UE Straf-und Strafverfahrensrecht WS 2008/2009 Hinterhofer Lösungsvorschlag Fall 3 I. Strafbarkeit der A wegen Niederstoßen des Z Fahrlässige schwere Körperverletzung (§ 88 Abs 4 2. Fall) Verkürzte Prüfung: A ist aufgrund ihrer Alkoholisierung nicht in der Lage, sich objektiv sorgfaltsgemäß zu verhalten; denn laut SV hat sie alkoholbedingt den Z übersehen und ihn dadurch niedergestoßen. Zwar ist das Verhalten der A ohne Zweifel objektiv sorgfaltswidrig, doch fehlt es ihr infolge der Alkoholisierung an der subjektiven Sorgfaltswidrigkeit. Im Zweitpunkt des Niederstoßens des Z ist A mangels subjektiver Sorgfaltswidrigkeit straflos. Strafbarkeit der A wegen Fahrens im alkoholisierten Zustand und Niederstoßen des Z Fahrlässige schwere Körperverletzung im Minderrausch (§ 88 Abs 4 2. Fall) I. Tatbestandsmäßigkeit 1. OTB: Z ist schwer verletzt, da ein Schienbeinbruch eine an sich schwere Körperverletzung ist. Durch das Losfahren im alkoholisierten Zustand wurde A kausal für die schwere Körperverletzung des Z (csqn); denn denkt man sich dieses weg, wäre auch der Schienbeinbruch des Z ausgeblieben. Da A schwer alkoholisiert (1,5 Promille) in das Auto steigt und losfährt, handelt sie sozial inadäquat. Denn darin liegt ein Verstoß gegen die StVO (Rechtsnorm). Ferner ist es objektiv voraussehbar, dass das Autofahren im alkoholisierten Zustand zu einer schweren Körperverletzung eines anderen UE Straf-und Strafverfahrensrecht WS 2008/2009 Hinterhofer Verkehrsteilnehmers führt. Zudem liegt es nicht außerhalb der Lebenserfahrung, dass das Lenken eines Fahrzeuges im alkoholisierten Zustand dazu führt, dass man einen Radfahrer übersieht, diesen niederfährt und ihn schwer verletzt (Adäquanzzusammenhang). Das von A durch das Fahren des Autos im alkoholisierten Zustand geschaffene Risiko hat sich im Schienbeinbruch des Z realisiert (Risikozusammenhang). 2. STB: Subjektive Sorgfaltswidrigkeit/subjektive Vorhersehbarkeit Trotz der Alkoholisierung war A in der Lage zu erkennen, dass Autofahren im alkoholisierten Zustand sorgfaltswidrig ist. Sie war also geistig und körperlich in der Lage, sich objektiv sorgfaltsgemäß zu verhalten, nämlich nicht Auto zu fahren. Zudem hätte A trotz Alkoholisierung vorhersehen können, dass das Fahren eines Autos im alkoholisierten Zustand zur schweren Körperverletzung anderer Verkehrsteilnehmer führen kann. A handelt zu diesem Zeitpunkt somit subjektiv fahrlässig iS der Übernahme- oder Einlassungsfahrlässigkeit. Außerdem hat sich A vor dem Einsteigen und Losfahren mit dem Auto in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt, obwohl sie vorhersehen hätte können, dass sie noch mit dem Auto fahren wird und Autofahren im alkoholisierten Zustand gefährlich für die körperliche Sicherheit anderer ist. Demzufolge verwirklicht A auch § 88 Abs 4 2. Fall iVm § 81 Abs 1 Z 2. II. RW Unproblematisch III Schuld Der A war sorgfaltsgemäßes Verhalten trotz ihrer Alkoholisierung zumutbar (unproblematisch). A macht sich wegen §§ 88 Abs 4 2. Fall iVm § 81 Abs 1 Z 2 iVm Übernahmefahrlässigkeit strafbar. Strafbarkeit der A wegen Fahrens im alkoholisierten Zustand und Verletzen des B Fahrlässige Körperverletzung im Minderrausch (§ 88 Abs 1 und 3) UE Straf-und Strafverfahrensrecht WS 2008/2009 Hinterhofer I. Tatbestandsmäßigkeit 1. OTB: Eine Schädelprellung ist eine Körperverletzung iS des § 88 Abs 1. Das alkoholisierte Fahren durch A ist kausal für die Verletzung des B (csqn); denn denkt man sich die Alkoholisierung weg, wäre auch das Bremsmanöver und damit auch die Schädelprellung des B unterblieben. Das alkoholisierte Autofahren ist auch im Hinblick auf die Mitfahrer sozial inadäquat, weil darin ein Verstoß gegen die StVO liegt. Ferner ist es objektiv voraussehbar, dass das Fahren im betrunkenen Zustand auch zur konkreten Gefährdung eines Mitinsassen des Fahrzeugs führen kann. Zudem ist der Adäquanzzusammenhang zu bejahen, weil es sich nicht um einen atypischen Kausalverlauf handelt, dass das Fahren im alkoholisierten Zustand zu einer Schädelprellung eines Mitfahrers führt. Außerdem hat sich in der Schädelprellung des B das von A durch das alkoholisiert Autofahren geschaffene Risiko verwirklicht (Risikozusammenhang). Denn eine zurechnungsausschließende Selbstgefährdung des B ist nicht gegeben, weil B das Fahrrisiko als bloßer Mitfahrer nicht beherrscht. 