ovgrp10c18-89

OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ
10 C 18/89.OVG
URTEIL
In dem Normenkontrollverfahren
...
wegen
Normenkontrolle (Bebauungsplan)
hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. November 1989, an der
teilgenommen haben
...
für Recht erkannt:
Der Bebauungsplan - Gewerbegebiet "... Weg" - der Ortsgemeinde ... wird für
nichtig erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Antragstellerin
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der in der Gemarkung der Ortsgemeinde
... gelegenen Grundstücke Parzellen Nrn. 55/1, 64/5, 64/6, 39/1, 59/2,
59/3, 57/2 und 57/3; des weiteren hat sie die Grundstücke Parzellen Nrn.
64/3, 64/4, 58/1 und 58/2 gepachtet. Auf den genannten Grundstücken
unterhält sie einen Fenster- und Türelementefertigungsbetrieb. Als Zuwegung
dieses Betriebes dient die ...straße. Mit Ausnahme des Grundstücks Parzelle
Nr. 39/1 und geringen Teilflächen der Parzellen Nrn. 59/2, 57/2, 64/3 und
58/1 grenzen die Grundstücke an den Bereich des Bebauungsplans der
Ortsgemeinde ... - Gewerbegebiet "... Weg" - an; das Grundstück Parzelle
Nr. 39/1 sowie die erwähnten Teilflächen befinden sich innerhalb des
Planbereichs.
Mit dem am 23. Mai 1989 bei Gericht eingegangenen Normenkontrollantrag
wendet sich die Antragstellerin gegen den Bebauungsplan, den sie für
nichtig hält. Zur Begründung ihrer Auffassung trägt sie im wesentlichen
folgendes vor: Der Bebauungsplan sei unter Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Nr. 1
GemO zustande gekommen. An dem Aufstellungsverfahren habe das Ratsmitglied
L. teilgenommen, dessen Schwester Eigentümerin der an den Planbereich
angrenzenden Grundstücke Parzellen Nrn. 51/6, 51/8, 52/2 und 52/4 sei. Es
sei davon auszugehen, daß ein Interesse des Ratsmitgliedes L. bestanden
habe, den Planbereich in der Wiese, wie dies geschehen sei, zu begrenzen
und die Grundstücke seiner Schwester außerhalb des Planbereichs zu
behalten, um eine Erschließung der Grundstücke durch die geplanten
Erschließungsanlagen und damit das Entstehen einer
Erschließungsbeitragspflicht zu verhindern.
Des weiteren sei auch zu rügen, daß das wegen Sonderinteressen
ausgeschlossene Ratsmitglied P. an dem Aufstellungsverfahren beteiligt
gewesen sei.
Weiterhin sei festzustellen, daß die Ausfertigung des Planes den
rechtlichen Anforderungen nicht entspreche. Ausweislich der Planurkunde
habe anstelle des wegen Sonderinteressen ausgeschlossenen
Ortsbürgermeisters unter dem 21. Januar 1988 der II. Ortsbeigeordnete die
Ausfertigung vorgenommen. Die Unterschrift des II. Ortsbeigeordneten sei
sodann zu einem späteren, nicht angegebenen Zeitpunkt gestrichen und durch
die des Ortsbürgermeisters ersetzt worden. Demnach sei nicht nur unklar,
wann ausgefertigt worden sei, sondern die Ausfertigung sei auch von einem
dazu nicht Befugten vorgenommen worden.
Schließlich leide der Bebauungsplan an einem Abwägungsfehler. Ursprünglich
sei die Einbeziehung ihres - der Antragstellerin - Betriebsgeländes in den
Planbereich vorgesehen gewesen. Diese Absicht sei jedoch im Hinblick auf
ein angrenzendes reines Wohngebiet aufgegeben worden. Um sie - die
Antragstellerin - gleichwohl an den Kosten für die Herstellung der
Erschließungseinrichtungen des Plangebietes beteiligen zu können, sei ein
Teil ihres Betriebsgeländes als eine mit einem Geh-, Fahr- und
Leitungsrecht zu belastende Fläche ausgewiesen worden. Für diese
Planungsmaßnahme sei kein sachlicher Grund gegeben. Das Betriebsgelände
werde in ausreichendem Maße über die ...straße erschlossen. Dem könne nicht
entgegengehalten werden, daß die ...straße dem diesbezüglichen
Verkehrsaufkommen nicht gewachsen sei.
