Duroplastspritzguss und dessen Anwendung auf MID 1 Duroplastspritzguss und dessen Anwendung auf MID Dreidimensionale Leiterplatten erlauben die Integration von Elektronik, unterschiedlichsten Funktionalitäten sowie Gehäusefunktionen in einem einzigen Bauteil. Die Anwendungsbereiche solcher MID-Lösungen werden ständig erweitert und ausgebaut. Hierdurch steigen auch die Anforderungen an die eingesetzten Materialien u.a. hinsichtlich Beständigkeit gegenüber unterschiedlichsten Medien, Dimensionsstabilität und Wärmeableitung. Die geforderten Eigenschaften müssen dabei auch bei schwierigen Umgebungsbedingungen wie extremen Temperaturen oder Temperaturwechseln gehalten werden. Auch die Gesamtkosten und die Prozesssicherheit stehen mit im Fokus. Obwohl duroplastische Formmassen, und hierbei hauptsächlich die Epoxid-Formmassen in den Bereichen Elektronik, Sensoren und Mechatronik schon lange Ihre Eignung unter Beweis stellen, werden in der MID Technik noch vorwiegend thermoplastische Kunststoffe eingesetzt. Abb1: Elektronik-Anwendungen von EP-Formmassen Der vorliegende Artikel will die besonderen Eigenschaften speziell der Epoxid-Formmassen aufzeigen und Ihre Vorteile bezüglich den genannten Anforderungen darstellen. Die aus dem besonderen Verhalten als duroplastische Formmasse resultierenden Unterschiede bei der Verarbeitung im Spritzguss werden aufgezeigt und hieraus die Strategie zur Erzielung eines sicheren Verarbeitungsprozesses abgeleitet. Im Anschluss werden Ergebnisse aus ersten Untersuchungen zur Herstellung leitfähiger Strukturen auf Bauteilen aus Duroplast vorgestellt. 1. Duroplastische Formmassen Grundlage der für Duroplaste typischen Eigenschaften ist der besondere molekulare Aufbau. Im Gegensatz zu den aus linearen Makromolekülen bestehenden Thermoplasten wird der duroplastische Formstoff durch eine dichte raumvernetzte Polymerstruktur gebildet. Das Formteil entsteht aus einer aufgeschmolzenen niedermolekularen und niedrigviskosen Masse durch die Formgebung im Werkzeug und die anschliessende chemische Vernetzung der Harzkomponenten. Die Vernetzung wird im allgemeinen durch Wärme indiziert und ist irreversibel. D u ro plas t D u ro p las t g eh ärtet w äh ren d d es E in sp ritzen s K u rzk ettige s M ole kü l V ern e tzu ng T he rm o p la st T h erm o p la st am o rp h kristallin La n gk e ttig es M olek ül Abb 2 Vergleich Thermo-/Duroplast Hans-Fred Buchmann, Duresco GmbH, CH-4108 Witterswil Duroplastspritzguss und dessen Anwendung auf MID 2 Basierend auf dem Mechanismus der Vernetzung lassen sich Duroplaste in 3 Gruppen unterteilen: • • • Polymerisation: Polykondensation: Polyaddition: z.B. Polyester (UP) z.B. Phenol (PF), Melamin (MF), Harnstoff (UF ) z.B. Epoxid (EP) Bei der Polymerisation (in diesem Fall radikalisch) werden Doppel- oder Dreifachbindungen i.d.R. durch Peroxid reaktionsfähig gemacht, wonach die einzelnen Moleküle vernetzen können. Bei der Polykondensation und der Polyaddition besitzen die Moleküle reaktive Gruppen, die bei der Polykondensation mit Abspaltung flüchtiger Substanzen, bei der Polyaddition durch Umlagerung ohne irgendwelche Abspaltungen miteinander reagieren. Unabhängig von der Harzbasis sind alle duroplastischen Formmassen ähnlich zusammengesetzt: • Harzmatrix aus Harz und Härter • Füllstoff, anorganisch und/oder organisch • Verstärkungsstoffe • Gleit- und Trennmittel • Andere Hilfsstoffe • Pigmente Über diese Kombinationsmöglichkeiten können vielfältige Eigenschaftsprofile eingestellt und damit spezifische Anforderungen abgedeckt