Christ & Leben ideaSpektrum 37/2006 17 Die Abrechnung einer Tagesschau-Sprecherin mit dem Feminismus sorgt für große Aufregung: „Das Eva-Prinzip“ Wer fragt eigentlich nach dem Wohl der Kinder? Am liebsten trägt sie rosa, doch Feministinnen sehen bei ihrem Anblick rot: Eva Herman (Hamburg), langjährige Tagesschau-Sprecherin und Publizistin, hat schon vor Auslieferung ihres neuen Buchs „Das Eva-Prinzip“ für helle Aufregung gesorgt. Sie fordert darin Frauen auf, zur Weiblichkeit zurückzukehren und sich von der Gesellschaft nicht in die Doppelbelastung von Familie und Beruf hineindrängen zu lassen. Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann hatte bereits gefordert, das Buch zu ignorieren, als es noch gar nicht auf dem Markt war. Die Forderung kam eindeutig zu früh, findet Susanne Mockler (40, St. Johann bei Reutlingen), Mutter von acht Kindern und Hausfrau. Ihrer Ansicht nach hat Eva Herman einen der intelligentesten und überzeugendsten Beiträge der letzten Jahre zur Geschlechterdebatte geleistet, eine Streitschrift mit geradezu prophetischen Zügen. Wer fragt eigentlich im gesellschaftlichen Streit um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nach dem Wohl der Kinder? Wer fragt bei der Forderung nach immer mehr Betreuungsplätzen für Kleinstkinder, was den zu Betreuenden wirklich guttut? Eva Herman fragt es in ihrem neuen Buch, dessen Erstauflage von 50.000 bereits vor Auslieferungsstart vergriffen war. Sie wirbt für die häusliche, zumindest aber für hochwertige und individuelle Kinderbetreuung. Und die sei nun einmal naturgemäß am besten von den Müttern zu erfüllen. Wer die Mütter möglichst schnell wieder am Arbeitsplatz sehen will – hier ziehen Feministinnen und Wirtschaftsbosse an einem Strang -, dem könnte Eva Hermans Forderung wie ein Rückfall in alte Zeiten, in Frauenunterdrückung und –ausbeutung vorkommen. Dabei ist das überhaupt nicht Foto oben: dpa, darunter: privat der Tenor des Buches. Allerdings macht Eva Herman darauf aufmerksam, daß sich allen Umfragen zufolge Frauen viel lieber um ihre Kinder kümmern würden, ließe man ihnen die Wahl und würde man die häusliche Erziehungs- und Versorgungsleistung anerkennen. Geschädigte Krippenkinder Ganz entschieden wehrt sich die Autorin gegen die bloße Verwahrung der Kinder, wie sie heute zugunsten der Berufstätigkeit beider Elternteile immer häufiger praktiziert wird. Anhand vieler Studien und Gespräche mit Kinderpsychologen und Pädagogen belegt sie, wie schädlich zu frühe außerhäusliche Fremdbetreuung für die Entwicklung eines Kindes ist. So hat der Kinderarzt Prof. Theodor Hellbrügge in Langzeitstudien nachgewiesen: Was Sprache, soziales Verhal- ten und selbst die motorische Entwicklung betrifft, sind Kinder, die in den ersten drei Jahren bei der Mutter bleiben, ihren Altersgenossen aus den Krippen weit voraus! Das angeblich so fortschrittliche Skandinavien hat in Sachen Kinderbetreuung immerhin ein dickes Plus: Während sich dort eine Erzieherin um vier Kleinkinder kümmert, sind es in deutschen Einrichtungen susanne mockler 18 Christ & Leben vierzehn Kinder! Eva Herman: „Man kann sich vorstellen, wie viel schon eine Frau zu tun hat, die sich über mehrere Stunden um drei Säuglinge kümmert, die allesamt gewickelt, geschaukelt, gefüttert und emotional wie kognitiv gefördert werden wollen und müssen.