Universität Leiden - Friedrich-Alexander

Erfahrungsbericht
Auslandsaufenthalt an der Universität
Leiden, Holland
Vorbereitung
Schon zu Beginn meines Studium habe ich mir Gedanken über einen Auslandsaufenthalt gemacht.
Ein Auslandssemester wird aber kaum anerkannt, was bedeutet, dass ich ein Semester zurück
gefallen wäre. Zudem kam der Kostenfaktor. Nach langem Überlegen habe ich schließlich
beschlossen einen Teil meines praktischen Jahres im Ausland zu absolvieren. Dadurch, dass man mit
Bestehen des zweiten Staatsexamens die universitäre Ausbildung abgeschlossen hat, bringt man ein
höheres know-how mit und ist vielseitiger einsetzbar. Zudem hatte ich dann auch den direkten
Vergleich zwischen Apotheke und Forschungsarbeit an einer Universität.
Mein Traumziel war zunächst England, da aber sowohl das Vermitteln durch eine Laborbetreuerin an
meiner Universität als auch die zahlreichen Anfragen meinerseits an verschiedenen Universitäten
erfolglos blieb, suchte ich Rat im Referat für Internationale Angelegenheiten in Erlangen. Durch das
Beratungsgespräch wurde ich auf Universitäten in anderen Ländern aufmerksam und folglich schrieb
ich zunächst Bewerbungen an holländische Universitäten. Innerhalb weniger Tage bekam ich eine
Antwort von Prof. IJzerman, „Professor of Medicinal Chemistry and Head of division“, Universität
Leiden. Ich war begeistert über die schnelle und vorallem über die positive Antwort. Er fragte nur
nach ein paar weiteren Unterlagen, wie einem Empfehlungsschreiben seitens meiner Universität und
dem Zeugnis des zweiten Staatsexamens, und damit hatte ich meine PJ-Stelle. Wie man sieht, kann
es ziemlich lange dauern bis man einen Platz im Ausland bekommt, weshalb es wichtig ist sich so früh
wie möglich darum zu kümmern.
Unterkunft
Als nächstes musste ich eine Unterkunft finden. Dazu habe ich mich in der Facebook Gruppe „Leiden
Housing“ angemeldet. Da ich das Auslandspraktikum zusammen mit einer Freundin absolviert habe,
haben wir eine Wohnung für zwei Personen gesucht. Es gibt in Leiden zwar viele Einzelzimmer in
Wohngemeinschaften und Studentenhäuern, aber ein preisgünstiges Apartment für zwei Personen
zu finden, war ziemlich problematisch. Nach monatelangem Suchen und Warten sind wir aber
trotzdem über diese Gruppe fündig geworden. Wir hatten eine ca 70 m2 große Wohnung, etwas
außerhalb des Zentrums für insgesamt 995 Euro. Die Einrichtung und Aufteilung war anders als
gewohnt, z.B. stand man beim Betreten der Wohnung bereits im Schlafzimmer und das Bad war auf
mehrere kleine Zimmer aufgeteilt (WC und Dusche jeweils in einem separaten Raum, Waschbecken
und Verstauungsmöglichkeiten waren im Durchgangsbereich zwischen Wohnzimmer und Küche).
Zudem konnte man nicht alle Fenster öffnen usw. Das haben wir jedoch vorab auf den Bildern schon
gesehen und es war eben das beste Angebot. Es sind auch nicht alle Wohnung so aufgeteilt, ich
glaube wir hatten eine Ausnahme. Was aber ganz typisch ist, sind die großen Fenster und dass man
so gut wie in jede Wohnung einblicken kann - die Holländer haben schließlich nichts zu vebergen und
nur selten werden die Vorhänge oder Jalousien zu gezogen.
Via Internet (Email und Facebook) wurde mit dem Vermieter auch alles Weitere, wie z.B Kaution,
wann die Miete überwiesen werden sollte, was alles in der Wohnung vorhanden ist usw. geregelt.
