Fazit - Disclose

Disclose
Im Fokus: Unternehmensberichterstattung
Ausgabe 1, 2016
Die moderne Unternehmensberichterstatung reicht weit über finanzielle
Kennzahlen hinaus.
Disclose — Ausgabe 1, 2016
disclose.pwc.ch
Disclose
Im Fokus: Unternehmensberichterstattung
Die moderne Unternehmensberichterstattung reicht weit über finanzielle Kennzahlen hinaus.
Neues Jahr, neues Disclose – willkommen hoch zwei!
«Unternehmensberichterstattung» heisst das Leitthema unserer
neusten Disclose-Ausgabe. Mit gutem Grund, denn es betrifft Sie und
uns Tag für Tag.
Über die letzten Jahrzehnte sind die rechtlichen und regulatorischen
Anforderungen an die Unternehmensberichterstattung laufend
gestiegen, häufig im Zusammenhang mit dem Schlagwort
«Transparenz»:
Investoren verlangen Klarheit über die Sicherheit und Entwicklung
ihrer Investitionen, Analysten über den Wahrheitsgehalt der
Unternehmensdaten, die Öffentlichkeit über das
Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen und Staaten
schliesslich über die Steuerrelevanz von Kundendaten. So gehört die
Unternehmensberichterstattung zu den Dauerbrennern auf Ihrer
Agenda als Verantwortungs- und Entscheidungsträger.
Alex Astolfi
Leiter Wirtschaftsprüfung Schweiz
Der Umfang unserer aktuellen Disclose-Ausgabe zeigt das enorme
Spektrum der Unternehmensberichterstattung. Sie beinhaltet
zahlreiche nichtfinanzielle Parameter der Wertschöpfung wie
Nachhaltigkeit, Unternehmenskultur, Selbstverständnis, integriertes
Denken, Dialogbereitschaft, Risikoverhalten und die Einschätzung
zukünftiger Entwicklungen. Die einzelnen Berichte und
Berichterstattungsprozesse greifen oft ineinander und lassen sich
nicht immer messerscharf abtrennen. Doch eines haben sie alle
gemeinsam: Richtig und klug umgesetzt lassen sie sich für eine
weitsichtige Steuerung und langfristige unternehmerische
Verantwortung nutzen.
Mit dem vorliegenden Disclose möchten wir Sie auf den neusten
Stand der Entwicklungen bringen und Ihnen Übersicht verschaffen.
Wir zeigen auf, welche harten und weichen Faktoren in die
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Unternehmensberichterstattung einfliessen, welche Berichtsformen
existieren, was diese beinhalten müssen und wie Sie diese als
Mehrwert nutzen.
Zum ersten Mal seit Jahren dürfen wir Ihnen einen Gastautor
präsentieren. Wir danken Prof. Dr. Thomas Berndt vom Institut für
Finanzwissenschaft, Finanzrecht und Law and Economics der
Wir sind für Sie
da!
Universität St. Gallen für seinen Eröffnungsbeitrag.
Ich wünsche Ihnen eine facettenreiche Lektüre und einen
weitsichtigen Start ins neue Jahr.
Alex Astolfi
Leiter Wirtschaftsprüfung
Schweiz
+41 58 792 81 95
[email protected]
Ihr Alex Astolfi
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Im Fokus
Unternehmensberichterstattung: nicht nur Mehraufwand, sondern auch
Mehrwert von Prof. Dr. rer.
CorporateGovernance-Bericht:
Unternehmenskultur in
Wort und Tat
pol. Thomas Berndt – Seite 5
von Patrick Balkanyi – Seite 31
Integrated Reporting:
besser als reine
Compliance
Vergütungsbericht:
Transparenz aus
unterschiedlichen
Perspektiven
von Rolf Johner – Seite 10
von Stefan Haag – Seite 37
Finanzbericht: Trend zu
individuellen finanziellen
Kernbotschaften
Steuertransparenz:
«Wind of Change» für die
Wirtschaftswelt
von Bruno Rossi – Seite 18
von Laurenz Schneider – Seite 47
Lagebericht: die Pflicht
als Kür nutzen
Nichtfinanzielle
Berichterstattung:
verantwortungsvoll und
weitsichtig führen
von Daniel Suter – Seite 25
von Stephan Hirschi – Seite 52
Neuer Revisionsbericht:
mehr Transparenz, mehr
Vertrauen
von Joanne Burgener – Seite 61
Update – Seite 69
Zu diesen Themen:
Umgang mit
Geschäftsinformationen –
Derivatehandel
Leserservice – Seite 85
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Im Fokus: Unternehmensberichterstattung
Unternehmensberichterstattung: nicht nur
Mehraufwand, sondern auch Mehrwert
Die Unternehmensberichterstattung befindet sich in einer Phase rascher und tief
greifender Veränderungen. Deren Ursachen sind vielfältig: Neue Geschäfts- und
Finanzierungsmodelle, das Aufkommen digitaler Publikationsmöglichkeiten, eine
wachsende Regulierungsdichte und das verbreitete Bedürfnis nach Nachhaltigkeit und
Compliance treiben den Wandel voran. Die Firmen benötigen künftig eine integrierte
Berichterstattung, um finanzielle und nichtfinanzielle Informationen logisch
zusammenzuführen.
G
ute Unternehmensberichte zeichnen sich durch drei
Qualitäten aus. Erstens ist eine
Unternehmensberichterstattung dann gut, wenn sie sich
an den Erwartungen der Adressaten orientiert. Zu denen
gehören in vorderster Linie die Investoren, sowohl die Fremd- als
auch die Eigenkapitalgeber.
Zweitens sind die Konsistenz und die Vergleichbarkeit der
Berichterstattung wichtig. Es darf zum Beispiel nicht sein, dass in
einem Jahr Informationen zu einem bestimmten Thema vermittelt
werden und diese im folgenden Jahr wieder unter den Tisch fallen.
Analysten können Firmen nur dann bewerten, wenn sie zwischen
Prof. Dr. rer. pol. Thomas Berndt
Professor Universität St. Gallen
den Geschäftsperioden vergleichen können. Vergleiche müssen auch
zwischen Unternehmen möglich sein.
Drittens müssen Unternehmensberichte gut lesbar sein. Eine
benutzerfreundliche Darstellung von Informationen in Form von
Texten, Tabellen und Grafiken erlaubt es dem Leser, rasch und
unmissverständlich das Wesentliche zu erfassen. Das bedeutet, dass
nebensächliche Informationen oder aussageschwache Bilder
weggelassen werden.
Suche nach Form und Inhalt
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In den letzten Jahren wurde die Unternehmensberichterstattung vor
neue Herausforderungen gestellt. Die Menge an vermeintlich oder
tatsächlich notwendigen Informationen ist angestiegen. Auch deren
Veränderungsdynamik hat zugenommen. Manche Investoren
sprechen von einem wachsenden «Dickicht an Informationen» oder
von einer «Informationsüberdosis». Allerdings waren es oft gerade
Investoren, die immer mehr Informationen von den Firmen
verlangten.
Ein weiterer Grund für das Anschwellen der Informationsflut liegt im
Wandel der unternehmerischen Wirklichkeit. Zum einen haben viele
Geschäftsmodelle an Komplexität zugelegt. Firmen bewegen sich auf
völlig neuen Marktfeldern und erschliessen sich unkonventionelle
Kreise von Fremd- und Eigenkapitalgebern. Zum anderen öffnen sich
durch die digitale Revolution und die Entwicklung zum
Unternehmen 4.0 neue Kommunikationswege (vgl. CorporateGovernance-Bericht).
Fast alle Unternehmen befinden sich in einem Suchprozess, was die
Formen und Inhalte ihrer Unternehmensberichterstattung
anbelangt. Sie fragen sich, welche Informationen in welchen Bericht
integriert werden sollen; sie überlegen, was als Hardcopy
ausgedruckt und was im Internet in elektronischer Form publiziert
werden soll. Nicht alle Investoren schätzen den Trend zur digitalen
Berichterstattung. Viele können sich nur schwer von gedruckten und
bebilderten Geschäftsberichten verabschieden.
Die gegenwärtige Experimentierphase erschwert die Vergleichbarkeit
und Analyse von Unternehmensberichten. Manche Firmen
verkennen das Ziel und den Zweck einer
Unternehmensberichterstattung und missverstehen den
Geschäftsbericht als eine Art Marketinginstrument. Zu viel grafische
Kreativität und attraktive Bebilderung ist kontraproduktiv. Es geht
darum, die Aussagen im Sinne einer wirtschaftlichen
Lagebeurteilung auf den Punkt zu bringen (vgl. Lagebericht).
Regulatorische Aufarbeitung der
Finanzkrise
Ein grosser Teil der steigenden Informationsflut ist auf die
wachsende Zahl neuer Gesetze, Verordnungen und Standards
zurückzuführen. Obwohl die Finanzkrise mittlerweile sieben Jahre
zurückliegt, ist deren regulatorische Aufarbeitung immer noch im
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Gang (vgl. Steuertransparenz). Zwar nehmen Regelwerke wie Basel
III von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) oder
Erlasse der Schweizer Finanzmarktaufsichtsbehörde (FINMA)
primär den Bankensektor ins Visier. Doch die neuen Regulierungen
beeinflussen indirekt auch die Geschäftstätigkeit und
Berichterstattung der Unternehmen, die nicht dem Finanzsektor
zuzurechnen sind.
Die börsenkotierten Gesellschaften sind bei der Rechnungslegung
und Finanzberichterstattung mit vielen neuen Vorschriften des
International Accounting Standard Boards (IASB) und des Financial
Accounting Standards Boards (FASB) konfrontiert. Die neuen
Bestimmungen in den International Financial Reporting Standards
(IFRS) und in den United States Generally Accepted Accounting
Principles (US GAAP) sind so zahlreich und komplex, dass ihre
Inkraftsetzung immer wieder in die Zukunft verschoben wird (vgl.
Finanzbericht).
Mit Blick auf die Schweiz ist speziell zu erwähnen, dass durch die
Annahme der Minder-Initiative und die daraus hervorgegangene
Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten
Aktiengesellschaften (VegüV) hierzulande domizilierte
börsenkotierte Aktiengesellschaften seit dem 1. Januar 2014 einen
Vergütungsbericht erstellen müssen (vgl. Vergütungsbericht).
Nachhaltigkeit als Trend
Seit einiger Zeit greifen viele Unternehmen die Thematik der
Nachhaltigkeit in ihrer Unternehmensberichterstattung auf (vgl.
Nichtfinanzielle Berichterstattung). Dabei spiegelt sich der Wandel
der Unternehmensrealität wohl am deutlichsten wider. Firmen
entwickeln ihre Geschäftsmodelle in Richtung «green and clean
tech» weiter und stellen ihre Produkte nach höheren ökologischen
und sozialen Standards her. Wenn sich Unternehmen hinsichtlich
ihrer Nachhaltigkeit tatsächlich verbessern, dann liegt es auf der
Hand, in der Berichterstattung darauf hinzuweisen – nach dem
Motto: Tue Gutes und sprich darüber!
Nachhaltige Firmen kommen den Bedürfnissen jener
Investorengruppen entgegen, die ihre Anlageentscheidungen auch
aufgrund von Nachhaltigkeitskriterien treffen. Und sie nehmen
Rücksicht auf die öffentliche Meinung, die mit wachsender
Ablehnung auf Unternehmen reagiert, die sich ökologisch und sozial
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nicht korrekt verhalten.
Mittlerweile schreiben auch die Regulatoren das Thema
Nachhaltigkeit auf ihre Fahnen. Nach der Europäischen Richtlinie
2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Europarats zum
Beispiel müssen bestimmte Grossunternehmen künftig in ihren
Rechenschaftsberichten ihre Strategien, Risiken und Ergebnisse in
Bezug auf Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange offenlegen
(vgl. Lagebericht). Sie müssen zeigen, wie sie die Achtung der
Menschenrechte gewährleisten, Korruption bekämpfen und
Diversität in den Leitungs- und Kontrollorganen sicherstellen.
Initiative zum Integrated Reporting
Vertreter von öffentlichen Institutionen, Unternehmen,
Prüfungsgesellschaften, Börsen und standardsetzende
Organisationen riefen im August 2010 das International Integrated
Reporting Council (IIRC) ins Leben (vgl. Integrated Reporting).
Diese Initiative zur integrierten Berichterstattung ist ein
vielversprechender Ansatz, finanzielle und nichtfinanzielle
Informationen logisch zu verknüpfen. Es darf nicht sein, dass die
Zahlen eines Finanzberichts etwas anderes erzählen als die
Sachverhalte, die beispielsweise in einem Nachhaltigkeitsbericht
dargestellt werden. Ein kritischer Investor wird immer nachfragen,
wie sich beschriebene Nachhaltigkeitsmassnahmen auf monetäre
Werte wie Umsatz, Personalaufwand, Forschung und Entwicklung
oder Patente auswirken.
Eine integrierte Berichterstattung ist nur glaubwürdig, wenn die
Mitarbeiter des Unternehmens selbst integriert denken und handeln.
Andernfalls wirkt der Nachhaltigkeitsbericht aufgesetzt. Kritische
Investoren und Analysten werden solche Berichte umgehend als
Alibiübung entlarven.
Für die Form der integrierten Berichterstattung gibt es bislang noch
keinen Königsweg. Auch hier befinden sich die Unternehmen in einer
Such- und Experimentierphase. Die Firmen orientieren sich an BestPractice-Beispielen und gehen schrittweise vor. Sie nehmen nach
und nach Themen der integrierten Berichterstattung auf und
stimmen die einzelnen Berichte schrittweise aufeinander ab. Bis
tatsächlich vollständig integrierte Reports vorliegen werden, dürfte
es noch einige Jahre dauern.
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Neue Rolle für die Revision
Im Rahmen der integrierten Berichterstattung ist insbesondere die
Rolle des Prüfers noch ungeklärt. Manche Unternehmen schrecken
davor zurück, Nachhaltigkeitsthemen in einen prüfungspflichtigen
Geschäftsbericht aufzunehmen. Sie fürchten, dass sie unerwünschte
Präzedenzfälle schaffen und den Kreis der revisionspflichtigen
Informationen unnötig erweitern (vgl. Neuer Revisionsbericht).
In der Tat besteht das Risiko, dass Prüfer künftig bei
Nachhaltigkeitsberichten ein Testat verweigern könnten. Doch den
Unternehmen bieten sich auch Chancen. Das Deutsche Institut für
Wirtschaftsprüfung (IDW) verabschiedete beispielsweise 2011 den
Prüfungsstandard (PS) 980 «Grundsätze ordnungsgemässer Prüfung
von Compliance Management Systemen». Mittlerweile schätzen
manche Unternehmen den PS 980, weil er die Grundelemente eines
Compliance-Management-Systems aufzeigt und trotzdem genügend
individuelle Freiheit für dessen Ausgestaltung lässt.
Wir sind für Sie
da!
Prof. Dr. rer. pol. Thomas
Berndt
Professor Universität St. Gallen
+41 71 224 70 70
[email protected]
Fazit
Die Ansprüche an die Unternehmensberichterstattung steigen. Neben dem Finanzbericht erwarten viele
Investoren auch nichtfinanzielle Informationen zu Themen wie Nachhaltigkeit und Compliance. Neue
Vorschriften von IFRS und US GAAP lassen die Informationsflut zusätzlich anschwellen. Die Bestimmungen der
standardsetzenden Organisationen IASB und FASB sind im Vergleich zu früher weder einfacher noch
verständlicher geworden. Letztlich wird der Wandel der Unternehmensberichterstattung von einem komplexen
Zusammenspiel aus berechtigten Investoreninteressen, von der Entwicklung von Kommunikationsmedien, von
neuen Geschäfts- und Finanzierungsmodellen sowie von einer zunehmenden Regulierungsdichte getrieben.
Viele grosse und international tätige Firmen befinden sich in einer Experimentierphase. Sie probieren einerseits
die Möglichkeiten der digitalen Vermittlung aus, andererseits suchen sie nach Wegen zur Etablierung einer
integrierten Berichterstattung. Wir empfehlen, einen Fahrplan zur ständigen Verbesserung der
Unternehmensberichterstattung zu erstellen und sich an diesen zu halten.
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind von den Regulierungen in der Finanzberichterstattung früher
oder später ebenso betroffen wie die grossen. Die meisten warten jedoch ab. Sie lassen Chancen ungenutzt an
sich vorbeiziehen, weil sie Unternehmensberichterstattung eher als lästige Erfüllung regulatorischer Pflichten
verstehen und weniger als eine umfangreiche Kommunikation der eigenen Geschäftsbemühungen. Doch
Unternehmensberichterstattung kostet nicht nur, sondern liefert auch einen Mehrwert: Eine kontinuierliche,
nachhaltige und transparente Berichterstattung schafft Vertrauen bei den Investoren.
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Im Fokus: Unternehmensberichterstattung
Integrated Reporting: besser als reine
Compliance
Mit einem integrierten Reporting (IR) zeigen Sie auf, wie Ihr Unternehmen Wert generiert.
Dank prinzipienbasierter Leitplanken sind Berichterstattung und Bericht so individuell wie
Ihr Unternehmen selbst. Denn Ihre Investoren sollen nicht nur Ihnen und den publizierten
Informationen glauben, sondern auch daran, dass Ihre Organisation wirklich an Wert
gewinnt.
I
R basiert auf einem Rahmenwerk (IR Framework), das die
Kommunikation geschaffener Werte und zukünftiger
Herausforderungen stärkt. Die integrierte Offenlegung
überträgt reine Informationen in verständliches Wissen. Sie
äussert sich zu Unternehmens- und Marktumfeld, Strategie und
Ressourcenallokation, Geschäftsmodell, Governance, Chancen und
Risiken, Performance und Erfolgsaussichten. Der IR-Bericht soll den
Unternehmen helfen, das Fundament und den Charakter ihrer
Wertschöpfung  (vgl. Abbildung 1) zu verstehen und für andere
glaubhaft darzulegen – gerade für Investoren und Analysten.
Rolf Johner
Partner, Wirtschaftsprüfung
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Abbildung 1: Wertschöpfungsprozess im Integrated-Reporting-Modell nach IIRC
Externes Umfeld
Aufgabe und Vision
Governance
Finanzen
Geschäftsmodell
Produktion
Intellektuelles
Potenzial
Performance
Input
Humankapital
Geschäftsaktivitäten
Produktion
Output
Ergebnisse
Intellektuelles
Potenzial
Humankapital
Soziales und
Beziehungen
Natur
Finanzen
Soziales und
Beziehungen
Strategie und
Ressourcenallokation
Chancen
und Risiken
Natur
Zukunftsaussichten
Im Namen des Weitblicks
Die im Zusammenhang mit der Unternehmensberichterstattung
massgeblichen Organisationen – das International Accounting
Standards Board (IASB), die International Federation of Accountants
(IFAC), die Global Reporting Initiative (GRI) und The Prince‘s
Accounting for Sustainability Project (A4S) – haben im August 2010
das International Integrated Reporting Council (IIRC) als IRStandardsetzer etabliert. Am 9. Dezember 2013 legte das IIRC das
IR-Framework vor. Das IIRC unterstützt Unternehmen in der
Kommunikation ihrer Wertschöpfung als Weiterentwicklung der
Unternehmensberichterstattung (vgl.