Die Antragstellerin beantragt,
den Bebauungsplan - Gewerbegebiet "... Weg" - der Ortsgemeinde ... für
nichtig zu erklären.
Die Antragsgegnerin, die beantragt,
den Antrag abzulehnen
tritt dem Vorbringen der Antragstellerin mit Sach- und Rechtsausführungen
entgegen. Sie vertritt insbesondere die Auffassung, daß in bezug auf das
Ratsmitglied L. kein Ausschließungsgrund gegeben sei, da die Grundstücke
der Schwester des Ratsmitglieds außerhalb des Planbereichs lägen und sich
die planerischen Festsetzungen auf die Nutzungsmöglichkeit der Grundstücke
nicht auswirkten. Im übrigen könnten erschließungsbeitragsrechtliche
Gesichtspunkte ohnehin bei einem Planaufstellungsverfahren keine Bedeutung
gewinnen.
Soweit die Antragstellerin die Art und Weise der Ausfertigung des Planes
rüge, sei darauf hinzuweisen, daß die ursprünglich vorgenommene
Ausfertigung durch den II. Ortsbeigeordneten im Widerspruch zu den von der
Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen gestanden habe; um den
entsprechenden Anforderungen gerecht zu werden, habe der Ortsbürgermeister
am 28. April 1989 die von ihm beizufügende Unterschrift nachgeholt und
damit in zulässiger Weise den bis dahin vorhandenen Fehler geheilt.
Schließlich könne der Antragstellerin nicht gefolgt werden, soweit sie
einen Abwägungsfehler behaupte. Es könne nicht davon ausgegangen werden,
daß planerische Belange zu Lasten der Antragstellerin unzutreffend
gewürdigt worden seien und Eingang in das Gesamtplanungskonzept gefunden
hätten.
Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten sowie auf die Planaufstellungsunterlagen und vier
Aktenordner, die den Flächennutzungsplan betreffen, Bezug genommen. Die
genannten Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Der gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO zulässige Antrag auf
gerichtliche Normenkontrolle ist begründet.
Der Bebauungsplan - Gewerbegebiet "... Weg" der Ortsgemeinde ... ist mit
höherrangigem Recht nicht vereinbar und war daher für nichtig zu erklären.
Allerdings ist dieses Ergebnis nicht schon darauf zurückzuführen, daß das
Ratsmitglied L. an dem Satzungsbeschluß über den Bebauungsplan mitgewirkt
hat. Als Bruder einer Eigentümerin von Grundstücken, die lediglich an den
Planbereich angrenzen, ist das Ratsmitglied L. nicht gemäß § 22 Abs. 1 Nr.
1 GemO wegen Sonderinteressen von der Mitwirkung am
Planaufstellungsverfahren ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist ein
Ausschließungsgrund gegeben, wenn die Entscheidung u.a. einem Verwandten
bis zum dritten Grade des Ratsmitgliedes einen unmittelbaren Vorteil oder
Nachteil bringen kann. Der Regelungszweck des § 22 Abs. 1 Nr. 1 GemO geht
dahin, eine Interessenkollision zu vermeiden, die dadurch entstehen kann,
daß die Pflicht des Ratsmitglieds, in dieser Eigenschaft uneigennützig und
nur zum Wohle der Gemeinde zu handeln, mit dem Interesse des Ratsmitglieds
als Privatperson wegen seiner durch die Verwandtschaft begründeten
Verbindung kollidieren kann. Dabei kommt es nicht darauf an, daß das
Ratsmitglied ein konkretes persönliches Anliegen zu verfolgen beabsichtigt;
vielmehr reicht es bereits aus, daß ein dahingehender Anschein begründet
ist. Davon ist immer dann auszugehen, wenn aufgrund besonderer persönlicher
Beziehungen zu dem Gegenstand der Beschlussfassung ein individuelles
Sonderinteresse an der Entscheidung angenommen werden kann. Bei der
Aufstellung eines Bebauungsplans ist dies immer der Fall, wenn die mit dem
Ratsmitglied verwandte Person Eigentümer eines im Planbereich gelegenen
Grundstücks ist. Der Regelungsinhalt eines Bebauungsplans wirkt sich
nämlich unmittelbar auf die vom Planbereich umfassten Grundstücke aus,
indem diese, vornehmlich hinsichtlich ihrer Nutzungsmöglichkeit durch die
Planaussage eine Veränderung erfahren. Diese Feststellung zeigt zugleich
aber auch, daß die Verwandtschaft eines Ratsmitglieds mit Personen, die
Eigentümer außerhalb des Planbereichs gelegener Grundstücke sind,
grundsätzlich einen Ausschließungsgrund im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. GemO
nicht zu begründen vermag, weil solche Grundstücke im allgemeinen von den
planerischen Festsetzungen unberührt bleiben. Eine Ausnahme davon kann bei
einer besonderen Konstellation gegeben sein, etwa dann, wenn außerhalb
liegende, aber angrenzende Grundstücke zu denen im Plangebiet in einer
derart engen Beziehung stehen, daß sich die qualitative Veränderung der im
Plangebiet gelegenen Grundstücke unmittelbar auf die Nutzungsqualität auch
der angrenzenden Grundstücke auswirkt (vgl. Urteile des Senats vom 21.
