielen
ist das über Jahre gewachsene
Vertrauensverhältnis zu ihrem
Behandler wichtiger, sie entscheiden sich gegen einen neuen Zahnarzt.
Wer den Wechsel wagt, spart
jedoch im Fall der Regelversorgung jegliche Zuzahlung. Und
bei höherwertigen Lösungen,
die über den gesetzlichen Standard hinausgehen, lässt sich wie
im Fall von Susanne Wincek
zumindest viel Geld sparen.
Volkhardt Klöppner, Geschäftsführer von Imex Dental: „Wir
ordern größere Mengen, erzielen dadurch günstige Preise, die
wir dann an die Kunden weitergeben.“ Das Essener ImportLabor kooperiert mittlerweile
mit mehr als 3000 Zahnärzten
bundesweit.
■
KANN MAN AN EINEM
STRAND
NOCH MEHR FINDEN ALS
MUSCHELN?
JA
JOCHEN SCHUSTER
Vorsicht, Zusatztarif!
Sie versprechen viel, halten aber oft wenig:
Zusatztarife rechnen sich kaum
FALLSTRICKE IM KLEINGEDRUCKTEN
Zusatztarife zahlen nicht sofort. Meist gelten
Wartezeiten von mehreren Monaten. Dazu greifen dann noch so genannte Erstattungsstaffeln,
die den bezuschussten Betrag deckeln. Oft wird
erst nach drei Beitragsjahren die Maximalsumme
von ein paar Tausend Euro übernommen. Einige
Tarife leisten nur, wenn auch die gesetzliche Kasse
etwas zahlt. Andere schließen bestimmte
Behandlungen wie Implantate von vornherein aus.
FOCUS 32/2014
© Corbis. All Rights Reserved.
DIE BESSERE VARIANTE
Für Patienten rechnet sich das Nulltarifangebot
vieler Kassen meist besser: Das spart alle Zuzahlungen, eine Zusatzversicherung ist unnötig. Wer
eine höherwertige Versorgung günstiger haben
möchte, sollte lieber auf Kassen-Kooperationspartner wie Dr. Z zurück greifen.
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5050
Quelle: eigene Recherche
13 190
FOCUS 32/2014
Fotos: Gelencser Dental, mauritius images
· 5 Implantate
Grund der vorliegenden Ergebnisse nicht repräsentativ gezogen
werden“, so Dietmar Oesterreich,
Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer. Patienten müssten
letztlich „selbst eine Einschätzung des Zahnarztes im Ausland
vornehmen“.
Für Gregor Bornes, Zahnexperte
der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD), zeigen
sich manche Risiken der Zahnreise erst nach der Rückkehr: „Es ist
nicht immer böse gemeint, wenn
der deutsche Zahnarzt seinen Patienten mit Implantaten aus dem
Ausland nicht mehr behandeln
möchte“, erklärt Bornes.
Oft verwendeten Dentalkliniken im Ausland andere Implantatsysteme als heimische Ärzte
(weit verbreitet sind z. B. Camlog, Dentsply, Straumann oder
Nobel-Biocare). Zu den Systemen
zählen auch spezielle Werkzeuge, die jeder Hersteller nur für
seine Implantate entwickelt und
die oft allein zwischen 3000 bis
5000 Euro kosten. „Patienten sollten vorab klären, welches System
Deu
84
Kosten für Zahnersatz
in ausgewählten
europäischen Ländern,
in Euro
Öst
erre
Eine der Boom-Kliniken ist
Gelencser Dental in Heviz, die
neben einer blitzblanken Hauptklinik am Ort zusätzlich in drei
Hotels mit eigenen Behandlungsräumen vertreten ist. „Wir wollen
es unseren Patienten so angenehm wie möglich machen und
die Wege kurz halten“, erklärt
Chef Janos Gelencser.
60 Prozent
Abschlag
rn
1%
der Deutschen ließ sich schon
Zähne im Ausland behandeln
Das Konzept scheint aufzugehen: Die Ungarn können auf viele zufriedene Kunden verweisen.
Und seit drei Jahren kooperiert
sogar die Techniker Krankenkasse (TK) mit Gelencser sowie vier
weiteren Zahnkliniken in Ungarn
und Polen. „Zu Kassenleistungen
wie zum Beispiel Kronen und
Brücken haben wir von unseren
Versicherten, die sich in unseren
Vertragskliniken in Polen und
Ungarn behandeln lassen haben,
sehr positive Rückmeldungen
erhalten“, urteilt Deutschlands
größte Kasse.