Unternehmensberichterstattung). Erklärtes Ziel ist es, integriertes
Reporting im Denken und in der Praxis von öffentlichen und
privaten Organisationen zu verankern; die Umsetzung erfolgt auf
Unternehmensebene. Bis 2017 soll dem IR-Rahmenwerk der
Durchbruch in der Praxis gelingen.
Rund um den Globus aktuell
Integriertes Reporting ist mittlerweile weltweit aktuell. In manchen
Ländern wie Südafrika oder Brasilien gilt es als Voraussetzung für
die Kotierung an der Börse. In Japan zum Beispiel haben im Jahr
2015 130 Organisationen einen IR-Bericht veröffentlicht. In England
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sind es über 10 % des wichtigsten britischen Aktienindex (Financial
Times Stock Exchange FTSE 100 Index).
Schweiz am Warmlaufen
«Die BM&FBOVESPA (die
In der Schweiz ist die Umsetzung der integrierten Berichterstattung
unterschiedlich stark ausgeprägt. 2013 führten wir die PwC-Studie
«Creating value through corporate reporting» durch. Dabei
beurteilten wir die 20 Firmen des Swiss Market Index (SMI) nach
den sieben Kriterien des Frameworks. Im Rahmen dieser Erhebung
stellten wir fest, dass Schweizer Unternehmen in gewissen
Teilbereichen mit sehr gutem Beispiel vorangehen. Die grösseren
empfiehlt, dass
Schweizer Unternehmen räumen Schlüsselthemen der
Nachhaltigkeitsberichterstattung hohe bis sehr hohe Priorität ein,
zumindest intern. Wo genau die Umsetzung heute steht, ist schwierig
abzuschätzen, da IR-Berichte hierzulande selten publiziert werden.
brasilianische Börse)
Unternehmen angeben
sollen, ob sie einen
regulären integrierten
Nachhaltigkeitsbericht
veröffentlichen und wie
dieser verfügbar ist, und
wenn sie keinen Bericht
veröffentlichen, warum
sie dies nicht tun. Die
IR vs. GRI-G4
Die Prinzipien von IR und der vierten Ausgabe der Global Reporting
Initiative (GRI-G4) weisen gewisse Überschneidungen auf. Beiden
Werken gemeinsam ist das Konzept der Wesentlichkeit. So können
im Nachhaltigkeitsbericht Themen als wesentlich aufgeführt sein, die
es auch für die integrierte Berichterstattung sind. Zudem steht bei
beiden Initiativen der interne Gestaltungsprozess über dem formalen
Bericht. Dieser bringt die Resultate verbal und visuell zum Ausdruck
und ist bei IR breiter gefasst als bei GRI-G4. Mehr zum Vergleich von
IR und anderen Standards lesen Sie in unserem Artikel
«Nichtfinanzielle Berichterstattung».
BM&FBOVESPA ist der
Meinung, dass die Praxis
«Bericht oder Erklärung»
dazu beitragen wird,
dass eine stetig steigende
Anzahl der kotierten
Unternehmen einen
Nachhaltigkeitsbericht
erstellt.»
Fernrohr für Verwaltungsrat und
Management
Schon wieder ein neuer Bericht! So reagieren manche
Führungspersonen auf die Frage nach einer integrierten
Berichterstattung. Am liebsten würden sie das Erstellen eines
IR-Berichts wegdelegieren. Zu Unrecht: Integrierte Berichterstattung
gehört auf die Agenda der strategischen und operativen Führung.
Denn sowohl der Verwaltungsrat als auch die Geschäftsleitung
können mit einer integrierten Berichterstattung aufzeigen, wo ihr
Unternehmen Wert schafft und wie es die Ressourcen Geld,
Arbeitskräfte oder Umwelt einsetzt. Mithilfe von IR erhalten
Unternehmenssteuerung und -leitung Klarheit über die Werttreiber
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und über die Wirkung von Strategie, Chancen, Risiken,
Erfolgspotenzial und Kontrollen. Damit unterstützen sie die
strategische Entscheidungsfindung. Integriertes Reporting beginnt
bei der Analyse der Wesentlichkeit, umfasst das Verständnis der
Wertschöpfung und schliesst mit der Kontrolle der Zielerreichung
und einer Rundumsicht der Offenlegung ab. In diesem Sinn ist IR
Ausdruck eines ganzheitlichen Unternehmertums  (vgl. Abbildung
2).
Was Investoren wollen
Entscheidend für die integrierte Berichterstattung ist die
regelmässige Auseinandersetzung des Unternehmens mit dem
Thema, vor allem der Dialog mit Investoren und Analysten. Aus
dieser Interaktion erfahren Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, auf
welche finanziellen und nichtfinanziellen Schlüsseldaten sie sich
konzentrieren sollten. IR bringt damit Vorteile, die jene der reinen
Compliance klar übersteigen. Investoren und Analysten
konzentrieren sich in der Bewertung von Unternehmen in erster
Linie auf metrische Kennzahlen. Ihre Modelle und Betrachtungen
über die zu erwartenden Geldflüsse reichern sie mit ihrer
Einschätzung der Branchen und Märkte, ihrem Wissen über
Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, der strategischen Orientierung
und weiteren Informationen über eine Gesellschaft an. Umso
wichtiger ist es, das Informationsbedürfnis von Investoren zu kennen
und diesen die wesentlichen Aspekte der unternehmerischen
Prosperität verständlich darzustellen.  Abbildung 3 erläutert die
Themenschwerpunkte von Investoren und die Bedeutung von
Informationen für die Berichterstattung. Genau diese Themen
werden von der integrierten Berichterstattung aufgenommen.
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 Abbildung 4 zeigt, welche Informationsquellen Investoren am
häufigsten nutzen.
Perspektiven bündeln
Mit der integrierten Berichterstattung kann ein Unternehmen
aufzeigen, warum es sich im Rahmen seiner Leistungserbringung
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und damit auch der Steigerung des Unternehmenswerts zum Beispiel
um einen starken Innovationsprozess (R&D), stabile und langjährige
Handelsbeziehungen, Effizienz im Ressourcenverbrauch oder um
den kontinuierlichen Aufbau des Humankapitals kümmert. Die
Geldgeber wiederum können aufgrund einer breit gefassten
Darstellung besser abschätzen, wie sich ein solches Engagement
langfristig auf den Unternehmenswert auswirkt und welche
Parameter diesen beeinflussen. Eine integrierte Berichterstattung
erleichtert in der Konsequenz die Beschaffung von Fremd- oder
Eigenkapital.
Inhalt vor Form
Der jährliche IR-Bericht stellt «nur» das Resultat oder die
Erkenntnisse eines umfassenden Prozesses dar, die als finanzielle
und nicht-finanzielle Key Performance Indicators (KPIs) bezeichnet
werden. Idealerweise ist ein IR-Bericht so einfach abgefasst, dass ihn
nicht nur der geschulte Experte, sondern auch ein Privatinvestor
oder Medienvertreter ohne spezifische Fachkenntnisse versteht.
Gerade weil er sich nach einem Rahmenwerk und nicht nach
gesetzlichen Vorschriften richtet, soll er die Schwerpunkte, Sicht und
Sprache des Unternehmens wiedergeben. Er muss darlegen, mit
welcher Strategie welche Risiken vermindert werden sollen, was im
Berichtsjahr erreicht wurde und wie diese Ziele gemessen werden.
Dabei sollten auch Initiativen zur Sprache kommen, die sich nicht
oder nur bedingt quantifizieren lassen.
Integrated Reporting einführen und
verankern
Die Definition der Wesentlichkeit, die genaue Kenntnis der
Wertschöpfung und das Wissen um deren Auswirkungen sind die
Grundlagen für die Einführung eines integrierten Reportingpozesses
in Ihrem Unternehmen. In der Praxis empfehlen wir ein
schrittweises Vorgehen.
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Abbildung 5: Integrated Reporting einführen und verankern
Blick auf die Aussenwelt und Kommunikation
mit Interessengruppen
d
Scha
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Umw
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en/V
M
ie
H
R
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Eine neue Unternehmenssprache
Politik
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Überwachen
Managen
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Plan
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Messen
Identifizieren
Fi
t
Budge
Ruf
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la
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en
Südafrika: mit gutem Beispiel voran
In Südafrika sind die Anforderungen an eine gute
Unternehmensführung historisch geprägt und in den «King Reports
on Corporate Governance» festgehalten. Diesen liegen die Elemente
«leadership», «sustainability» und «good corporate citizenship»
zugrunde. Kurz: Verantwortung als gesellschaftlich wertvolles Gut.
Damit wollte man der neuen, im Aufbau befindlichen Gesellschaft
einen Corporate-Governance-Rahmen geben, der die wirtschaftliche
Verantwortung einbindet.
Basierend auf den King Reports verlangt die südafrikanische Börse
(JSE)1 einen IR-Bericht für die Kotierung. Entsprechend legen die
meisten kotierten Unternehmen einen solchen vor. Einige
privatwirtschaftliche Organisationen haben nachgezogen und einen
internen IR-Prozess gestartet, oder sie geben ebenfalls einen IR-
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Bericht heraus.
IR ist in Südafrika noch nicht in der DNA der Unternehmen oder
deren Denken verankert; die meisten sehen ihre Pflicht mit der
Publikation eines IR-Berichts getan. Eine Abstimmung von internem
und externem Reporting fehlt. Trotzdem: Einige Unternehmen
nutzen IR-Informationen für den hauseigenen
Entscheidungsprozess.
In Südafrika werden die IR-Berichte von der Geschäftsleitung
vorbereitet. Die Arbeit konzentriert sich in einem ersten Schritt auf
die Definition von Zielgruppen und deren Bedürfnisse – vorwiegend
von Investoren. Dieses Wissen wird anschliessend mit Informationen
aus Gesprächen mit internen und externen Schlüsselfiguren
angereichert. Hauptakteure in diesem Prozess sind CFO, InvestorRelations-Teams und Nachhaltigkeitsverantwortliche. Abgesegnet
wird der IR-Bericht vom Audit Committee.
Wir sind für Sie
da!
Die betroffenen Unternehmen stehen der JSE-Vorgabe wohlwollend
gegenüber. Sie erachten IR als willkommenes Instrument, um ihre
Wertschöpfung zu kommunizieren. Die Investoren sind geteilter
Meinung: Langfristig denkende Finanzprofis erachten IR als
nützlich, kurzfristig ausgerichtete sind weniger überzeugt davon.
Am Beispiel der JSE-kotierten Mobilfunkgesellschaft Vodacom
Rolf Johner
Partner, Wirtschaftsprüfung
+41 58 792 77 42
[email protected]
erfahren Sie hier, wie ein IR-Bericht aufgebaut sein kann.
Fazit
Die integrierte Berichterstattung schafft eine effektive und effiziente Reportingkultur. Denn Transparenz muss
Ihr Unternehmen nicht unbedingt verletzlich machen, sondern kann neue Kräfte freisetzen. Darum sollten Sie
als Verantwortungs- und Entscheidungsträger sich mit integriertem Reporting auseinandersetzen und die
aktuellen Entwicklungen im Auge behalten. Schon heute können Sie Schlüsselthemen und wesentliche
Ressourcen identifizieren, deren Dringlichkeit einordnen und intern zur Sprache bringen. So schärfen Sie das
firmeneigene Bewusstsein und starten einen wertvollen Prozess.
1. Johannesburg Stock Exchange
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disclose.pwc.ch
Im Fokus: Unternehmensberichterstattung
Finanzbericht: Trend zu individuellen
finanziellen Kernbotschaften
Die Revision des Rechnungslegungsgesetzes im Schweizer Obligationenrecht (OR) und
neue International Financial Reporting Standards (IFRS) beeinflussen die Aufgaben der
Unternehmensführung beim Erstellen des Jahresabschlusses. Wer den finanziellen Teil
eines Geschäftsberichts liest, muss rasch und präzise erkennen können, wie es um die
wirtschaftliche Lage des Unternehmens steht. Doch die steigende Komplexität der
Finanzberichterstattung widerspricht dem Streben nach Transparenz.
D
ie an der Schweizer Börse (SIX Swiss Exchange) kotierten
Unternehmen erstellen ihre Finanzberichte nach
verschiedenen anerkannten Standards  (vgl. Abbildung
1). Die gängigsten sind IFRS, die vom International
Accounting Standards Board (IASB) herausgegeben werden. Danach
folgen die Fachempfehlungen zur Rechnungslegung (Swiss GAAP
FER) und an dritter Stelle die auf den Swiss GAAP FER basierenden
Vorschriften der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA für
die Banken (hauptsächlich Kantonalbanken). An vierter Stelle
schliesslich folgen die United States Generally Accepted Accounting
Principles (US GAAP). Der Anteil der Jahresabschlüsse nach Swiss
GAAP FER aller SIX-kotierten Gesellschaften stieg seit 2012 von 18
% auf 27 %. Der Wechsel zu Swiss GAAP FER fand vor allem auf
Kosten von IFRS statt, deren Anteil im gleichen Zeitraum von 68 %
auf 61 % fiel. Die Quoten von US GAAP und Banken blieben stabil.
Bruno Rossi
Partner, Wirtschaftsprüfung
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Die SIX unterscheidet bei der Kotierung von Effekten zwischen
verschiedenen regulatorischen Standards, je nach Effektenkategorie,
Kotierungsvoraussetzung und Rechnungslegungsstandard  (vgl.
Abbildung 2). Swiss GAAP FER wird immer beliebter bei grossen
Schweizer Unternehmen, deren Aktien nicht an der Börse gehandelt
werden. Die übrigen Gesellschaften und Stiftungen bauen ihre
Rechnungslegung auf den Vorschriften des OR auf.
Wie das OR verlangen auch die internationalen Standards und Swiss
GAAP FER die Anwendung des Vorsichtsprinzips. Trotzdem
unterscheiden sie sich grundlegend von den Vorschriften des OR, da
sie eine faire Darstellung der finanziellen Lage eines Unternehmens
anstreben. Das OR als nationale Gesetzgebung stellt das
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Disclose
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Vorsichtsprinzip in den Mittelpunkt, um den Gläubigerschutz
sicherzustellen. Es erlaubt stille Reserven aufgrund von
Abschreibungen und Rückstellungen, die in der Regel höher
ausfallen als bei den anderen Standards. Abschlüsse nach OR sind
zudem deutlich weniger detailliert.
Auswirkungen des revidierten OR
Das Schweizer Parlament verabschiedete Ende 2011 die Revision des
Rechnungslegungsgesetzes. Die neuen OR-Bestimmungen sind
rechtsformenunabhängig, jedoch grössenspezifisch. Sie traten am 1.
Januar 2013 in Kraft und müssen 2015 zum ersten Mal bei
Einzelabschlüssen und 2016 bei konsolidierten Abschlüssen
angewendet werden. Das revidierte OR beeinflusst die
Einzelabschlüsse der börsenkotierten Muttergesellschaften. Es gibt
zwei Änderungen, die sich möglicherweise einschneidend auswirken.
1. Darstellung von eigenen Aktien. Diese wurde jener von IFRS
und Swiss GAAP FER angepasst. Eigene Aktien sind künftig als
Abzug vom Eigenkapital und nicht mehr als Vermögenswert mit
einer Reserve im Eigenkapital auszuweisen.
2. Bewertung von Vermögenspositionen wie Beteiligungen. Diese
konnten früher als Gruppe bewertet werden. In Zukunft haben sie
im Regelfall als Einzelbewertungen zu erfolgen.
Die neue Darstellung der eigenen Aktien wird teilweise zu einer
deutlichen Senkung des Eigenkapitals führen. Hingegen muss sich
erst noch zeigen, ob die Einführung der Einzelbewertung einen
einschneidenden Einfluss auf die veröffentlichten Jahresberichte der
börsenkotierten Muttergesellschaften hat. Erst wenige kotierte
Gesellschaften wendeten bereits für die Jahresrechnung 2014 in
ihrem publizierten Einzelabschluss das neue Rechnungslegungsrecht
an.
Das revidierte OR stellt zusätzliche Anforderungen an grössere
Unternehmen. Diese Vorschriften sind von jenen der ordentlichen
Revision abgeleitet und gelten für Firmen, auf die zwei der drei
20/40/250-Kriterien in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zutreffen.
Das heisst:
Die Bilanzsumme ist höher als CHF 20 Mio.
Der Umsatzerlös steigt auf über CHF 40 Mio.
Die Zahl der Mitarbeiter beträgt im Jahresdurchschnitt mehr als
250 Vollzeitstellen.
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Grössere Unternehmen müssen künftig einen Abschluss nach einem
der oben genannten Rechnungslegungsstandards erstellen, falls sie
nicht bereits für die Konzernrechnung einen
OR-anerkannten Standard anwenden. Diese zusätzlichen
Anforderungen werden in der Praxis nur einen geringen Einfluss
haben.
IFRS und US GAAP nähern sich an
Das für IFRS zuständige IASB verabschiedete in den vergangenen
Jahren mehrere neue Vorschriften. IFRS 9 beispielsweise formuliert
klare Anforderungen an die Bewertung von Finanzinstrumenten.
IFRS 10, 11 und 12 passten die Regelungen und Erläuterungen zur
Konsolidierung an.
Weitere Neuerungen bei IFRS betreffen die Kriterien zur
Umsatzerfassung. Dazu tritt 2018 IFRS 15 («revenue from contracts
with customers») in Kraft. Dieser wird bei manchen Firmen zu
Umstellungen von Höhe und Zeitpunkt der Umsatzverbuchung
führen. Möglicherweise werden die betroffenen Unternehmen dazu
ihre IT-Systeme anpassen oder gar ersetzen müssen. Noch nicht
abgeschlossen ist die Debatte über die Einführung eines neuen
Standards zur Bilanzierung von Leasinggeschäften. Dieser wird
voraussichtlich eine (je nach Branche massive) Erhöhung der
Bilanzsumme bewirken, weil die Nutzungsrechte als Vermögenswert
und Finanzschuld erfasst werden müssen.
Die internationale und die Schweizer Finanzberichterstattung haben
sich im letzten Jahrzehnt stark weiterentwickelt. Der bedeutendste
Trend liegt in der wachsenden Konvergenz zwischen IFRS und US
GAAP. IFRS basierte ursprünglich auf Rechnungslegungsprinzipien,
während US GAAP vor allem aus Regeln bestand. Zwar gibt es immer
noch markante Unterschiede zwischen den beiden Positionen. Doch
sie näherten sich einander an, indem jede Elemente und
Eigenschaften der anderen übernahm.