Allgemeines
Da ich mit dem Auto nach Leiden gebracht wurde, musste ich mich vorher nicht mit den öffentlichen
Verkehrsmitteln beschäftigen. Für den Alltag habe ich mir über die oben genannte Facebook Gruppe
ein Fahrrad gesucht. Auf Grund der zahlreichen Angebote auf dieser Seite habe ich sehr schnell ein
neues Rad gefunden. Die Radwege in Leiden bzw. in ganz Holland sind sehr gut ausgebaut, weshalb
es sich lohnt ein Rad zu haben. Zudem ist es unglaublich schön die Umgebung mit dem Rad zu
erkunden. Falls man jedoch lieber mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, kann man den
Bus oder den Zug nutzen. Beide Verkehrsmittel fahren in regelmäßigen Abständen und haben kaum
Verspätungen. Ich war auch sehr überrascht wie häufig die Züge fahren, z.B. nach Amsterdam oder
Den Haag kann man bis zu 3 oder 4 mal in der Stunde fahren.
Das System zum Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist jedoch ein bisschen anders als in
Deutschland. Es gibt zwar die ganz normalen Einzeltickets von Ort A nach B wie wir es auch in
Deutschland haben, aber es gibt in Holland auch die sogenannte „OV-chipkaart“. Eine kredtikartengroße Karte, die man zum Fahren mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln nutzen kann. Davon gibt es
eine anonyme und eine personalisierte Version (mit Bild und Namen). Die anonyme bringt nur den
Vorteil, dass jede Fahrt ca. einen Euro günstiger ist im Vergleich zu einer Fahrt mit den normalen
Einzeltickets (man spart sich sozusagen die Bearbeitungsgebühren). Auf eine personalisierte Karte
hingegen kann ein Abonnement gebucht werden, wodurch man auf jede Fahrt einen Discount von
40% erhält (außer unter der Woche zur Rushhour, aber gilt auch an den Wochenenden). Dieser
Discount kann auf bis zu drei weitere Personen übertragen werden, vorausgesetzt diese haben eine
anonyme OV-chipkaart und die Person mit dem Abonnement auf ihrer Karte fährt selbst mit. Man
kann also insgesamt zu viert fahren und jeder bekommt 40% Rabatt. Jede Karte kostet einmalig 7,50
€, außer man bestellt die personalisierte Karte und das Abo gleichzeitig, dann entfallen die Gebühren
für diese Karte. Ich hatte eine personalieserte Karte und es ist absolut zu empfehlen, vorallem wenn
man vor hat viel durch Holland zu reisen, da sich dadurch erhebliche Summen sparen lassen. Das ist
jetzt nur eine kurze Zusammenfassung bzgl. der Ov-chipkaart. Man sollte sich vor dem Kauf am
Schalter beraten lassen, denn es ist schwer alle Informationen im Internet zu finden. Wir hatten auch
so unsere Schwierigkeiten und es hat wirklich lange gedauert bis wir wussten, welche Karten wir zu
kaufen haben und wie das System funktioniert.
Weiterhin habe ich mir extra für meinen Auslandsaufenthalt eine Kreditkarte besorgt (VISA), da ich
Angst hatte, dass die EC-Karte nicht überall akzeptiert wird. Meine Bedenken waren jedoch
unberechtigt. Ich konnte überall bargeldlos bezahlen, v.a. mit der EC-Karte. Das Überraschende war,
dass im Gegensatz dazu die VISA-Karte oft gar nicht angenommen wurde.
Praktikum
Mit der Zusage für ein Praktikum an der Universität Leiden durfte ich mir auch den Bereich meines
Praktikums aussuchen. Zur Wahl hatte ich Pharmakologie, Chemie und computational chemistry. Ich
entschied mich für Pharmakologie. Zusammen mit meinem Betreuer, einem Postdoc, durfte ich dann
verschiedene Wirkstoffe für den Cannabinoid 2 Rezeptor bzgl. ihrer Kinetik untersuchen. An der
Universität Leiden wird mit sogenannten „displacement assays“ und radioaktiven Liganden
gearbeitet. Man hat einen Radioliganden, von dem man weiß wie er sich gegenüber einen
bestimmten Rezeptor verhält. Für den Versuch mischt man nun die zu untersuchende, nicht
radioaktive Komponente, den Radioligand und Membran, welche den Rezeptor enthält und inkubiert
für eine gewisse Zeit. Nach der Inkubationszeit werden rezeptorgebundene Liganden von den
Ungebundenen getrennt, die restliche Strahlung gemessen und diverse Eigenschaften von den
Wirkstoffen bestimmt.