Negativbeispiele wie das von
Wolfgang Neubert aus Nürnberg sind eher selten zu finden:
Der 52-Jährige ließ sich 2011 in
Ungarn drei Implantate einsetzen, doch sein Kieferknochen
stieß die Schrauben wieder ab.
„Dreimal reiste ich nach Budapest, aber die Entzündung und
die Schmerzen hörten nicht auf.
Dann hatte ich keine Lust mehr,
meine Urlaubstage für Zahnreisen nach Ungarn zu verplempern“, berichtet der Messtechniker. Entnervt ließ er seinen
Nürnberger Zahnarzt ans Gebiss.
Neubert: „Der war 2000 Euro
teurer, dafür gab es bis heute
keine Probleme.“
Aussagekräftige Untersuchungen zur Behandlungsqualität in
Osteuropa fehlen bis heute. Eine
Studie der EU deckte dort Defizite bei der Ausbildung und bei
zahnärztlicher Behandlungsmethodik auf.
„Ein Schluss auf die Behandlungsqualität kann aber auf
Ung
a
W
nellnessurlaub oder
doch lieber neue
Zähne? Im ungarischen Heviz mit seinem bekannten Thermalsee geht
beides. An den Ufern des schwach
radioaktiven Heilgewässers haben sich Dentalkliniken angesiedelt, die ihrer Kundschaft vor
allem aus dem westlichen Europa zwischen den Behandlungen
relaxte Stunden im Kur-Ambiente
anbieten.
Natürlich reisen die meisten
wegen der günstigen Preise nach
Ungarn: Im Vergleich zu Deutschland kosten hier selbst höherwertige Kronen- und ImplantatLösungen oft weniger als die
Hälfte (vgl. Grafik rechts). Dazu
versüßen einige Zahnärzte ihren
Patienten die lange Anreise auch
noch mit ein paar Tagen kostenloser Unterkunft.
Composing: FOCUS Magazin
Der Zahntourismus hat sich in Europas Gesundheitsmarkt etabliert. Um Ärger zu vermeiden,
sollten Patienten wichtige Spielregeln beachten
Checkliste Ausland
Bevor Sie ins Flugzeug steigen, sollten
wichtige Fragen vorab geklärt sein:
DOPPELT BEGUTACHTEN LASSEN
Lassen Sie sich zu Hause zwei Heil- und Kostenpläne erstellen: einen von Ihrem Zahnarzt und
einen von einem gänzlich unbefangenen Zahnarzt.
Viele Krankenkassen empfehlen auch GutachterZahnärzte. So erhalten Sie zwei Einschätzungen,
was Sie wirklich brauchen, bevor Sie abreisen.
AUF EMPFEHLUNGEN ACHTEN
Wählen Sie Ihre Auslandsklinik nur nach seriösen
Empfehlungen aus und nicht nach farbigen
Prospekten. Krankenkassen haben oft die besten
Informationen zu Qualität, Service, Kulanz und
Komplikationen. Misstrauen Sie Internet-Portalen.
PREISE RICHTIG VERGLEICHEN
Achten Sie auf Details: Verwendet die Auslandsklinik dasselbe Implantatsystem wie Ihr Zahnarzt zu Hause? Sind Kronen und Schrauben in der
gleichen Qualität beschrieben? Sind die Hygienestandards im Ausland geprüft (z. B. vom TÜV)?
die Klinik im Ausland verwendet
und ob damit auch ihr Zahnarzt
in Deutschland arbeitet.“
Nur weil sie im Ausland erheblich günstiger sind, „braucht niemand Implantate“, gibt der Patientenberater grundsätzlich zu
bedenken. Oft genügten Brücken
und Kronen. „Schnäppchenpreise
und Urlaubsstimmung sollten niemanden zu Fehlentscheidungen
verleiten.“
■
DIE VORBEREITUNG ZÄHLT
Knochen und Wurzelspitzen röntgen. Allergien
auf Werkstoffe ausschließen. Entzündungen
sowie Karies ausheilen bzw. entfernen lassen.
Auf gesunde Mundschleimhaut und
Kiefergelenke achten. Dann: Gute Reise!
MATTHIAS KOWALSKI
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WISSEN
Steuern
rauf für
Süßes?
D
er WM-Traum platzte für Alicia Weber an
der Sicherheitskontrolle.
Die 15-Jährige aus dem
badischen Hüffenhardt war auf
Klassenfahrt in Berlin und wollte auf der Fanmeile die Siegermannschaft feiern. Alicia ist Typ1-Diabetikerin und hatte zwei
Insulin-Pens und ein Blutzuckermessgerät in ihrer Handtasche
– für die Realschülerin überlebenswichtige Utensilien. Doch die
Security-Frau sah das anders. „Sie
hat gesagt, ich solle das ,Zeug‘
wegwerfen. Sonst käme ich nicht
rein“, erzählt Alicia. Enttäuscht
kehrte das Mädchen um.
