Tapetenwechsel - Tommy Werbung

Folieren 
 Praxis
Tapetenwechsel
Sie möchten Ihren Klassiker in einer anderen Farbe sehen, wollen aber den
originalen Lack erhalten? Sie fürchten den Splitthagel der Winterrallye? Wir
schauen nach, ob Folieren hier helfen kann und wie es funktioniert.
Am Anfang war das
Problem RAL 1015: Das
einst obligate Hellelfenbein
erschwerte den Verkauf
gebrauchter Taxen. Also
orderten die Chauffeure
neutrale Farben und klebten
den Dienst-Dress als Folie
darüber. „Car-Wrapping“
ist heute ein Wachstumsmarkt. Leasing-Autos
werden eingepackt,
um den Lack zu
schonen. Warum also
nicht auch Oldtimer?
F
ür Mathias Martinsohn
jedenfalls sind die Vorteile
der klebrigen Folie bereits erwiesen.
Der Frankfurter hat seinen Jaguar E
betont sportlich hergerichtet und
wünschte sich als i-Tüpfelchen ein
Finish in Mattsilber. Seine Rechnung: „Lackieren ist eine Aktion von
vier Wochen und kostet acht- bis
zehntausend Euro, wenn es gut werden soll. Für die Folierung zahlte ich
nur 2000 Euro.“ Das war vor zwei
Jahren, und die zweite Haut, die sich
völlig faltenfrei um Rundungen des
Coupés schmiegt, zeigt keine Verschleißspuren. Dass es sich um Folie
handelt, verrät nur eine kurze Mittelnaht am Heck. „Ich fahre das Auto im Alltag“,
berichtet
Martinsohn. „Die Folie ist weniger
empfindlich als Lack. Weder Waschanlage noch Sonnenbestrahlung
sind bisher ein Problem.“ Dem Sportwagen-Fan ist klar, dass die PVCFolie nicht die Lebensdauer einer
guten Lackierung erreichen wird.
„Aber verglichen mit dem Lackierungspreis, kann ich mir noch einige
Die Optik erinnert an
Jaguars legendäre Lightweight-Renner: Mathias
Martinsohn ließ seinen
E-Type in seidenmattem
„Mac-Silber“ folieren.
NUR FÜR
PROFIS
Der Anspruch
Folieren ist zwar kein
Ausbildungsberuf, aber
auch keine Arbeit, die
man sich mit Hilfe eines
Handbuchs an einem
Sonntagnachmittag erschließen kann. Man
braucht man viel Übung
und Erfahrung mit den
Eigenschaften der diversen Materialien, eine
ruhige Hand mit dem
Skalpell sowieso.
Die Werkzeuge
Plastikrakel mit und
ohne Filzkante, Cutter,
Heißluftgebläse, Kontur- und Schneideband,
Knifeless-Tape, Zollstock, Microfasertuch.
Der Zeitaufwand
20 Stunden rechnet der
Profi für eine Vollfolierung, vier Stunden zu
Zweit für die Porsche356-Front mit Haube.
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Gut vorbereitet
Demontierbare Leuchten und andere Anbauteile
sollten entfernt werden. Hier kann der OldieBesitzer am ehesten selbst Hand anlegen
Nicht leicht abnehmbare Chrom-Zierleisten werden
abgeklebt. Tiefe Mulden sind mit separaten Folienstücken auszukleiden. Die Kontur markiert...
