Welche Rolle spielen Gefühle?

Forum Praxisanleitung 2015 / 2016
Welche Rolle spielen Gefühle?
‐ affektive Lernziele und soziale Kompetenzen sicher vermitteln
Norbert Matscheko , M.A. Erwachsenpädagogik,
B.Sc. Gesundheitswissenschaften
Welche Rolle spielen Gefühle?
Gefühle werden als angenehme oder unangenehme Empfindungen beschrieben,
die nur teilweise bewusst erlebt werden. Zu den Gefühlen zählen etwa Angst, Freude oder Überraschung usw.
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AGENDA
Zieldimension der Praxisanleitung
Lernziele ‐ eine Definition
Lernzielbereiche und –taxonomien
Affektive Lernziele
Taxonomie der affektiven Lernziele nach Krathwohl et al.1978
• Didaktische Überlegungen und Planungen
• Methoden •
•
•
•
•
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Zieldimension der Praxisanleitung
Eine geplante Praxisanleitung kann nicht ohne Zielsetzung auskommen, und selbst eine eher spontane Anleitung verfolgt letztlich ein oder mehrere Ziele.
Ziele begleiten uns überall im beruflichen und privaten Alltag, denn stets, wenn wir eine Aufgabe, ein Problem geplant angehen, verfolgen wir Ziele, wir gehen gezielt vor.
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Lernziele ‐ eine Definition
• Lernziele beschreiben theoretisches Wissen, praktische Fertigkeiten/Fähigkeiten und Einstellungen, welche durch die Praxisanleitung vermittelt werden und welche Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Ausbildung erwerben sollen.
• Durch eine Operationalisierung (Messbarkeit, Skalierung) werden die Lernziele begrifflich so formuliert, dass der Erwerb der Lerninhalte objektivierbar („messbar“) wird und die Schüler die geforderte Lerntiefe nachvollziehen können.
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Lernzielbereiche und ‐taxonomien
Lernziele können für verschiedene Lernbereiche formuliert werden:
Kognitiver Bereich: Lernziele, die Denk, Gedächtnis und Wahrnehmungsleistungen beschreiben, also Wissen und generell intellektuelle Fähigkeiten (Taxonomie n. B. Bloom 1956)
Affektiver Bereich: Hierbei geht es um Einstellungen und Handlungen, Interessen und Wertungen (Taxonomie n. Krathwohl et al. 1975)
Psychomotorischer Bereich: Lernziele, die manuelle bzw. körperlich‐
praktische Fähigkeiten beschreiben. (Taxonomie n. Dave 1973)
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Affektive Lernziele Affektive Lernziele sind Lernziele im Bereich von Gefühlen, Einstellungen und Werten. Sie werden über die Reflexion, den Austausch und praktische Anwendung geübt (Affektiv = gefühlsmäßig). Affektive Lernziele stehen in den Bereichen Erziehung, politische Bildung, aber auch bei den Sozialkompetenzen im Vordergrund. Ein sorgfältig ausformuliertes affektives Lernziel umfasst drei Teile, nämlich das Endverhalten, die Bedingungen und den Maßstab. © Matscheko 2015
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Beispiel
Dem Schüler ist das Schamgefühl des Patienten während des Legens eines Blasendauerkatheters bewusst und er reagiert angemessen.
Bedingung:
Blasendauerkatheter legen
Maßstab: bewusst reagieren
Endverhalten: angemessenes Beachten des Schamgefühls des Patienten
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Praxisanleitung: Verabreichen einer intramuskulären Injektion
Lernziele
Lernebene
1
Der Schüler nennt die Indikationen und Kontraindikationen. Er beschreibt die Injektionsarten und die dazugehörigen Injektionsstellen und erläutert die möglichen Komplikationen und Schwierigkeiten.
