ANSTÖSSIGES ZU GELD & GLÜCK THEMA: LOHNERHÖHUNG Geiz ist geil! Finden Sie auch, dass Geiz geil ist? Ich glaube ich bin alt geworden. Selbstverständlich kann ich mich an ein paar Dinge in meinem Leben erinnern, die echt geil waren - aber Geiz gehört definitiv nicht dazu! Es ist für mich unverständlich, warum dieser Werbeslogan des Elektronikhändlers Saturn, der von Constantin Kaloff von der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt im Jahr 2003 lanciert wurde, zu einem geflügelten Wort wurde. Überall wird geworben mit „Geizpreisen“ und „supergeilen Preisen“. Aber wieso und mit welcher Wirkung? Weshalb sind Knausern, Feilschen und Geizen heute in? Wieso sind aus Lastern plötzlich Tugenden geworden? Geiz ist eine Todsünde Befragen Sie mal Ihre Grosseltern was Geiz ist. Sie werden garantiert nicht sagen, Geiz ist geil, sondern eher Geiz ist eine Todsünde. Als Todsünden bezeichnet das katholische Christentum besonders schwer wiegende Sünden, die aus den folgenden sieben schlechten Charaktereigenschaften entstehen: Superbia (Stolz, Eitelkeit), Avaritia (Geiz, Habsucht), Invidia (Neid, Missgunst), Ira (Zorn, Wut), Luxuria (Wollust, Unkeuschheit), Gula (Gefräßigkeit, Völlerei, Unmäßigkeit) und Acedia (Faulheit, Trägheit des Herzens). Nach der katholischen Lehre ziehen die Todsünden den zweiten Tod, die Höllenstrafe nach sich, wenn man mit einer Todsünde auf dem Herzen stirbt. Die Abscheu vor den sieben Todsünden ist den Menschen über die Jahrhunderte in Fleisch und Blut übergegangen, unterstützt durch häufige und eindrückliche Darstellungen in der Malerei. Moderne Illustrationen sind z. B. das Buch und die Verfilmung von Umberto Eco „Der Name der Rose“ (die Morde im Buch sind nach den sieben Todsünden geordnet) oder auch der Film von David Fincher „Sieben“ mit Brad Pitt, Morgan Freeman, Gwyneth Paltrow und Kevin Spacey. Auch in den modernen Darstellungen werden die Todsünden - entsprechend effektvoll - als etwas Abscheuliches gezeigt. Diese Sicht der Dinge verändert sich dramatisch. Vor allem den Jungen werden - nicht nur Geiz, sondern auch ein paar andere - miese Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen positiv dargestellt. Die Verwirrung ist perfekt, wenn wir uns über gierige Manager empören und uns gleichzeitig im nächsten Supermarkt, um die billigsten - und meist völlig unnötigen - Schnäppchen schlagen. Wer soll da noch wissen, was gilt, was richtig und falsch ist? Geiz ist blöd. „Geiz ist geil“ heisst auch „Billig ist gut“. Diese Denkweise ist selbstzerstörerisch. Wer täglich suggeriert bekommt, dass das, was er mit seiner Hände Arbeit schafft, nur durch „Verramschen“ zu Geld gemacht werden kann, verliert den Sinn für den Wert von Arbeit und Qualität. Geiz ist darum für diejenigen schon lange nicht mehr geil, welchen wegen des immer größer werdenden Kostendrucks und der Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer keine Arbeit mehr haben. Das Verhängnisvolle daran ist, dass viele Menschen sich lieber von solchen Werbespot verführen lassen und sich für zwei Stunden in die Schlange stellen, um Elektronik zum Schnäppchenpreis zu erwerben, ohne zu durchschauen, dass sie damit am Ast sägen, auf dem sie sitzen. So gesehen ist Geiz nicht geil, sondern blöd. Vor diesem Hintergrund bekommt die Werbung des MediaMarktes ein ganz neue Bedeutung: „Ich bin doch nicht blöd!“ Haben diese Werber etwa erkannt wie blöd wir sind, wenn wir geizig sind - und suggerieren uns darum genau das Gegenteil? Und für diejenigen, die es immer noch nicht verstehen wollen, schreiben Sie auf riesigen Plakaten im MediaMarkt „Ruinieren Sie uns!“ - und wir verstehen die Zusammenhänge nicht und ruinieren uns. Geiz ist krank. Der Treiber hinter dem Geiz ist die Angst, zu kurz zu kommen und zu wenig zu haben. Diese Angst macht unglücklich. Sie zerfrisst die Lebensfreude eines Menschen wie ein Krebsgeschwür in den Gedanken - und zwar unabhängig von der effektiv vorhandenen Geldmenge. Diese krankmachende Wirkung von Geiz zeigt sich am besten am abschreckenden Beispiel der geizigen Reichen. Der mehrfache Milliardär Paul Getty, zu seiner Zeit der reichste Mann Amerikas, war dafür bekannt, seine Gäste zum Telefonieren in eine Telefonzelle zu schicken. Eine andere Geschichte berichtete ein Sammler des roten Kreuzes, der zufällig Baron Herzoz und Ludwig Ernst, beides Millionäre, begegnete und um eine Spende bat. Er reichte zuerst Baron Herzog die Büchse, der umständlich aus seiner Geldbörse die kleinste existierende Münze hervorkramte und in die Büchse warf. Als die Reihe an Ludwig Ernst war entgegnete dieser „Wir sind zusammen. Es war für uns beide.“ Anstösse Der Millionär und Börsenguru André Kostolany stellte fest, dass man durch übersteigerten Geiz nicht zum Millionär werden kann, weder materiell noch vom Gefühl her. „Wer zu sehr an seinem Geld klebt, kann es nicht investieren, weil er jedes Risiko scheut, es zu verlieren (…) Millionär zu sein bedeutet unabhängig zu sein. Der totale Geizhals wird jedoch nie unabhängig sein, weil er unter dem Diktat der Sparsucht steht.“ Kostolany hat recht, denn es ist genau wie in der Natur: „Wer spärlich sät, wird nur wenig ernten. Aber wer mit vollen Händen sät, auf den wartet eine reiche Ernte“ so schreibt Paulus im Neuen Testament (2. Korinther 9,6). Und in den Sprüchen des Alten Testaments heisst es: „Freigebige werden immer reicher, der Geizhals spart sich arm“ (Sprüche 11,24). In diesem Sinne wünsche ich Ihnen etwas mehr glücklichmachende Grosszügigkeit im Umgang mit Geld. Dr. rer. pol. Thomas Giudici Informationen zum Infoletter: Anstössiges zu Geld & Glück - Infoletter bestellen / abbestellen: Registrierung © Giudici Consulting Bachlettenstrasse 50 CH-4054 Basel Tel: +41 (79) 321 56 56 E-Mail: [email protected] Homepage: www.giudici-consulting.ch
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