IFRS ist der weltweit am weitesten verbreitete Standard. Er ist im
europäischen Kontinent verwurzelt, wird heute aber auch auf
anderen Kontinenten angewendet, insbesondere in Asien und
Australien. Seine Vormachtstellung kam zustande, weil die
amerikanische Börse seit 2007 für nicht amerikanische
Gesellschaften Abschlüsse nach IFRS ohne Überleitung auf US GAAP
erlaubt. In vielen Ländern ist IFRS mittlerweile auch für nicht
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börsenkotierte Gesellschaften zugelassen.
Unterschiedliche Transparenzgebote
IFRS enthält einige Transparenzgebote, die viel detaillierter sind als
jene von Swiss GAAP FER und OR. So schreibt beispielsweise das OR
die Offenlegung von Verbindlichkeiten gegenüber
Vorsorgeeinrichtungen vor, während IFRS zum Thema
Pensionskassen und -stiftungen zahlreiche detaillierte Angaben
verlangt. Die von IFRS eingeforderten Informationen können
mehrere Seiten umfassen und sind für Laien kaum verständlich.
Damit stellt sich die Frage, ob die Kernaussagen anhand einer
solchen Fülle an Informationen einfach zu identifizieren sind. IFRS
schreibt zudem vor, sämtliche von der Muttergesellschaft
kontrollierten Gesellschaften in den Konsolidierungskreis
einzubeziehen. Demnach werden auch Stiftungen und
Pensionskassen, die nach Schweizer Recht unabhängige
Gesellschaften sind, in der Konzernrechnung abgebildet. Diese
wirtschaftliche Betrachtungsweise ist zwar international gängig, setzt
sich jedoch über die jeweilige lokale Rechtsordnung hinweg.
Problematisch kann die Pflicht zur Offenlegung von Rückstellungen
für laufende Rechtsfälle sein. Aus den veröffentlichten
Prozessrückstellungen kann die Gegenpartei möglicherweise
erkennen, was die Geschäftsleitung vom Prozessverlauf erwartet. Die
zur Publizität verpflichtete Gesellschaft muss also unter Umständen
einen prozesstaktischen Nachteil hinnehmen. Zudem hängen die
Höhe einer Rückstellung und der Zeitpunkt ihrer Verbuchung vom
angewendeten Recht oder Standard ab. Häufig wird eine
Prozessrückstellung nach OR zu einem früheren Zeitpunkt verbucht
als nach IFRS.
Diese beiden Beispiele zu den unterschiedlichen Transparenzgeboten
zeigen, dass die verschiedenen Rechnungslegungsstandards und
Rechtsvorschriften nur beschränkt vergleichbar sind. Bei der Wahl
des Standards für die eigene Jahresrechnung sollte eine
Geschäftsleitung dieser Tatsache Rechnung tragen.
Abweichende Aussagen
Jede Änderung im gewählten Rechnungslegungsstandard beeinflusst
die Tätigkeit in der Unternehmensführung. Der Verwaltungsrat muss
sich mit den neuen Vorschriften befassen, da die Erstellung eines
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Jahresberichts zu seinen unübertragbaren und unentziehbaren
Aufgaben gehört. Ebenso ist seine Aufgabe das Rechnungswesen
sowie die Finanzkontrolle und -planung auszugestalten und den
Geschäftsbericht zu erstellen. In seinen Aufgabenbereich fällt zudem
die kritische Durchsicht und Genehmigung der Jahresrechnung
sowie des Geschäftsberichts inklusive Finanzteil.
Eine Analyse von Geschäftsberichten zeigt, dass vermehrt finanzielle
Kernbotschaften kommuniziert werden. Dabei werden Kennzahlen
verwendet, die im geprüften Abschluss so nicht offengelegt werden
dürfen. Ein Beispiel: Gesellschaften in der Pharmaindustrie rechnen
die Abschreibungen auf immateriellen Vermögenswerten oft aus
ihrem Kernergebnis heraus. Damit wollen sie den unterliegenden
Geschäftsverlauf verständlicher darlegen. Die
Unternehmensverantwortlichen sind der Meinung, dass die
Erfolgsrechnung, die Abschreibungen enthält, und die
Geldflussrechnung, die von den Abschreibungen nicht betroffen ist,
den Geschäftsverlauf zu wenig klar aufzeigen.
Wenn Diskrepanzen zwischen den Aussagen im erläuternden Teil des
Geschäftsberichts (vgl. Lagebericht) und jenen im Finanzteil
entstehen, sind zusätzliche Erläuterungen nachzuliefern. Falls sich
der Trend zu individuellen finanziellen Kernbotschaften ausserhalb
des geprüften Finanzberichts fortsetzt, wird es mit der Zeit nicht
mehr möglich sein, Firmen und deren Strategien miteinander zu
vergleichen. Ausserdem wird auch das Ziel der
Finanzberichterstattung infrage gestellt: Transparenz schaffen. Diese
geht verloren, wenn ein dichtes Regelwerk mit detaillierten Angaben
nicht mehr genügt und eine Gesellschaft Angaben definieren muss,
um den Geschäftsverlauf verständlich darzustellen. Finanzanalysten,
Investoren und andere interessierte Leser werden damit überfordert
sein. Nur noch die nach den gleichen Standards und Angaben
verfassten Finanzberichte werden mit geringem Aufwand
vergleichbar sein.
Wir sind für Sie
da!
Bruno Rossi
Partner, Wirtschaftsprüfung
+41 58 792 59 75
[email protected]
Fazit
In der Finanzberichterstattung geht es um Transparenz. Der interessierte Leser – sei er nun ein Verwaltungsrat,
Geschäftsleitungsmitglied, Analyst oder ein anderer Stakeholder – muss in einem Finanzbericht rasch und
präzise jene Informationen finden, die er sucht.
Die heutigen Finanzberichte schweizerischer Unternehmen besitzen eine hohe Aussagekraft. IFRS und US GAAP
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machen detaillierte Vorgaben. Kundige Leser gewinnen viele wertvolle Erkenntnisse aus der Lektüre. Sie sind in
der Lage, die nach internationalen Standards erstellten Jahresrechnungen miteinander zu vergleichen. Der
Nachteil der internationalen Standards ist deren Komplexität. Nicht nur fachliche Laien, auch Spezialisten
können in der heutigen Informationsdichte die Übersicht verlieren – und Kernaussagen können verloren gehen.
Die Vorschriften von Swiss GAAP FER sind bedeutend weniger umfassend. Einige Unternehmen haben in den
letzten Jahren von IFRS zu Swiss GAAP FER gewechselt, andere den Geschäftsverlauf mit Kennzahlen erläutert,
die von IFRS nicht verlangt werden. Da stellt sich die Frage, welches Rechnungslegungsregelwerk für die
Schweiz am relevantesten ist. Globale Unternehmen mit internationalem Aktionariat wenden häufig IFRS an.
Mittelgrossen Unternehmen hingegen genügt Swiss GAAP FER. Für Letztere gilt: Weniger Information ist oft
mehr, denn die nach Swiss GAAP FER erstellten Finanzberichte sind übersichtlicher und leichter zu lesen.
Weniger relevant wird das OR bleiben, weil es auch weniger transparent ist.
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Disclose — Ausgabe 1, 2016
disclose.pwc.ch
Im Fokus: Unternehmensberichterstattung
Lagebericht: die Pflicht als Kür nutzen
Für den Lagebericht gibt es eine Vielzahl an Gesetzen und Standards. Und damit auch
mehr als einen Namen. Alle verlangen sie vom Unternehmen eine Bestandsaufnahme des
Berichtsjahrs und einen mehr oder weniger scharfen Blick in die Zukunft. In der
Beurteilung der weichen Faktoren eines Lageberichts ist der Abschlussprüfer gefordert.
Den Unternehmen bietet er eine wertvolle Chance zur Vertrauensbildung – die leider nur
wenige nutzen.
S
chweizerisches Obligationenrecht, Swiss GAAP FER, EURichtlinien, IFRS, US GAAP: Sie alle sehen für die
Unternehmensberichterstattung einen Lagebericht vor;
auch wenn sie ihn nicht so nennen. Die Ausprägung variiert
je nach Land und Regelwerk. Nachfolgend eine Übersicht über den
Status quo.
Lagebericht nach Schweizerischem
Obligationenrecht OR
Daniel Suter
Partner, Wirtschaftsprüfung
In der Schweiz umfasst der Geschäftsbericht eines Unternehmens
nach OR die Jahresrechnung, den Lagebericht und die
Konzernrechnung, sofern eine solche gesetzlich vorgeschrieben wird.
Unternehmen, die zwei der 20/40/250-Kriterien überschreiten und
damit zu einer ordentlichen Revision verpflichtet sind, müssen einen
Lagebericht erstellen, so will es Art. 961 OR. Art. 961c OR verlangt,
dass der Lagebericht den Geschäftsverlauf und die wirtschaftliche
Lage des Unternehmens aus einer Perspektive darstellt, die in der
Jahresrechnung nicht zum Ausdruck kommt. Konkret heisst das: Er
muss über die Anzahl Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt, die
Durchführung einer Risikobeurteilung, die Bestellungs- und
Auftragslage, die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit,
aussergewöhnliche Ereignisse sowie über Zukunftsaussichten
informieren. Der Lagebericht darf der Darstellung der
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wirtschaftlichen Lage in der Jahresrechnung nicht widersprechen.
Art. 961 OR bleibt in den meisten Fällen toter Buchstabe. Denn die
Unternehmen, die die 20/40/250-Anforderung erfüllen, erstellen
oftmals eine Konzernrechnung nach einem anerkannten
Rechnungslegungsstandard. Und dieser sieht je nachdem das
Erstellen eines Lageberichts vor.
Jahresbericht nach Swiss GAAP FER
Im schweizerischen Rechnungslegungsstandard Swiss GAAP FER
wird der Lagebericht als Jahresbericht im Rahmenkonzept
beschrieben und muss die folgenden Aspekte enthalten:
Skizzierung des wirtschaftlichen Umfelds des Berichtsjahrs und
der Zukunftserwartungen
Kommentierung der Bestandteile der Jahresrechnung anhand
wesentlicher Bilanz- und Erfolgskennzahlen und ihrer
Entwicklung
Kommentierung der weiteren Entwicklung der Organisation,
insbesondere der Chancen und Risiken für das folgende
Geschäftsjahr
Dieser Rechnungslegungsstandard verlangt eine
zukunftsorientiertere Betrachtung als das OR.
Leistungsbericht nach Swiss GAAP FER 21
Swiss GAAP FER 21 regelt die Rechnungslegung von gemeinnützigen
Non-Profit-Organisationen (NPO). Diese Fachempfehlung will die
Aussagekraft und Vergleichbarkeit von NPO-Berichterstattungen
erhöhen. Der Besonderheit des fehlenden Gewinnstrebens und der
Mittelbeschaffung von NPOs wird entsprochen, indem die
Jahresrechnung durch eine Rechnung über die Veränderung des
Kapitals und einen Leistungsbericht ergänzt wird. Dieser soll zum
Beispiel Elemente wie Zweck, Ziele, erbrachte Leistungen, Angaben
zur Geschäftsleitung und Verbindungen zu nahestehenden Personen
enthalten. In diesem Sinn entspricht der Leistungsbericht einem
erweiterten Lagebericht.
Lagebericht nach EU-Richtlinien
2013/34/EU
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Seit dem 26. Juni 2013 ist die Europäische Richtlinie 2013/34/EU
des Europäischen Parlaments und des Europarats (EU-Richtlinie) in
Kraft. Sie hat die vierte und siebte EU-Richtlinie abgelöst. Diese
sogenannte Bilanzrichtlinie wurde von den Mitgliedstaaten in
länderspezifisches Recht übertragen. Die Anforderungen an den
Lagebericht sind in den einzelnen Ländern unterschiedlich
ausgeprägt. Nach Art. 19 der EU-Richtlinie muss ein Unternehmen
oder Konzern seinen Geschäftsverlauf und seine wirtschaftliche Lage
so darstellen, dass sich ein den Tatsachen entsprechendes Bild
ergibt. Der Lagebericht besteht in einer ausgewogenen und
umfassenden Analyse vom Geschäftsverlauf, vom Geschäftsergebnis
und von der Lage des Unternehmens, die dem Umfang und der
Komplexität der Geschäftstätigkeit angemessen ist. Weiter soll der
Lagebericht auf die folgenden Aspekte eingehen:
Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach Schluss des
Geschäftsjahres eingetreten sind
Voraussichtliche Entwicklungen der Gesellschaft
Forschung und Entwicklung
Angaben über den Erwerb einer Aktie
Managementbericht nach IFRS
Das International Accounting Standards Board (IASB) hat zu den
International Financial Reporting Standards (IFRS) ein
Rahmenkonzept für die Darstellung des Managementberichts
(Management Commentary) herausgegeben. Dieser ist nicht
Bestandteil der IFRS und wird als Empfehlung für die Praxis
(Practice Statement) gesehen. Damit bleibt der Managementbericht
unverbindlich, ausser das lokale Gesetz oder die lokale Börse
schreiben ihn vor. Der Managementbericht sieht Kommentare zu den
folgenden Inhalten vor:
Darstellung von Vermögens-, Finanz- und Ertragslage
Darstellung des Geschäftsverlaufs aus Sicht des Managements
Ergänzung und Erläuterung der im Abschluss dargestellten
Informationen
Im Managementbericht sind sowohl zukunftsgerichtete
Informationen als auch solche enthalten, die für die
Rechnungslegung relevante, qualitative Anforderungen aufweisen.
Er soll Informationen verfügbar machen, mit denen der Leser die
Ertragskraft des Unternehmens, die Strategiemassnahmen des
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Managements und dessen Pläne für den Geschäftsverlauf beurteilen
kann. Dazu gehören wesentliche Risiken, die Risikostrategie, der
Einfluss der im Abschluss nicht dargestellten Ressourcen und die
Bedeutung von nichtfinanziellen Faktoren (vgl. Nichtfinanzielle
Berichterstattung). In der Schweiz verlangt die Börse keinen
Managementbericht. Allerdings äussern sich Unternehmen, die nach
IFRS abschliessen, in ihrem Geschäftsbericht sowieso zur
finanziellen Lage. Nur schon deshalb, weil ein solcher Kommentar zu
einer verantwortungsvollen Berichterstattung gehört.
«Notes» nach US GAAP und Form 20-F
Die United States Generally Accepted Accounting Principles (US
GAAP) als allgemein anerkannte Rechnungslegungsgrundsätze in
den USA wurden hauptsächlich zur besseren Information aktueller
und potenzieller Kapitalgeber entwickelt. Sie verlangen neben Bilanz,
Gewinn- und Verlustrechnung, Kapitalflussrechnung,
Eigenkapitalveränderungsrechnung einen Anhang («Notes») mit
einem ausführlichen Lagebericht.
Form 20-F ist eine Berichtsvorgabe der US-Securities and Exchange
Commission (SEC). Sie gilt für alle «ausländischen
Wertpapieremittenten», die Aktien an einer US-Börse gelistet haben.
In Form 20-F muss das Unternehmen innerhalb von sechs Monaten
nach Ende des Geschäftsjahrs einen Jahresbericht vorlegen. Die
Vorgabe übernimmt die Funktion eines Lageberichts und setzt einen
Schwerpunkt auf detaillierte Angaben betreffend Historie und
Werdegang des Unternehmens sowie auf Risikofaktoren, denen die
Gesellschaft ausgesetzt ist.
Muss statt Anspruch
Die Verantwortung eines Lageberichts und dessen Freigabe für die
Publikation liegen beim Verwaltungsrat, die Erstellung bei der
Geschäftsleitung. Schweizer Unternehmen erachten den Lagebericht
häufig als lästige Pflicht und nehmen nur selten eine umfassende und
noch seltener eine integrierte Sichtweise ein (vgl. Integrated
Reporting). Zu Unrecht, denn der Lagebericht liesse sich als
strategische Chance nutzen, um sich den Anlegern als gut
aufgestelltes und weitsichtig berichterstattendes Unternehmen zu
präsentieren und das Vertrauen in die Unternehmensberichterstattung und damit sein Renommee zu stärken. Denn je
klarer der Lagebericht, desto besser lässt sich die Wertschöpfung
eines Unternehmens darstellen – und verstehen.
Ausgabe 1, 2016
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Abschlussprüfer gefordert
Nach OR oder Swiss GAAP FER sind nur die Jahresrechnung und –
falls vorhanden – die Konzernrechnung Gegenstand der
Abschlussprüfung, nicht aber der Lagebericht. Dieser gehört zu den
sonstigen Informationen. Der Abschlussprüfer ist zwar nicht für die
Ordnungsmässigkeit der sonstigen Informationen verantwortlich,
wohl aber dafür, dass die sonstigen Informationen im Vergleich zum
geprüften Abschluss keine Unstimmigkeiten enthalten. Stellt der
Abschlussprüfer Unstimmigkeiten fest, muss das Unternehmen
entscheiden, ob der geprüfte Abschluss oder die sonstigen
Informationen zu berichtigen sind.
Bei der EU-Richtlinie soll der Abschlussprüfer kontrollieren, ob der
Lagebericht mit dem Jahresabschluss des betreffenden
Geschäftsjahrs in Einklang steht und nach den geltenden
Anforderungen erstellt wurde. Im Unterschied zu OR und Swiss
GAAP FER handelt es sich hier um eine positive Bestätigung. Damit
geht die Pflicht des Prüfers bei einem Abschluss nach
EU-Recht weiter als bei einem Abschluss nach Schweizer Recht.
Achtung Stolpersteine
Der Lagebericht stellt sowohl für den Ersteller als auch für den
Abschlussprüfer eine grosse Herausforderung dar. Im
EU-Lagebericht zum Beispiel sollen Risiken und Unsicherheiten
aufgeführt werden. Das bedingt eine detaillierte Einschätzung der
Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Gerade heikle Geschäftsfälle
können hier zu einem gewissen Interessenkonflikt um die
Publikationswürdigkeit von Informationen führen. Eine
ausgewogene und umfassende Analyse des Geschäftsverlaufs, die
dem Umfang und der Komplexität angemessen ist, birgt auch weiche
Faktoren. Diese wiederum sind schwierig zu definieren, darzustellen
und zu prüfen. Hier empfiehlt es sich, die Informationen aus
derselben Perspektive zu betrachten und mit gleichen Ellen zu
messen.
Aufwand optimieren möglich
Die EU-Richtlinie anerkennt die zentrale Rolle der kleinen und
mittleren Unternehmen (KMU) für die Wirtschaft und ist sich des
hohen Aufwands eines Lageberichts bewusst. Darum verfolgt sie das
Prinzip der «Vorfahrt für KMU» («think small first») und erlaubt
den Mitgliedstaaten, KMU von der Offenlegung nichtfinanzieller
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Informationen zu befreien und den Aufwand für die
Unternehmensberichterstattung in einem vernünftigen Mass zu
halten. Auch in technischer Hinsicht lässt sich der Aufwand für die
Erstellung eines korrekten Lageberichts optimieren. Hier laufen
Daten aus verschiedenen Quellen und Systemen zusammen; damit
steigt die Fehleranfälligkeit. Um diese Problematik in den Griff zu
bekommen, sind heute diverse IT-basierte Hilfsmittel erhältlich. Mit
dem Redaktionssystem SmartNotes zum Beispiel können die
Unternehmen Informationen aus verschiedenen Quellen
zusammenführen und ihren Finanz- oder Geschäftsbericht schnell
und fehlerfrei erstellen und anpassen.