“ Was Mütter besser machen Trotz der bereits heute inakzeptablen Zustände fordert das deutsche Bundesfamilienministerium den Ausbau der Betreuungsplätze für unter Dreijährige von zur Zeit 60.000 auf 230.000 im Jahr 2010, Eva Herman, während eine EU–Studie der deutDas Eva-Prinzip, schen Erzieherinnenausbildung Pendo Verlag schon 2004 die Note „unzureiMünchen 2006, chend“ gab. Es existieren hierzu264 S., 18 EUR/ lande keine Qualitätsrichtlinien, die 32 sFr. die Betreuung der Kinder regeln. Gleichzeitig zeigen aber unzählige Studien, wie wichtig Nähe, Zuwendung, Sicherheit, Geborgenheit für die frühkindliche Entwicklung sind. Die Autorin sieht in der gegenwärtigen Situation das Dilemma, daß einerseits gar nicht mehr viele Paare überhaupt Kinder haben und andererseits immer mehr Ein grosses medienthema von den Kindern, die in die Welt ideaSpektrum 37/2006 gesetzt werden, entgegen aller Warnrufe von Fachleuten nur noch wegorganisiert werden. Was liegt da näher als Hermans logische Forderung, man solle es den Frauen (wieder) zugestehen, sich selber um ihre Kinder zu kümmern. Karl Marx läßt grüßen Der Wunsch nach Kindern ist ja durchaus da! Nach einer Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie aus dem Jahr 2004 wollen 90 Prozent der Frauen mindestens ein Baby. Tatsächlich bekommen aber immer weniger Paare Nachwuchs. Kinderkriegen ist in der Natur des Menschen verankert, findet Eva Herman. Diesen Wunsch zu unterdrücken, sei demnach unnatürlich. Entscheidender Faktor beim Nein zum Kind sei die Gesellschaft, die den Wert einer Frau an der Leistung mißt, die sie für den Arbeitsmarkt bringt. Die Autorin belegt, daß dieses Denken auf Karl Marx (1818-1883) zurückgeht, der mit seiner Theorie, die Erwerbstätigkeit sei zur Selbstentfaltung unverzichtbar, Millionen von Frauen in den sozialistischen Arbeitsapparat zwang. „Frauen in sozialistischen Ländern wurden nicht gefragt, ob sie berufstätig sein wollten oder nicht. Sie mußten es tun, und parallel wurde flächendeckend die staatliche Kinderbetreuung aufgebaut. Systematisch wurden die Kinder den Eltern entzogen, schon wenige Wochen alte Babys mußten in der Krippe abgegeben werden, damit die Arbeitskraft der Mutter nicht ‚vergeudet’ wurde.“ Heute sind gesellschaftliche Anerkennung, aber zunehmend auch wirtschaftliche Zwänge ausschlaggebend dafür, daß frau den Zeitpunkt für die Erfüllung des tiefgehegten Kinderwunsches weit hinausschiebt. Nicht mehr in dem fruchtbarsten Jahrzehnt zwischen 20 und 30 Jahren wollen Frauen Kinder kriegen, sondern weit nach dem 30. Geburtstag, was häufig dazu führt, daß das Wunschkind aus biologischen Gründen versagt bleibt. Oder daß es nie wirklich in die Partnerschafts– und Karrieresituation paßt und Paare so den möglichen Zeitpunkt verpassen. Das kennt Karrierefrau Eva Herman aus eigener Erfahrung (sie hätte gerne noch mehr Kinder als ihren einen Sohn bekommen) und aus dem Leben vieler Bekannter. Daß Paare durch Kinderlosigkeit wirtschaftlich besser dastehen, aber emotional verarmen, stellt Eva Herman überzeugend dar. Die Emma-Kampagne Die härtesten Reaktionen erhielt die Autorin, die bereits im Mai dieses Jahres im Magazin „Cicero“ einen Artikel mit dem provokativen Titel „Ist die Emanzipation ein Irrtum?“ veröffentlichte, naturgemäß aus dem Lager der Feministinnen. Alice Schwarzers Magazin „Emma“ startete per elektronischem Rundbrief eine Kampagne, auf die Entfernung Eva Hermans aus der Tagesschau hinzuwirken. Ohnehin ist auffällig, daß sich die Feministinnen gegen Eva Herman als Person eingeschossen haben. Das ist bequem und erspart die inhaltliche Auseinandersetzung. Dabei hat die Buchautorin starke Argumente, die sie mit wissenschaftlichen Studien untermauert. Zerriebene Frauen Klar ist: Der Krieg der Geschlechter zerstört Ehe und Familie. Die feministische Ablehnung des Kinderkriegens als Unterjochung der Frauen und Knebelung an ihre Mutterpflichten führt zur völligen Freigabe von Abtreibungen. Feministinnen machen sich fürs Kindertöten stark, während Eva Herman Abtreibungen stark kritisiert und auch auf die psychischen Schäden hinweist, die die vorgeburtliche Tötung des Kindes bei ihren Müttern auslösen kann. Dabei