Im Kampf gegen Diabetes
schlägt sich Deutschland nicht
weltmeisterlich. Die Zuckerkrankheit wird unterschätzt. Dabei leben mehr als sechs Millionen Bürger mit dieser Stoffwechselstörung. Jeden Tag erhalten mehr als
700 Menschen die Diagnose. Und
zehn Millionen Deutsche haben
ein hohes Risiko, in den nächsten Jahren an Diabetes zu erkranken. Diesem enormen Anstieg ist
unser Gesundheitssystem kaum
86
gewachsen: Schon heute kostet
die Krankheit 35 Milliarden Euro
im Jahr.
Deshalb wollen Länder und
Bundesregierung die Zuckerkrankheit zurückdrängen. Mitte
Juli stimmte der Bundesrat für
die Aufstellung eines Nationalen
Diabetesplans. Dieses Konzept
soll künftig die Prävention, die
Früherkennung, die Versorgung
und die Selbsthilfe der Patienten
verbessern. Eine der wichtigsten
Säulen eines solchen Plans ist ein
deutschlandweites Register, mit
dem sich Erfolge und Misserfolge
in der Therapie und Prävention
analysieren lassen.
Zwischen 1998 und 2011 ist
die Zahl der Diabeteserkrankungen in Deutschland um 38 Prozent gestiegen. Dass dieser fatale
Trend aufhören muss, bezweifelt
niemand. „Ein Weiter-so wäre
nicht zu verantworten“, sagt
daher Kristin Alheit (SPD), Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin. „Wer die Zahlen ignoriert,
handelt fahrlässig.“ Alheit brachte den Antrag in die Länderkammer ein. Schnelle Entscheidungen
Zuckerkrank
Alicia Weber, 15, bei
der Blutzuckermessung. Wie sie müssen sechs Millionen
Diabetiker in
Deutschland regelmäßig ihre Glukosewerte kontrollieren
sind aber kaum zu erwarten: Von
den Bundesratsinitiativen münden im Schnitt weniger als 20 Prozent in ein Gesetz.
Dabei sind die Deutschen
ohnehin spät dran. Andere Staaten haben den Kampf gegen Diabetes schon früher aufgenommen
und führen ihn konsequenter. 17
EU-Länder verfolgen bereits seit
Langem eine offizielle Diabetesstrategie. Unter ihnen Italien und
Spanien, wo zusammen ungefähr
so viele Zuckerkranke leben wie
bei uns. „In vielen Ländern der
Erde stehen die Ampeln längst
auf Grün für nationale Pläne
gegen Diabetes“, sagt Stefanie
Gerlach vom Dachverband diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe.
Nur Deutschland fahre noch mit
angezogener Handbremse. „Ich
vertraue darauf, dass in der Bundesregierung vernünftige Leute
sitzen, die den Handlungsbedarf nun begreifen“, so Expertin
Gerlach.
Doch in Berlin tut man sich
schwer mit einer konzertierten
Aktion. Das Gesundheitsministerium verweist auf das geplante
FOCUS 32/2014
Fotos: Dirk Tacke für FOCUS-Magazin, Nino Halm für FOCUS-Magazin
Diabetes nimmt zu wie eine Seuche.
Sechs Millionen Deutsche sind zuckerkrank.
Der Staat muss handeln, fordern Patientenverbände und verlangen Strafsteuern auf
Süßigkeiten und anderes ungesundes Essen
Kettenreaktion
Schlechte Ernährung
und Übergewicht
erhöhen das Risiko,
zuckerkrank zu
werden
Kiel
SCHLESWIGHOLSTEIN
Hamburg
MECKLENBURGVORPOMMERN
Schwerin
Bremen
B ER L IN
NIEDERSACHSEN
Hannover
NORDRHEINWESTFALEN
Düsseldorf
In sozial schwächeren
Gegenden sind
mehr Menschen
zuckerkrank als in
reichen Regionen
SACHSEN
Dresden
Erfurt
HESSEN
Verbreitung von
Diabetes in
Deutschland
Potsdam
Magdeburg
BRANDENBURG
SACHSENANHALT
THÜRINGEN
6,7 % bis 7,0 %
über 7,0 % bis 7,3 %
Wiesbaden
RHEINLANDP F A L Z Mainz
über 7,3% bis 7,5 %
über 7,5% bis 8,3 %
über 8,3% bis 9,0 %
SAARLAND
über 9,0% bis 10,0 %
B AY E R N
über 10,0% bis 10,4 %
Stuttgart
FOCUS 32/2014
Nr. 3 | 2014
€ 4,90
Nr. 3 | 2014
SENIOREN
SPEZIAL
Alt werden mit
Diabetes – worauf
Sie jetzt achten
sollten
45 KILO
WEG!