Wir sind für Sie
da!
Daniel Suter
Partner, Wirtschaftsprüfung
+41 58 792 53 59
[email protected]
Fazit
Der Lagebericht präsentiert den Geschäftsverlauf und die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens. Die
Bezeichnung und auch die zwingenden Inhalte unterscheiden sich je nach Regulator und
Rechnungslegungsstandard. Der Lagebericht enthält nicht nur rückblickende, sondern auch zukunftsgerichtete
und sowohl finanzielle als auch nichtfinanzielle Elemente. Daraus ergibt sich für den Abschlussprüfer die
Herausforderung, nicht nur die finanziellen Aspekte der Vergangenheit, sondern auch Aussagen zur Zukunft
und zu qualitativen Aspekten zu analysieren und einzuschätzen. Dem Unternehmen hingegen bietet der
Lagebericht die Möglichkeit, seine Strategie zu erläutern und im Sinn einer integrierten Berichterstattung über
Herkunft und Zukunft des Unternehmenswerts zu berichten. Leider wird dieser Mehrwert in der Schweiz noch
wenig erkannt.
Ausgabe 1, 2016
Disclose
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Disclose — Ausgabe 1, 2016
disclose.pwc.ch
Im Fokus: Unternehmensberichterstattung
Corporate-Governance-Bericht:
Unternehmenskultur in Wort und Tat
In einem Corporate-Governance-Bericht zeigen Sie auf, wie Ihr Unternehmen weitsichtiges
Denken im Interesse Ihrer Dialoggruppen – insbesondere der Investoren – mit Struktur
auf- und mit passenden Massnahmen umsetzt. In diesem Sinn schaffen Sie mit dem
Corporate-Governance-Bericht nachhaltige Transparenz. Wie weit Sie dabei gehen, liegt in
Ihrem Ermessen.
I
n der Wirtschaftswelt existieren unterschiedliche
Begriffsinterpretationen der Corporate Governance und
damit auch des Corporate-Governance-Berichts. Wir
verstehen darunter die Dokumentation darüber, wie ein
Unternehmen seine Führungs- und Überwachungsstruktur aufbaut,
im Alltag umsetzt und mit Führungsthemen wie der
Unternehmenskultur, dem ethischen Verhalten oder der Compliance
verbindet. Denn eine gute Corporate Governance gewährleistet eine
verantwortungsvolle, qualifizierte, transparente und auf den
langfristigen Erfolg ausgerichtete Unternehmensführung und soll der
Organisation selbst, ihren Eigentümern und den externen
Interessengruppen dienen.
Patrick Balkanyi
Partner, Wirtschaftsprüfung
Ein Kind der Geschichte
Den Anstoss für die regulatorische Verankerung des CorporateGovernance-Berichts gaben die Unternehmensskandale
und -zusammenbrüche um die Jahrtausendwende. Die Finanzkrise
hat einige Jahre später die Dringlichkeit einer solchen Offenlegung
wiederholt akzentuiert. Auch die hochemotionale Abstimmung über
die Minder-Initiative im März 2013, in deren Folge die Verordnung
gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten
Aktiengesellschaften (VegüV) ausgearbeitet und in Kraft gesetzt
wurde, hat die Aktualität der Thematik erneut zum Ausdruck
Ausgabe 1, 2016
Disclose
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gebracht.
Weitläufig verankert
Die Pflicht zur Offenlegung von Grundsätzen der
Unternehmensführung geht aus verschiedenen regulatorischen
Werken und Empfehlungen auf nationaler und internationaler Ebene
hervor:
Obligationenrecht (OR): Das OR schreibt die Pflicht eines
Corporate-Governance-Berichts zwar nicht vor. Allerdings gehen
aus Art. 716a die unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben
des Verwaltungsrats hervor. Im Corporate-Governance-Bericht
werden dessen Arbeitsweise und Aufgabenteilung, die personelle
Zusammensetzung sämtlicher Verwaltungsratsausschüsse, deren
Aufgaben sowie die Kompetenzabgrenzung detailliert
beschrieben.
SIX Exchange Regulation: Die «Richtlinien betreffend
Information zur Corporate Governance» vom 1. September 2014
sind für Publikumsgesellschaften anzuwenden, die an der SIX
Swiss Exchange hauptkotiert sind. Damit sollen die Unternehmen
den Investoren bestimmte Schlüsselinformationen in geeigneter
Form zur Verfügung stellen. In den SIX-Richtlinien ist zudem
geregelt, welche Angaben Unternehmen machen müssen, die der
VegüV unterstehen.
economiesuisse: Der «Swiss Code of Best Practice for Corporate
Governance» von 2002 hat die Corporate Governance als
Instrument der Selbstregulierung etabliert. Die aktualisierten
Fassungen von 2007 und 2014 betonen das Konzept des
nachhaltigen Unternehmenserfolgs als Leitstern einer sinnvollen
«Corporate Social Responsibility».
FINMA: Im Rundschreiben (RS) 2008/24 «Überwachung und
interne Kontrollen bei Banken» und im RS 2008/32 «Corporate
Governance, Risikomanagement und Internes Kontrollsystem bei
Versicherern» konkretisiert die FINMA die aufsichtsrechtlichen
Bestimmungen zur Corporate Governance für Finanzinstitute und
Versicherungsunternehmen.
OECD: Die Neufassung von 2004 der «Grundsätze der Corporate
Governance» haben die Corporate-Governance-Agenda in OECD-
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Mitglieds- sowie Nichtmitgliedsländern vorangebracht und liefern
präzise Orientierungshilfen für länderspezifische Gesetzes- und
Regulierungsinitiativen.
Inhalt mit Gehalt
Der Corporate-Governance-Bericht legt per Stichtag dar, wie ein
Unternehmen organisiert und geführt wird. Konkret zeigt er auf,
welche Aufgaben in der Verantwortung des Verwaltungsrats liegen,
welche Ausschüsse dieser konstituiert (z. B. Audit Committee,
Compensation Committee, Governance and Nomination Committee),
mit welchen Mitgliedern diese besetzt sind und was dort besprochen
wird. Als Teil des Jahresberichts ist der Corporate-GovernanceBericht öffentlich zugänglich – und damit dem kritischen Blick
diverser Dialoggruppen ausgesetzt. Der formelle Gegenstand und
Umfang eines Corporate-Governance-Berichts sind in den
Richtlinien der SIX detailliert festgeschrieben. Dazu gehören
Konzernstruktur und Aktionariat, Kapitalstruktur, Verwaltungsrat,
Geschäftsleitung, Entschädigungen, Beteiligungen und Darlehen,
Mitwirkungsrechte der Aktionäre, Kontrollwechsel und
Abwehrmassnahmen, Revisionsstelle und Informationspolitik.
Jenseits der Pflicht
Der regulatorischen Publizitätspflicht liegen grundlegendere und
damit existenziellere Fragen zugrunde: Was versteht ein
Unternehmen unter «guter» Governance? Welche Strategie verfolgt
es? Wie beeinflusst diese seine Corporate Governance? Wie reagiert
das Unternehmen auf Schlüsselrisiken? Und wie wird es geleitet und
überwacht? Die strategische Unternehmensführung ist also gut
beraten, sich mit diesen Fragen detailliert auseinanderzusetzen und
mit dem Corporate-Governance-Bericht schlüssige Antworten darauf
zu geben. Nur so kann das Unternehmen dem Leser verständlich
darlegen, wie es seine Werte gewissenhaft erhält und
weiterentwickelt.
Vielschichtige Verantwortung
Für den Corporate-Governance-Bericht zeichnet der Verwaltungsrat
verantwortlich. Idealerweise gibt er die Gliederung der Inhalte vor;
immerhin beschreiben diese, wie er seine Führungs- und
Überwachungsfunktion wahrnimmt. In diesem Sinn ist der
Corporate-Governance-Bericht ein starkes Führungsinstrument, mit
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dem der Verwaltungsrat seiner Gewissenhaftigkeit in Bezug auf die
Strategie, die Auswahl, das Entlohnungssystem sowie die Kontrolle
des Managements Aus- und Nachdruck verleiht.
Auf dem Radar der Prüfer
Regulatorisch muss ein Corporate-Governance-Bericht nicht geprüft
werden. Trotzdem gehört dessen Lektüre zur Pflicht der Revisoren.
Denn die Schweizer Prüfungsstandards PS 720 bzw. ISA 7201
verlangen, dass der Prüfer Dokumente, die den geprüften Abschluss
enthalten, durchliest und allfällige wesentliche Unstimmigkeiten
zwischen dem Abschluss und den anderen Informationen in diesen
Dokumenten moniert. Der revidierte International Standard of
Auditing ISA 7202 vom April 2015 verlangt vom Abschlussprüfer
neu, dass dieser künftig in seinem Prüfbericht explizit festhält, dass
er auf keine solchen Unstimmigkeiten gestossen ist. Die
Bestimmungen des International Auditing and Assurance Standards
Board (IAASB) werden üblicherweise von EXPERTsuisse in die
Prüfungsstandards übernommen und von der
Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) für die Schweiz als verpflichtend
anwendbar erklärt.
Bestnoten für Schweizer
Aktiengesellschaften
SIX-kotierte Unternehmen haben in der Corporate Governance über
die letzten Jahre deutlich zugelegt und sich sowohl strukturell als
auch formell stark weiterentwickelt. So publizieren sie heute nicht
nur ein oberflächliches Minimum an Informationen, sondern legen
nachvollziehbar dar, wie der Verwaltungsrat arbeitet. Trotzdem
könnten Schweizer Unternehmen sich gerade inhaltlich noch
verbessern und zum Beispiel offenlegen, wie das Risikomanagement
funktioniert und wie Risiken konkret abgedeckt werden.
Objektives Selbstbild
Ein guter Corporate-Governance-Bericht zeichnet sich durch eine
hohe Objektivität und Verständlichkeit aus. Er legt die
Mindestinhalte gemäss SIX-Vorgaben transparent und prägnant auf
wenigen Seiten dar. Das Risikomanagement ist zwar nicht Teil der
Berichterstattung über die Corporate Governance. Trotzdem muss
der Leser verstehen können, wie ein Unternehmen Risiken
rechtzeitig erkennt, Chancen ausmacht und mit welchen Anreizen
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und Massnahmen es beides steuert. Das Erstellen eines CorporateGovernance-Berichts entspricht der hohen Kunst des Selbstporträts.
Dabei muss das Unternehmen sein subjektives Wissen um seine
wahren Werte mit dem Objektivitätsanspruch seiner
Interessengruppen verknüpfen. Mit der Offenlegung der
Anforderungs-, Erfahrungs- und Wahlkriterien für Verwaltungsratsund Ausschussmitglieder, ihrer Amtszeiten und
Verantwortlichkeiten und des Prozesses der Selbstbeurteilung schafft
die Unternehmensführung die geforderte Transparenz über
Führungssystem und -politik. Für den Leser entsteht so nicht nur
mehr Klarheit, sondern auch die Möglichkeit, mehrere Unternehmen
miteinander zu vergleichen.
Attest einer gelebten Unternehmenskultur
Sowohl für börsenkotierte multinationale Unternehmen als auch für
Schweizer Familienunternehmen eröffnet ein guter CorporateGovernance-Bericht ein interessantes Potenzial – und eine
holistische Perspektive (vgl. Integrated Reporting).
Mit Inkrafttreten des überarbeiteten Berichts der Abschlussprüfung
muss sich der Verwaltungsrat nämlich fragen, welche zusätzlichen
Informationen er im Corporate-Governance-Bericht offenlegen will,
um auf einen allfälligen Erklärungsbedarf aufgrund von Key Audit
Matters (KAM) aus dem Revisionsbericht mit schlüssigen Inhalten
reagieren zu können (vgl. Neuer Revisionsbericht).
Damit noch nicht genug: Der Corporate-Governance-Bericht könnte
sich in Zukunft zu einem festen Bestandteil einer integrierten
Berichterstattung entwickeln, die sich ganzheitlich zu
Risikomanagement, KAM, Nachhaltigkeit, ethischem Verhalten,
Markenwerten oder anderen Führungs- und Compliancethemen
äussert und diese mit nachvollziehbaren Massnahmen konkretisiert.
So konzipiert würde der Corporate-Governance-Bericht aufzeigen,
inwiefern die Unternehmenskultur wirklich gelebt wird; von den
Mitarbeitern genauso wie von den Führungsgremien selbst.
Wenn ein Konzern oder ein Familienbetrieb offenlegt, welche
Kernwerte er pflegt, wie er diese aktuell hält und auf deren
Missbrauch reagiert, macht er die Compliance zu einem zentralen
Führungsparameter. In dieser Interpretation wird ein CorporateGovernance-Bericht mithelfen, Lücken zwischen Kommunikation
und Realität oder zwischen den Erwartungen der Dialoggruppen und
sich selbst zu schliessen.
Wir sind für Sie
da!
Patrick Balkanyi
Partner, Wirtschaftsprüfung
+41 43 268 26 76
[email protected]
Ausgabe 1, 2016
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Fazit
Mit einem Corporate-Governance-Bericht zeigen Sie Ihren Interessengruppen so objektiv wie möglich auf, wie
Ihr Unternehmen die nachhaltige Wertentwicklung sicherstellt; ganz gleich, ob Sie einem Gross- oder
Familienunternehmen vorstehen. Obwohl es sich um einen Rechenschaftsbericht und eine Momentaufnahme
handelt, sollte dieser Bericht auch Aufschluss darüber geben, wie Sie zukünftige Herausforderungen angehen.
Darum halten Sie mit dem Corporate-Governance-Bericht in einer etwas progressiveren und ganzheitlichen
Betrachtung der Unternehmensberichterstattung ein griffiges Instrument in den Händen, um Ihre
Unternehmenskultur langfristig zu verankern, klar zu kommunizieren und gezielt zu steuern – auch oder
gerade in turbulenten Zeiten mit komplexen Marktmechanismen und unter den Argusaugen von Öffentlichkeit
und Mitbewerbern.
1. Schweizer Prüfungsstandard 720: «Die Pflichten des Abschlussprüfers im
Zusammenhang mit sonstigen Informationen in Dokumenten, die den geprüften
Abschluss enthalten» bzw. ISA 720: «The Auditor’s Responsibilities Relating to
Other Information in Documents Containing Audited Financial Statements»
2. «The Auditor’s Responsibilities Relating to Other Information»
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Disclose — Ausgabe 1, 2016
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Im Fokus: Unternehmensberichterstattung
Vergütungsbericht: Transparenz aus
unterschiedlichen Perspektiven
Der Vergütungsbericht ist neu fester Bestandteil Ihrer gesetzlich geregelten
Unternehmensberichterstattung. Als Rechenschaftsbericht legt er dar, was die Aktionäre
dem Management als Vergütungspaket zugestehen. Damit stellt er eine lange und laut
geforderte Transparenz her. Was man allerdings oft nicht bedenkt: Ein und dieselbe
Vergütung kann in unterschiedlichen Teilen der Berichterstattung mit unterschiedlichen
Zahlen dargestellt sein – und alle sind richtig.
D
er Vergütungsbericht ist eine Rechenschaftsablage zur
Genehmigung durch die Aktionärsversammlung über das
Entgelt von Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Beirat.
Die quantitativen Angaben im Vergütungsbericht muss
die Revisionsstelle prüfen. In der Praxis häufig anzutreffende
qualitative Erläuterungen dienen dem Verständnis der
Vergütungssysteme und unterliegen keiner Prüfung.
Gesellschaftspolitischer Hintergrund
Stefan Haag
Director, Wirtschaftsprüfung
Die Pflicht zur Publikation eines Vergütungsberichts ist aus einem
wachsenden Missfallen gegenüber den Honorierungspraktiken des
Managements grosser Unternehmen hervorgegangen. Dieser
Argwohn hat in der Abstimmung über die Minder-Initiative im März
2013 einen weiteren Höhepunkt erlebt und in der Verordnung gegen
übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften
(VegüV) seine juristische Ausgestaltung gefunden. Die Öffentlichkeit
sollte auf das Thema aufmerksam gemacht und exzessiven
Managementbezügen Einhalt geboten werden.
Vielschichtige Pflicht
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Die VegüV regelt für Schweizer Aktiengesellschaften, deren Aktien
im In- oder Ausland börsenkotiert sind, das Vorgehen bei
Entschädigungen an das Management. Sie verlangt, dass im
Vergütungsbericht die zugesprochenen Vergütungen an gegenwärtige
und frühere Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung
und des Beirats offengelegt werden. Der Vergütungsbericht muss
auch die Vergleichszahlen des Vorjahrs enthalten. Für die
Offenlegung ist es unerheblich, ob die Leistungsempfänger in der
Schweiz angestellt sind oder hier arbeiten und im Ausland wohnen.
Darüber hinaus benennt die VegüV unzulässige Vergütungen wie
Abgangsentschädigungen und Vergütungen, die im Voraus
ausgerichtet werden. Auch wenn der Vergütungsbericht der
Generalversammlung (GV) nicht zur Abstimmung vorgelegt werden
muss, trägt er zu einem informierten Entscheid des Aktionärs im
Rahmen der Vergütungsabstimmung (Say-on-Pay) bei.
Rechtliche Grundlagen
Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei
börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV)
Die VegüV ist seit dem 1. Januar 2014 in Kraft und verlangt
einen Vergütungsbericht für Geschäftsjahre ab 2014. Sie
übersteuert das Transparenzgesetz, nicht aber all dessen
Bestimmungen. Der Vergütungsbericht ersetzt
ausschliesslich die Anhangsangaben gemäss Art. 663bbis
OR, wobei die Abgangsentschädigungen gelöscht und
bestimmte Ergänzungen (Antrittsprämien, Zusatzbetrag für
Geschäftsleitungsmitglieder) und Umformulierungen
vorgenommen wurden.
Obligationenrecht (OR)
– Art. 663c OR ist noch immer in Kraft. Demnach müssen
Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, ihre
bedeutenden Aktionäre samt Beteiligungsgrad im Anhang
zur Bilanz aufführen.
– Art. 958c OR beschreibt die Grundsätze einer
ordnungsmässigen Rechnungslegung, Art. 958d Abs. 2–4
regelt die Vorjahreszahlen, Währung, Sprache und Art.
958f die Führung und Aufbewahrung der Geschäftsbücher.
Ausgabe 1, 2016
Disclose
38
– Art. 959c OR regelt die Offenlegung für alle Unternehmen,
die dem Rechnungslegungsrecht unterliegen. Abs. 2 Ziff. 11
verlangt auch für nicht kotierte Unternehmen die
Offenlegung von Anzahl und Wert von Beteiligungsrechten
oder Optionen auf solche Rechte für alle Leitungs- und
Verwaltungsorgane sowie für die Mitarbeitenden.