...grünes „Knifeless-Tape“, ein Klebeband mit
eingelegter Karbonfaser. Wird diese herausgezogen,
schneidet sie die Folie sauber ab
Fehler im Lack kann die Folie nicht
kaschieren: Oft fallen sie sogar mehr
auf als vorher. Hier tritt ein Staubeinschluss als kleiner Pickel hervor
Der Experte
„Eine intakte und saubere Lackoberfläche ist
Grundlage einer guten
Folierung“, sagt Thomas Noschka (45), der
seit sieben Jahren foliert. „Wurden Nanoversiegelung oder Silikonprodukte angewendet,
hält der Kleber nicht.“
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Bis 25 Prozent Dehnung sind möglich: Heißluft (40 bis über 85 Grad)
reduziert die Rückstellkräfte und verschließt die Kanten luftdicht
Folierungen leisten und obendrein
wird der Lack darunter geschont.“
Wer sich im Internet umsieht, findet allerdings auch weniger begeisterte Resümees, liest von faltigen
Folien und Ablösungserscheinungen
schon nach kurzer Zeit. Wir lassen
deshalb Experten am praktischen
Exempel erklären, worauf es ankommt. Das Team von Tommy-Werbung im hessischen Linsengericht,
unterstützt von Reiner Schmidt, Folierungs-Trainer beim Hersteller 3m,
färbt dazu den schwarzen MGB aus
dem Redaktionsfuhrpark halbseitig
rot ein. Frontpartie und Kofferraum-
Rotarbeit
WEITERE INFOS
Nachdem die Oberfläche gereinigt ist
(das Mittel sollte vom Folienhersteller
freigegeben sein), wird die Folienbahn
möglichst faltenfrei aufgelegt
Folieren und H-Kennzeichen
Straff halten, aber nicht überdehnen: Die Dekorfolie
wird trocken verklebt. Mit vier Händen geht es leichter
Die Folie lässt sich mit einer Rakel unter sanftem Druck
glattstreichen. Dazu braucht es Gefühl und Erfahrung
74 Oldtimer Praxis 01.2013
haube eines Porsche 356 erhalten
einen transparenten Schutzfilm.
Am Ende des Tages liefert das
Team in beiden Fällen überzeugende
Resultate ab. Es fällt schwer, den MG
nicht komplett einpacken zu lassen
– Tapetenwechsel für eine Saison, das
hätte Charme. Auch wenn die Folie
Reine Nervensache: Der Fachmann schneidet mit einem
Skalpell eine saubere Kante entlang der Zierleiste
Mit Blick auf die Richtlinien zur Oldtimerzulassung ist das Folieren noch eine Grauzone. Matthias Gerst, Oldtimer-Experte beim TÜV Süd, tendiert
dazu, Klassikern mit moderner Plastikhaut das „H“ zu verweigern, wie er der
OLDTIMER PRAXIS sagte. „Aber ich will
das nicht alleine entscheiden.“ Beim
nächsten Treffen der Oldtimer-Päpste
aus den Landes-TÜVs sowie Dekra,
GTÜ und KÜS im Frühjahr soll das Thema aufs Tapet kommen. Gerst verweist einstweilen darauf, dass der Anforderungskatalog für Oldtimer zur
Außenhaut ein „originales und zeitgenössisches Erscheinungsbild“ und
„Originalwerkstoff“ verlangt. Für den
Lack ist „nur zeitgenössische Farbgebung zulässig“. Und Folien „sind nicht
zeitgenössisch“, sagt Gerst. Das gelte
auch für transparente Schutzfolie, die
nur dem Erhalt von Originalsubstanz
dienen soll. „Sonst bohren wir ein
Loch in den Damm gegen alle möglichen Umbauten. Auch das Nachrüsten
einer elektrischen Servolenkung ließe
sich mit den Vorteilen begründen.“
Folieren 
Qualität im Detail
An der Fensterschachtleiste wird die Folie mit zwei
Millimetern Überstand abgeschnitten und mit dem
Rakel unter die Gummidichtung geschoben
nicht ganz den Glanz eines gut polierten Lacks erreichen mag: Wer es nicht
weiß, wird kaum den Trick erkennen.
Praxisgerechter für den Oldtimersektor erscheint uns aber die Klarsichtfolie, die auf dem schwarzen
Lack des Porsche nahezu unsichtbar
bleibt. Lediglich die Schnittkanten
am Ende der folierten Zone sind bei
intensiver Betrachtung zu erkennen.
Das verwendete Material „VentureShield“ ist laut Hersteller 3m speziell zum Schutz vor Steinschlag,
Abrieb und Kratzern bestimmt. Es
widerstehe Kraftstoffen und vielen
chemischen Einflüssen. Der Film ist
mit einem Fünftel Millimeter doppelt so stark wie die Design-Folien
und kann entschieden mehr verkraften. „Bei den meisten Klassikern in
unserer Kundschaft dreht es sich um
solche Schutzfolierungen der beson-
Häufig bleiben Türausschnitte aus Kostengründen
unfoliert. Vorsicht: Heller Lack kann dann unschön
aus den Tür- und Haubenspalten leuchten
ders gefährdeten Stellen“, sagt Tommy-Chef Thomas Noschka.
