Singen und beten am »Axel-Tag« - Evangelische Sonntags

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24 · 21. Juni 2015 · Sonntags-Zeitung
GEMEINDEREPORT
Singen und beten am »Axel-Tag«
Jacken zum Schnäppchenpreis,
Gottesdienste, der Marienmarkt
und ein Waldkindergarten: In
der Kirchengemeinde in GroßenLinden steht Vielfalt auf dem
Programm.
E
s ist ganz viel Farbe drin«,
sagt Axel Zeiler-Held über
seine Kirchengemeinde in
Großen-Linden. »Aufgeschlossen und offen«, ergänzt Edith
Höll. Die beiden sind Pfarrer der
Kirchengemeinde in dem Ortsteil von Linden bei Gießen. Kooperation sei auch ein wichtiges
Stichwort im Ort und der Gemeinde, erklärt Höll. »Linden
prägt das Miteinander.«
12 000 Einwohner hat die
Stadt. Rund 3000 gehören zur Kirchengemeinde im Ortsteil. Das
erste Mal urkundlich erwähnt
wurde Großen-Linden um 790 im
Lorscher Codex, einem Manuskript zur Geschichte des Klosters
Lorsch. »Die Kirche war früher
Mittelpunkt vom Mittelpunkt«,
erklärt Edith Höll. Schon vor der
Reformation sei die Kirche in
Großen-Linden ein wichtiges
Verwaltungszentrum in der Region gewesen, weiß die Pfarrerin.
Händler kamen nach dem
Winter erstmals zusammen
Bis heute wird in Großen-Linden
die Tradition gefeiert. Einmal im
Jahr findet der Marienmarkt statt.
»Das ist etwas ganz Besonderes«,
sagt Höll. »Es heißt, dass die
Händler im Mittelalter an diesem
Tag das erste Mal nach dem Winter zusammenkamen«, erzählt
sie. Auch die Kirchengemeinde
hat einen Stand auf dem Fest und
feiert einen Festgottesdienst. Höll
erinnert sich an ihren ersten Marienmarkt vor rund einem Jahr:
»Meine erste Amtshandlung«,
sagt sie. »Ich habe damals Gottesdienst mit einem Kollegen gefeiert. Auseinandergegangen sind
wir als Freunde.«
Fotos: Theresa Röser (2); Kirchengemeinde Großen-Linden (2)
Die Kirchengemeinde Großen-Linden setzt auf Kooperation und besondere Gottesdienste • Von Theresa Röser
GROßEN-LINDEN
■ Gemeinde Großen-Linden
Pfarrer Axel Zeiler-Held und
Pfarrerin Edith Höll,
Frankfurter Straße 42,
35440 Linden,
Telefon: 0 64 03 / 7 26 21,
www.ev-kirche-gr-linden.de
Ein Höhepunkt in Großen-Linden ist der »Axel-Tag« im Waldkindergarten. Pfarrer Axel Zeiler-Held und
Pfarrerin Edith Höll feiern mehr als 30 besondere Gottesdienste im Jahr und begrüßen in der Kirche.
»Es ist wirklich schön hier«, findet Axel Zeiler-Held. Er ist seit
rund sechs Jahren Pfarrer in Großen-Linden. »Ich arbeite sehr gerne hier, es herrscht eine große Offenheit im Ort.« Eines seiner Lieblingsprojekte in der Gemeinde ist
der Waldkindergarten. Seit vier
Jahren gibt es die Kindergartengruppe, die den ganzen Tag im
Wald verbringt. »Das ist eine tolle
Sache«, sagt der Pfarrer. Auch seine beiden Kinder sind Waldkinder. Einmal in der Woche ist
»Axel-Tag«. Dann betet, liest oder
singt der Pfarrer mit den Kindern.
Einen Besuchsdienstkreis, Seniorengruppe, Frauentreff und Musikgruppen wie Flötenensemble,
Gospelchor oder Kirchenchor
gibt es in der Gemeinde auch.