2
Der Schüler kennt die notwendigen Arbeitsmaterialen und erklärt den Handlungsablauf bei der intramuskulären Injektion nach der Methode von Hochstetter. 3
Der Schüler ist sich der Auswirkungen auf den Patienten bei der Verabreichung einer intramuskulären Injektion bewusst. 4
Der AZL verabreicht die intramuskuläre Injektion nach der Methode von Hochstetter. Lehrmaterial der Bayerischen Pflegeakademie 2015
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1
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Praxisanleitung: Kapillare Blutentnahme beim Kind
Lernziele
Lernebene
1.Der Anzuleitende erläutert die Anatomie der Haut und beschreibt die Punktionsstellen sowie die möglichen Fehlerquellen bei einer kapillären Blutentnahme.
kognitiv
2.Der Anzuleitende nimmt die Ängste des Kindes während der kapillären Blutentnahme wahr.
affektiv 3.Der Anzuleitende bestimmt das notwendige Arbeitsmaterial für die kapilläre Blutentnahme und erläutert den Handlungsablauf.
4.Der Anzuleitende führt die kapilläre Blutentnahme durch.
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kognitiv
psychomotorisch
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Praxisanleitung: Systemwechsels bei einem Colostoma
Lernziel1:
Der Schüler erläutert die Definition des Enterostoma/ Colostoma und nennt mögliche Indikationen und Komplikationen während des Systemwechsels bei einem Colostoma.
Lernebene: kognitiv
Lernziel 2:
Dem Schüler wird das Scham‐ und Ekelgefühl des Patienten während des Systemwechsels bewusst und er/sie reagiert angemessen.
Lernebene: affektiv
Lernziel 3:
Der Schüler organisiert die notwendigen Arbeitsmaterialien und beschreibt den Handlungsablauf
Lernebene: kognitiv
Lernziel 4:
Der Schüler führt den Systemwechsel bei einem Colostoma durch.
Lernebene: psychomotorisch
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Praxisanleitung: Das Legen einer nasogastralen
Sonde bei einem wachen Pflegeempfänger
Lernziel (LZ)
Lernzielformulierung
Lernebene
LZ 1
Der Anzuleitende (AZL) beschreibt die Anatomie des nasogastralen Traktes und erläutert die Funktion des Schluckens.
kognitiv LZ 2
Der AZL nennt die Indikationen und Kontraindikationen zum Legen einer nasogastralen Sonde und erläutert mögliche Komplikationen beim Legen einer nasogastralen
Sonde.
kognitiv
LZ 3
Der AZL organisiert die Arbeitsmaterialien und beschreibt den Handlungsablauf vom Legen einer nasogastralen
Sonde.
kognitiv
LZ 4
Der AZL nimmt die Empfindungen und Ängste des PE beim affektiv
Legen einer nasogastralen Sonde wahr.
LZ 5
Der AZL legt eine nasogastrale Sonde bei einem wachen PE.
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psychomotorisch
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Praxisanleitung: Morgendliches Wiegen eines anorektischen Pflegeempfängers
Lernziel
Lernzielformulierung
Intensitätsstufe
1
Der Anzuleitende berücksichtigt die Wahrung der Affektiv –
Intimsphäre des Pflegeempfängers während des Aufmerksam werden
Wiegens
2
Der Anzuleitende unterscheidet Assessments zur Beobachtung, Beurteilung und Dokumentation von Körpergewicht, spezifischem Gewicht und Hautzustand
Kognitiv 3 –
analysieren, beurteilen
3
Der Anzuleitende wendet den Urinteststreifen zur Ermittlung des U‐Status, speziell des spezifischen Gewichts, an
psychomotorisch
4
Der Anzuleitende gestaltet den Ablauf Wiegen beim Pflegeempfänger unter Berücksichtigung der Hautinspektion
psychomotorisch
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Praxisanleitung: Bauchgurtfixierung eines Bewohners im Bett
Lernziele 1 ‐ 4
Identitätsstufen
Lernziel 1
Der Anzuleitende geht wertschätzend mit dem zu fixierenden Bewohner um und nimmt diesen in seiner
Situation wahr.
affektiv
Lernziel 2
Der Anzuleitende erläutert Aspekte die für die kognitiv
Bauchgurtfixierung eines Bewohners im Bett sprechen sowie deren Kontraindikationen und Komplikationen.