übersieht die Autorin keineswegs die Erfolge, die die frühe und durch echte Mißstände motivierte Frauenbewegung errungen hat, etwa die Gleichberechtigung der Frauen, Frauenwahlrecht sowie Ausbildungs– und Studienmöglichkeiten für Frauen. Überhaupt ist Eva Hermans Anliegen nicht der Ruf zurück zu Heim Anzeige ideaSpektrum 37/2006 und Herd, wie ihre Kritikerinnen voreilig behauptet haben. Sie will einfach Akzeptanz von Frauen, die bereit sind, sich einige Jahre ganz den Kindern und der Familie zu widmen. Sie will, daß die Gesellschaft wahrnimmt, wie stark Frauen in der Mehrfachrolle zwischen Haushalt, Muttersein und Berufstätigkeit zerrieben werden. Sie will, daß Frauen nicht auch noch den männlichen Part mit übernehmen müssen (Zitat: „Familie, Küche, Kinder, Mann, Beruf, Flexibilität, Fitneß, Schönheit, gesunde Ernährung, Selbstverwirklichung ... Es klingt wie ein Hohn: Wer, meine Damen, soll das allen Ernstes schaffen?“). Und sie fordert, daß der in der Schöpfung verankerte Unterschied der Geschlechter nicht weiter geleugnet wird. Dieser Kampf ist Eva Herman eine Menge wert. Seit den ersten Veröffentlichungen einzelner Passagen ihres Buches ist sie Zielscheibe der veröffentlichten Meinung. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen haben sich die Kommentatoren von links bis rechts in zum Teil hämischer Weise auf sie eingeschossen. Natürlich wird ihr auch ihre eigene Biographie vorgehalten: Wie kann eine Frau, die in vierter Ehe lebt, dazu nur ein einziges Kind geboren und nebenher Karriere als Fernsehjournalistin und Buchautorin („Mein Kind schläft durch“) gemacht hat, solche Thesen verbreiten? Meiner Meinung nach hätte es niemand überzeugender schreiben können als sie! Hätte ich als Mutter von acht Kindern dieses Buch geschrieben, die ich aus voller Überzeugung und mit Begeisterung für meine Familie zu Hause geblieben bin, so wäre die Reaktion gewesen: „Klar – so eine Mutter muß eben in einem Buch ihre Biographie rechtfertigen.“ Prophetische Botschaft Die größte Schwäche des Buchs ist der Schluß, wo die Autorin recht unpräzise dafür wirbt, der Weiblichkeit gesellschaftlich mehr Raum zu geben. Ihr Vorschlag – der auch schon vielfach von anderen geäußert wurde -, Frauen in ihren 20ern die Familiengründung und in den 30ern die Karriere zu ermöglichen, ist zwar sicher besser als der heutige Kampf um einen sicheren Arbeitsplatz, bevor Frauen Mut zum Baby haben. Doch läuft auch dieses Modell Gefahr, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Berufung zur Mutter auf eine „Familienphase“ zu reduzieren, die man gegebenenfalls beliebig verkürzen kann. Dennoch: Ich freue mich über Eva Herman, über ihre klugen Argumente und über ihren Mut, den Zeitgeist publizistisch abzuwatschen. Und ich freue mich über eine Aussage auf ihrer Internetseite. Die Frage „Was mir wichtig ist“ beantwortet sie mit den Worten: „Das Gespräch mit dem Schöpfer“. Vielleicht gebraucht der Schöpfer diese ungewöhnliche Frau, um einer gottvergessenen Gesellschaft eine prophetische Botschaft zukommen zu lassen. l Worte von Eva Herman Männer leiden darunter, wenn sie zu immer mehr Aufgaben gedrängt werden, zu denen sie keine Lust und auch keine besondere Veranlagung haben. Männer haben nur in seltenen Fällen freiwillig Hausarbeiten übernommen oder Kinder aufgezogen. Aufgrund ihrer Veranlagung sind sie dafür auch nicht unbedingt vorgesehen. Zeit für Karriere ist immer noch, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Ich wäre bestimmt früher Mutter geworden und hätte mich erst danach um den Job gekümmert, wenn ich mich früher mit der Lebensplanung bewußt beschäftigt hätte. Wir Frauen sollten öfter mal einfach den Mund halten. Christ & Leben 19
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