Artikel als PDF herunterladen

Fotos: Andrea Bahrenberg
@ online-spezial
Daniela Brungs aus Much
möchte nach ihrer Ausbildung
weiter auf einem Milchvieh­
betrieb arbeiten.
Andrea Bahrenberg
Quereinsteiger in der Landwirtschaft
Vom Hof kommt Daniela Brungs aus dem nordrhein-westfälischen Much nicht. Landwirtin
möchte sie trotzdem werden und absolviert gerade ihre Ausbildung auf einem Milchviehbetrieb. Als Quereinsteigerin in der Landwirtschaft ist sie in guter Gesellschaft. Immer
mehr Azubis und Fachschüler ohne landwirtschaftlichen Hintergrund wollen in dem Beruf
arbeiten.1
A
ngefangen hat alles ganz unbefangen: „Als
Kind bin ich immer zu den Nachbarn gegangen, um Milch zu holen. Ich wollte nur mal
gucken, wo die Milch herkommt. Dann wollte ich
selber gerne mal das Melken ausprobieren und ehe
ich mich versah, war ich jeden Tag auf dem Hof
und half mit, weil es mir so viel Spaß gemacht hat“,
erinnert sich Daniela Brungs. Beim Nachbarn fütterte sie die Kälber, machte abends die Stallrunde
und half beim Melken. „Sobald ich einen Führerschein hatte, durfte ich auch Trecker fahren und
war in der Erntezeit auf dem Feld“, berichtet sie.
1 Erstveröffentlichung in: Landwirtschaftliche Zeitung (LZ)
Rheinland 33-2014, S. 53.
1/3 – B&B Agrar 2 / 2015
So wie Daniela geht es vielen, sagt Dr. Barbara
Laubrock von der Landwirtschaftskammer NRW.
„Quereinsteiger in der Landwirtschaft gibt es in
den vergangenen Jahren immer mehr“, hat sie festgestellt. In diesem Jahr kamen in Nordrhein-Westfalen 18,5 Prozent aller landwirtschaftlichen Fachschüler nicht vom Hof. Bei den Azubis waren es sogar über 43 Prozent. „Die Tendenz ist seit Jahren
steigend. In einzelnen Klassen sind es sogar 50
Prozent, besonders im Regierungsbezirk Köln“, erklärt sie. Der Beruf sei bei den Jugendlichen unheimlich beliebt im Moment. Auch in anderen Bundesländern sind viele quereinsteigende Azubis zu
verzeichnen. In Niedersachsen sind es zwischen 32
und 40 Prozent und in Rheinland-Pfalz und Hessen
sogar um die 50 Prozent. Insgesamt kommen in
@ www.bub-agrar.de
@ online-spezial
Deutschland 20 bis 30 Prozent der Fachschüler
nicht vom landwirtschaftlichen Betrieb. Der Anteil
der Quereinsteiger liegt in den östlichen Bundesländern nahe 70 Prozent, in den westlichen Bundesländern sind es im Durchschnitt um die 15 Prozent (geschätzt nach Ergebnissen einer vlf-Studie).
Die Absolventen sind auch bei den Unternehmen
im vor- und nachgelagerten Bereich sehr begehrt.
„Die meisten fertig ausgebildeten Landwirte oder
Fachschüler werden direkt nach ihrem Abschluss
vom Markt abgegriffen, wie man so schön sagt“, so
Dr. Laubrock. Das verwundert nicht. Auch die landwirtschaftlichen Betriebe werden immer größer
und suchen qualifizierte Mitarbeiter mit entsprechendem Abschluss für das mittlere Management.
Talent für den Umgang mit Kühen
In diese Richtung will auch Daniela Brungs gehen.
„Ich kann mir gut vorstellen, später einmal als Herdenmanagerin oder Klauenpflegerin zu arbeiten“,
sieht sie ihr Ziel klar vor Augen. Zurzeit ist sie im
zweiten Ausbildungsjahr zur Landwirtin auf dem
Betrieb von Thomas Lüpschen in Wachtberg, der
140 Milchkühe hält und auf 120 Hektar Silomais,
Winterweizen, Zuckerrüben und Ackergras anbaut
sowie einen großen Teil Grünland bewirtschaftet.
„Am meisten macht mir die Arbeit mit den Kühen
Spaß“, sagt die 18-Jährige. Daniela Brungs liebt
ihre Arbeit nicht nur, sie ist auch gut darin, wie ihr
Ausbilder bestätigen kann: „Sie hat ein richtiges
Händchen für die Kühe und geht sehr gut mit ihnen
um, mit der richtigen Ruhe und einem guten Auge
für die Tiergesundheit“, lobt Thomas Lüpschen seine Auszubildende. Dass sie nicht auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen sei, sieht er
nicht als Nachteil. Im Gegenteil: Er hat oft die Erfahrung gemacht, dass Quereinsteiger besonders
motiviert sind. „Daniela ist so engagiert und sie
bringt ja schon viele Erfahrungen von ihrer Tätigkeit auf ihrem Nachbarbetrieb mit. Sie hat ein richtiges Talent dafür, mit Kühen umzugehen“, zeigt er
sich zufrieden.