Lernziel 3
Der Anzuleitende schildert den Handlungsablauf einer kognitiv
Bauchgurtfixierung im Bett und erläutert die zu beachtenden Regeln.
Lernziel 4
Der Anzuleitende führt die Befestigung des psychomotorisch
Bauchgurts am Bett und die anschließende Fixierung des Bewohners im Bett durch und dokumentiert diese.
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14
Praxisanleitung: Gilchrist ‐Verband anlegen
Lernziele 1‐4
Lernziel 1
Lernebene
Der Anzuleitende erklärt die Indikation für das Anlegen kognitiv eines Gilchrist‐Verbandes.
Lernziel 2
Der Anzuleitende benennt die Arbeitsmittel und kognitiv
schildert den Handlungsablauf.
Lernziel 3
Der Anzuleitende nimmt die Schmerzen des Patienten affektiv
beim Anlegen des Gilchrist‐Verbandes wahr.
Lernziel 4
Der Anzuleitende legt den Gilchrist‐Verband an.
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psychomotorisch 15
Praxisanleitung: Versorgung eines Neugeborenen
Lernziel
Lernebene
Die AZL nennt Untersuchungsmerkmale und Ziele der Kognitiv
(U1) und erläutert mögliche Kontraindikationen.
Die AZL bestimmt die Arbeitsmaterialien und beschreibt den Handlungsablauf der U1.
Kognitiv
Die AZL macht sich die besondere Situation des Neugeborenen (NG) bewusst und achtet auf einen behutsamen Umgang.
Affektiv
Die AZL führt die U1 durch
Psycho‐motorisch
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Taxonomie der affektiven Lernziele nach Krathwohl et al.1975
Die Taxonomie von Lernzielen Affektive Lernziele
für den affektiven Bereich 1. Aufmerksam werden, wurden von Krathwohl, Bloom, Beachten
Masia entwickelt. Dieser Bereich ist charakterisiert durch eine hierarchische Struktur, die auf dem Prozess der Internalisation fußt.
2. Reagieren 3. Werten
4. Strukturierter Aufbau eines Wertsystems
5. Erfüllt sein durch einen Wert oder eine Wertstruktur
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Didaktische Überlegungen und Planungen (Anleitungsskizze)
Zeit
Thema
Lernziel
Lernebene
Lehr-und
Sozialformen/
methode
Medien
Teilnehmeraktivität
Einstieg
Ausstieg
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.
2012/37
Praxisanleitung: Morgendliches Wiegen eines Pflegeempfängers.
Zeit
Thema Lernziel
Lehr‐ und Sozialform Methode
Medien
Impulstext
Text
Vorstrukturierte Bilder
Bilder in Karten‐
form
Visualisieren
Reflektieren
Arbeits‐
blätter, Schreib‐
material, „Mensche
n pflegen“, Band 2
Lesen
Schreiben
Analysieren
Rechnen
Lernebene
Ein‐
stieg
5 Min.
15 Min.
Wahrung der Intimsphäre beim Wiegen eines PEs
Der Auszubildende
(AZL) berücksichtigt die Wahrung der
Intimsphäre des PEs während des
Wiegens
Der AZL Assessments zur unterscheidet Beobachtung, Assessments zur Beurteilung und Beobachtung, Dokumentation Beurteilung und von Dokumentation Körpergewicht,
von und Körpergewicht, und Hautzustand
Hautzustand
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Affektiv
Kognitiv 3
Arbeitsblätter:
Quiz, Fragen, Lücken‐
schaubild,
Lückentext
Einzelarbeit
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Teilnehmer‐
aktivität
Lesen
Analysieren
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Praxisanleitung: Schlafrituale gestalten
Zeit
Thema
Lernziel
2 Min. Einstieg
10 Min.
Gründe für Der Anzuleitende kann die verschiedenen Gründe für eine Einschlaf‐
problematiken Einschlafproblematik herausfinden.
Kognitiv I
6 Min. Verschiedenen Der Anzuleitende kann verschiedene Schlafrituale
Schlafrituale unterscheiden.