Schweiz SFR 9,50
schen Diabetes Gesellschaft zu
kurz. Geschäftsführer Dietrich
Garlichs warnt: „Die Welle, die
uns überrollt, werden wir nicht
mit bunten Info-Blättchen und
gutgemeinten Ermahnungen
stoppen.“ Über den Nationalen
Diabetesplan hinaus verlangt
Garlichs noch eine Kaloriensteuer.
Der frühere Unicef-Geschäftsführer beruft sich auf Empfehlungen
der Weltgesundheitsorganisation
und der Vereinten Nationen. Sie
empfehlen höhere Abgaben auf
verarbeitete Lebensmittel, die
viel Fett, Zucker und Salz enthal-
DIABETES Nr. 3 | 2014
Präventionsgesetz, das Dienstherr Hermann Gröhe (CDU) diese Legislaturperiode vorlegen will.
Das Gesetz soll bessere Gesundheitsangebote in die Schulen,
Kitas, Betriebe und Pflegeheime
bringen. Auch die Krankenkassen
sollen mehr in die Vorsorge investieren. Deshalb ist ein Fahrplan
speziell gegen Diabetes aus Sicht
der Behörde unnötig. Es werde
„ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt“, heißt es in einem internen
Faktenpapier, das FOCUS vorliegt.
Solche Absichtserklärungen
greifen den Experten der Deut-
München
|
BADENWÜRTTEMBERG
Quelle: BARMER GEK
Österreich € 5,60
Saarbrücken
Olympiaheld
und Diabetiker
Matthias Steiner:
Meine Erfolgsgeschichte
PLUS
ÄRZTELISTE
Die TopSpezialisten für
Diabetes
Lebensretter
Insulin
Wer es braucht, wie es wirkt –
das können die neuen Insuline
BROT-GENUSS: Sandwiches & Burger mit wenig BE
ww
w.
ja m
Magazin Mehr zur
Diskussion über die
Zucker-Fett-Steuer
lesen Sie im aktuellen FOCUS Diabetes.
Jetzt am Kiosk
ed
a. de
ten. Gesunde Nahrung wie Obst
und Gemüse soll dafür weniger
kosten. In Deutschland werden
Lebensmittel zurzeit mit sieben
Prozent besteuert. Bei Kalorienbomben wäre ein Steueraufschlag
auf 19 Prozent sinnvoll, findet
Garlichs: „Dass solche Signale
wirksam sind, zeigen die Tabaksteuererhöhungen. Der Anteil der
rauchenden Jugendlichen hat
sich in den vergangenen zehn
Jahren mindestens halbiert. Und
Alkopops, die rasch nach ihrem
Aufkommen mit einer Steuer
belegt wurden, sind vom Markt
fast verschwunden.“
Auch bei diesem Ansatz wagen
andere Länder mehr. Frankreich
erhebt seit zwei Jahren eine
„Cola-Steuer“. Mexiko führte
zum Jahreswechsel eine Strafsteuer für Fast Food, Süßigkeiten
und Softdrinks ein. Dänemark
allerdings schaffte seine Fettsteuer nach einem Jahr wieder
ab, weil viele Schokoladen- und
Pizza-Anhänger auf Supermärkte
im Ausland ausgewichen seien, so
die offizielle Erklärung.
Melanie Huml (CSU), Bayerns Gesundheitsministerin, hält
nichts von einer Zucker-FettSteuer: „Insgesamt zählt die Ausgewogenheit bei der Ernährung.
Dazu braucht es keine staatliche
Zwangssteuer, sondern Hilfe zur
Selbsthilfe.“ Huml bezweifelt,
dass gesetzliche Vorgaben die
Lebensweise der Bürger ändern
können. „Der Staat sitzt nicht
mittags mit am Tisch, schaut
in Kochtöpfe oder schreibt Einkaufszettel“, so die Ministerin.
Während Politiker um Lösungen
ringen, wünschen sich Millionen
Zuckerkranke mehr Verständnis.
Fußballfan Alicia ist immerhin auf
offene Ohren gestoßen. Ihre Mutter Melanie Frauenschuh schrieb
wütend an die Berliner Senatskanzlei. Zwei Tage später kam die
Antwort. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit entschuldigt sich darin in aller Form für
eine offensichtlich „zutiefst bedauerliche Fehlentscheidung“.
■
EILEEN STILLER
87

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