werden. Im folgenden werden die Eigenschaften näher betrachtet, die für die MID Technologie von besonderem Interesse sind. 2. Eigenschaften von Epoxid-Formmassen Abb 3 Epoxid-Formmasse Was ist wichtig für Anwendungen der MID Technologie? - Gestaltungsfreiheit Dimensionsstablität enge Toleranzen, gute Reproduzierbarkeit Temperaturbeständigkeit Chemikalienbeständigkeit, geringe Wasseraufnahme Prozesssicherheit glatte, geschlossene Oberflächen möglich Die folgenden Ausführungen sollen die Eignung von Epoxidformmassen hinsichtlich dieser Anforderungen erläutern. Hierbei werden die Eigenschaften betrachtet, die die oben genannten Anforderungen wesentlich beeinflussen. Hans-Fred Buchmann, Duresco GmbH, CH-4108 Witterswil Duroplastspritzguss und dessen Anwendung auf MID 3 Isotropie mechanische, thermische und elektrische Eigenschaften Wie bereits ausgeführt reagieren Epoxid-Formmassen entsprechend einer Polyadditions-Reaktion, d.h. die Reaktionspartner verbinden sich miteinander, ohne dass ein Nebenprodukt entsteht. Daher werden die Endeigenschaften des Formteiles (mechanische, elektrische oder thermische Eigenschaften) unabhängig von der Wandstärke erreicht (Abb 4). Eine Überhärtung ist nicht möglich, wodurch die Härtezeit der grössten Wandstärke angepasst werden kann, ohne Einbussen von Eigenschaften an Stellen kleinerer Wandstärken. Ein Nachtempern ist nicht erforderlich. W1 W2 W3 Wandstärke W1<W2<W3 T1 T2 T3 Härtezeit [min] Abb 4 Endeigenschaften, Wandstärkeneinfluss Die Matrix von Epoxid-Formmassen bildet nach der Reaktion ein dreidimensionales Netzwerk, d.h. das Formteil besteht im wesentlichen nur aus einem Molekül. Dieses Netzwerk ermöglicht homogene Eigenschaften in allen Richtungen des Formteiles. Bei Thermoplasten werden die langkettigen Moleküle mehr oder weniger ausgerichtet. Abb 5 zeigt den Einfluss anhand des Ausdehnungskoeffizienten im Vergleich einer Epoxid-Formmasse mit PPS, beide glasfaserverstärkt. Abb 5 Längenausdehnungskoeffizient TMA Methode Hans-Fred Buchmann, Duresco GmbH, CH-4108 Witterswil Duroplastspritzguss und dessen Anwendung auf MID 4 Die Ausdehnungskoeffizienten können in gewissem Rahmen an die Anforderungen angepasst werden. Sie liegen generell in der gleichen Grössenordnung wie die von Metallen. Die bessere Homogenität der Eigenschaften zeigt sich auch an den Bindenähten, da hier die Moleküle nicht wie bei Thermoplasten nebeneinander zu liegen kommen, sondern über die Kontaktflächen hinaus miteinander reagieren. Bei Thermoplasten wird die Festigkeit in diesen Bereichen oft auf 30 bis 50 % des Ausgangswertes reduziert, bei Duroplasten bleibt sie nahezu erhalten. Thermische Eigenschaften Bei Betrachtung der Temperaturbeständigkeit sind zwei Teilaspekte zu beachten. Zum einen interessieren die Materialeigenschaften bei Einsatztemperaturen, z.B. die mechanischen Werte, zum anderen ist wichtig, wie lange diese Eigenschaften unter Wärmeeinwirkung erhalten bleiben. Die Wärmealterungsbeständigkeit geht am besten aus der Messung nach IEC 216 hervor. Bei dieser Prüfung werden Prüfkörper bei unterschiedlichen Temperaturen gelagert. Erfasst wird die Zeit, bei der die betrachtete Eigenschaft auf einen bestimmten Anteil des Ausgangswertes abgefallen ist. Diese Werte werden bei Raumtemperatur bestimmt. In Abb 6 sind solche anhand der Biegefestigkeit ermittelte Temp./Zeit-Kurven für verschiedene Epoxid-Formmassen aufgetragen. 