Kognitiv III
15 Zubereiten Der Anzuleitende bereitet mit einem Min. einer Milch
Pflegeempfänger eine Milch mit mit Honig
Honig zu.
Psychomotorisch
10 Störquellen
Der Anzuleitende ist sich der Min. beim Störquellen beim Einschlafen im Zimmer des Pflegeempfängers Einschlafen
bewusst.
Affektiv Tabelle 1: Lernziele und Intensitätsstufen
2 Min. Ausstieg
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Lehr‐ und Sozial form / Methode
Anlassplakat
Medien
Teilnehmer‐
aktivität
Einzelarbeit Buchstaben ‐
Verbindung Aufgaben‐
blatt
Stift
Frontal‐
unterricht
Referat
Gruppenarbeit Einzelarbeit
Lernschritte nach Dave
Einzelarbeit
Kritische Bild ‐
Analyse
Bilder,
Handout
erarbeiten, nachdenken, aufschreiben, verstehen
visualisieren, zuhören,
nachdenken
Tasse, Löffel, zuhören, beobachten,
Milch, Honig, nachahmen, erklären,
Mikrowelle
vormachen,
agieren/handeln
Bild,
anschauen, be‐
Stift
trachten, nachdenken, erkennen, nach‐
empfinden, hinein‐
versetzen, herausarbeiten,
Blitzlicht
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Methoden
Methode bedeutet im ursprünglichen (griechischen) Wortsinn "Weg", d. h. durch die Wahl einer Methode wird ein Weg gesucht, um ein vorgegebenes Ziel zu erreichen, denn:
Methoden sind nach dieser verbreiteten Sichtweise
„Instrumente bzw. Mittel zur Erreichung von Lernzielen
bzw. zur Vermittlung von Inhalten.
Der Praxisanleiter benutzt sie, um für einen möglichst reibungslosen „Transport“ von Kenntnissen,
Fähigkeiten und Fertigkeiten zu sorgen.
(vgl. Arnold/Schüßler 2006 S. 4).
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Methoden zur Erreichung von affektiven Lernzielen
• Selbsterfahrung
• Experiment
• Kritische
Bildanalyse mit
Fragenkatalog
• Kritische
Filmanalyse
• Fantasiereise
•
•
•
•
Standbilder
Sprechblasen
Rollenspiele
usw.
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Kostenlose Literatur
Methoden-Kiste
• Methodenpool Universität Köln
62 Methoden
von Lothar Schulz
Reich, K. (Hg.):
Methodenpool. In: url:
http://methodenpool.unikoeln.de
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23
Methodenbücher von Arthur Thömmes
!
9
Fazit
Die Umsetzung von affektiven Lernzielen sind fester Bestandteil der Praxisanleitung in der pflegerischen Ausbildung.
Ich wünsche ihnen Mut dazu und Zeit!
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Quellenverzeichnis
Bücher
Arnold, R. (2010): Systemische Pädagogik, Band 4 Systemische Berufsausbildung, Baltmannsweiler
Arnold R.; Schüßler I.(2003): Weitere Methoden des Lebendigen Lernens. 2. Auflage. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland‐ Pfalz. Kaiserslautern Arnold R.; Schüßler I.(2006):Methoden des Lebendigen Lernens.4. Auflage. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland‐ Pfalz. Kaiserslautern Bühler, Claus (1980). Zweidimensionale Taxonomie von Lernzielen und Inhalten im kognitiven Bereich. Weil d.
Stadt.
Döring, K.W. (2008): Handbuch Lehren und Trainieren in der Weiterbildung, Weinheim und Base
Kratwohl, D., Bloom, B.. & Masia, B. (1975). Taxonomie von Lernzielen im affektiven Bereich. Weinheim und Basel: Beltz.
Jank, Werner & Meyer, Hilbert L. (1975). Didaktische Modelle. 3. Aufl., Frankfurt/Main.
Mager, R. (1974) : Lernziele und Unterricht, , Basel 1974, S. 43 Schwerin‐Popp, S. (2005) :Lernsituationen planen und gestalten, Stuttgart
Tabellen und Abbildungen sind Lehrmaterial der Bayerischen Pflegeakademie München.
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