Goethe-Gesellschaft in Köln e.V. „Das Bier in Weimar ist wirklich gut“

Goethe-Gesellschaft in Köln e.V.
Zum Vortrag von Christian Liedtke am 11.6. 2015
„Das Bier in Weimar ist wirklich gut“
Heinrich Heine und Goethe
Vortrag von Christian Liedtke ( Düsseldorf )
Als „der große Heide Nr. 2“, wie er sich selbst einmal nannte, stellte Heinrich Heine
sich in die Nachfolge Goethes – zugleich aber kritisierte er die politische Indifferenz
und „Kunstbehaglichkeit“ des Vorbilds, das nach seiner Ansicht nicht in die moderne
Zeit des „Ideenkampfes“ passte. Zwischen diesen beiden Polen bewegte sich die lebenslange Auseinandersetzung Heines mit Goethe, die der „Dichter der Liebe und
der Revolution“ manchmal polemisch, immer aber originell und produktiv führte.
Christian Liedtke
Geboren 1964 in Hamburg. Studium der Germanistik und
Philosophie in Hamburg, Cincinnati (USA), Köln und Bonn.
Lehrtätigkeit am Germanistischen Seminar der Rheinischen
Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Wissenschaftlicher
Mitarbeiter 1991-1998 und als Lehrbeauftragter 19982001.
2002-2008 am Heinrich-Heine-Institut als Wissenschaft licher Mitarbeiter für die Online-Edition und das digitale
Informationssystem „Heinrich Heine-Portal“.
Seit 2008 am Heinrich-Heine-Institut verantwortlich für das
Archiv mit der Heine-Sammlung, den Sammlungen zu Ro bert Schumann und der allgemeinen Autgraphensammlung sowie für die Redaktion des „Heine-Jahrbuchs“.
Heine und ‚Goethe‘….
„Ich will gar nicht
beschwerlich fallen,
will nur Ihre Hand
küssen und wieder
fortgehen.Ich heiße
H. Heine, bin
Rheinländer…“
„Doktor, was halten Sie von
Goethe?“
Ich aber legte meine Arme kreuzweis
auf die Brust, beugte gläubig das
Haupt, und sprach: „La illah ill allah
wamoham- med rasul allah!“
„Nur sein Auge
war klar und glänzend. Dieses Auge
ist die einzige
Merkwürdigkeit,
die Weimar jetzt
besitzt…“
„In der
Tat, der
Baum war
zu hoch,
man konnte nicht auf
seinen
Wipfel eine
rote Mütze
stecken…“
„Der Schiller-Göthesche Xenienkampf
war doch nur ein Kartoffelkrieg […] jetzt
gilt es die höchsten Interessen des Lebens
selbst, die Revoluzion tritt ein in die
Literatur.“
In den Küssen welche Lüge!
Welche Wonne in dem Schein!
Ach, wie süß ist das Betrügen,
Süßer das Betrogensein!
„Ich habe nie seine Werke
getadelt. Ich habe nie Mängel
darin sehen können, wie jene
Kritiker …“
Zum Vortrag von Christian Liedtke
Zum Thema ‚Bier‘ hatte Goethe eine recht eindeutige Auffassung. Biertrinken stumpfe die Nerven
ab und werde die Schuld tragen an der künftigen „Geistlosigkeit, Verkrüppelung und Armseligkeit
unserer Literatur“. Von Heinrich Heine dagegen ist uns im Anschluss an dessen persönliche
Begegnung mit Goethe am 2. Oktober 1824 ein hohes Lob des Weimarer Bieres überliefert, das
nicht nur Eingang fand in Werbeauftritte der örtlichen Brauerei, das es vielmehr auch wert ist, den
Titel eines Vortrags zum Thema ‚Heinrich Heine und Goethe‘ abzugeben, den Christian Liedtke am
11. Juni 2015 vor der Kölner Goethe-Gesellschaft hielt.
Eine Wanderung durch den Harz führte den Sechsundzwanzigjährigen am Ende auch nach Weimar,
und tags zuvor kündigte er seinen Besuch bei Goethe artig an: „Ew. Exzellenz bitte ich, mir das
Glück zu gewähren einige Minuten vor Ihnen zu stehen. Ich will gar nicht beschwerlich fallen, will
nur Ihre Hand küssen und wieder fortgehen.“ So ist es dann vermutlich auch gekommen. Über den
Ablauf der Begegnung ist fast nichts überliefert, Goethe notiert in sein Tagebuch: „Heine von
Göttingen“ – und von Heine ist nur die Äußerung in einem Brief an dessen engen Berliner Freund
Moses Moser bekannt: „Ich war in Weimar […] Das Bier in Weimar ist wirklich gut, mündlich mehr
darüber.“ [25.10.1824] Das beredte Schweigen hat offenbar auch Heines Freund Moser, mit dem
er sich sonst über alle Dinge des Lebens austauscht, zu einer Nachfrage bewegt, und Heine
antwortet am 1. Juli 1825: „Daß ich Dir von Göthe nichts geschrieben, und wie ich ihn in Weimar
gesprochen, und wie er mir recht viel Freundliches und Herablassendes gesagt, daran hast du nichts
verloren.“ Man mag und darf Verdruss vermuten, die erkenntnisreiche These Christian Liedtkes
aber greift weiter: Hinter Heines Schweigen stecke noch anderes als nur eine oberflächliche
Verstimmung, „nämlich ein intensives Nachdenken über seine eigene zukünftige Rolle als
Schriftsteller, das durch diese Begegnung ausgelöst wurde“. Damit eröffnet der Referent an diesem
Abend einen reizvollen Blick auf die Entwicklung der Beziehung zwischen Heine und Goethe - vom
Weimarer selbst ist umgekehrt keine einzige schriftliche Äußerung über Heines Werke überliefert.