SIX Exchange Regulation
Die «Richtlinien betreffend Information zur Corporate
Governance» der SIX Exchange Regulation sind aus dem
Börsengesetz abgeleitet und wurden am 1. September 2014
publiziert. Art. 6 hält fest, dass die Informationen zur
Corporate Governance im Geschäftsbericht in einem eigenen
Kapitel zu veröffentlichen sind. Hier kann auf andere Stellen
im Geschäftsbericht inklusive Vergütungsbericht oder auf
andere, leicht zugängliche Quellen verwiesen werden.
Abgrenzungsfragen
Unternehmen mussten erstmals für das Geschäftsjahr 2014 einen
Vergütungsbericht im Sinn der VegüV erstellen. Dieser löste die
Offenlegung nach Art. 663bbis OR ab. Die beiden Vorschriften weisen
inhaltlich viele Gemeinsamkeiten auf. Deshalb war das Erstellen
eines Vergütungsberichts für die Unternehmen an sich keine
Hexerei. Insgesamt haben bereits viele Gesellschaften ein hohes
Mass an Transparenz erreicht. Trotzdem ergeben sich in der Praxis
noch Fragen bei der Anwendung. Insbesondere bei langfristigen
Vergütungen stellt sich die Frage, wie diese transparent offengelegt
werden sollen, zumal sich deren Wert im Zeitablauf ändern kann und
je nach Verwendungszweck anders darzustellen ist. Ein vereinfachtes
Beispiel soll die Problematik erläutern.
Die Aktionäre der Muster AG gewähren in einem prospektiven Sayon-Pay-Verfahren dem CEO eine aktienbezogene Vergütung in Form
eines Optionsplans.
Der CEO kann zehn Aktien gratis beziehen, sofern er in den
Geschäftsjahren 1 und 2 für den Konzern der Muster AG tätig ist. Die
Optionen unterliegen anschliessend einer Sperrfrist von einem Jahr.
Zum Zeitpunkt der Generalversammlung im Geschäftsjahr 1 liegt der
Aktienkurs bei CHF 10.
Ende Geschäftsjahr 2 hat die Aktie des Unternehmens einen
Kurswert von CHF 30, nach Ablauf der Sperrfrist – also nach drei
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Disclose
39
Jahren – einen solchen von CHF 50 erreicht. Der
Sozialversicherungsbeitrag liegt bei 10%, berechnet auf dem Wert der
Aktien im Zeitpunkt der Optionsausübung.
Am Ende des dritten Jahrs übt der CEO seine Option aus. Zur
Erfüllung der Verpflichtung werden die erforderlichen Aktien im
Jahr 3 an der Börse zum Kurswert beschafft. Wir gehen davon aus,
dass der CEO die höchste Vergütung in der Geschäftsleitung hat und
bei einer Tochtergesellschaft der Muster AG angestellt ist.
Wahrheit als Resultat unterschiedlicher
Perspektiven
Wie viel ist das dem CEO zugesprochene Paket in unserem Beispiel
wirklich wert? Dieser Frage gehen wir anhand der Darstellung dieser
Entschädigung im Vergütungsbericht und in den Finanzabschlüssen
nach IFRS und nach OR nach. Zur Vereinfachung bleiben steuerliche
Aspekte unberücksichtigt.
Im Vergütungsbericht über das Geschäftsjahr 1 wird die gesamthafte
Zuteilung von zehn Optionen im Wert von je CHF 10 einschliesslich
der voraussichtlich abzuführenden Sozialabgaben von 10 %, also ein
Gesamtbetrag von CHF 110, offengelegt. Dies entspricht auch dem
Gesamtbetrag, über den die Aktionäre abgestimmt haben. Da der
Vergütungsbericht eine Rechenschaftsablage hinsichtlich Say-on-Pay
darstellt, erscheint nach anerkannter Praxis in den Folgejahren keine
weitere Offenlegung erforderlich.
Für den IFRS-(Konzern-)Abschluss ist der Wert der Option von CHF
10 am Tag der Gewährung für die gesamte Vesting-Periode
massgebend. Da der CEO die Ansprüche über die Geschäftsjahre 1
und 2 erwirbt, verteilt sich der Gesamtaufwand für die aktienbasierte
Vergütung über diese beiden Jahre, also CHF 50 pro Jahr. Unter
Berücksichtigung der voraussichtlichen Sozialabgaben führt dies zu
einer Aufwanderfassung von CHF 55 im Jahr 1 und von CHF 75 im
Jahr 2. Der Aufwand im Geschäftsjahr 2 ergibt sich aufgrund der
Gesamtleistung einschliesslich Sozialabgaben von CHF 130 (CHF
100 für zehn Aktien zu CHF 10 + 10 % von zehn Aktien zum Wert von
CHF 30 im zweiten Jahr) abzüglich des bereits im ersten Jahr
erfassten Aufwands. Die zusätzlich geschuldeten Sozialabgaben im
Jahr 3 von CHF 20 (10 % von zehn Aktien zum Wert von CHF 50 im
dritten Jahr abzüglich bereits erfasster Sozialabgaben von CHF 30)
sind als Aufwand im Zeitpunkt der Ausübung zu verbuchen. Über
drei Jahre betrachtet ergibt sich in den IFRS-Abschlüssen ein
Ausgabe 1, 2016
Disclose
40
Aufwand von CHF 150. Nach IFRS sind die Vergütungen an den CEO
nicht individuell offenzulegen. Vielmehr ist der gesamte Aufwand
eines Geschäftsjahrs an Personen in Schlüsselfunktionen aufgeteilt
nach den Aufwandarten (kurz- und langfristige Leistungen,
Vorsorgeleistungen, Abgangsentschädigungen und aktienbasierte
Vergütungen) darzustellen.
Da kein arbeitsvertragliches Verhältnis zwischen der Muster AG und
dem CEO existiert, ist diese aktienbasierte Vergütung weder im
Einzelabschluss der Muster AG nach OR zu erfassen noch dort nach
Art. 959c Abs. 2 Ziff. 11 OR offenzulegen. Vielmehr erfolgt die
handelsrechtliche Verbuchung in der Tochtergesellschaft der Muster
AG, rechtlich der Arbeitgeber des CEO.
Die Tochtergesellschaft hat eine Verbindlichkeit im Umfang des
anteiligen Marktwerts der Aktien sowie der darauf zu leistenden
Sozialabgaben (letztlich zehn Aktien zu CHF 50 + 10 %
Sozialabgaben). Sie erfasst entsprechend einen Aufwand von
CHF 55 im ersten Jahr, einen solchen von CHF 275 im zweiten Jahr
(zehn Aktien zu CHF 30 + 10 % Sozialabgaben abzüglich Aufwand
des ersten Jahrs) und CHF 220 im dritten Jahr (zehn Aktien zu CHF
50 + 10 % Sozialabgaben abzüglich Aufwand der ersten beiden
Jahre).
Betrachtet man nun die von der Muster AG publizierte
Berichterstattung sowie die Jahresrechnung nach OR der
Tochtergesellschaft über die drei Jahre, so enthalten diese die
folgenden Werte für die oben beschriebene Transaktion:
Zum gleichen Sachverhalt liegen also unterschiedliche Aussagen mit
unterschiedlichen Zahlen vor: Die Angaben im Vergütungsbericht
können sich von den Werten in der Konzernrechnung oder im
Einzelabschluss unterscheiden. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass
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41
die verschiedenen Werte für ein und dieselbe Vergütung allesamt
korrekt im Sinne der jeweils anzuwendenden Bestimmungen sind
und von der Revisionsstelle entsprechend testiert werden. Der
Vergleich von Vergütungselementen in verschiedenen
Berichterstattungen kann also Erwartungslücken öffnen.
Zeit ist auch hier oft Geld
Gerade für Long-Term-Incentive-Programme (LTI-Programme) mit
aktienbasierten Vergütungskomponenten spielt der Faktor Zeit eine
zentrale Rolle. Für die Bewertung derartiger Vergütungselemente ist
das Jahr der Zuteilung bzw. der Gewährungszeitpunkt (Grant Date;
oft der Tag der Generalversammlung) relevant. Aufgrund von
Kursschwankungen und zeitlichen Abgrenzungen können sich die
Beträge im Vergütungsbericht sowie in der Finanzberichterstattung
unterscheiden. Deshalb sollten die verwendete Wertbasis sowie der
Zeitpunkt der Bewertung in den einzelnen Berichten erläutert
werden. Während der Vergütungsbericht auf die betragsmässige
Zuteilung der Vergütungen fokussiert, steht bei der
Finanzberichterstattung nach IFRS die periodengerechte Erfassung
des Aufwands aus dieser Zuteilung im Vordergrund. Die
Finanzberichterstattung nach OR schliesslich richtet sich nach der
Erfüllung dieses Geschäfts.
Vergütungsglossar
Accrual-Prinzip: zentraler Grundsatz in der
Rechnungslegung. Das Prinzip besagt, dass Ein- und
Auszahlungen nicht zum Zeitpunkt ihres Zu- oder Abflusses
erfolgswirksam (also nicht ereignisorientiert) erfasst,
sondern den Perioden zugeordnet werden, denen sie
wirtschaftlich zuzuordnen sind (vgl. z. B. International
Accounting Standard IAS 1.25, Rahmenkonzept Swiss
GAAP FER Ziff. 11 und 12, Art. 958b OR).
Bonus: variable Vergütung, wobei der Begriff im
Arbeitsrecht nicht klar definiert wird. Er kann als
Lohnbestandteil oder Gratifikation ausgelegt sein. Boni
können als Leistung in bar und/oder in Form von Aktien
und Optionen ausgerichtet werden. Sie werden nach dem
Accrual-Prinzip offengelegt.
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42
Grant Date: Gewährungszeitpunkt, zu dem der Marktwert
einer gewährten Aktie oder Option festgelegt wird. Bei einer
retrospektiven Abstimmung über ein aktienbasiertes
Vergütungsprogramm wird der Grant Date Value
nachträglich am Tag der Generalversammlung festgelegt.
Long-Term Incentives (LTI): langfristig ausgestaltete
Vergütungen zur Bindung und Motivation von
Mitarbeitenden, insbesondere Führungskräften sowie
besonders begabten und wichtigen Mitarbeitenden. LTI für
zukünftige Leistungen werden im Vergütungsbericht im
Jahr der Zuteilung offengelegt.
Mitarbeiteroption: Form der Mitarbeiterbeteiligung. Sie
berechtigt den Arbeitnehmer, eine definierte Anzahl Aktien
während eines vereinbarten Zeitraums zu einem im Voraus
festgesetzten Preis zu erwerben. Im Rahmen von
Beteiligungsprogrammen werden häufig nicht handelbare
und nicht übertragbare Optionen zugeteilt.
Performance Share Units (PSU): unentgeltliche
Übertragung von Aktien an einen Mitarbeiter, bei der
zusätzlich Leistungsziele erfüllt werden müssen.
Restricted Share Units (RSU): Aktie mit Sperrfunktion.
In Abgrenzung zur Mitarbeiteroption erfolgt die Zuteilung
unentgeltlich, d. h., der Mitarbeiter muss keinen
Ausübungspreis bezahlen. Ferner liegen der Zeitpunkt der
Zuteilung der Aktien und die Übertragung der damit
verbundenen Aktionärsrechte nicht im Einfluss des
Mitarbeiters.
Say-on-Pay: Retrospektive oder prospektive Mitsprache der
Aktionärsversammlung bei der Vergütung von
Verwaltungsrat und Geschäftsleitung.
Short-Term Incentives (STI): kurzfristige
Vergütungskomponenten, meist mit Boni gleichgesetzt.
Vesting-Periode (Erdienungszeitraum): Zeitraum, über
den sich ein Mitarbeiter eine Leistung erwirbt.
Ausgabe 1, 2016
Disclose
43
Kopf und Zahl
Das Prinzip von Say-on-Pay nach VegüV basiert auf Geldbeträgen,
nicht auf der Anzahl zugesprochener Titel oder Optionen. Bei
einfachen Vergütungssystemen ergibt dieser Grundsatz durchaus
Sinn; schliesslich wollen die Aktionäre bei den Lohnbeträgen für ihr
Management mitreden. Bei aktienbasierten Vergütungen wird dieser
Ansatz in der prospektiven Auslegung komplex, da er künftige
Kursentwicklungen nicht abbilden kann. Ein geschätzter, zugesagter
Wert kann über die Jahre schwanken. So sehr sich die Aktionäre
über ihren Kapitalgewinn durch eine positive Kursentwicklung
freuen dürften, so sehr kann auch der Wert einer aktienbasierten
Vergütung steigen, der sie zum Gewährungszeitpunkt in geringerer
Höhe zugestimmt haben. Auch bei retrospektiv zugesprochenen Boni
können zudem Abweichungen zur Rechnungslegung entstehen, da
die Bücher zum Zeitpunkt der Generalversammlungen bereits
geschlossen sind.
Augen auf bei
Sozialversicherungsbeiträgen
Sozialversicherungsbeiträge im engeren Sinn sind ein
Rentenversprechen an die Mitarbeiter. Die VegüV verlangt, dass das
Unternehmen Aufwendungen, die Ansprüche auf Vorsorgeleistungen
begründen oder erhöhen, als Vergütung ausweist. Damit muss der
Arbeitgeber seine Aufwendungen für Sozialversicherungsbeiträge
offenlegen. Grundsätzlich gibt es für den Zeitpunkt der Offenlegung
zwei Varianten. Entweder werden die Beiträge
A) zur ausgewiesenen Vergütung dazugerechnet und gemeinsam mit
der Vergütung im Zeitpunkt der Zuteilung offengelegt oder
B) abgekoppelt von der ausgewiesenen Vergütung erst im Jahr der
effektiven Bezahlung ausgewiesen.
Wie obiges Beispiel illustriert hat, können die
Sozialversicherungsbeiträge im Zeitablauf erheblich voneinander
abweichen, zumal sich neben der Wertbasis auch andere Faktoren
ändern können wie die Beitragssätze oder das massgebende
Sozialversicherungssystem durch einen Wohnortwechsel des
Mitarbeiters. Um grösstmögliche Transparenz herzustellen, wäre
auch eine Kombination der beiden Varianten im Vergütungsbericht
denkbar, indem sowohl die geschätzten Sozialversicherungsbeiträge
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bei Zuteilung der Vergütung wie auch die tatsächlich darauf
abgerechneten Beiträge offengelegt werden.
Nicht immer das letzte Wort
Mit Say-on-Pay hat die Aktionärsversammlung zwar das Sagen
hinsichtlich Vergütungen an das Management, aber nicht unbedingt
das letzte Wort. Denn die Inhalte einer solchen Abstimmung werden
zusätzlich von anderen bindenden Vorgaben wie etwa dem
Arbeitsrecht oder den Sozialversicherungsbestimmungen beeinflusst.
Wenn einem Schlüsselmitarbeiter zum Beispiel ein mehrjähriges
Anreizsystem in einer Say-on-Pay-Abstimmung zugestanden wurde
und er kündigt, so hat er über den gesamten Zeitraum seiner
Kündigungsfrist (für Mitglieder der obersten Führungsebene in der
Regel ein Jahr) Anrecht auf die Vergütungen, auch wenn er am Tag
seiner Kündigung von seinen operativen Funktionen freigestellt wird.
Unter dem prüfenden Blick
Der Vergütungsbericht unterliegt der Prüfung durch die
Revisionsstelle. Diese muss allerdings nur Informationen gemäss
Art. 14–16 VegüV prüfen. Dazu gehören die quantitativen Elemente
der Vergütungen, Kredite und Darlehen. Qualitative Aspekte wie eine
Beschreibung der Vergütungsphilosophie, der
Vergütungsinstrumente oder Festsetzungsprozesse unterliegen nicht
der Prüfung. Und auch über die Zweckmässigkeit eines
Vergütungssystems im Hinblick auf dessen strategische Relevanz
sowie die Angemessenheit der Vergütungen hat ein Prüfer nicht zu
befinden. Der Prüfer muss sich bei der Revision bewusst sein, dass
vermeintlich gleiche Sachverhalte nach unterschiedlichen Regeln
abgebildet werden. Er muss sicherstellen, dass in jeder Darstellung
die Bestimmungen für die jeweilige Optik eingehalten und korrekt
umgesetzt wurden. Im Vergütungsbericht prüft er, ob die
Entschädigungskomponenten den Bestimmungen der VegüV
entsprechen und richtig ausgewiesen sind. Also zum Beispiel, ob die
richtigen Personen in den richtigen Funktionen genannt werden oder
ob die Anzahl der Personen in der Geschäftsleitung stimmt.
Wenig zu bemängeln, viel zu erklären
Schweizer Aktiengesellschaften, die der VegüV folgen müssen,
handhaben ihre Vergütungspflichten im Allgemeinen rechtskonform.
Bei der Prüfung treten diesbezüglich nur selten Probleme auf. Die
Ausgabe 1, 2016
Disclose
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Vergütungsthematik erfreut sich, wie für ein Erstanwenderthema
typisch, eines hohen öffentlichen Interesses. Trotzdem ist und bleibt
Transparenz für die Unternehmen ein anspruchsvolles Unterfangen,
gerade wenn sie Vergütungssysteme mit Langfristkomponenten
verständlich darstellen müssen. Aus den ersten Erfahrungen der
letzten beiden Jahre wird sich eine anerkannte Praxis mit einfach
darstellbaren Modellen herausbilden.
Antworten gesucht
Herausforderungen wie oben beschrieben ergeben sich aus weiteren
Fragen zu Vergütungsleistungen; zum Beispiel aus der Offenlegung
von Honoraren, die ein Mitglied des Verwaltungsrats oder der
Geschäftsleitung aufgrund eines Beratungsmandats erhält. Hält das
Mitglied das Beratungsmandat als natürliche Person und bezieht es
das Honorar direkt oder indirekt, ist dieses als Vergütung an das
Mitglied im Vergütungsbericht offenzulegen. Falls das
Beratungsmandat mit einer Drittgesellschaft (Kapital- oder
Personengesellschaft) besteht, hängt die Offenlegungspflicht vorerst
davon ab, ob die Drittgesellschaft als nahestehende Person
qualifiziert ist. Auf diese und ähnliche Fragen gibt EXPERTsuisse mit
der Publikation «Ausgewählte Fragen und Antworten bei der
Prüfung von Vergütungsberichten in Übereinstimmung mit der
VegüV» (aktualisierte Fassung vom 18. August 2015) Auskunft.
Wir sind für Sie
da!