Was schätzt Daniela so an dem Job? „Hier ist kein
Tag wie der andere. Man kann nichts vorausplanen. So bleibt es immer abwechslungsreich. Das
finde ich spannend“, sagt sie. Am liebsten arbeitet
sie draußen. Ein Bürojob wäre nichts für sie. Auf
dem Hof Lüpschen gehört es zu ihren Aufgaben zu
melken, die Kälber zu tränken und die Klauen zu
schneiden. Aber auch andere Arbeiten wie Zäune
reparieren und vieles mehr stehen auf dem Pro2/3 – B&B Agrar 2 / 2015
Ein starkes Team sind die Auszubildende Daniela
Brungs und Milchviehhalter Thomas Lüpschen.
gramm. Auf dem Acker erledigt sie alles von der
Saatbettbereitung bis hin zum Mähen, Schwaden
und Wenden. Das alles macht sie mit Begeisterung,
stets begleitet von Hofhund Lotte, der mit mindestens genauso viel Lebensfreude neben ihr herläuft.
Ihre Freunde haben sich inzwischen daran gewöhnt, dass sie diesen Beruf erlernt hat. „Am Anfang fanden sie es komisch. Aber sie haben schnell
gemerkt, dass es mir richtig Spaß macht und freuen sich mit mir, dass ich schon so früh meinen
Traumjob gefunden habe“, erzählt sie. Und das ist
auch wichtig in diesem Beruf, der bekanntlich längere Arbeitszeiten einfordert. „Normalerweise arbeite ich die üblichen acht bis neun Stunden am
Tag. Im Sommer, zu Erntezeiten, können es auch
schon mal 16 Stunden werden, aber das macht mir
nichts aus. Es macht ja Spaß!“ Auch wenn Danielas
liebste Freizeitbeschäftigung den ganzen Tag andauern könnte, unternimmt sie auch andere Sachen. „Samstagabends bin ich meistens mit meinen Freunden unterwegs und gehe tanzen. Und
zwischendrin gehen wir Badminton spielen“, erzählt sie.
In der Berufsschulklasse lernen nur sechs Mädchen. Als Frau in einer eher von Männern dominierten Branche zu arbeiten, stört Daniela aber
nicht. Das sei eben so. „Wenn irgendwer meint, ich
wäre zu schwach oder hätte nicht genügend Kraft,
dann zeig ich denen schon, dass es doch geht“,
sagt sie mit einem Augenzwinkern. „Und für die
Arbeiten, bei denen man viel Kraft braucht, organi@ www.bub-agrar.de
@ online-spezial
siere ich mir einen Trecker oder eine andere technische Hilfe. Das klappt hervorragend“, hebt sie hervor. Natürlich gibt es auch gegenseitige Unterstützung auf dem Hof.
Fachschulen gefragt
Das dritte Ausbildungsjahr wird Daniela ebenfalls
auf einem Milchviehbetrieb absolvieren. Anschließend will sie die Fachschule besuchen und staatlich
geprüfte Agrarbetriebswirtin werden oder die
Meisterprüfung ablegen. Dass landwirtschaftliche
Azubis auch Führungspositionen anstreben, zeigt
nicht zuletzt die zunehmende Nachfrage nach einer
Fortbildung an den Fachschulen. Die sechs Fachschulen der Landwirtschaftskammer NordrheinWestfalen verzeichnen immer noch steigende Anmeldezahlen. Im Jahr 2013 meldeten sich zum ersten Mal seit Bestehen der Kammer über 1.000
Fachschüler an – seitdem hält sich die Zahl auf diesem hohen Niveau. Im Jahr 2005 waren es noch
knapp 700 Fachschüler, 2009 über 800 und 2011
bereits über 900.
Übrigens macht der Beruf des Landwirts sehr zufrieden. Das geht aus einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes zum Thema „Qualität der Arbeit – Geld verdienen und was sonst noch zählt“
3/3 – B&B Agrar 2 / 2015
hervor. Landwirte säen, ernten, sehen Tiere aufwachsen – das ist alles ganz konkret und direkt erlebbar. Sie arbeiten selbstständig und eigenverantwortlich. „Genau das schätze ich besonders und ich
wüsste keinen anderen Beruf, in dem man das findet“, bestätigt Quereinsteigerin Daniela Brungs.
Literatur
Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2012): Qualität der Arbeit – Geld verdienen und was sonst noch
zählt, Wiesbaden; download unter www.destatis.
de/DE/Publikationen/Thematisch/Arbeitsmarkt/
ThemaArbeitsmarkt.html
Die Autorin
Andrea Bahrenberg
Pressesprecherin beim RLV
­(Rheinischer Landwirtschafts-­
Verband e. V.),
Redakteurin LZ Rheinland
[email protected]
@ www.bub-agrar.de