Wolfgang Müglich singt im Kirchenchor mit. »Wir haben sehr
unter dem Alter zu leiden«, sagt
er. Die Gruppe hatte mehr als 50
Mitglieder. Nun sind es noch 24.
Wolfgang Müglich ist auch
Mitglied im heimatkundlichen
Verein des Ortes. Früher bot er
Kirchenführungen an und kennt
die Geschichte des spät-romanischen Baus gut. »Das Kirchenpor-
DREI FRAGEN AN ...
... Pfarrerin Edith Höll, Kirchengemeinde Großen-Linden:
?
Wo ist Ihr Lieblingsplatz in der
Gemeinde?
Mein Lieblingsplatz ist an den
Kaffeetafeln der über 90-Jährigen, wenn ich sie zum Geburtstag besuche und sie aus ihrem Leben erzählen.
?
Wen würden Sie gerne in
Ihren Gottesdienst einladen?
Einladen würde ich gerne Männer und Frauen zwischen 50
und 65.
Was würden Sie spontan mit
einer 20 000 Euro-Spende anfangen?
?
20 000 Euro würde ich in Brandschutzmaßnahmen im Obergeschoss des Gemeindehauses
stecken, damit die Jugendräume
dort wieder genutzt werden
können.
tal ist einmalig gestaltet«, weiß er.
Zwischen Holzschnitzereien und
Sandstein steht die Unterschrift
des Baumeisters. Das sei einmalig.
Die Öffentlichkeitsarbeit der
Gemeinde soll besser werden
Im Obergeschoss des Gemeindehauses gibt es Probleme. Das
Haus ist denkmalgeschützt und
wegen Brandschutzproblemen
darf die Etage nicht für Veranstaltungen genutzt werden. »Da arbeiten wir an einer Lösung«, sagt
Höll.
Arbeiten will die Gemeinde
auch an ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Ein Logo, eine neue Internetpräsenz und ein besserer Gemeindebrief sollen entstehen.
Bisher erscheint »Das Portal« nur
zweimal im Jahr. Doch Edith Höll
ist mit dem Gemeindeleben trotzdem zufrieden: »Im laufenden Betrieb leben wir sehr gut mit dem,
was wir haben.«
Zweimal pro Woche öffnet die
»Kleiderk(l)ammer« der Gemeinde ihre Türen. Jacken, Pullover
oder T-Shirts werden hier für kleines Geld an Bedürftige abge-
geben. Martina Stöhr arbeitet ehrenamtlich bei dem Projekt mit.
»Das Angebot wird sehr gut angenommen«, sagt sie. Rund 60 bis
70 Menschen kommen jede Woche. Eine Jacke kostet nur einen
Euro. »Es ist eine symbolische Abgabe«, betont Stöhr. »Die Kunden
haben ein besseres Gefühl, wenn
sie etwas dafür bezahlt haben.«
Rund 35 besondere Gottesdienste feierte die Gemeinde im
vergangenen Jahr. »Und da sind
die Tauf- und Abendmahlsgottesdienste nicht mitgezählt«, sagt
Höll und lacht. Es gibt ErntedankGottesdienste und Thomasmessen. Musikgruppen gestalten die
Gottesdienste mit.
Die Pfarrer planen mit dem Kirchenvorstand, die Kirche bald für
Besucher zu öffnen. »Wir wollen
offen sein für die Menschen«, sagt
Höll. Ob es dazu ein kleines Programm gibt, wird gerade erarbeitet. »Unsere Ideen reichen von
zwei Kerzen bis hin zu Ausstellungen und Konzerten.«
Eine offene Kirche hat vielleicht schon vor Jahrhunderten
einen prominenten Gast nach
Großen-Linden gelockt: Verwandte Johann-Wolfgang von
Goethes sollen in dem Ort gelebt
haben. Ob der Dichter jedoch in
der Gemeinde zu Gast war, ist
nicht bekannt.