weiterBILDUNG 1–2008 11 www.tagesanzeiger.ch/bildung Kindergarten- und Unterstufen-Ausbildung Kinderlieb und kreativ sein reichen nicht Pädagogische Hochschulen der Deutschschweiz bieten einen Studiengang an, der zur Lehrperson für den Kindergarten und die ersten beiden Klassen der Primarschule ausbildet. Was beinhaltet dieses Studium und welche beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten bieten sich danach? Kathrin Krammer, Ausbildungsleiterin des Studiengangs Kindergarten/Unterstufe der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz Luzern (PHZ Luzern) gibt Auskunft. Jahren. Diese Kinder unterscheiden sich ganz klar in ihrem Verhalten und ihren Bedürfnissen von Kindern in höheren Klassen der Primarstufe oder der Sekundarstufe. Dies beinhaltet besondere Möglichkeiten, aber auch spezielle Herausforderungen. Es ist aber nicht so, dass sich die Studierenden der Kindergarten- und Unterstufenausbildung den Unterricht auf höheren Stufen nicht zutrauen würden. Vielmehr sehen sie einen Mehrwert darin, den spielerischen und musischen Anteilen des Lernens mehr Gewicht beizumessen und den Kindern auf kreative Weise entdeckende Zugänge zu ermöglichen.» Interview: Regula Bättig (*) Die frühere Ausbildung zur Kindergartenlehrperson gibt es so nicht mehr an der PHZ. Neu werden Lehrpersonen für Kinder im Alter von vier bis acht Jahren ausgebildet. Was beinhaltet dieser neue Ausbildungsgang und wofür befähigt er? Um prüfungsfrei für die Ausbildung zur Kindergarten- und Unterstufenlehrperson an der PHZ zugelassen zu werden, braucht es eine gymnasiale Matura. Womit rechtfertigt sich dieser hohe Anspruch? «Die Ausbildung zur Kindergarten- und Unterstufenlehrperson befähigt die angehenden Lehrpersonen zum Unterrichten auf beiden Stufen. Die Studierenden lernen in Theorie und Praxis, die Kinder in ihrer Selbst-, Sozial- und Sachkompetenz zu fördern und die Lernprozesse vom freien Spiel bis hin zum Erstlesen, Erstschreiben und Erstrechnen anzuregen und zu begleiten. In der Ausbildung werden die fachlichen, fachdidaktischen und pädagogisch-psychologischen Grundlagen aufgebaut. Zum Beispiel lernen Studierende, welche Lernmaterialien geeignet sind, welche typischen Entwicklungsverläufe und Fehler auftreten und wie die Kinder gefördert und begleitet werden können. Gleichzeitig erwerben sie auch die Kompetenz, die Kinder in der Gruppe anzuleiten. Die Kinder sind im Kindergarten meist zum ersten Mal in einer grösseren Gruppe. Kenntnisse über das soziale Lernen in dieser Altersgruppe, z.B. der Aufbau und die Gestaltung von Beziehungen, bilden darum einen wichtigen Aspekt in der Ausbildung.» «Der Bildungsjournalist Reinhard Kahl sagt: «Für die Kleinen die Besten». Um Kinder in ihrer Entwicklung, in ihrem Lernen entsprechend ihrem Entwicklungsstand anregen und begleiten zu können, braucht es ein differenziertes Wissen darüber, welche Kompetenzen sie erwerben und wie solche Kompetenzen aufgebaut wer- den. Man muss verinnerlicht haben, welche Entwicklungsschritte aufeinander folgen, um dann beim einzelnen Kind erkennen zu können, wo es steht, welches der nächste Schritt ist und wie das Kind angeregt werden kann, diesen nächsten Entwicklungsschritt zu nehmen. Es reicht nicht aus, wenn jemand einfach gerne bastelt und kinderlieb ist. Die Anforderungen an den Beruf sind massiv gestiegen, das Tätigkeitsfeld der Lehrperson ist erheblich komplexer geworden. Die neue Ausbildung ist als Antwort auf diese Entwicklungen zu sehen. Ein wesentlicher Vorteil der Ausbildung auf Tertiärstufe ist auch, dass die Ausbildung zur Kindergartenlehrperson aufgewertet wurde und keinen Sackgassenberuf mehr