August 1985 - 10 C 50/84 - und vom 02. Dezember 1985 - 10 C 9/85 -). Im
Falle der Grundstücke der Schwester des Ratsmitglieds L. kann jedoch von
einem derartigen Ausnahmefall nicht ausgegangen werden. Es sind nämlich
keine Anhaltspunkte vorhanden, die die Annahme rechtfertigen könnten, daß
die planerischen Festsetzungen eine unmittelbare Auswirkung auf die
Nutzungsqualität der betreffenden Grundstücke haben. In diesem Zusammenhang
kann sich die Antragstellerin auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß den
Grundstücken insofern ein Vorteil zuwachse, als sie nicht in den
Funktionsbereich der Erschließungsanlagen des Plangebiets einbezogen worden
seien und daher auch keiner Erschließungsbeitragspflicht unterworfen werden
könnten. Die Antragstellerin verkennt dabei nämlich, daß die beschriebene
Gegebenheit nicht eine unmittelbare Folge der planerischen Festsetzungen
des angegriffenen Bebauungsplans, sondern eine nur mittelbare Konsequenz
ist, die letztlich sämtliche im Gemeindegebiet gelegenen und nicht zum
Planbereich gehörenden Grundstücke trifft und somit keinerlei Relevanz für
die Befangenheit eines Ratsmitglieds im Sinne des § 22 Abs. 1 GemO gewinnen
kann.
Hingegen greift die Befangenheitsrüge, die in bezug auf das Ratsmitglied P.
erhoben worden ist, durch. Die Tatsache, daß dieses Ratsmitglied, das
zugleich Mitglied des Aufsichtsrats der ...Bims ...gesellschaft ist, in
deren Eigentum das im Plangebiet gelegene Grundstück Parzelle Nr. 28/5
steht, an dem Satzungsbeschluß mitgewirkt hat, birgt einen
verfahrensrechtlichen Fehler in sich, der zur Nichtigkeit des
Bebauungsplanes führt. Nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GemO dürfen
Ratsmitglieder nicht beratend oder entscheidend mitwirken, wenn sie bei
juristischen Personen u.a. als Mitglied des Aufsichtsrats tätig sind und
die juristische Person ein persönliches oder wirtschaftliches Interesse an
der Entscheidung hat. Im Hinblick darauf, daß die ... Bims ...gesellschaft
mit Grundeigentum im Planbereich gelegen ist, steht fest, daß sie ein
Interesse im vorbezeichneten Sinne hat. Dabei kommt es nicht darauf an, daß
dieses Interesse im einzelnen konkretisiert ist. In Anbetracht des bereits
oben im Zusammenhang mit dem auf einer Verwandtschaft beruhenden
Ausschließungsgrund erörterten Regelungszwecks des § 22 Abs. 1 GemO genügt
nämlich schon, wenn nur der Anschein einer Interessenkollision besteht, der
im Falle des § 22 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GemO anzunehmen ist, wenn die
juristische Person, bei der das Ratsmitglied in einem qualifizierten
Beschäftigungsverhältnis steht, über Grundeigentum im Planbereich verfügt.
Demgegenüber greift der Einwand der Antragsgegnerin, die Rüge sei verspätet
erhoben worden, nicht durch. Nach § 24 Abs. 6 GemO ist eine Verletzung der
Bestimmungen über Ausschließungsgründe unbeachtlich, wenn sie nicht
innerhalb eines Jahres nach der öffentlichen Bekanntmachung der Satzung
schriftlich gegenüber der Gemeindeverwaltung geltend gemacht worden ist.
