Singen wie die Engel

Informationen rund um die Ausstellung
Begleitende Veranstaltungsreihe zur Ausstellung
Jeweils dienstags um 19.30 Uhr im Forum am Dom, Domhof 12,
49074 Osnabrück
13. Januar / Dr. Hermann Queckenstedt, „Jungfrauen, die ihr Leben
Gott geweiht hatten“. Das Zisterzienserinnenkloster „Marienbrunn“
und seine Aura als Wallfahrtsort im Spiegel der Zeit
3. Februar / Dr. Beate Braun-Niehr, „Die Bücher für den Gottesdienst
sollen überall einheitlich sein“ – Der Codex Gisle als Graduale für das
Zisterzienserinnenkloster Rulle bei Osnabrück
Singen
wie
10. März / Prof. Dr. Harald Wolter-von dem Knesebeck,
Die unbekannte Schöne. Der Codex Gisle, eine ungewöhnliche
Musikhandschrift der Zeit um 1300
die
14. April / Prof. Franz-Josef Rahe,
Vom Schriftwort zum Klang­gedächtnis –
Aphorismen zum Verhältnis von Text und
Ton im Codex Gisle
Engel
12. Mai, 19 Uhr
Zum Abschluss des Projekts laden die
Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament, Hasetorwall 22, 49076 Osnabrück
zur gesungenen Vesper in ihrer Klosterkapelle. Danach berichtet Sr. Eva-Maria
Kreimeyer OSB unter dem Titel Bete, lese
und arbeite – Benediktinerin heute über
ihren klösterlichen Alltag.
Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag 10 – 18 Uhr
Öffentliche Führungen durch die
Sonderausstellung sowie Führungen nach Vereinbarung
Information und Führungsbuchung
Tel. 0541 318-481 / [email protected]
www.bistum-osnabrueck.de/kultur/dioezesanmuseum.html
Es gibt ein museumspädagogisches Begleitprogramm
Der Codex Gisle
Eine mittelalterliche
Musikhandschrift aus
dem Kloster Rulle
25.11.2014 – 4.10.2015
Kooperationspartner
Quaternio Verlag Luzern • www.quaternio.ch
Domschatzkammer und Diözesanmuseum Osnabrück
Domhof 12 • 49074 Osnabrück
Telefon: 0541 318-481 • E-Mail: [email protected]
Diözesanmuseum
Diözesanmuseum
Ein viele Jahrhunderte altes Meisterwerk der Buchmalerei erstmals zum Blättern
Eine Faksimile-Edition, die in der Ausstellung ausliegt, macht dies möglich. Entdecken Sie die Lebendigkeit der
Miniaturen und vertiefen Sie sich in die Gesänge – Hörproben lassen Sie tief in die Welt des Codex Gisle eintauchen.
Der Codex Gisle aus dem späten 13. Jahrhundert gehört zu den
kostbarsten mittelalterlichen Handschriften Nordwestdeutschlands.
Er enthält jene Gesänge, mit denen die Zisterzienserinnen des
­Klosters „Marienbrunn“ in Rulle das Kirchenjahr gestaltet haben.
Mit seiner reichen Ausstattung, seinen wunderbaren Malereien
sowie dem großzügig verwendeten Gold ist er einzigartig unter
gotischen Gesangbüchern. Erlesene Miniaturen sollten die Nonnen
auf die jeweiligen Kirchenfeste einstimmen und die Sängerinnen
durch ihre Größe und Schönheit inspirieren.
Mit 53 Bildinitialen statt der üblichen 15 bis 20 übertrifft der Codex
Gisle vergleichbare Musikhandschriften der Zeit nicht nur um ein
vielfaches, sondern er zeichnet sich überdies
durch viele eigenständige
Bildideen aus. Bedeutende
Feste wie Weihnachten, Ostern
oder Pfingsten sind als Prachtseiten
gestaltet: mit großen, fast ganzseitigen
Initialen, Medaillons, Rankenwerk,
Goldschrift und farbigen Noten.
Das Bildprogramm entfaltet reiche
biblisch-theologische Bezüge, die von
einer ebenso tiefen wie umfassenden Kenntnis der Gesänge sowie
ihrer gottesdienstlichen Einbindung zeugen.
Die gregorianischen Melodien
des Codex sind in gotischen
Choral­noten niedergeschrieben:
der sogenannten „Hufnagelnotation“, die als deutsche Weiterentwicklung der mittelalterlichen
­Neumen um 1200 entstanden ist.
Wissenschaftler fragen sich seit
fast einem Jahrhundert, ob ein so
qualitätvolles Werk wie der Codex
Gisle in der Schreibwerkstatt des materiell eher
bescheiden ausgestatteten Klosters Rulle entstanden sein kann.
Dieses unterhielt nachgewiesener Maßen im ausgehenden 13. Jahrhundert sowie im frühen 16. ein solches Scriptorium, in dem wohl
auch die Sangmeisterin Gisela von Kerssenbrock vor ihrem Tod um
1300 wirkte. Schriftliche Einträge in alten Quellen berichten, dass
Gisela das kostbare Graduale selbst erstellt habe. Die Weihnachts­
initiale zeigt die Sangmeisterin gemeinsam mit ihren damals in
Rulle lebenden fünf Mitschwestern vor dem Codex, aus dem der
Konvent seine Gesänge anstimmt.
Anlässlich der originalgetreuen Faksimilierung durch den
Quaternio Verlag Luzern stellt das Diözesan­
museum Osnabrück die Prachthandschrift ins
Zentrum der neuen Sonderausstellung. Dabei
werden entsprechend des Kirchenjahres regelmäßig neue Initialen aufgeschlagen. Ein kostbares Faksimile liegt zudem für die Besucher
zum Durchblättern bereit und erschließt so die
bildlichen Reize der Handschrift, während Hörstationen ihre Gesänge erklingen lassen.
Darüber hinaus gibt die Sonderausstellung
Einblicke in die Geschichte des Klosters und
Wallfahrts­ortes Rulle, der seinen bis heute
bedeutenden Ruf als Pilgerziel durch drei Wunderlegenden sowie etliche Wunderheilungen
begründete. Während die beiden frühen
Legenden aus der Gründungszeit das Wohl­
wollen der Gottesmutter für den jungen
Konvent dokumentieren sollen, rückt das Ruller
Blutwunder von 1347 das Leiden Christi und seine Verehrung im
gewandelten Wein und Brot in den Mittelpunkt. Angesprochen
wird die Rolle des Klosters „Marienbrunn“ im Zeitalter der Reformation, der Gegenreformation sowie in der Zeit konfessioneller
Gleichberechtigung im Fürstbistum Osnabrück nach dem Westfälischen Frieden. Weitere Themen sind die Verortung katholischer
Resistenz gegen die Nationalsozialisten im Zeichen der Ruller
Wallfahrt sowie die dortige geistliche Beheimatung von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg.
Schließlich wird die mittelalterliche Kunstfertigkeit beim Herstellen von Pergament und Farben sowie in der traditionellen Buchbinderei vorgestellt. Von diesen alten Handwerkstechniken schlägt
die Ausstellung den Bogen zum komplexen Herstellungsverfahren
einer ­Faksimile-Edition.
Der Besucher kann die
einzelnen von handwerklicher Präzision geprägten
Schritte nachvollziehen,
in denen der Quaternio
Verlag Luzern die Prachthandschrift originalgetreu
reproduziert hat.