100000 10000 1000 NU 463 NU 6110 NU 5680 NU 514 100 140 150 160 170 180 190 200 210 220 230 240 Abb 6 Lebensdauer in Abhängigkeit der Temperatur (IEC 216) Wichtig für eine Anwendung sind jedoch auch die Eigenschaften bei Betriebstemperatur. Abb 7 zeigt die mechanischen Eigenschaften exemplarisch anhand des Schubmodules in Abhängigkeit der Temperatur. Hans-Fred Buchmann, Duresco GmbH, CH-4108 Witterswil Duroplastspritzguss und dessen Anwendung auf MID 5 Schubmodul [Pas] 1.E+10 1.E+09 NU 463 NU 514 NU 4414 NU6110 PW126B 1.E+08 1.E+07 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 240 260 280 300 320 340 Temperatur [°C] Abb. 7 Schubmodul von verschiedenen Epoxid-Formmassen Dieses Diagramm zeigt die Variationsmöglichkeiten bei der Formulierung. Alle Epoxid-Formmassen durchlaufen einen Bereich, in dem die Werte auf ein tieferes Niveau abnehmen, das sie dann bis zur thermischen Zerstörung bei sehr hohen Temperaturen halten. Der Wendepunkt der Kurve entspricht dabei der Glasübergangstemperatur (Tg). Die Variationsmöglichkeiten durch Harz und Härter ermöglichen es die unterschiedlichsten thermischen Anforderungen zu erfüllen, von flexiblen (Tg≈110°C) bis zu steifen Systemen (Tg>250°C). Die physikalische Verbindung der Thermoplastmoleküle im Vergleich zur chemischen Vernetzung der Duroplaste zeigt sich auch deutlich im Kriechverhalten. Abb 8 zeigt hier das stark unterschiedliche Verhalten von Thermoplasten im Vergleich zu Epoxid-Formmassen bei mechanischer Belastung und Temperatur. Der Effekt tritt bereits bei Raumtemperatur auf und verstärkt sich mit steigender Temperatur. Abb 8 Kriechverhalten verschiedener technischer Kunststoffe Hans-Fred Buchmann, Duresco GmbH, CH-4108 Witterswil Duroplastspritzguss und dessen Anwendung auf MID 6 Chemische Beständigkeit Epoxid-Formmassen zeichnen sich generell durch eine sehr gute Chemikalienbeständigkeit aus, die sie bei vielen Anwendungen, u.a. auch im Motorbereich unter Beweis stellen. Die Forderungen sind jedoch von Anwendung zu Anwendung sehr speziell, so dass hier exemplarisch an 2 Beispielen die Veränderung der mechanischen Eigenschaften und der Dimensionen gegenüber Treibstoffen und Kühlwasser aufgezeigt werden. Bei Einlagerungen über lange Zeiträume sind kaum Veränderungen in der mechanischen Festigkeit und nur eine sehr geringe Quellung feststellbar. Einlagerung @ 150°C / 480h Längenänderung Einlagerung @ 150°C / 480h Biegefestigkeit 148 138 145 147 190 Änderung 120 [MPa] +0.23 % +0.14% +0.10% 189.47mm 200 160 140 100 80 60 40 20 180 170 160 150 0 tel quel EN 590 EN 590 + 30% Bleifrei 95 tel quel RME EN 590 EN 590 + 30% Bleifrei 95 RME Abb 9: Beständigkeit gegenüber Treibstoffen 0.25 103.5 +0.24% 0.2 99.9 Änderung 100.2 500h 2000h 95.6 95 100 Einlagerung in Wasser / Glykol @ 135°C Längenänderung +0.17% 0.15 500h 2000h 0.1 +0.08% +0.08% 0.05 90 [% vom Ausgangswert] 105 Einlagerung in Wasser / Glykol @ 135°C Biegefestigkeit 0 NU 505 NU 3723 NU 505 NU 3723 Abb 10: Beständigkeit gegenüber Kühlflüssigkeit Gestaltungsfreiheit Die Formschwindung eines Formteiles hängt bei Epoxid-Formmassen von der Matrix und den Füll- und Verstärkungsstoffen ab. Sie ist definiert als das Mass des kalten Werkzeuges zum Mass des Formteiles nach Abkühlung und damit eine Überlagerung von Reaktionsschwund und den Wärmeausdehnungskoeffizienten des Werkzeugstahles und der Formmasse. Der Nachschwund (Schwindung bei erneutem Temperatureintrag) ist mit 0,01% vernachlässigbar gering. Formschwindung (%) 0 0.5 1.0 1.5 Nachschwindung (%) 0 0.5 1.0 1.5 2.0 PF UF MF MPF UP DAP EP Abb 11 Vergleich der Form-und Nachschwindung verschiedener Duroplaste Hans-Fred Buchmann, Duresco