Diese Frist hat die Antragstellerin eingehalten. Soweit erkennbar, ist die
die Ausschließung des Ratsmitglieds P. betreffende Rüge erstmalig mit am
21. Juli 1989 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 19. Juli 1989, der
am 24. Juli 1989 an die Antragsgegnerin weitergeleitet wurde, erhoben
worden. Wenn davon ausgegangen wird, daß der Schriftsatz der
Antragsgegnerin spätestens drei Tage nach Absendung vom Gericht - also am
27. Juli 1989 - zugegangen ist, ist die Rüge noch innerhalb der einjährigen
Frist des § 24 Abs. 6 GemO bei der Verwaltung der Antragsgegnerin
eingegangen, was darauf zurückzuführen ist, daß der Bebauungsplan im
"Nachrichtenblatt für die ..." vom 06. Mai 1989 (erneut) öffentlich
bekanntgemacht worden ist.
Da somit die Rüge rechtzeitig erhoben wurde und diese - aus den oben
angegebenen Gründen - begründet ist, ist der Bebauungsplan wegen Verstoßes
gegen § 22 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GemO nichtig.
Für den Fall, daß die Antragsgegnerin in Zukunft aufgrund eines erneuten
Verfahrens ihr Planungsvorhaben zu verwirklichen beabsichtigt, hält der
Senat noch folgende Hinweise auf weitere Rechtsbedenken, die gegen den
angegriffenen Bebauungsplan bestehen, für angezeigt.
Zunächst ist in formeller Hinsicht weiterhin zu beanstanden, daß der
Bebauungsplan nicht ordnungsgemäß ausgefertigt worden ist. Das Erfordernis
der Ausfertigung auch für Bebauungspläne folgt letztlich aus dem
Rechtsstaatsprinzip (BVerwG, Beschluß vom 24. Mai 1989 - 4 NB 10.89 -).
Dieses verlangt, daß das Ausfertigungsorgan durch die Ausfertigung der
Rechtsnorm die Übereinstimmung des textlichen und gegebenenfalls
zeichnerischen Inhalts der Normurkunde mit dem Willen des
Rechtssetzungsberechtigten ("Authentizität") sowie die Einhaltung des für
die Normgebung gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens ("Legalität") bezeugt
(vgl. Urteile des Senats vom 27. Juli 1988 - 10 C 6/87 - und vom 09. August
1989 - 10 C 36/88 - sowie VGH Bad.-Württ., NVwZ 1985, 206;
Brügelmann/Grauvogel, BBauG-Kommentar, § 12 Rdnr. 36;
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB-Kommentar, § 12 Rdnr. 15; Ziegler, DVBl
1987, 280). Allerdings enthielt das Bundesbaugesetz und enthält das
Baugesetzbuch keine Bestimmungen über die Ausfertigung von Bebauungsplänen.
Da jedoch ein Bebauungsplan gemäß § 10 BauGB als gemeindliche Satzung
beschlossen wird, gelten, da das Baugesetzbuch keine abweichende Regelungen
trifft, für dessen Zustandekommen die Vorschriften der Gemeindeordnung über
gemeindliche Satzungen. Zwar ist in § 68 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GemO nur
geregelt, daß das Ausfertigen von Satzungen nicht zu den von der
Verbandsgemeinde für die Ortsgemeinde zu führenden Verwaltungsgeschäften
gehört. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 GemO-DVO vom 21. Februar 1974 (GVBl S. 98)
enthält eine Satzung jedoch das Datum, unter dem der Bürgermeister ihre
Bekanntmachung unterzeichnet. Da die durch eine solche Ausfertigung
entstehende Originalurkunde der Rechtsnorm Grundlage und Voraussetzung für
deren Verkündung ist, muß die Ausfertigung nach Abschluß aller für die
Verkündung der Rechtsnorm erforderlichen Verfahrensabschnitte und
unmittelbar vor ihrer Verkündung erfolgen (so noch ausdrücklich § 16 Abs. 2