Stefan Haag
Director, Wirtschaftsprüfung
+41 58 792 71 29
[email protected]
Fazit
Im Vergütungsbericht stellen Sie Ihren Umgang mit Vergütungen von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung
verständlich und strukturiert dar. Angesichts des sensiblen Themas wird hier eine hohe Transparenz von Ihnen
verlangt. Diesem Anspruch werden Sie dann gerecht, wenn Sie retrospektive Say-on-Pay-Abstimmungen mit
einfachen Vergütungsmodellen anstreben, Ihren Vergütungsbericht VegüV-konform erstellen und sich für eine
detaillierte Offenlegung auf Personenebene entscheiden. Komplexe Systeme bergen die Gefahr von Datenflut
und damit von Intransparenz. Beim Erstellen Ihres Vergütungsberichts sollten Sie allfällige buchhalterische
Verzerrungen aus unterschiedlichen Betrachtungsweisen kennen. Sie sind gut beraten, deren Folgen für Ihren
Jahresbericht, Ihre Rechnungslegung abzuklären und eine optimale Darstellung für Ihr Unternehmen
festzulegen.
Ausgabe 1, 2016
Disclose
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Disclose — Ausgabe 1, 2016
disclose.pwc.ch
Im Fokus: Unternehmensberichterstattung
Steuertransparenz: «Wind of Change» für die
Wirtschaftswelt
Die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
und der Europäischen Union (EU) getriebenen Vorschriften führen zu mehr Transparenz
in den Unternehmen. Sie werfen – ähnlich wie bei Privatpersonen – die Frage auf, ob ein
Unternehmen angemessen zum Staatshaushalt beiträgt. Diese Frage wird damit zusehends
zur Moralfrage. Der Ruf nach mehr Transparenz verändert die Steuerlandschaft
grundlegend und nachhaltig. So sind vor allem internationale Unternehmen gefordert.
T
ransparenz und grenzüberschreitender
Informationsaustausch, so lauten die Zauberformeln, die
Weltmarktunternehmen zu einem neuen Verhalten
bewegen sollen. Dabei ist zwischen zwei Themenfeldern zu
unterscheiden:
Einerseits fordern verschiedene Initiativen das Country-byCountry-Reporting, also die länderspezifische Berichterstattung
von Finanzkenn- und Steuerzahlen, und die Anpassung von
Vorschriften zur Dokumentation konzerninterner
Verrechnungspreise. Damit werden die Unternehmen
verpflichtet, den Steuerbehörden mehr und detailliertere
Laurenz Schneider
Director, Steuer & Rechtsberatung
Informationen nach Ländern gegliedert offenzulegen. Das
Country-by-Country-Reporting soll eine Gesamtübersicht der
weltweiten Verteilung der Gewinne und bezahlten Steuern
multinationaler Unternehmen sowie Angaben zur Lage von
Vermögenswerten und Geschäftsaktivitäten darstellen.
Andererseits werden den Steuerbehörden durch den spontanen
oder sogar automatischen grenzüberschreitenden Austausch
ausländische Steuerinformationen zugänglicher gemacht. Hier
steht der Austausch von Steuerrulings im Vordergrund. Beim
spontanen Informationsaustausch gibt eine Steuerbehörde
Ausgabe 1, 2016
Disclose
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vorhandene Informationen an einen anderen Staat weiter, wenn
sie dessen Interesse an diesen Informationen vermutet – also
nicht, weil die Daten explizit eingefordert wurden. Ein solches
Interesse ist zu vermuten, wenn der betroffene Staat die
fraglichen Informationen für die Anwendung und Durchsetzung
seines Steuerrechts brauchen kann. Der automatische
Informationsaustausch geht noch einen Schritt weiter: Hier
tauschen Steuerbehörden Steuerinformationen automatisch
periodisch (meist quartalsweise) in einem vorgegebenen Modus
untereinander aus.
OECD macht Druck
Unter der Ägide der G-8- und G-20-Staaten1 hat die OECD in den
letzten Jahren einen Massnahmenkatalog gegen «Base Erosion and
Profit Shifting» (BEPS) erarbeitet. Mit dem BEPS-Projekt verfolgt
die OECD zwei Ziele:
Erstens will sie eine internationale doppelte Nichtbesteuerung
insbesondere von mobilen Erträgen durch das Ausnutzen
unterschiedlicher nationaler Steuerregeln verhindern.
Zweitens will sie sicherstellen, dass die Gewinne multinationaler
Unternehmen dort besteuert werden, wo die gewinntreibenden
Aktivitäten stattfinden.
Am 5. Oktober 2015 hat die OECD ihren Schlussbericht zu den 15
BEPS-Massnahmen und ihre Empfehlungen veröffentlicht. Es
werden weitere Instrumente folgen, mit denen die OECD die
korrekte Umsetzung der BEPS-Massnahmen überwachen kann.
Diese sind nicht industriespezifisch, sondern richten sich
grundsätzlich an sämtliche multinationalen Unternehmen.
Ein Country-by-Country Reporting soll jedoch nach Empfehlung der
OECD vorerst für multinationale Unternehmen mit einem
konsolidierten Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen EUR
obligatorisch sein.
Zwei Schwerpunkte mit hohen Ansprüchen
Besondere Aufmerksamkeit gilt den Transparenzregeln zum
Country-by-Country-Reporting und zur
Verrechnungspreisdokumentation (BEPS-Massnahme 13) sowie dem
spontanen Austausch von Steuerrulings (BEPS-Massnahme 5).
Ausgabe 1, 2016
Disclose
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Die Massnahme 13 definiert den Inhalt des Country-by-CountryReporting und legt Angaben zur Struktur sowie zum Inhalt der
Verrechnungspreisdokumentation fest (zweiteiliger Aufbau aus
«Master File» und «Local Files»). Auf Länderebene müssen die
Unternehmen den Steuerbehörden unter anderem die folgenden
Angaben offenlegen: Umsatz mit unabhängigen Dritten und mit
Konzerngesellschaften, Vorsteuergewinn, bezahlte
Gewinnsteuern, Anzahl Mitarbeiter, hauptsächliche
Geschäftsaktivitäten.
Es bleibt den nationalen Gesetzgebern überlassen, wie sie diese
Vorgaben in ihrem Landesrecht umsetzen. Die OECD hat nicht
festgelegt, ob Kennzahlen wie Umsatz oder Vorsteuergewinn
durch die Aggregation der Zahlen auf Basis geprüfter
statutarischer Einzelabschlüsse («bottom-up») oder durch die
Allokation von IFRS-Konzernzahlen auf die einzelnen Länder
(«top-down») zu ermitteln sind.
Die Massnahme 5 bezweckt den spontanen
grenzüberschreitenden Austausch von Steuerrulings, die
«schädliche Steuerregimes» betreffen oder möglicherweise den
Grundsätzen und Zielen von BEPS widersprechen. Für die
Schweiz stehen die als schädlich erachteten Rulings für Holdingund Verwaltungsgesellschaften, gemischte Gesellschaften und die
Prinzipalrulings im Fokus. Im Weiteren zeigt die Massnahme 5
auf, wie die Staaten ihre zukünftige Rulingpraxis ausgestalten
sollen.
Gesetzgeber weltweit dabei
Parallel zum BEPS-Projekt hat auch die EU ihre Richtlinien
angepasst, die ab dem 1. Januar 2016 den Weg zum automatischen
Rulingaustausch ebnen. Zudem werden zurzeit rund um den Globus
nationale Gesetze zu Verrechnungspreisen und deren
Dokumentation angepasst und erweitert. Auch Schweizer Konzerne
können von solchen Regeln betroffen sein – mindestens indirekt,
wenn diese auf ihre ausländischen Konzerngesellschaften anwendbar
sind. Die Teilnahme der wichtigsten Wirtschaftsstandorte am BEPSProjekt soll zu einheitlicheren Regeln für den weltweiten
Steuerwettbewerb führen («level playing field»).
Schweiz schon länger aktiv
Wie andere OECD-Staaten muss auch die Schweiz gewisse
Ausgabe 1, 2016
Disclose
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Anpassungen ihres Rechts und ihrer Steuerpraxis vornehmen, damit
sie die BEPS-Massnahmen umsetzen kann. Einige Aspekte davon hat
sie bereits im Entwurf der Unternehmenssteuerreform III
berücksichtigt; so etwa die Abschaffung der Steuerregimes für
Holding- und Verwaltungsgesellschaften und gemischte
Gesellschaften oder die Prinzipalrulings.
Beim spontanen Informationsaustausch bietet die Schweiz ebenfalls
Hand. Ende 2013 hat sie das multilaterale «Übereinkommen über
die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen» der OECD und des
Anpassungen ihres Rechts und ihrer Steuerpraxis vornehmen, damit
Europarats unterzeichnet. Damit hat sie sich zur Einführung des
sie die BEPS-Massnahmen umsetzen kann. Einige Aspekte davon hat
spontanen Informationsaustauschs verpflichtet, wie dies die BEPSsie bereits im Entwurf der Unternehmenssteuerreform III
Massnahme 5 vorsieht. Die Schweizer Steuerbehörden sollen ab 2018
berücksichtigt; so etwa die Abschaffung der Steuerregimes für
Steuerdaten von 2017 spontan austauschen. Der Bundesrat hat im
Holding- und Verwaltungsgesellschaften und gemischte
Sommer 2015 seine Botschaft dazu ans Parlament verabschiedet und
Gesellschaften oder die Prinzipalrulings.
die parlamentarische Beratung über die Ratifizierung des
Beim spontanen Informationsaustausch bietet die Schweiz ebenfalls
Abkommens in Gang gesetzt. Bis in rund drei Jahren soll die
Hand. Ende 2013 hat sie das multilaterale «Übereinkommen über
rechtliche Grundlage für ein Country-by-Country-Reporting im
die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen» der OECD und des
Schweizer Recht vorliegen.
Europarats unterzeichnet. Damit hat sie sich zur Einführung des
spontanen Informationsaustauschs verpflichtet, wie dies die BEPSInternational
Schweizer
Massnahme 5 vorsieht.tätige
Die Schweizer
Steuerbehörden sollen ab 2018
Steuerdaten von 2017 spontan
austauschen. Der Bundesrat hat im
Unternehmen
gefordert
Sommer 2015 seine Botschaft dazu ans Parlament verabschiedet und
die parlamentarische
Beratung übergibt
dieauch
Ratifizierung
Die
Umsetzung des BEPS-Projekts
Schweizerdes
Abkommens insoGang
gesetzt.
Bis in rund dreiauf.
Jahren
soll die
Unternehmen
manche
Herkulesaufgaben
Der spontane
rechtliche Grundlage
Country-by-Country-Reporting
im
Rulingaustausch
stelltfür
dieein
wohl
wichtigste Forderung dar. Demnach
Schweizer
vorliegen.einige Schlüsselfragen beantworten:
müssen
dieRecht
Unternehmen
Welche Rulings wurden in der Schweiz und weltweit abgeschlossen,
und
welche sind noch in
Kraft? Bei
welchen Rulings werden die
International
tätige
Schweizer
Steuerbehörden wahrscheinlich Daten austauschen? Welche
Unternehmen gefordert
Informationen können so an welche ausländischen Steuerbehörden
gelangen? Was bedeutet das zum Beispiel für die Besteuerung
Die Umsetzung des BEPS-Projekts gibt auch Schweizer
ausländischer Konzerngesellschaften? Zudem müssen die
Unternehmen so manche Herkulesaufgaben auf. Der spontane
Unternehmen prüfen, wie sie etwa die Umformulierung in einen
Rulingaustausch stellt die wohl wichtigste Forderung dar. Demnach
BEPS-konformen Wortlaut vornehmen oder wie sie die Angaben für
müssen die Unternehmen einige Schlüsselfragen beantworten:
den Austausch in relevante und irrelevante Informationen gliedern.
Welche Rulings wurden in der Schweiz und weltweit abgeschlossen,
Eventuell gilt es zu überlegen, wie sie sich aus einem Ruling
und welche sind noch in Kraft? Bei welchen Rulings werden die
zurückziehen und auf eine passende Alternative umsteigen. Im
Steuerbehörden wahrscheinlich Daten austauschen? Welche
Hinblick auf das Country-by-Country-Reporting stehen die
Informationen können so an welche ausländischen Steuerbehörden
Datenbeschaffung und die damit verbundenen Prozesse im
gelangen? Was bedeutet das zum Beispiel für die Besteuerung
Vordergrund: Wo sind welche Zahlen wie schnell verfügbar? Wie
ausländischer Konzerngesellschaften? Zudem müssen die
sicher sind die Datenquellen? Aus der Auswertung und Darstellung
Unternehmen prüfen, wie sie etwa die Umformulierung in einen
dieser Zahlen können Schweizer Unternehmen erkennen, ob sie ihre
BEPS-konformen Wortlaut vornehmen oder wie sie die Angaben für
Konzernstruktur oder ihre Verrechnungspreisgestaltung anpassen
den Austausch in relevante und irrelevante Informationen gliedern.
Eventuell gilt es zu überlegen, wie sie sich aus einem Ruling
zurückziehen und auf eine passende Alternative umsteigen. Im
Hinblick auf das Country-by-Country-Reporting stehen die
Wir sind für Sie
da!
Wir sind für Sie
da!
Laurenz Schneider
Director, Steuer &
Rechtsberatung
+41 58 792 59 38
[email protected]
m
Ausgabe 1, 2016
Disclose
50
müssen.
Fazit
Fakt ist: Die Entwicklungen im Bereich der Steuertransparenz fegen wie ein «Wind of Change» durch den
Wirtschaftsstandort Schweiz und die Schweizer Unternehmenslandschaft. Als Führungskraft eines
multinationalen Unternehmens sollten Sie deshalb die Schlüsselfragen aus dem Country-by-Country-Reporting
und aus dem Austausch von Steuerrulings klären; immerhin müssen Sie allfällige Anpassungen in Ihrem
Konzern bereits vor Ende 2016 vornehmen.
1. G8: Gruppe der sieben bedeutendsten Industrienationen plus Russland. Dazu
gehören Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, USA und das Vereinigte
Königreich. G20: Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Dazu
gehören die G8-Staaten plus Argentinien, Australien, Brasilien, China, Indien,
Indonesien, Mexiko, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, die Türkei und die
restliche EU.
Ausgabe 1, 2016
Disclose
51
Disclose — Ausgabe 1, 2016
disclose.pwc.ch
Im Fokus: Unternehmensberichterstattung
Nichtfinanzielle Berichterstattung:
verantwortungsvoll und weitsichtig führen
Die nichtfinanzielle Berichterstattung beschreibt Ihren Umgang mit Schlüsselthemen, die
sich auf Ihr Unternehmen auswirken können – auch finanziell. Sie bedingt einen
vielschichtigen Prozess der Bewusstwerdung und Bewusstmachung. Denn wer sich selber
und seinen Dialoggruppen die Auswirkungen seiner Wertschöpfung verdeutlicht, strebt
eine langfristige Wertsicherung an und übernimmt unternehmerische Verantwortung.
U
nter nichtfinanzieller Berichterstattung verstehen wir die
Offenlegung von Informationen, die nicht auf die
üblichen Finanzkennzahlen abstützen, den
Anspruchsgruppen aber trotzdem die wesentlichen
Wertschöpfungsbereiche eines Unternehmens verständlich machen
– weit über die Jahresrechnung hinaus. So haben einige immaterielle
Vermögensgegenstände ihren Ursprung in einer Vielzahl
nichtfinanzieller Kennzahlen.
Stephan Hirschi
Director, Wirtschaftsberatung
Für die Grossen wesentlich
In der heutigen Auslegung ist die nichtfinanzielle Berichterstattung
für grosse, international tätige Unternehmen relevanter als für KMU.
Diese können betroffen sein, wenn sie über die Lieferkette eines
weltweit exportierenden oder importierenden Konzerns Teil eines
Offenlegungsbereichs sind. Auf globaler Ebene hängt die Relevanz
der nichtfinanziellen Berichterstattung vor allem davon ab, welche
kulturellen oder wirtschaftlichen Schwerpunkte aus der
Geschäftstätigkeit hervorgehen und in der Berichterstattung
berücksichtigt werden sollen.
Bewegte Geschichte
Ausgabe 1, 2016
Disclose
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Der Ursprung der nichtfinanziellen Berichterstattung liegt – wie so
manche weltweite Entwicklung – in der Folge von Missständen, in
diesem Fall im Umweltbereich. Ereignisse wie Tschernobyl oder
Schweizerhalle (1986) haben schon vor Jahrzehnten einerseits
schärfere Umweltgesetze auf den Plan gerufen. Andererseits wurden
die Unternehmen in Themen wie Arbeitssicherheit, Entlöhnung oder
Umgang mit Mitarbeitern von diversen Seiten immer kritischer
gemustert.
Kurz vor der Jahrtausendwende hat die Global Reporting Initiative
(GRI) ihren ersten Standard für eine nachhaltige Berichterstattung
vorgelegt. Parallel dazu haben einzelne Industrien ihre eigenen
Rahmenbedingungen geschaffen. So setzt der Verein für
Umweltmanagement und Nachhaltigkeit in Finanzinstituten (VfU)
Richtlinien für Banken, das European Chemical Industry Council
(Cefic) für die Chemie und die Cement Sustainability Initiative (CSI)
des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD)
für die Zementindustrie.
In der Schweiz gab es immer wieder politische und öffentliche
Vorstösse, Vorgaben für das nichtfinanzielle Reporting gesetzlich zu
verankern. Sie blieben bis heute erfolglos. Über den bundesrätlichen
Auftrag für eine «Grüne Wirtschaft» wird derzeit debattiert.
Aktuell spielen die folgenden Akteure und Richtlinien eine
nennenswerte Rolle:
UN Global Compact:
Die zehn Prinzipien des UN Global Compact sind aus diversen
internationalen Grundrechten wie den Menschenrechten, dem
Arbeitsrecht, den Rio-Resolutionen oder der UN-Konvention
gegen Korruption abgeleitet. Für die Unternehmen bilden sie das
Fundament eines integren Verhaltens.
UN Sustainable Development Goals:
Die Division für Sustainable Development (DSD) fördert und
implementiert Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Diese
Zielsetzungen werden von den Unternehmen häufig als Norm
verstanden, um die gesellschaftlichen Ansprüche in ihre
nachhaltige Entwicklung einzubinden.
GRI-G4:
Auf europäischer Ebene gilt der vierte Release der GRI vom Mai
Ausgabe 1, 2016
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53
2013 als Mass der Dinge. Die GRI-G4 stellt keine verbindliche
Gesetzgebung, sondern ein richtungsweisendes Rahmenwerk dar.
Kern dieser Version ist das Prinzip der Wesentlichkeit  (vgl.
Abbildung 1).
Integrated Reporting (IR):
Das International Integrated Reporting Council (IIRC) hat am 9.
Dezember 2013 ein Rahmenkonzept (IR-Framework) für eine
integrierte Berichterstattung veröffentlicht. Dieser ganzheitliche
Ansatz soll einen holistischen Blick auf die Leistung eines
Unternehmens und dessen Teilbereiche ermöglichen.
EU-Direktive1 zur Offenlegung von nichtfinanziellen
Informationen: Dieses Regelwerk hat die EU-Kommission im
April 2014 abgesegnet und ihren Mitgliedstaaten die nationale
Umsetzung auferlegt. Hier handelt es sich um einen
prinzipienbasierten Standard für multinationale Unternehmen
mit über 500 Mitarbeiter, der den Anwendern einen gewissen
Spielraum offenlässt. Betroffen sind ungefähr 6000
Grossunternehmen und Konzerne in der EU.