2. STB: subjektive Sorgfaltswidrigkeit Trotz der Alkoholisierung war A in der Lage zu erkennen, dass Autofahren im alkoholisierten Zustand sorgfaltswidrig ist. Sie war also geistig und körperlich in der Lage, sich objektiv sorgfaltsgemäß zu verhalten, nämlich nicht Auto zu fahren. Zudem hätte A trotz Alkoholisierung vorhersehen können, dass das Fahren eines Autos im alkoholisierten Zustand zur Körperverletzung eines Mitfahrers führen kann. A handelt zu diesem Zeitpunkt somit subjektiv fahrlässig iS der Übernahme- oder Einlassungsfahrlässigkeit. Außerdem hat sich A vor dem Einsteigen und Losfahren mit dem Auto in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt, obwohl sie vorhersehen hätte können, dass sie noch mit dem Auto fahren wird und Autofahren im alkoholisierten Zustand gefährlich für die körperliche Sicherheit anderer ist. Demzufolge verwirklicht A auch § 88 Abs 3 iVm § 81 Abs 1 Z 2. II. Rechtfertigung durch Einwilligung iS des § 90? Fraglich ist, ob eine Einwilligung des B vorliegt, die die Rechtswidrigkeit der Tat ausschließt. Folgt man der hA, wonach Einwilligungsgegenstand der Verletzungserfolg ist, scheidet Rechtfertigung aus, da B nicht in die Verletzung eingewilligt hat. Das Einsteigen zu einem Betrunkenen ist keine konkludente Einwilligung in eine Verletzung. Folgt man hinsichtlich der Einwilligung (§ 90 StGB) der Mindermeinung, wonach Einwilligungsgegenstand die Handlung ist, so liegt tatsächlich eine Einwilligung vor: Das UE Straf-und Strafverfahrensrecht WS 2008/2009 Hinterhofer Einsteigen bedeutet eine konkludente Einwilligung in die gefährliche Tätigkeit. Fraglich ist dann, ob ein Gute-Sitten-Verstoß vorliegt. Je gefährlicher ein Verhalten ist, desto mehr müssen positive Aspekte gegeben sein. Da 1,5 Promille ein relativ hoher Alkoholisierungsgrad ist, ist Sittenwidrigkeit der Verletzung wohl eher anzunehmen. Dann ist eine Einwilligung infolge Sittenwidrigkeit zu verneinen. III. Schuld Der A war sorgfaltsgemäßes Verhalten trotz ihrer Alkoholisierung zumutbar (unproblematisch). A ist nach der hier vertretenen Meinung nach §§ 88 Abs 1 und 3 (iVm 81 Abs 1 Z 2) strafbar. Strafbarkeit der A wegen Fahrens im alkoholisierten Zustand und Gefährdung des C Gefährdung der körperlichen Sicherheit, § 89 I. Tatbestandsmäßigkeit 1. OTB: C bleibt zwar unverletzt, aber er war in seiner körperlichen Sicherheit konkret gefährdet; denn es war bloßer Zufall, dass er unverletzt geblieben ist, während B verletzt wurde. Zudem liegen die Umstände des § 81 Abs 1 Z 2 vor (siehe oben bei § 88 Abs 3). Das alkoholisierte Fahren durch A ist kausal für die konkrete Gefährdung des C (csqn); denn denkt man sich die Alkoholisierung weg, wäre auch das Bremsmanöver und damit die Gefährdung des C unterblieben. Das Autofahren durch A im alkoholisierten Zustand ist sozial inadäquat (siehe oben). Ferner war es objektiv voraussehbar, dass das Fahren im betrunkenen Zustand auch zur konkreten Gefährdung eines Mitinsassen des Fahrzeugs führen kann. Zudem ist der Adäquanzzusammenhang zu bejahen, weil es sich nicht um einen atypischen Kausalverlauf handelt, dass das Fahren im alkoholisierten Zustand zu einer konkreten Gefährdung eines Mitfahrers führt. Außerdem hat sich in der konkreten Gefährdung des C das von A durch das alkoholisiert Autofahren geschaffene Risiko verwirklicht (Risikozusammenhang). Denn eine zurechnungsausschließende Selbstgefährdung des C ist nicht gegeben, weil C das Fahrrisiko als bloßer Mitfahrer nicht beherrscht. UE Straf-und Strafverfahrensrecht