Satz 2 GemO-DVO vom 03. Dezember 1964 - GVBl S. 251 -; OVG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 09. August 1989 - 10 C 36/88 -, m.w.N.). Davon ausgehend ist
zunächst festzustellen, daß - entgegen der wohl ursprünglichen Meinung der
Antragsgegnerin - der wegen Befangenheit von der Mitwirkung am
Aufstellungsverfahren ausgeschlossene Ortsbürgermeister allerdings nicht
gehindert war, die Ausfertigung vorzunehmen. Die die Ausschließungsgründe
regelnde und bereits mehrfach erwähnte Vorschrift des § 22 Abs. 1 GemO
verbietet den nach ihr ausgeschlossenen Personen an Entscheidungen
"beratend oder entscheidend" mitzuwirken. Damit ist das Mitwirkungsverbot
des § 22 Abs. 1 GemO auf eine beratende oder entscheidende Tätigkeit
beschränkt. Diese Beschränkung entspricht auch dem Regelungszweck der
Vorschrift, der, wie bereits oben dargelegt, auf die Gewährleistung einer
"sauberen" Kommunalpolitik zielt; es soll bereits der Anschein vermieden
werden, daß ein Funktionsträger der Gemeinde, wie etwa der Bürgermeister
oder auch ein Ratsmitglied durch die Teilnahme an entscheidungsfindenden
und letztlich zu einer Entscheidung führenden Prozessen einer Kollision
widerstreitender Interessen ausgesetzt ist, die aus seiner Funktion als
kommunaler Entscheidungsträger einerseits und aus seiner durch persönliche
oder wirtschaftliche Interessen geprägten Stellung als Privatperson
andererseits resultieren kann. Dies bedeutet, es muß ausgeschlossen
bleiben, daß der betreffende Funktionsträger auf gemeindepolitische
Entscheidung Einfluß nehmen kann. Daraus folgt, daß das Mitwirkungsverbot
nur für solche Amtshandlungen Geltung beanspruchen kann, die auch einer
Einflußnahme - sei es durch argumentative Beteiligung, sei es durch ein
bestimmtes Abstimmungsverhalten - zugänglich ist. Damit wird aber auch
zugleich deutlich, daß ein Ausschließungsgrund im Sinne des § 22 Abs. 1
GemO einen Bürgermeister nicht daran hindern kann, die Ausfertigung eines
Bebauungsplanes, zu der er grundsätzlich berufen ist (vgl. Urteil des
Senats vom 13. März 1985 - 10 C 35/84 - = VZGStB RP 1985, 166),
vorzunehmen. Wie bereits oben dargelegt, hat die Ausfertigung die Aufgabe,
mit öffentlich-rechtlicher Wirkung zu bezeugen, daß der Text und die
zeichnerische Darstellung mit dem Willen des Rechtssetzungsberechtigten
übereinstimmen, mithin der Plan in dem umschriebenen Umfang als Satzung
beschlossen worden ist (vgl. die oben dazu angegebene Rechtsprechung und
Kommentarliteratur sowie Anschütz-Thoma, Handbuch des Deutschen
Staatsrechts, 1932, Bd. 2 S. 252). In Anbetracht dieser, der Ausfertigung
zukommenden Funktion, kann jedoch nicht mehr angenommen werden, daß dem
Ausfertigungsvorgang das Wesen einer der in § 22 Abs. 1 GemO angesprochenen
beratenden oder (sach-)entscheidenden Willensbekundung eigen ist; vielmehr
kommt der Ausfertigung die Bedeutung eines Aktes zu, der gewissermaßen auf
die Beurkundung eines bereits abgeschlossenen Willensbildungsprozesses und
des daraus folgenden Ergebnisses beschränkt ist. Im Hinblick darauf, daß
somit die Ausfertigung sowohl den eigentlichen Willensbildungsprozeß als
auch das an dessen Ende stehende Ergebnis unberührt läßt, muß es dem
Bürgermeister, auch wenn er im Sinne des § 22 Abs. 1 GemO von der Teilnahme
an der Entscheidungsfindung ausgeschlossen ist, gleichwohl möglich sein,
die Ausfertigung vorzunehmen.