Sustainability Accounting Standards Board (SASB)
Als Gegenstück zum Financial Accounting Standards Board
(FASB) verlangt dieses US-amerikanische Gremium mit seinen
Standards, dass US-börsenkotierte Unternehmen bei einem SECFiling nach dem 10-K-Berichtsformat und Nicht-USUnternehmen nach dem 20-F-Berichtsformat offenlegen.
Sustainability Accounting Standards Board
(SASB):
Die US-Behörde für die Kontrolle des Wertpapierhandels
(Securities Exchange Commission, SEC) bezeichnet als Form
10-K einen Jahresbericht in standardisierter Form. Einen
solchen müssen Unternehmen mit einem Vermögen von über
zehn Millionen US-Dollar abgeben. Die 20-F-Berichtsform
gilt für alle ausländischen Wertpapieremittenten, die Aktien
an den US-Börsen gelistet haben.
Principles for Responsible Investments (PRI):
Ausgabe 1, 2016
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54
Die sechs Prinzipien der Vereinten Nationen (UN) setzen
Leitplanken, an denen sich die Finanzwelt orientieren kann, um
eine umwelt- und sozialverträgliche Unternehmensführung
sicherzustellen. Sie basieren auf dem ESG-Grundsatz
(Environmental, Social and Corporate Governance).
Weitere Prinzipien der Finanzwelt: Dazu gehören beispielsweise
die Green Bond Principles, Equator Principles oder Principles for
Sustainable Insurance. Diese Grundsätze kommen in der
Finanzwelt insbesondere bei Transaktionen zur Anwendung oder
setzen einen Rahmen für Investitionsziele.
Prinzip der Wesentlichkeit
Die GRI-G4 rückt das Prinzip der Wesentlichkeit in den Mittelpunkt.
Dieses soll verhindern, dass die Berichterstattung zu einer
Datensammlung ohne Fokus verkommt. Mit einer
Wesentlichkeitsanalyse soll das Unternehmen vorab die wichtigsten
Themen aus Sicht sämtlicher Dialoggruppen wie Behörden,
Bewohnern, Lieferanten oder Mitarbeitern identifizieren.
Anschliessend kann es jene Bereiche ausmachen, auf die sich seine
unternehmerische Tätigkeit ökonomisch, ökologisch oder sozial
wesentlich auswirkt. Dabei steht die gesamte Wertschöpfungskette
im Zentrum. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass ein
Unternehmen aufgrund seiner Beziehungen zu Lieferanten
Kinderarbeit als einen wesentlichen Aspekt betrachten muss, auch
wenn dieses Thema im Unternehmen nicht relevant ist.
 Abbildung 1 zeigt, wie die wichtigsten Rahmenwerke und
Standards Wesentlichkeit definieren und wie sie ihre Definitionen
gegenüber ihren Kernzielgruppen kommunizieren.
Ausgabe 1, 2016
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55
Ein Frage der Verantwortung
Die nichtfinanzielle Berichterstattung stellt das Unternehmen vor
eine hochkomplexe Schlüsselfrage: Wie kann es nichtfinanzielle
Werte vermitteln, die seine unternehmerische Verantwortung zum
Ausdruck bringen? Die Antwort findet das Management in der
Wertschöpfungskette des Unternehmens. Es muss zuerst
vollständige Klarheit über die produktive Tätigkeit des
Unternehmens und deren Folgen für sämtliche Anspruchsgruppen
erlangen. So gilt es, zu verstehen, mit welchem Input (z. B. Rohstoff)
welcher Output (Produkte oder Dienstleistungen) und schliesslich
welcher Outcome (z. B. Kundennutzen) entsteht und wer davon in
welcher Weise betroffen ist. Aus einer solchen Matrix lassen sich die
wesentlichen Verantwortungsfelder ableiten. Im Rahmen einer
nichtfinanziellen Berichterstattung spiegelt das Unternehmen seine
Schlüsselthemen und nimmt den Dialog mit seinen
Anspruchsgruppen auf – im Idealfall gezielt und regelmässig.
Verantwortung geht also nicht nur aus einem firmeneigenen,
ethischen Anspruch hervor. Sie entsteht mit den Auswirkungen der
unternehmerischen Tätigkeit auf Menschen und Themenfelder.
Ausgabe 1, 2016
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56
Hohe Ziele
Transparenz und Kommunikation werden oft als Ziele der
nichtfinanziellen Berichterstattung genannt. Das stimmt nur bedingt.
Transparenz ist vielmehr ein Resultat; sie schafft weder Mehrwert,
noch verhindert sie Risiken. Und Kommunikation ist die Vermittlung
selbst und die Wahl des passenden Kanals oder Formats. Die der
nichtfinanziellen Berichterstattung vorgelagerten und
zugrundeliegenden Prozesse schärfen das Bewusstsein für eine
langfristige Wert- und damit Existenzsicherung des Unternehmens.
Konkret heisst das: Risiken und Abhängigkeiten kontrollieren,
Ressourcen sicherstellen, Lieferkette aufrechterhalten, Vertrauen
von Kernzielgruppen sichern. Dazu muss ein Unternehmen sich
selber verstehen, sich seiner mehrschichtigen Verantwortung
bewusst sein, diese verständlich offenlegen und schliesslich – ganz
wichtig – von seinen Anspruchsgruppen verstanden werden (vgl.
Integrated reporting). Wer sein Unternehmen aus einer derartigen
Perspektive führt, handelt weitsichtig und wertorientiert.
Keine Garantie
Das Offenlegen nichtfinanzieller Informationen ist kein Garant für
Risiko- oder Fehlerfreiheit. Es gibt immer Risiken, die ein
Unternehmen nicht kontrollieren kann oder deren Schlagkraft es
falsch einschätzt. Auch das Fehlverhalten von Individuen lässt sich
nie vollständig ausschliessen. Und schliesslich sind sogar Fehler in
der Offenlegung möglich. Die nichtfinanzielle Berichterstattung lässt
kein Schwarz-Weiss-Denken zu. Sie verlangt von Unternehmern,
Prüfern und Lesern, dass sie den Kontext und die Verknüpfung der
Einflussfaktoren in die Aufbereitung und Interpretation der
Informationen einbeziehen. Darum lassen sich nichtfinanziellen
Berichte unterschiedlicher Firmen auch selten eins zu eins
miteinander vergleichen.
Mehr Klarheit, mehr Wert
Ein Unternehmen fragt sich zu Recht, was ihm eine solche
Offenlegung bringt. Nichtfinanzielle Berichterstattung als reine
Kommunikations- oder Marketingoffensive einzusetzen, bringt
vermutlich den nichtigsten Nutzen. Der grösste Mehrwert entfaltet
sich dann, wenn eine nichtfinanzielle Offenlegung den eigenen
Ansprüchen an Information und Klarheit sowie denjenigen von
Eigentümern, Öffentlichkeit, Medien oder Mitarbeitern gerecht wird
Ausgabe 1, 2016
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und gleichzeitig die unternehmerische Tätigkeit am besten darlegt.
Sie lässt sich zudem als Mittel zur Differenzierung im
Konkurrenzumfeld nutzen. So oder so hängt sie unmittelbar von der
Unternehmenskultur und der Denkweise von Verwaltungsrat und
Management ab.
TIMM – Auswirkungen messen und
managen
Um nichtfinanzielle Informationen in Auswirkungen finanzieller Art
zu transferieren, haben wir das Vorgehensmodell TIMM (Total
Impact Measurement and Management)  (vgl. Abbildung 2)
konzipiert. Damit können Unternehmen erstmals die Folgen ihres
Handelns für Umwelt, Gesellschaft, Steuern und Wirtschaft anhand
von diversen Kerngrössen monetär bewerten. TIMM ist eine gute
Entscheidungsgrundlage für das Management. Sie dient der
Wesentlichkeitsbetrachtung und erweitert das Verständnis der
eigenen Leistungen und Produkte, was ins Risikomanagement
einfliessen kann.
Ausgabe 1, 2016
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58
Abbildung 2: TIMM (Total Impact Measurement & Management), das ganzheitliche
Rahmenwerk von PwC
Ganzheitlich
Gesellschaftliche, steuerliche
und wirtschaftliche
Dimensionen ganzheitlich
betrachten.
Auswirkungen
Über die Inputs und Outputs
hinaus auf die Ergebnisse und
Auswirkungen blicken – den
eigenen Fussabdruck verstehen.
Messung
Die Auswirkungen in Zahlen
und Geld ausdrücken – Wert in
einer Sprache, die die
Geschäftswelt versteht.
Management
Alternativen auswerten und
Spannungsfelder optimieren bessere Entscheidungen treffen.
Finanzieller
Erfolg
Klare Chefsache
Historisch bedingt steht die nichtfinanzielle Berichterstattung aktuell
meistens auf dem Pflichtenheft von Verantwortungsträgern aus den
Bereichen Umwelt oder Arbeitssicherheit. Allerdings kann sich hier
Betriebsblindheit breitmachen. Wir erachten diese Art der
Offenlegung als eindeutige Aufgabe von Verwaltungsrat und
Geschäftsleitung, schliesslich handelt es sich um eine Frage der
Ausgabe 1, 2016
Disclose
59
langfristigen Unternehmensentwicklung. Dabei empfehlen wir der
Führungsetage, die Aussensicht einzubeziehen, damit sich die
Berichterstattung weiterentwickeln und relevant halten lässt – zum
Beispiel durch ein mehrjährig getaktetes Storytelling.
Prüfung? Jein.
Eine Prüfung des Berichts nichtfinanzieller Leistungswerte ist in der
Schweiz nicht regulatorisch vorgeschrieben. Natürlich werden im
Rahmen der gesetzlichen Revision einzelne Themenfelder sowieso
geprüft. In Frankreich ist die Revision der Offenlegung
Wir sind für Sie
da!
nichtfinanzieller Informationen im Gesetz verankert. Doch auch für
solche Prüfungen gilt: Sie verhindern nicht, dass ein Unternehmen
negativ wahrgenommen wird, eine schlechte Bewertung erhält oder
misswirtschaftet. Legt eine Unternehmensleitung Informationen
offen, müssen diese belastbar sein – nichtfinanzielle genauso wie
finanzielle. Das heisst, dass das Management für nichtfinanzielle
Aspekte dieselben Qualitätsansprüche ansetzen sollte wie für
Finanzdaten.
Stephan Hirschi
Director, Wirtschaftsberatung
+41 58 792 27 89
[email protected]
Fazit
Nichtfinanzielle Themen können finanzielle Folgen haben und eine Wertsteigerung,
-gefährdung oder -vernichtung bewirken – selbst wenn sie nicht oder nur teilweise reguliert sind. Strategischen
und operativen Führungsverantwortlichen von international tätigen Firmen empfehlen wir, sich der
nichtfinanziellen Berichterstattung zu stellen, wesentliche Themen auszumachen, das Ziel der Offenlegung
festzulegen und nach aussen transparent zu kommunizieren. Wer seinen Anspruchsgruppen die Auswirkungen
seiner unternehmerischen Tätigkeit auf nichtfinanzielle Aspekte erläutert, versteht sein Metier und lenkt es
zielsicher. In diesem Sinn zeugt die nichtfinanzielle Berichterstattung von verantwortungsvollem
Unternehmertum.
1. Richtlinie 2014/95/EU zur Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender
Informationen durch bestimmte grosse Unternehmen und Gruppen.
Ausgabe 1, 2016
Disclose
60
Disclose — Ausgabe 1, 2016
disclose.pwc.ch
Im Fokus: Unternehmensberichterstattung
Neuer Revisionsbericht: mehr Transparenz,
mehr Vertrauen
Der neue Revisionsbericht gewährt einen gründlichen Einblick in den Prüfprozess. Er ist
die Antwort des International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) auf den
Ruf nach mehr Transparenz im Nachgang zur Finanzkrise. Den Unternehmen bietet er
eine Chance, ihre Reputation dank zusätzlicher Informationen zu stärken.
H
aben Aufsichtsgremien, Kontrollen und Prüfer versagt?
Diese Frage war in der Aufarbeitung der Finanzkrise
häufig und deutlich zu hören. Das IAASB als
verantwortliches Gremium für die Erarbeitung und
Weiterentwicklung der international anerkannten Grundsätze zur
Abschlussprüfung hat diese Unsicherheit zum Anlass genommen, die
Bestimmungen für den Revisionsbericht zu überarbeiten.
Transparenz bringt Vertrauen
Joanne Burgener
Partner, Wirtschaftsprüfung
Der neue Bericht soll vornehmlich zur Schliessung der
Erwartungslücke zwischen der Revisionsgesellschaft und den
Anspruchsgruppen des Unternehmens, insbesondere den Investoren,
beitragen. Mit weiterführenden Informationen und einem
entsprechend erweiterten Umfang stellt er die wesentlichen
finanziellen Risiken eines Unternehmens und die Art und Weise dar,
wie diese in der Prüfung angegangen wurden. Damit stösst der neue
Revisionsbericht eine intensivere Auseinandersetzung aller Parteien
mit dem Auftrag und der Durchführung der Prüfung an und fördert
das Vertrauen in diese.
Das IAASB spricht Klartext
Im Rahmen seines Reformprojekts hat das IAASB verschiedene
International Standards on Auditing (ISA) revidiert und diverse
Ausgabe 1, 2016
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Änderungen im Revisionsbericht vorgeschrieben. Einerseits geht es
um die Struktur des Berichts (wonach beispielsweise das
Prüfungsurteil an erster Stelle kommt), anderseits um neue
Bestandteile. Die grosse Neuerung betrifft die sogenannten Key
Audit Matters (KAMs, zu Deutsch «bedeutsame Sachverhalte, die im
Rahmen der Prüfung beurteilt wurden»). Diese müssen gemäss
einem neuen ISA im Revisionsbericht von Unternehmen, die Eigenoder Fremdkapital kotiert haben, umschrieben werden, unabhängig
davon, nach welchem Rechnungslegungsstandard die Jahres- oder
Konzernrechnung erstellt wird.
Der neue Standard legt die Hintergründe zu den KAMs und deren
Ermittlung fest. Dabei handelt es sich um dem Management und
dem Audit Committee bekannte Punkte, weil die Prüfungsrisiken
sowohl im Prüfungsplan als auch im umfassenden Bericht an das
Audit Committee und an den Verwaltungsrat enthalten sind. Die
Beschreibung der KAMs im Revisionsbericht muss so erfolgen, dass
der Leser das damit verbundene Risiko aus Sicht des Prüfers
erkennt. Die Sichtweise des Unternehmens wird dadurch
eingebracht, dass der Revisionsbericht auf die entsprechende
Anmerkung im Anhang der Jahres- oder Konzernrechnung verweist.
Abschliessend zieht der Prüfer eine objektive Schlussfolgerung.
Goodwill als KAM – ein Beispiel
Der nachfolgende Auszug aus dem Revisionsbericht 2014
der Sage-Gruppe (UK) zeigt auf, inwiefern die externe
Revision den Goodwill als KAM identifiziert und prüferisch
adressiert hat:
Im Fokus: Wertminderung des Goodwills
Aus zwei Gründen haben wir die Wertminderung des
Goodwills in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen
gestellt: Zum einen fällt die Goodwill-Bilanz sehr hoch aus
(GBP 1’433 Millionen per 30. September 2014). Zum
anderen hat sich das Management in ihrer Beurteilung des
Nutzungswerts der «Cash Generating Units» (CGUs) zu den
zukünftigen Geschäftsergebnissen und zu den Diskontsätzen
für zukünftige Cashflow-Prognosen geäussert.
Wegen des ausgewiesenen Wertminderungsbedarfs von GBP
Ausgabe 1, 2016
Disclose
62
44,3 Millionen im laufenden Jahr konzentrierten wir uns in
unserer Prüfung auf den bilanzierten Goodwill der
brasilianischen CGU. Die restliche Goodwill-Bilanz dieser
Unit beträgt ca. GBP 76,8 Millionen. Die Gruppe hat das
Geschäft in Brasilien im Jahr 2012 gestartet. Seither wurde
die Leistung hier durch eine landesweite makroökonomische
Verschlechterung beeinträchtigt, die für das laufende Jahr
schliesslich zu einer Wertminderung führte.
Ein Schlüsselelement der Goodwill-Bilanz zeigt sich bei den
beiden US-amerikanischen Units SBS und SPS mit einem
Gesamtwert von GBP 687,7 Millionen. Zwar sieht das
Management aufgrund früherer Leistungswerte hier einen
deutlichen Spielraum nach oben zwischen dem
Nutzungswert der CGUs und deren aktuellem Bilanzwert.
Für uns hingegen blieb dies wegen der beträchtlichen Höhe
der Goodwill-Bilanz nach wie vor ein Schwerpunktthema.
Vorgehen unserer Prüfung
Im Rahmen unserer Prüfung beurteilten und analysierten
wir, wie das Management seine Cashflow-Prognosen
aufgebaut hat und dabei vorgegangen ist. Wir wollten
klären, ob alle relevanten CGUs – einschliesslich Brasilien
und USA – erfasst wurden. Dabei stellten wir fest, dass das
Management seinen klar dokumentierten Prozess zur
Erstellung der zukünftigen Cashflow-Prognosen genau
befolgt hat. Die Prognosen wurden rechtzeitig einer
Begutachtung und Analyse durch die Direktion unterzogen
und stimmten mit dem vom Verwaltungsrat genehmigten
Budget überein. Wir verglichen die Zahlen des laufenden
Jahres mit denjenigen des Geschäftsjahres 2014, die in der
Vorjahresprognose enthalten waren. Damit konnten wir
erkennen, ob eine der Prognose rückblickend als
optimistisch gegolten hätte. Die tatsächliche Leistung in
Brasilien war niedriger als erwartet. Daher bildete das
Management im laufenden Jahr das Ertragswachstum und
die Umsatzrendite von 2014 ab. Im Hinblick auf die
vergangenen Leistungen von Brasilien halten wir diese
Einschätzung für angemessen. Im Weiteren analysierten wir
für alle CGUs – insbesondere für Brasilien und die USA – die
Annahmen des Managements bei seinen Prognosen für
langfristige Wachstumsraten durch den Vergleich mit
Prognosen aus Wirtschaft und Industrie und
Ausgabe 1, 2016
Disclose
63
den Diskontsatz durch Berechnung der Kosten für das
Kapital des Unternehmens und für vergleichbare
Organisationen, dabei berücksichtigten wir die
spezifischen Faktoren des geografischen Gebiets.