Zusammengefasst lief mein Arbeitstag wie folgt ab.
In unserem normalen Labor habe ich die nötigen Lösungen, Verdünnungen und Membranen
vorbereitet und die Komponentenlösungen in eine „96 well plate“ eingefüllt. Das ist eine Platte mit
96 kleinen Einbuchtungen, in die man seine Proben einfüllen kann. Im radioaktiven Labor habe ich
den spezifischen Radioligand für meinen Rezeptor zu den Komponenten zugefügt und am Ende kam
die Membran mit den Rezeptoren dazu. Das ganze wurde für eine gewisse Zeit inkubiert und dann
wurde „geharvestet“. Das bedeutet, dass man seine Platte mit einem Puffer wäscht, um die nicht
gebundenen Teilchen zu entfernen und gleichzeitig wird die Membran mit den gebundenen
Komponenten auf einen Filter übertragen. Zum Schluss wird die verbliebene Radioaktivität gemessen
und mit Hilfe eines bestimmten Computerprogramms werden Graphen erstellt und die Affinität zum
Rezeptor ermittelt. Die Afifinität wird durch EC50 oder IC50 angegeben. Für Komponenten, die
innerhalb eines gewissen Grenzbereichs bzgl. ihrer IC50-Werte lagen, wurde dann die Kinetik
bestimmt. Der Versuchsaufbau zum Bestimmen der Kinetik ist ziemlich ähnlich zu dem oben
beschriebenen Prozess mit dem Unterschied, dass die Membran zu unterschiedlichen Zeitpunkten
hinzugefügt wird und man so das Verhalten der Stoffe über die Zeit messen kann. Folglich können
Parameter, wie die Zeit, die der Wirkstoff braucht, um an den Rezeptor zu binden (kon) bzw. die Zeit,
die er braucht, um vom Rezeptor zu dissoziieren (koff) oder die Verweildauer am Rezeptor ermittelt
werden.
Neben den beschriebenen Versuchen habe ich auch gelernt wie Zellen kultiviert und Membranen
herstellt werden. Ich habe also viel Erfahrung im Forschungsbereich gewonnen.
Natürlich wird an der Universität Leiden noch an vielen anderen Rezeptoren geforscht allerdings
beschäftigt sich dieser Arbeitskreis hauptsächlich mit der Gruppe der G-Protein-gekoppelten
Rezeptoren. Die Methoden, die dort praktiziert werden beschränken sich auch nicht nur auf die von
mir beschriebenen. Es werden z.B. auch „functional assays“ gemacht, die dazu dienen den Signalweg
einzelner Wirkstoffe heraus zu finden.
Die Arbeitszeiten an der Universität waren ca. von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr. Die Versuchsauswertung
und Vorbereitung braucht jedoch viel Zeit, weshalb man meistens etwas länger mit der Arbeit
beschäftigt war. Durchschnittlich war ich bis etwa 18.00 Uhr in der Universität.
Des Weiteren hatten wir jeden zweiten Montag einen „journal club“. Alle aus dem Arbeitskreis
kamen zusammen und haben über einen Paper/ Artikel diskutiert, den ein Masterstudent oder ein
Ph.D Student vorbereitet hat. So bleibt man auf dem neusten Stand bzgl. anderer Methoden bzw. hat
die Möglichkeit diverse Versuche in einer Gruppe zu diskutieren. Folglich können auch
Verbesserungen für die eigenen Versuchsprotkolle gefunden werden.