darstellt, sondern Perspektiven für eine Karriere bietet. Interessierte ohne Matura können über einen Vorbereitungskurs mit Aufnahmeprüfung Zugang zur Ausbildung an der PHZ erhalten.» Wie sehen denn die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten einer Kindergarten- und UnterstufenLehrperson mit einem neurechtlichen Abschluss aus? (Fortsetzung auf Seite 12) «Die Kindergarten- und Unterstufenlehrperson, die an einer PH studiert hat, verfügt über ein fundiertes Wissen über die Entwicklungs- und Lernprozesse der Kinder im Kindergarten und den ersten beiden Jahren der Primarstufe. Durch die stärkere Verknüpfung des Kindergartens mit der Primarstufe bietet sich die Chance, diesen Übergang fliessend und den Voraussetzungen der Kinder angemessen zu gestalten.» Wer wählt dieses Studium? «Unsere Studierenden haben ein hohes Interesse und Freude an der Arbeit mit Kindern von vier bis acht Foto: Matthias Jurt Welche Chancen ermöglicht die verstärkte Verknüpfung der Ausbildung zur Kindergarten- mit jener zur Unterstufenlehrperson? Kathrin Krammer (37): Von der Primarlehrerin zur Leiterin Ausbildung Lehrerinnenseminar und Unterrichtstätigkeit auf der Unterstufe der Primarschule. Studium der Pädagogik, Sonderpädagogik und Allgemeinen Psychologie an der Universität Zürich. Wissenschaftliche Assistentin am Pädagogischen Institut der Universität Zürich und Tätigkeit in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen. Es folgten Forschungsaufenthalte in Los Angeles und Kiel und die Arbeit an der Dissertation. Heute ist sie Leiterin der Ausbildung zur Lehrperson für Kindergarten und Unterstufe der Primarschule (1./2. Klasse) an der PHZ in Luzern. Ihr nächstes Ziel: «Der Abschluss der Dissertation im 2008.» 12 (Fortsetzung von Seite 11) «Mit dem Erwerb des Bachelor of Arts in Pre-Primary and Primary Education, den die Studierenden am Ende ihrer Ausbildung zusammen mit dem Lehrdiplom erhalten, steht ihnen der Zugang zu verschiedensten Hochschulen in der Schweiz wie auch im Ausland offen. Die PHZ Luzern bietet beispielsweise ein Masterstudium in Schulischer Heilpädagogik an.» In letzter Zeit hört man vermehrt von der Basisstufe. Was genau ist damit gemeint? «In der Schuleingangsstufe – ein Überbegriff für Basis- und Grundstufe – werden der Kindergarten und die Unterstufe zusammengelegt. Dies ermöglicht, die Kinder ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprechend über das Spiel sukzessive in das schulische Lernen einzuführen. Hintergrund dieser flexibleren Einschulungsform ist die Tatsache, dass die Kinder jeweils mit sehr heterogenen Voraussetzungen in den Kindergarten und die Unterstufe eintreten. Das heisst aber überhaupt nicht, dass alle Kinder ab vier Jahren die Schulbank drücken und lesen und rechnen lernen müssen. Das freie und angeleitete Spiel bleibt wesentlicher Bestandteil der Basisstufe. Nicht das Alter des Kindes ist entscheidend dafür, wann es in welchen Kompetenzen gefördert wird, sondern sein Interesse und seine Fähigkeiten.» www.tagesanzeiger.ch/bildung Der Studiengang Kindergarten/Unterstufe wird fast ausschliesslich von Frauen gewählt. Warum interessieren sich so wenige Männer für dieses Studium? «Ich denke, dass die Männer sich nach wie vor weniger Erziehungsarbeit zutrauen und die Erziehungsarbeit für Kindergarten- und Unterstufenkinder, aber auch für Primarstufenkinder gesellschaftlich als weniger attraktiv beurteilt sehen. Dadurch, dass bereits ein hoher Anteil von Frauen in diesem Beruf arbeitet, ist der Beruf weniger attraktiv für Männer, es fehlen die Rollenbilder.» Wie könnte der Beruf attraktiver gemacht werden für Männer? «Mit der Tertiarisierung