Wichtig zu wissen: „Folienfarben
passen nicht zu Lackfarben“, warnt
Fachmann Schmidt. Und es gibt sehr
unterschiedliche Folienqualitäten.
Die Preise reichen von sechs bis über
25 Euro pro Quadratmeter. Die billigeren sind die „kalandrierten“, d.h.
gewalzten Folien. Für Autos sollte
man aber unbedingt die gegossenen
Folien wählen, die eine viel höhere
Formstabilität besitzen und besser
in Sicken und Einbuchtungen haften.
Zu bedenken ist außerdem, dass
die Hersteller nur für den originalen
Werkslack die Verträglichkeit zusichern. Mit gutem Grund: Noschka
hat schon erlebt, dass sich beim Entfernen der Folie – mit Warmluft eigentlich heute kein Problem mehr
– Klarlack löste, „weil beim Nachla-
Rot steht ihm doch auch recht gut. Die Folie sitzt
faltenfrei und ähnelt einer Lackierung zum
Verwechseln, wenn sie auch nicht ganz so tief glänzt
ckieren gepfuscht worden war“.
Auch thermoplastischer US-Lack
könnte Schaden nehmen.
Je nach Schwierigkeitsgrad bewegen sich die Preise für Vollfolierungen
gewöhnlich zwischen 1000 und 3000
Euro. Bei dem MGB wären es etwa
1400 Euro ohne Demontagearbeiten.
Transparente Schutzfolie gibt es ab
etwa 120 Euro für die zwei „Flicken“
im Steinschlagbereich der hinteren
Kotflügel des Porsche 911. Die Arbeit
am 356er dürfte 500 bis 600 Euro
kosten. Wie lange eine Folie hält,
hängt von der Beanspruchung ab.
3m gibt für horizontale Flächen drei
Jahre Garantie. Nach Noschkas Erfahrung sind Standzeiten von fünf
Jahren und mehr möglich.
Text: Alexander Polaschek
Fotos: Andreas Beyer / lex
Aber klar doch
Reiner Schmidt sprüht Shampoo-Wasser
auf. Das ist die Rutschbahn für den transparenten Polyurethan-Schutzfilm,...
...den er ebenfalls (beidseitig!) benetzt.
Unter Zug legen die Folierer den Film auf
und fixieren ihn vorübergend auf den...
Gut, dass der Porsche-Besitzer nicht zuschaut: Mit
scharfer Klinge kerbt der Experte die Folie auf dem
Lack. Sie muss an der Haubenkante getrennt werden,
da sie am rauhen Innenfalz nicht haften würde
 Praxis
...Kotflügeln. In der Mitte beginnend, zieht
der Experte die Fläche mit der Rakel ab,
die mit einem weichen Tuch umhüllt ist
„Eine Folie braucht
Pflege wie Lack:
regelmäßig säubern
und wachsen.
Sie verträgt die
Waschanlage, aber
kein Heißwachs.“
Reiner Schmidt
Der Experte
„Neben der Sachkunde sind zum Folieren
saubere, geheizte Räumelichkeiten obilagtorisch“, sagt Reiner
Schmidt, der sich als
Produkt-Trainer bei 3m
Deutschland (www.3m.
de) in Neuss für einheitliche Qualitätsstandards in der Branche
engagiert. „Der Kleber
benötigt mindestens
24 Stunden mit nicht
weniger als zehn Grad
Celsius, um in die Poren
des Lacks zu fließen.“
Das gewölbte
Frontblech ist eine
Herausforderung:
Die Kunst besteht
darin, die Folie mit
Ziehen und Rakeln
so zu dehnen, dass
sie überall anliegt,
ohne Falten zu
schlagen. Blaues
Klebeband markiert
die spätere
Schnittkante
Oldtimer Praxis 01.2013 75