Jeden zweiten Donnerstag hatten wir zudem ein „group-meeting“, in dem Ph.D. Studenten die
neusten Updates ihrer Forschungsarbeit präsentierten oder Masterstudenten die Endergebnisse
ihrer Praktika vorstellten. Auch ich musste am Ende meines Praktikums eine Präsentation halten und
meine Ergenisse in dem group-meeting erläutern.
Aber der Alltag an der Universität bestand nicht nur aus Labor, Besprechungen und Präsentationen.
Jeden Tag gab es zwei Kaffeepausen, eine vormittags und eine nachmittags, in denen man sich mit
den Kollegen aus dem Department austauschen konnte. Zudem gibt es jährlich einen „labday“ und
ein „lab-weekend“, an denen die gesamte Gruppe etwas unternimmt. Das halte ich für eine schöne
Idee und man pflegt den Kontakt zu all seinen Kollegen. Insgesamt muss ich sagen, dass die Gruppe
großartig war und es mir sehr viel Spaß gemacht hat mit den Leuten zu arbeiten und Zeit zu
verbringen.
Ich bin wirklich sehr froh, dass ich die Chance hatte einen Teil meines Praktikums in Leiden zu
absolvieren. Die Universität dort ist wirklich auf sehr hohem Niveau und schneidet in World
University Rankings sehr gut ab. Zudem war es sehr spannend und interessant neue Methoden und
Arbeitsvorgänge zu erlernen. Ich habe viele neue Erfahrungen gesammelt und tolle Erkenntnisse
gewonnen. Ich konnte selbsständig arbeiten und bei Fragen war mein Betreuer sowie auch andere
Kollegen sehr hilfsbereit.
Den dreiwöchigen Urlaub den man von den Praktikas in Deutschland gewohnt ist, gab es dort leider
nicht. Ich wurde wie ein Masterstudent während seines Praktikums behandelt. Es ist zwar möglich
sich ein paar Tage frei zu nehmen, aber in der Regel verlängert sich das Praktikum um die Anzahl an
Urlaubstagen. Dies ist bei mir nicht möglich gewesen, da ich pünktlich mit dem nächsten Teil meines
PJ’s anfangen wollte. Sicher wäre es möglich gewesen eine Lösung zu finden, aber da ich vorher
nichts ausgemacht habe, wollte ich mich auch nicht gegen die dort geltenden Regeln stellen, v.a. da
ich auf Anfrage doch ein paar Tage frei bekommen habe bzw. früher gehen konnte. In Zukunft würde
ich sowas vorher abklären.
Freizeit
Wie schon erwähnt war ich mit einer Freundin in Holland und wir haben jede Chance genutz das
Land zu erkunden. Wir haben viele verschiedene Städte wie Groningen, Amsterdam, Utrecht und Den
Haag besucht. Besonders sehenswürdig sind meiner Meinung nach die Inseln im Norden - wir waren
auf Texel, aber ich denke jede ist einen Besuch wert. Auf Texel haben wir uns Räder geliehen und
eine Radtour um die ganze Insel gemacht. Einfach traumhaft.
Da es auch schöne Radstrecken zum Strand gibt, haben wir diesen auch oft besucht und waren
bevorzugt in Katwijk oder Wassernaar, da dort nicht so viele Touristen waren.
Leiden haben wir natürlich auch mit dem Rad erkundet und ich muss sagen, dass diese Stadt mein
Favourit ist. Es hat die schönen Grachten wie Amsterdam, ist aber weniger touristisch und nicht so
hoch und eng gebaut. Aber das Land ist allgemein sehr schön und einen Besuch wert.
Fazit
Ich bin absolut zufrieden mit meinem Praktikumsplatz gewesen. Die Leute waren alle freundlich und
hilfsbereit. Ich konnte mein Wissen und meine Fähigkeiten einsetzen, habe aber auch viel Neues
gelernt. Ich kann die Universität Leiden nur weiter empfehlen!
Hiermit erkläre ich mein Einverständnis, dass sich Interessenten für gleichartige Projekte mit Fragen
unter der folgenden Kontaktadresse an mich wenden können.
[email protected]
Pressath, den 11. November 2015