Die sich lediglich auf die "beratende und entscheidende" Mitwirkung
beschränkende Ausschlußregelung des § 22 Abs. 1 GemO ist auch nicht einer
erweiternden Auslegung, etwa in der Weise zugänglich, daß auch der
Ausfertigungsvorgang als solcher dem Wirkungsbereich der Vorschrift zu
unterwerfen wäre. In Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht ist
nämlich davon auszugehen, daß das bei der Aufstellung von Bauleitplänen
einzuhaltende Verfahren, soweit das Bundesbaugesetz bzw. das Baugesetzbuch
keine sich im Rahmen der Kompetenznormen der Art. 70 ff. GG haltenden
baurechtlichen Regelungen trifft, sich insbesondere im Hinblick auf die
kommunalverfassungsrechtliche Seite nach Landesrecht bestimmt. Zu den durch
das jeweilige Landesrecht zu beantwortenden Fragen gehört auch, wie sich
das für das Aufstellungsverfahren von Bauleitplänen zuständige Organ im
einzelnen zusammensetzt und ob etwa eines seiner Mitglieder - aus welchem
Grunde auch immer - von der Mitwirkung an dem Verfahren ausgeschlossen ist
(vgl. BVerwG, DVBl 1971, 757). Wenn davon ausgehend der Landesgesetzgeber
ein gesetzliches Mitwirkungsverbot im Interesse einer "sauberen"
Kommunalpolitik schafft, obwohl eine solche Regelung durch übergeordnete
Rechtsvorschriften nicht geboten ist, wie das Fehlen entsprechender
Regelungen im Parlamentsrecht deutlich macht, ist es ihm auch unbenommen,
den Wirkungsbereich der Ausschließungsvorschrift zu beschränken und damit
abschließend zu regeln, so daß sich eine erweiternde Auslegung verbietet,
zumal kein anderweitiges rechtliches Erfordernis dafür besteht (zu der eine
ähnliche Problematik aufwerfenden Frage der Ausschließungsfrist bezüglich
des Rügerechts gemäß § 20 Abs. 1 GemO vgl. Urteil des Senats vom 09.
Oktober 1979 - 10 C 17/79 -).
Des weiteren war der Ortsbürgermeister auch in seiner Funktion als
Verwaltungsbeamter nicht nach § 20 VwVfG an der Vornahme der Ausfertigung
gehindert. Diese Vorschrift stellt nämlich nur ein Tätigkeitsverbot im
Rahmen eines Verwaltungsverfahrens auf. Indes wird darunter nicht jedes
Verwaltungshandeln schlechthin verstanden, sondern lediglich eine nach
außenwirkende Tätigkeit, die gemäß § 9 VwVfG auf den Erlaß eines
Verwaltungsaktes oder auf den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen
Vertrages gerichtet ist. Damit wird dem Begriff des Verwaltungsverfahrens
nicht nur ein formell-, sondern auch ein materiell-rechtlicher Aspekt
zugeordnet. Deshalb kann eine nur verfahrensrechtlich wirkende Ausfertigung
eines Bebauungsplanes, die als Teil eines Rechtssetzungsverfahrens zu
qualifizieren ist, nicht unter § 9 VwVfG fallen, weil sie sich nicht auf
eine materielle Verwaltungsentscheidung und erst recht nicht auf den Erlaß
eines Verwaltungsaktes bezieht (vgl. Urteil des Senats vom 08. Februar 1983
- 10 C 20/82 -).
Obwohl der Ortsbürgermeister somit befugt und berufen war, die Ausfertigung
vorzunehmen, leidet diese gleichwohl an einem beachtlichen
Verfahrensfehler. Wie der Senat mit dem bereits oben erwähnten Urteil vom
09. August 1989 - 10 C 36/88 - entschieden hat, muß die Ausfertigung eines
Bebauungsplans, da sie Grundlage und Voraussetzung für dessen Verkündung
durch Bekanntmachung des Anzeigeverfahrens bzw. der Genehmigung ist, nach
Abschluß aller dafür erforderlichen Verfahrensabschnitte und unmittelbar
vor der Verkündung erfolgen. Ob diesem Erfordernis entsprochen wurde, läßt
sich nur beurteilen, wenn aus der Planurkunde zu erkennen ist, wann die
Ausfertigung vorgenommen wurde. Dies setzt voraus, daß der Ausfertigung
nicht nur die Unterschrift des Ortsbürgermeisters beigefügt wird, sondern
erfordert auch die Angabe des Datums, unter dem die Unterschrift beigefügt
wurde. Eine derartige Datumsangabe fehlt jedoch bei der auf der Planurkunde
enthaltenen Unterschrift. Aus der Urkunde läßt sich lediglich entnehmen,
daß ursprünglich unter dem 21. Januar 1988 der dazu nicht berufene II.