An Goethe zerbrechen oder nur verzweifeln – Heine leidet das nicht. Viel spricht dafür, dass die
Begegnung mit Goethe, von Heine produktiv verarbeitet, zu einer Klärung seiner Position als
Dichter beitrug. Er versteht seine Dichterrolle als Außenseiterposition, als Gegenentwurf zur Rolle
Goethes, als Abgrenzung von der „Kunstbehaglichkeit des großen Zeitablehnungsgenies“. Es zeige
sich der Gegensatz zwischen einer Kunst, die sich „als eine unabhängige zweite Welt“ verstehe und
einer neuen politischen Literatur, die „Tagesleidenschaften mitfühlen“ und Partei ergreifen wolle.
Scheinbar ist damit alles gesagt, wäre Heine nicht schonungslos ehrlich – auch sich selbst
gegenüber: „Ich liege also in wahrhaftem Kriege mit Goethe und seinen Schriften, so wie meine
Lebensansichten in Krieg mit meinen eingebornen Neigungen und geheimen Gemütsbewegungen.“
Er konstatiert „einen Zwiespalt in mir, daß meine Vernunft in beständigem Kampf steht mit meiner
angebornen Neigung zur Schwärmerey“, und, auf Goethe bezogen, dass er dessen Schriften in
poetischer Hinsicht verehre, obgleich sie ihn „im Grund meiner Seele immer abstießen.“ [ Brief v.
26.Mai 1825 an Rudolf Christiani ] Heines Benennung eines Lebensgefühls der tief empfundenen
Widersprüche, eines Missverhältnisses zwischen Kunst und Leben, jene von ihm so benannte
„Zerrissenheit“, trenne ihn von der „Ganzheit“ des Klassikers Goethe und erfordere in einer neuen
Zeit auch eine neue Literatur: „Verfehlte Liebe und verfehlte lyrische Kommunikation werden bei
Heine zum Ausdruck des gesellschaftlichen Zustandes realer Entfremdung“ ( Christian Liedtke).Dem
Hörer des Vortrags mag sich die Einsicht erschließen: Das Verlorene und zugleich als regulative
Idee des künstlerisch wie human Unaufgebbaren repräsentiert zuvorderst das Werk Goethes.
Heine selbst hat Bedeutung und Größe Goethes auch deshalb nie grundsätzlich infrage gestellt:
„Gehöre ich auch zu den Unzufriedenen, so werde ich doch nie zu den Rebellen übergehen“ [Heine
an Varnhagen von Ense, 28.November 1827] Und in seiner Rezension der außerordentlich Goethekritischen Literaturgeschichte von Wolfgang Menzel (1828) bemerkt der Rheinländer erfrischend
frech: „Wir können nicht umhin, ausdrücklich zu bemerken, daß wir unter „Goethentum“ nicht
Goethes Werke verstehen, nicht jene theuren Schöpfungen, die vielleicht noch leben werden, wenn
längst die deutsche Sprache schon gestorben ist, […] wir deuten vielmehr auf goethesche Formen,
wie wir sie bei der blöden Jüngerschar nachgeknetet finden, das matte Nachpiepsen jener Weisen,
die der Alte gepfiffen.“
Dank an Christian Liedtke, der uns Kölnern mit einem gelungenen Vortrag nicht zuletzt noch einmal
erhellend vor Augen geführt hat, dass das Düsseldorfer Nebeneinander von Heine-Institut und
Goethe-Museum widerspruchsfrei und (er)gänzlich gerechtfertigt ist.
Text: Peter Krüger-Wensierski
Bilder des Abends
Dr. Markus Schwering, Vorsitzender der GGK
Ein Blick in das Forum
Christian Liedtke,
Referent des Abends
Ein Vortrag und viele Fragen: Auftakt zum weiteren Gespräch
Anregende Diskussionen im Anschluss
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Unsere nächste Veranstaltung am 28. August 2015
Prof. Dr. Adolf Muschg, Zürich
spricht zum Thema
Der gerettete Mephisto
Bitte beachten
Zeit 19.30 – 22.00
Festveranstaltung der Kölner Goethe-Gesellschaft
anlässlich von Goethes 266. Geburtstag
im FORUM |Kulturquartier [Haus Rautenstrauch-Joest-Museum]