WS 2008/2009 Hinterhofer 2. STB: subjektive Sorgfaltswidrigkeit Trotz der Alkoholisierung war A in der Lage zu erkennen, dass Autofahren im alkoholisierten Zustand sorgfaltswidrig ist. Sie war also geistig und körperlich in der Lage, sich objektiv sorgfaltsgemäß zu verhalten, nämlich nicht Auto zu fahren. Zudem hätte A trotz Alkoholisierung vorhersehen können, dass das Fahren eines Autos im alkoholisierten Zustand zu einer konkreten Gefährdung eines Mitfahrers führen kann. A handelt zu diesem Zeitpunkt somit subjektiv fahrlässig iS der Übernahme- oder Einlassungsfahrlässigkeit. Außerdem hat sich A vor dem Einsteigen und Losfahren mit dem Auto in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt, obwohl sie vorhersehen hätte können, dass sie noch mit dem Auto fahren wird und Autofahren im alkoholisierten Zustand gefährlich für die körperliche Sicherheit anderer ist. II. Rechtfertigung durch Einwilligung iS des § 90? Fraglich ist, ob eine Einwilligung des C vorliegt, die die Rechtswidrigkeit der Tat ausschließt. Folgt man der hA, wonach Einwilligungsgegenstand der Erfolg ist, scheidet Rechtfertigung aus, da C zwar in ein Risiko (abstrakte Gefahr), nicht aber in eine konkrete Gefährdung eingewilligt hat. Das Einsteigen zu einem Betrunkenen ist keine konkludente Einwilligung in eine konkrete Gefährdung. Folgt man hinsichtlich der Einwilligung (§ 90 StGB) der Mindermeinung, wonach Einwilligungsgegenstand die Handlung ist, so liegt jedoch eine Einwilligung vor: Das Einsteigen bedeutet eine konkludente Einwilligung in die gefährliche Tätigkeit. Fraglich ist dann, ob ein Gute-Sitten-Verstoß vorliegt. Je gefährlicher ein Verhalten ist, desto mehr müssen positive Aspekte gegeben sein. Da 1,5 Promille ein relativ hoher Alkoholisierungsgrad ist, ist Sittenwidrigkeit der konkreten Gefährdung wohl eher anzunehmen. Dann ist eine Einwilligung infolge Sittenwidrigkeit zu verneinen. III. Schuld Der A war sorgfaltsgemäßes Verhalten trotz ihrer Alkoholisierung zumutbar (unproblematisch). A ist nach der hier vertretenen Meinung nach § 89 strafbar. UE Straf-und Strafverfahrensrecht WS 2008/2009 Hinterhofer II. 1. B hat die Möglichkeit, einen Antrag auf Einstellung gem § 108 Abs 1 Z 2 StPO zu stellen. Über den Antrag auf Einstellung entscheidet der Einzelrichter am Landesgericht nach § 31 Abs 1 Z 4 StPO. Gegen die in Beschlussform ergehende Entscheidung des Einzelrichters steht der StA sowie B das Recht der Beschwerde offen (§ 87 Abs 1 StPO). Die Beschwerde der StA gegen den Einstellungsbeschluss des Einzelrichters hat aufschiebende Wirkung (§ 108 Abs 4 StPO). Über die Beschwerde gegen den Beschluss des Einzelrichters entscheidet das OLG (§ 33 Abs 1 Z 1 StPO). Beschwerde der StA gem 87(1), 108(4), OLG zuständig 2. a) Es gibt keinen eigenen Rechtsbehelf gegen die Festnahme. Vielmehr gelten die allgemeinen Rechtsbehelfe eines Einspruchs wegen Rechtsverletzung bzw einer Beschwerde (§ 171 Abs 3 Z 3 StPO). Hier ist allerdings nur der Einspruch wegen Rechtsverletzung gem § 106 Abs 1 Z 2 StPO einschlägig, weil es sich um eine Festnahme der Kripo gehandelt hat (ohne gerichtliche Bewilligung). b) Geregelt in §§ 106 Abs 4 und Abs 5 StPO: Die StA hat zunächst zu prüfen, ob die behauptete Rechtsverletzung vorliegt. Schon die StA kann dem Einspruch entsprechen. Wenn die StA dem Einspruch nicht entspricht, hat sie den Einspruch unverzüglich an das Gericht weiter zu leiten. In diesem Fall entscheidet der Rechtsschutzrichter am Landesgericht (Einzelrichter) gem § 31 Abs 1 Z 3 StPO über den Einspruch. Gleiches gilt, wenn der Betroffene eine Entscheidung des Gerichts verlangt. c) Gegen die Entscheidung des Einzelrichters ist gem § 107 Abs 3 StPO Beschwerde des Inhaftierten an das OLG zulässig. Sollte auch diese Beschwerde scheitern, gibt es noch die Möglichkeit einer Grundrechtsbeschwerde an den OGH gem §§ 1 ff GRBG.
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