der Ausbildung haben wir bereits einen wichtigen Schritt gemacht. Die Steigerung der Attraktivität des Lehrberufs für Männer ist nicht nur eine Aufgabe der Ausbildung, sondern ein gesellschaftliches und politisches Problem. Die konkurrenzfähige Grundausbildung, Laufbahnperspektiven und attraktive Anstellungsbedingungen sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass dieser Beruf sowohl für Frauen als auch für Männer attraktiv ist und bleibt.» (*) Regula Bättig ist Informationsbeauftragte der PHZ Luzern. Informationen: www.luzern.phz.ch weiterBILDUNG 1–2008 Basisstufe /Grundstufe – Was ist das? Das «EDK-Ost Projekt 4 bis 8» zur Flexibilisierung des Schuleintrittsalters läuft seit 2003 und befasst sich mit der inhaltlichen und organisatorischen Neuausrichtung der Schuleingangsstufe, in der Kindergarten und erste Primarklassen verbunden werden. Vier- bis achtjährige Kinder gehen gemeinsam in eine Grundstufe (bis Ende 1. Klasse) oder in eine Basisstufe (bis Ende 2. Klasse). Die Kinder werden nicht mehr in traditionellen Jahrgangsklassen unterrichtet. Damit wird die durch den Stufenwechsel vom Kindergarten in die Schule bedingte künstliche Trennung von Spielen und systematischem Lernen aufgehoben. Das Lernen der Kinder wird dem unterschiedlichen Entwicklungstempo entsprechend angeregt und begleitet. Pro Klasse arbeiten zwei Lehrpersonen im Teamteaching. Das Projekt wird wissenschaftlich evaluiert. Der Zwischenbericht wird auf Anfang 2008 erwartet, der Schlussbericht liegt bis Anfang 2010 vor. Aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse und politischer Überlegungen werden die Kantone über die definitive Einführung der neuen Schuleingangsstufe entscheiden. > www.edk-ost.sg.ch AUSBILDUNGSANGEBOTE zur Lehrperson für den Kindergarten und die Primarunterstufe Die 14 Ausbildungsinstitutionen bieten drei verschiedene Modelle der Unterrichtsbefähigung für Kindergarten und Unterstufe an: 1) Integrale Unterrichtsbefähigung für Kindergarten bis 6. Klasse: z.B. PH Bern 2) Studiengänge für Kindergarten oder Primarstufe: z.B. PHZH 3) Studiengänge für Kindergarten bis 2. Klasse oder Primar 1.– 6. Klasse: z.B. PHZ, PHSG (KG bis 3. Kl.), PH der FHNW Insbesondere die Ausbildung für Kindergarten bis 2. Klasse befähigt die Lehrpersonen für die Gestaltung eines flexiblen Übergangs vom Spielen zum systematischen Lernen. Die Ausbildung ist spezifisch auf den Unterricht mit Kindern von 4 bis 8 Jahren ausgerichtet. Die PHZ Luzern bereitet die Lehrpersonen auf die neue Schuleingangsstufe vor, in dem sie u.a. Praktika in Basisstufen- und Grundstufenklassen ermöglicht. > www.edk.ch, www.cohep.ch WEITERBILDUNGSANGEBOTE zur Lehrperson für Kindergarten und Primarunterstufe Personen mit einem Lehrdiplom und Berufserfahrung als Lehrperson können sich in verschiedenen Pädagogischen Hochschulen in einem verkürzten Studiengang zur Lehrperson für Kindergarten/Unterstufe weiterbilden lassen. Spezifisch für die neue Schuleingangsstufe (Basis-/Grundstufe) gibt es noch keine anerkannte Weiterbildung, da die politischen Entscheide für die Umsetzung noch nicht definitiv gefällt sind. Zurzeit werden Zertifikatslehrgänge angeboten (CAS = Certificate of Advanced Studies, 10 ECTS-Punkte), in denen Lehrpersonen des Kindergartens und der Primarstufe ihr Wissen über die Förderung der Kinder von 4 bis 8 Jahren in altersheterogenen Gruppen erweitern können. Zum Beispiel: CAS Schuleingangsstufe 4 bis 8 des SWCH; CAS Basisstufe der PHZ für Lehrpersonen in Projektklassen; CAS altersdurchmischte Schuleingangsstufen (ab 2009). > www.wbza.luzern.phz.ch; www.swch.ch
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