GmbH, CH-4108 Witterswil Duroplastspritzguss und dessen Anwendung auf MID 7 Die geringe Schwindung verursacht zwangsläufig weniger Spannungen und ermöglicht eine hervorragende Dimensionsstabilität. Sie ist auch eine wichtige Voraussetzung für enge Toleranzen, wie sie für funktionelle Masse, z. B. für Dichtbereiche, elektrische Isolierungen oder als Basis für leitfähige Beschichtungen erforderlich sind. Sie ist auch der Grund weshalb mit Epoxid-Formmassen gefertigte Formteile keine Schwindungsmarkierungen aufweisen. Dies ist ein deutlicher Unterschied zu Thermoplasten, bei denen an Wanddickenübergängen oder Rippen Einfallstellen auftreten. Duroplastmoleküle haben während der Verarbeitung im Vergleich zum Thermoplast ein sehr niedriges Molekulargewicht. Innerhalb der Duroplastfamilie haben Epoxid-Formmassen die niedrigsten Verarbeitungsviskositäten. Auch mit über 70 Gewichts-% gefüllte Epoxid Formmassen können daher noch mit Forminnendrücken bis unter 50 bar verarbeitet werden. Auch lassen sich Umhüllungsschichtstärken von unter 1 mm bei guter Rissbeständigkeit ohne Probleme realisieren. Die niedrige Verarbeitungsviskosität bedingt auch eine sehr gute Abbildung der Werkzeugoberfläche. Die für die MID Technologie erforderliche glatte und geschlossene Oberfläche des Spritzlings lässt sich durch entsprechende Oberflächengüte im Werkzeug erreichen. Abb 12: Oberflächengüte, keine Schwundmarkierungen Diese gute Fliessfähigkeit ist auch eine der Voraussetzungen für die schonende Umhüllung empfindlicher Einlegeteile. Anschaulich lässt sich dies gut an Wicklungen demonstrieren, die mit wenig Belastung umhüllt werden müssen und keine Verschiebungen aufweisen dürfen. Die mögliche Bandbreite reicht hier von einer Teilimprägnierung bis hin zur vollständigen Imprägnierung. Abb 13 Teilimprägnierung/Vollimprägnierung Hans-Fred Buchmann, Duresco GmbH, CH-4108 Witterswil Duroplastspritzguss und dessen Anwendung auf MID 8 Die Imprägnierung ist neben der Abdichtung gegen Wasser und Chemikalien gleichzeitig auch die Voraussetzung für eine gute Verlustwärmeableitung und damit niedrigere Betriebstemperatur. Durch entsprechende Wahl der Füllstoffe kann mit Epoxid-Formmassen eine Wärmeleitfähigkeit von über 2,0 W/mK erreicht werden mit ausreichender mechanischer Festigkeit. Folgende Tabelle zeigt in der Übersicht einen zusammenfassenden Verleich der Eigenschaften von EpoxidFormmassen mit technischen Thermoplasten. Eigenschaften PA/PBT PPS/LCP EP Dimensionsstabilität schlecht mittel sehr gut Schwindung hoch hoch sehr niedrig Schwundmarkierungen ja ja nein Kriechverhalten (bei >100°C) sehr gross mittel klein Gestaltungsfreiheit sehr wenig wenig sehr gut Rissbeständigkeit an Bindenähten schlecht schlecht sehr gut Wärmeleitfähigkeit schlecht mittel gut / sehr gut Temperatur Index (IEC 216) B&F H F&H Wasseraufnahme hoch niedrig niedrig Chemikalienbeständigkeit mittel gut sehr gut Tab. 1 Vergleich Eigenschaften Thermoplast / EP Verarbeitung von Epoxid-Formmassen Für die Verarbeitung von Epoxid-Formmassen kommen neben dem einfachen Pressverfahren, welches für MIDBauteile wenig relevant ist, sowohl das Spritzpressen als auch das Spritzgiessen in Betracht. Wichtig ist in beiden Fällen, dass das Material vor dem Formgebungsprozess plastifiziert wird, um Luft aus dem Granulat zu verdrängen und das Fliessverhalten und die Härtezeit zu optimieren. Beim Spritzpressen geschieht diese Vorbereitung extern mittels entweder einer Tablettiereinrichtung plus HF-Vorwärmgerät oder in einem Schritt mittels eines