Ortsbeigeordnete den Plan ausgefertigt hat, nicht aber, daß dessen
Unterschrift später - wie die Antragsgegnerin während des Verfahrens
mitgeteilt hat, am 28. April 1989 (ohne daß dies aus der Planurkunde
hervorgeht) - gestrichen und die Unterschrift des Ortsbürgermeisters
beigefügt wurde. Damit ist - was notwendig wäre - aus der Planurkunde nicht
zu entnehmen, wann und damit, ob vor oder nach dem Anzeigeverfahren die
Ausfertigung erfolgte, so daß nicht feststellbar ist, ob die Unterschrift
die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens bezeugt (vgl. dazu VGH Bad.-Württ.,
BauR 1984, 611).
Schließlich begegnet der angegriffene Bebauungsplan auch nicht
unerheblichen materiell-rechtlichen Bedenken.
Diese rühren aus einer den rechtlichen Anforderungen nicht mehr voll
entsprechenden Lösung der Erschließungssituation. Das den Abwägungsvorgang
gemäß § 1 Abs. 6 BauGB kennzeichnende Gebot der Rücksichtnahme auf
schutzwürdige Individualinteressen ist bezüglich der
Grundstückserschließung zu der Verpflichtung des Planungsträgers
verdichtet, eine ordnungsgemäße Erschließung aller Grundstücke im
Plangebiet und gegebenenfalls auch solcher außerhalb gelegener Grundstücke
zu gewährleisten, die von der Erschließungsfunktion der im Plangebiet
verlaufenden Erschließungsanlagen erfasst werden bzw. erfasst werden
sollen. Die den Planungsträger betreffende Pflicht, eine sinnvolle und
sachbezogene Ordnung bezüglich der Grundstückssituation sicherzustellen,
verlangt, daß einer Erschließungssituation geschaffen wird, die eine den
Planvorstellungen entsprechende Nutzung der Grundstücke zulässt. In
Anbetracht der Tatsache, daß die sinnvolle Nutzung eines Grundstücks
grundsätzlich nur bei einer Anbindung an das öffentliche Straßennetz
möglich ist, kommt nämlich der (planerischen) Sicherstellung der
Erschließung eine der Bauleitplanung wesensimmanente Bedeutung zu.
Diese Grundsätze hat die Antragsgegnerin bei der Planaufstellung nicht
hinreichend beachtet. Nachdem sie sich - wie aus den Aufstellungsunterlagen
zu entnehmen ist - dazu entschlossen hatte, auch die von der
Antragstellerin genutzten Grundstücke an das Erschließungssystem des
Planbereichs anzubinden, begegnet es Bedenken, dies - wie hier geschehen durch die Ausweisung einer mit einem Fahr- und Gehrecht zu belastenden
Fläche im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB vorzunehmen. Angesichts der
Größe der Fläche, die an das öffentliche Straßensystem des Planbereichs
angebunden werden soll, und im Hinblick auf die Nutzungsintensität dieser
Flächen ist es äußerst fraglich, ob die Anbindungsmöglichkeit auf die
Ausweisung einer mit einem Fahr- und Gehrecht zu belastenden Fläche
beschränkt werden kann; zumal die Festsetzung nicht die Rechte selbst
begründet, sondern diese grundsätzlich erst durch die Begründung von
beschränkten dinglichen Rechten geschaffen werden müssen. Insbesondere die
Tatsache, daß eine ordnungsgemäße Erschließung der von der Antragstellerin
genutzten Grundfläche wegen der soeben beschriebenen Charaktermerkmale
dieser Flächen (Flächenumfang, gewerblich-industrielle Nutzung) die
Abwicklung von Kraftfahrzeugverkehr ermöglichen muß, spricht dafür, daß
eine Verkehrsanbindung durch Verkehrsflächen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 11
BBauG, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind, zu erfolgen hat (vgl.
dazu Brügelmann/Grauvogel, BBauG-Kommentar, § 9 Rdnr. 21;
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BBauG-Kommentar, § 9 Rdnrn. 60 ff.). Bei einer
eventuellen Neuaufstellung des Bebauungsplans wird die Antragsgegnerin auch
dies zu beachten haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Anordnung der
vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
Ein Anlaß, die Sache gemäß § 47 Abs. 5 VwGO dem Bundesverwaltungsgericht
vorzulegen, bestand nicht, da die in dieser Vorschrift hierfür genannten
Voraussetzungen nicht vorliegen.
Beschluß
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 DM festgesetzt (§ 13
Abs. 1 Satz 1 GKG).