Vorplastifiziergerätes. Beim Spritzgiessen wird das Material in der Spritzgiessmaschine selbst während des Prozesses plastifiziert. Abb 14 Verarbeitungsverfahren Hans-Fred Buchmann, Duresco GmbH, CH-4108 Witterswil Duroplastspritzguss und dessen Anwendung auf MID 9 Beim Spritzgiessprozess von Duroplasten bestehen vielfach noch Vorbehalte bezüglich der Prozesssicherheit. Daher soll hier noch auf die richtige Strategie bei der Parametereinstellung eingegangen werden. Viskosität Der Prozess unterscheidet sich nicht grundsätzlich vom Spritzgiessprozess von Thermoplasten. Um einen sicheren Prozess zu gewährleisten, muss man aber dem unterschiedlichen Verhalten unter Temperatureinwirkung Rechnung tragen. Während bei Thermoplasten die Viskosität bei steigender Temperatur abnimmt, kommt es beim Duroplast zu einer Überlagerung der temperaturbedingten Viskositätsabnahme und einer reaktionsbedingten Viskositätszunahme, wie in Abb 15 dargestellt. Aus diesem Verhalten ergeben sich die Unterschiede in der Prozessführung. resultierende Viskosität physikalisches Aufschmelzen chemische Vernetzung Zeit Abb 15 Viskositätsfunktion vernetzender Formmassen Bei Thermoplasten wird vor der Verarbeitung dem Material Wärme zugeführt um das Grannulat aufzuschmelzen, im Werkzeug wird diese Energie wieder entzogen. Bei Duroplasten wird vor der Verarbeitung moderat Wärme zugeführt, die Hauptenergie zur Aushärtung jedoch erst im Werkzeug. Vielfach wird aufgrund von Bedenken, dass die Formmasse im plastifizierten Zustand schon im Zylinder zu hart wird sehr spät Energie zugeführt und auf die Einstellung eines Massepolsters bewusst verzichtet. Die oft beobachtete Kühlung des Einzugsbereiches und tiefe Temperaturen einzugnah sind einer sorgsamen und homogenen Plastifizierung hinderlich, da ein schnelles Aufschmelzen unter hohem Druck kältere und heissere Bereiche im plastifizierten Material erzeugt. Diese „konventionelle“ Fahrweise führt i.d.R. zu keinem befriedigenden Ergebnis. Der Prozess ist Schwankungen unterworfen und reagiert sensibel auf Unterbrechungen. Der optimale Verarbeitungszustand lässt sich dadurch erreichen, dass dem Granulat im Zylinder schon früh Wärmeenergie zugeführt wird. Dies führt zu einem frühen Aufschmelzen der Masse, so dass auf einen hohen Staudruck verzichtet werden kann. Das Material wird damit über einen längeren Zeitraum, aber dafür schonend plastifiziert. Vor der Schneckenspitze erhält man eine homogen aufgeschmolzene Masse, die durch die vorderste Temperierzone nur noch auf der gewollten Temperatur gehalten wird. Abb 16 zeigt exemplarisch eine solche Temperatureinstellung und schematisch die Zone, in der das Material beginnt aufzuschmelzen. 90 – 75 75 – 60 75 – 60 Abb 16: Plastifizierung Hans-Fred Buchmann, Duresco GmbH, CH-4108 Witterswil °C Duroplastspritzguss und dessen Anwendung auf MID 10 Die Vorteile, die sich hieraus ergeben sind: • geringere Spritzdrücke • gezielte Kontrolle der Verdichtung des Formteiles • Verhinderung von Masseaufbau • kürzere Einrichtzeiten • geringerer Verschleiss Damit lassen sich Epoxid-Formmassen problemlos und prozesssicher mit Massepolster fahren. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um das Potential der Epoxid-Formmassen bezüglich Qualität und Qualitätskonstanz auch voll auszuschöpfen. p spez. Der Prozess lässt sich dann auch über die Darstellung der Einspritzdrücke und Wege gut beurteilen und einstellen. Solldruck (spezifisch) Istdruck (spezifisch) Schneckenweg Einspritzphase Nachdruckphase t Abb 17: Spritzprofil Die Vorteile bezüglich Prozesssicherheit werden aus Abb 18 deutlich. Hier ist der zum Einspritzen erforderliche Druckbedarf für verschiedene Unterbruchzeiten für beide Fahrweisen aufgetragen. Während bei „konventioneller“ Fahrweise der Spritzdruck nach 3min Unterbruch um fast 50% steigt und nach 5min die Druckgrenze der Maschine erreicht, steigt er bei der vorgeschlagenen Fahrweise bei 5min lediglich um 20% und selbst bei 10 min erst um 50%. Der Prozess wird somit weit toleranter gegenüber Fertigungsunterbrüchen. 1500 Umschaltdruck [bar] 1300 1100 900 700 500 300 konventionell 100 ohne Unterbruch m. Massepolster Druckbegrenzung 3 5 Unterbrechungszeit [min] Abb 18 Einfluss von Unterbrechungszeiten Hans-Fred Buchmann, Duresco GmbH, CH-4108 Witterswil 10 Duroplastspritzguss und dessen Anwendung auf MID 11 Tab. 2 zeigt einen Vergleich der Verarbeitungsbedingungen von Epoxid-Formmassen zu verschiedenen technischen Thermoplasten. Verarbeitung PA/PBT PPS/LCP EP Verarbeitungstechnik Spritzguss Spritzguss Spritzguss & Spritzpressen Schmelzetemperatur <300°C <400°C <110°C Werkzeugtemperatur 80-120°C 120-160°C 160-190°C Spritzdruck <1500bar <1500bar <800bar Werkzeuginnendruck 400–700bar 300–800bar 50-250bar Spritzzeit <10s <5s <20s Härtezeit (bei 2mm Wandstärke) <45s <45s <45s Härtezeit (bei 5mm Wandstärke) <120s <120s <60s Tab.2 Vergleich Verarbeitung Thermoplast / EP Laserstrukturierung Die Möglichkeit, die Eigenschaften wie vorgestellt ohne Kompromisse nutzen zu können bedingt, dass für eine Laserstrukturierung und Metallisierung der Oberfläche keine speziellen Eingriffe oder Änderungen an der Formmasse notwendig sind, wie z. B. der Zusatz spezieller Additive. Hierfür werden bei der Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. in Stuttgart Untersuchungen an handelsüblichen Epoxid-Formmassen durchgeführt, die bisher sehr gute Ergebnisse liefern. So lassen sich ohne spezielle Additive in der Formmasse schon Strukturen mit einer Teilung (pitch) von 120µm realisieren. Die Rauhigkeit liegt bei dem angestrebten Rz von 10 µm. Die auf der Struktur aufgebrachte Metallschicht hat eine Haftfestigkeit von 10 – 30 N/mm2, was im Bereich der z. B. mit LCP erreichbaren Werte und sogar darüber liegt. Laserstrukturierung (Bilder Hahn Schickard) Hans-Fred Buchmann, Duresco GmbH, CH-4108 Witterswil Duroplastspritzguss und dessen Anwendung auf MID 120 µm 12 200 µm Abb19: bisher erreichbare Teilung (Bilder Hahn Schickard) Abb 20: Haftung unterschiedlicher EP-Formmassen im vgl. zu LCP (Quelle Hahn Schickard) Fazit Epoxid-Formmassen eignen sich hervorragend für den Einsatz in der MID-Technologie. Aufgrund ihres Aufbaues bieten sie viele der geforderten Eigenschaften schon von Haus aus. Die Möglichkeiten der Anpassung des Eigenschaftsprofils an unterschiedliche Bedürfnisse ist durch die Variationsmöglichkeiten mittels Harz, Härter, Füllstoffen und Additiven sehr gross. Die tiefe Verarbeitungsviskosität ermöglicht die Ausbildung von glatten, geschlossenen Oberflächen, wie sie für die Laserstrukturierung von MID-Bauteilen erforderlich ist. Die erzielbaren Rauhtiefen und Haftfestigkeiten der Metallschicht sind gleichwertig zu den mit speziell behandelten Thermoplasten erreichbaren Werte. Das Fliess-/Härtungsverhalten der EP-Formmassen erlaubt die schonende Umhüllung auch empfindlicher Bauteile wodurch sich noch zusätzliche Möglichkeiten eröffnen weitere Funktionen in einem Bauteil zu integrieren. Hans-Fred Buchmann, Duresco GmbH, CH-4108 Witterswil
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