Unsere Betrachtung zeigte, dass die Annahmen des
Managements konsistent waren und unseren Erwartungen
entsprachen. Schliesslich gingen wir der Frage nach, wie
sensibel das Management die Berechnungen für seine CGUs
durchgeführt hatte. Wir kamen zum Schluss, dass die
Annahmen für Ertragswachstum und Diskontsatz am
sensibelsten waren. Für sämtliche CGUs mit Ausnahme von
Brasilien errechneten wir jenen Schwellenwert, bis zu dem
die Annahmen für das Eintreten einer Wertminderung
verschoben werden müssten. Gemeinsam mit dem
Management diskutierten wir die Wahrscheinlichkeit einer
solchen Verschiebung. Unser gemeinsames Fazit: Eine solche
wäre unwahrscheinlich. Bei Brasilien beurteilten wir die
Einschätzung des Managements für das jährliche
Ertragswachstum (11 %), die Umsatzrendite (26 %) und
den Diskontsatz (17 %) als annehmbar. Allerdings würde
sich jede Änderung dieser Annahmen direkt auf den
Wertminderungsbedarf auswirken.
Die Anwendung der überarbeiteten bzw. des neuen ISA ist
verpflichtend für Unternehmen, deren Geschäftsjahre am oder nach
dem 15. Dezember 2016 enden. Dazu gehören alle in der Schweiz
kotierten Gesellschaften. In England und Holland ist der neue
Revisionsbericht bereits für die Geschäftsjahre 2013 bzw. 2014
regulatorisch verankert. Die Rückmeldungen der Unternehmen und
Investoren aus diesen Pionierländern sind durchwegs positiv.
KAMs – Schlüssel in der Lektüre
Sowohl finanzielle als auch nichtfinanzielle Sachverhalte lassen sich
als KAM einstufen. Zu den nichtfinanziellen KAMs gehören
beispielsweise die für die Jahresrechnung relevanten IT-Systeme
oder interne Kontrollen. Finanzielle Sachverhalte von besonderer
Wichtigkeit finden sich zum Beispiel im Goodwill, in Rückstellungen,
Steuern oder bei der Umsatzerfassung. Ausgangspunkt der
Identifikation der KAMs sind für den Prüfer ein intensiver Dialog mit
den Verantwortungs- und Entscheidungsträgern des Unternehmens
Ausgabe 1, 2016
Disclose
64
sowie seine Erkenntnisse aus den Vorjahresprüfungen  (vgl.
Abbildung 1). Die Inhalte sollen objektiv und so umfassend wie nötig
dargestellt werden. Eine Schlussfolgerung zu einem KAM ist zwar
nicht zwingend vorgesehen, aber empfehlenswert. Denn sie liefert
dem Leser zentrale Informationen und eine wertvolle
Entscheidungsgrundlage.
Viel dran, mehr drin
Sowohl inhaltlich als auch formell hat sich im neuen
Revisionsbericht einiges grundlegend verändert. Der Aufbau ist nach
wie vor klar vorgeschrieben. Allerdings ist er um einiges detaillierter
und individueller auszugestalten, da er einerseits einen
umfassenderen Einblick in die Prüfungsdurchführung gewährt und
sich andererseits über die KAMs äussert. In Ergänzung zu den ISA
wird in Grossbritannien und in den Niederlanden aufgrund
gesetzlicher Bestimmungen zusätzlich die Angabe der Wesentlichkeit
(Materiality) und des Prüfungsumfangs (Scope) verlangt, was einen
noch tieferen Einblick ermöglicht. Wir sind bestrebt, dass auch für
börsenkotierte Schweizer Unternehmen neu neben dem
Prüfungsansatz die Wesentlichkeit und der Prüfungsumfang im
Bericht integriert werden, da diese die Transparenz wesentlich
erhöhen.  Abbildung 2 stellt den Aufbau des neuen
Revisionsberichts schematisch dar und zeigt die bisherigen und die
Ausgabe 1, 2016
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65
geänderten Elemente.
Abbildung 2: Bisherige und neue Bestandteile des neuen Revisionsberichts
Für alle Anwender
der ISA
1
Prüfungsurteil – Fokus auf
positives/negatives Gesamturteil
2
Grundlage des Prüfungsurteils
Zusätzlich nur für börsenkotierte
Unternehmen
Freiwillig, nur für börsenkotierte
Unternehmen
3
4
Prüfungsansatz inklusive Darstellung
Materialität und Prüfungsumfang
Angaben zur
Unternehmensfortführung
6
Verantwortung der gesetzlichen
Vertreter und des Verwaltungsrats
7
Verantwortung der Revisionsstelle
8
Sonstige gesetzliche und andere
rechtliche Anforderungen
Alte Bestandteile des Revisionsberichts
5
Besonders wichtige Sachverhalte
(Key Audit Matters)
9
Unterschrift mit Namen
des verantwortlichen Prüfers
Neue Bestandteile des Revisionsberichts (zusätzlich)
Mehr Information, mehr Diskussion
Der neue Revisionsbericht wird in voller Länge publiziert,
unabhängig davon, ob ein Schweizer Unternehmen einen Abschluss
nach IFRS, US GAAP oder Swiss GAAP FER erstellt. Da er
umfassender ausfällt, entsteht für das Management ein gewisser
Mehraufwand: Es muss sich mit den erwähnten Prüfungsrisiken, der
Wesentlichkeit und dem Prüfungsumfang intensiver
auseinandersetzen. Diese Debatte wird auch künftig hinter
verschlossenen Türen stattfinden, nur wird der Prüfer deren
Ergebnis im Revisionsbericht kommunizieren. Gut möglich, dass die
Ausgabe 1, 2016
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66
Unternehmensleitung ihren Anspruchsgruppen zukünftig mehr
Fragen zum Jahresbericht beantworten muss. Für diesen Fall ist sie
optimal vorbereitet, wenn sie sich mit Umfang und Inhalt der
Revision fundiert und frühzeitig beschäftigt hat.
Prüfung im Aufwind
«Wir bei PwC verpflichten
Die Investoren haben hohe Erwartungen an die Revision. Mit dem
neuen Revisionsbericht erhält die Abschlussprüfung spätestens ab
Ende des Jahres 2016 Aufwind: Sie trägt nach Einschätzung
internationaler Experten in nachvollziehbarer Weise massgeblich
zum Verständnis der wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens
und damit zur internen und externen Vertrauensbildung bei. Es ist
das Ziel des IAASB, mit der erhöhten Transparenz des Berichts das
umzusetzen. So erhöhen
Verständnis für die Objektivität der Revision sowie deren Renommee
zu steigern.
uns, die neuen ISA
wir das Vertrauen der
Gesellschaft in die
Revision. Dabei werden
wir neben dem
Prüfungsansatz auch die
Wesentlichkeit und den
Prüfungsumfang im
Wo steht die Schweiz, und welche offenen
Fragen bestehen?
Revisionsbericht
In der Schweiz wird die Ausgestaltung des Revisionsberichts in den
Schweizer Prüfungsstandards (PS) geregelt. Diese stellen die
spezifisch darstellen und
angeben. Wir wollen die
KAMs möglichst
eine objektive Folgerung
Umsetzung der ISA für die Schweiz dar und entstehen aus einem
intensiven Dialog von Revisionsberufsverband (EXPERTsuisse) und
Prüfungsgesellschaften.
ziehen. Damit
Es ist zu erwarten, dass die Prüfungsgesellschaften mit den gemäss
ISA freiwilligen Berichterstattungen (Wesentlichkeit und
Prüfungsumfang) unterschiedlich umgehen werden. Weiter wird
der Stärkung ihrer
untersucht, inwieweit die Berichterstattung über die KAMs die
Geheimhaltungspflicht der Revisionsstelle tangiert.
Mit einem neuen Rundschreiben hat die eidgenössische
Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) den neuen Prüfungsstandard für
börsenkotierte Unternehmen mit Geschäftsjahren, die am oder nach
dem 21. Dezember 2016 enden, als anwendbar erklärt. Eine
Frühanwendung für das Geschäftsjahr 2015 ist möglich. Mit dieser
Regelung geht die Schweiz schneller voran als Deutschland, wo der
neue ISA erst 2017 eingeführt werden soll.
unterstützen wir die
Unternehmen aktiv bei
Reputation.»
Wir sind für Sie
da!
Joanne Burgener
Partner, Wirtschaftsprüfung
+41 58 792 68 02
[email protected]
Ausgabe 1, 2016
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67
Fazit
Der neue Revisionsbericht ist für Ihr börsenkotiertes Unternehmen mehr als ein neu gestalteter Bericht. Er bietet
Ihnen eine grosse Chance, ihre Reputation und das Vertrauen in Ihr Unternehmen zu stärken. In der Umsetzung
empfehlen wir einen detaillierten Ansatz mit einem hohen Konkretisierungsgrad, da der Bericht so mehr
Transparenz gewährt und dem Thema Revision auf Führungsetage einen neuen Tiefgang verleiht. In diesem
Sinn sehen wir den neuen Revisionsbericht als Revolution in der Wirtschaftsprüfung.
Ausgabe 1, 2016
Disclose
68
Update
Umgang mit Geschäftsinformationen: Umdenken
zahlt sich aus!
von Christian Hug – Seite 70
Derivatehandel: Wie das
FinfraG Organisationen
ausserhalb des Finanzsektors beeinflusst
von James Nelson – Seite 79
Disclose — Ausgabe 1, 2016
disclose.pwc.ch
Update
Umgang mit Geschäftsinformationen: Umdenken
zahlt sich aus!
Die Digitalisierung prägt Ihren Alltag und erhöht die Informationsflut. Ein strategischer
Umgang mit Unterlagen und Daten jeglicher Art (Informationen) garantiert deren
zweckmässige Verwaltung, Nutzung, Aufbewahrung und Löschung. Somit können Sie
relevante physische bzw. digitalisierte oder elektronische Informationen schnell auffinden,
verarbeiten und nutzen. Hand aufs Herz: Ist das in Ihrem Unternehmen so?
E
indeutig Chefsache: Geschäftsunterlagen und -daten bzw.
Informationen sind für Ihr Unternehmen erfolgs- und
vielleicht sogar existenzentscheidend. Denn damit steuern
und kontrollieren Sie Ihr Unternehmen, entwickeln
Produkte und Dienstleistungen, erkennen Risiken und Chancen und
erfüllen Buchführungspflichten oder andere rechtliche
Anforderungen, zum Beispiel eine Produktgarantie. Anhand von
authentischen, unversehrten Informationen sind Sie in der Lage,
Ihre Position auch in schwierigen Situationen wie etwa bei einem
gerichtlichen Verfahren geltend zu machen. Nicht zuletzt helfen
adäquate Informationen dabei, Produktivität, Effizienz und
Flexibilität zu steigern. Es geht heute nicht mehr nur um Fragen der
Archivierung, sondern auch ganz allgemein um den Umgang mit
Informationen. Diese müssen klassifiziert werden; relevante
Christian Hug
Senior Manager, Wirtschaftsprüfung
Informationen sind die Hauptträger Ihres Erfolgs: Sie bündeln
sämtliches Wissen aus Forschung, Entwicklung, Produktion und
Services sowie das Wissen von Partnern und Kunden über die
gesamte Wertschöpfungskette hinweg – ein Kapital, das es zu
schützen und zu nutzen gilt.
Erhöhten Ansprüchen genügen
Noch immer werden die rechtlichen Anforderungen im Umgang mit
Informationen sehr unterschiedlich umgesetzt – nicht immer
Ausgabe 1, 2016
Disclose
70
gesetzeskonform. Mit der zunehmenden Forderung nach
Transparenz und der steigenden Anzahl von Gesetzen werden Ihre
Zielgruppen immer anspruchsvoller. Der Kunde möchte
massgeschneiderte Produkte und Dienstleistungen beziehen und
gleichzeitig von Innovationen profitieren. Die Behörden erwarten
Nachweise, dass Sie die regulatorischen Vorgaben befolgen. Die
Gesellschaft verlangt ein nachhaltiges und vertrauenswürdiges
Handeln. Sie wiederum wollen die Effizienz und Effektivität Ihres
Unternehmens steigern, sich aufs Wesentliche konzentrieren und
Wettbewerbsvorteile schaffen.
Erfolgsfaktoren identifizieren
Als Verantwortungs- und Entscheidungsträger vertreten Sie eine
betriebliche Perspektive: Sie müssen schneller, einfacher und
effizienter werden, um sich weiterzuentwickeln. Die geografisch
unterschiedlichen Standorte Ihrer Geschäftseinheiten erschweren
dabei die effiziente Zusammenarbeit, insbesondere bei aufwendigen,
papierbasierten Prozessen. Damit Informationen in Echtzeit zur
Verfügung stehen, müssen Sie diese Prozesse automatisieren und
durch eine elektronische Verarbeitung, Ablage und Aufbewahrung
ersetzen, d.h. auch, dass relevante Informationen, die auf Papier
sind, digitalisiert werden müssen. Nur so bleiben Sie auf dem Markt
agil. Damit Ihnen das gelingt, ist der Umgang mit
Geschäftsinformationen als Teil Ihrer Unternehmensprozesse zu
verstehen, und es ist klar festzulegen, wie Sie mit relevanten
Informationen nach innen und aussen umgehen. Wenn Sie eine
solche 360°-Sicht in Ihrem Unternehmen verankern und die
Kontrolle über Ihre Unterlagen und Daten übernehmen, machen Sie
sich zentrale Marktvorteile zunutze: mehr Effizienz, mehr
Transparenz, mehr Vertrauen.
Mehrfache Herausforderung
Der erfolgreiche Umgang mit Geschäftsinformationen beruht auf
dem Zusammenspiel von Technologien, Geschäftsprozessen in Fachund Unterstützungsbereichen und Compliance  (vgl. Abbildung 1).
Diese drei Bereiche stellen Ihr Unternehmen vor eine Reihe von
Herausforderungen. Allen gemeinsam ist, dass sie von Ihnen ein
Umdenken im Verständnis und im Umgang mit Informationen
erfordern.
Ausgabe 1, 2016
Disclose
71
Abbildung 1: Dreiteiliges Fundament eines kohärenten Umgangs mit
Geschäftsinformationen
Geschäfts‑
prozesse
Integriertes
Geschäftsdatenmanagement
Compliance
Technologien
Technologien: digital Schritt halten
Über die letzten Jahre wurden nicht nur Informationen digitalisiert,
sondern ganze Geschäftsprozesse, Kommunikationsabläufe und der
(automatische) Austausch mit externen Anspruchsgruppen in die
digitale Welt verschoben. So wird beispielsweise von
Rechnungsstellern der elektronische Versand von Rechnungen und
Belegen gefordert (E-Invoicing), oder Unterlagen – selbst
beglaubigte – lassen sich bei Behörden häufig elektronisch beziehen.
Auch Nachweise zur Einhaltung von Regulatorien und der
Buchführungspflicht fallen heute elektronisch an. Ihre Aufgabe ist es,
diese Daten zu validieren, weiterzuverarbeiten, aufzubewahren und
zu löschen. Da sich ihre Richtigkeit nur elektronisch feststellen lässt,
ist die Aufbewahrung in physischer Form untersagt. Zum Beispiel
verlieren elektronische Rechnungen ihre Gültigkeit, sobald Sie diese
ausdrucken.
Das Tempo der Digitalisierung zeigt sich unter anderem in neuen
und weiterentwickelten Technologien, Systemen und
Dienstleistungen. Parallel dazu hat sich die Nutzung von
Informationen komplett gewandelt, sodass die Technologien heute
einer ausgeprägten Mobilität gerecht werden müssen und Sie einen
Medienbruch verhindern sollten. Gleichzeitig muss das in
Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen wie etwa dem
Datenschutz geschehen.
Ausgabe 1, 2016
Disclose
72
Nicht nur Ihre Kernkompetenz, sondern auch Ihre unterstützenden
Bearbeitungs- und Entscheidungsprozesse beeinflussen den
Lebenszyklus von Informationen. Deshalb müssen Sie neue
Technologien und Systeme – wie beispielsweise die Cloud –
evaluieren und gezielt einsetzen. Nicht selten steht dabei Ihre
Geschäfts- und IT-Architektur als Ganzes zur Debatte: Sie müssen
alte Systeme, Applikationen und Funktionen ablösen und neue nach
den Anforderungen Ihres Betriebs und der Gesetze einführen.
Integrität sicherstellen
Die Verordnung über die Führung und Aufbewahrung der
Geschäftsbücher (GeBüV) gibt vor, dass die Integrität (also
die Echtheit und Unverfälschbarkeit), die Lesbarkeit und die
Nachvollziehbarkeit Ihrer aufbewahrungspflichtigen
Unterlagen und Daten nachweisbar sein müssen. Während
der gesamten gesetzlichen Aufbewahrungsfrist müssen die
Vollständigkeit und Richtigkeit Ihrer Informationen und
damit der Originalzustand sichergestellt sein. Diese und
weitere Vorgaben gehören ins Pflichtenheft Ihrer
Compliance.
Geschäftsprozesse: Abläufe und
Informationszyklen umgestalten
Die digitale Revolution zwingt Sie, Ihren Umgang mit Informationen
zu überdenken. Sie müssen sich fragen, welche Informationen
digitalisiert und welche Geschäftsprozesse automatisiert werden
sollen. Dadurch können sich Ihre Mitarbeiter aufs Wesentliche
konzentrieren. Und Sie vermeiden, dass Ihre Kosten für
Administration, Ablage und Suche überproportional ansteigen.
Geschäfte werden vermehrt elektronisch abgeschlossen. Für Sie
bedeutet das, dass Sie den Vertragsabschluss und die zu jenem
Zeitpunkt aktuellen Konditionen elektronisch festhalten müssen,
damit sie sich nachvollziehen lassen. Um diese Herausforderungen
zu meistern, sollten Sie den Lebenszyklus von Informationen steuern
und deren Abhängigkeiten untereinander erkennen  (vgl.
Abbildung 2). Deshalb wird das Erarbeiten und Umsetzen einer
Dokumentenverwaltungs- und Archivierungsstrategie für Ihr
Ausgabe 1, 2016
Disclose
73
Unternehmen unerlässlich. Nur so können Sie relevante
Informationen wieder finden und gewinnbringend nutzen. Eine
moderne und effiziente Verwaltung von Unterlagen und Daten
beginnt bereits bei der Entstehung von Informationen.
Abbildung 2: Der vereinfachte Lebenszyklus von Informationen
1
Entstehung/
Eingang
5
2
Teilen
Löschung/
Vernichtung
Verarbeitung/
Bearbeitung
Verwenden
Verwalten
Analysieren
Entscheiden
4
3
Aufbewahrung/
Werterhaltung
Genehmigung/
Final/Abschluss
Compliance: Gesetze und Verordnungen
einhalten
Eine grosse Aufgabe besteht darin, die zahlreichen Vorgaben der
geltenden Regelwerke und ihrer Aktualisierung einzuhalten – gerade
wenn Sie in Ländern mit unterschiedlichen Rechtsanforderungen
agieren. Bei gesetzlich oder regulatorisch relevanten Informationen
(Buchführung, MWST, Zoll, Datenschutz usw.) müssen Sie
ausserdem deren Vollständigkeit, Integrität, Lesbarkeit und
Nachvollziehbarkeit über den gesamten Lebenszyklus sicherstellen.
Dabei sind besonders im grenzüberschreitenden Umfeld nicht selten
spezielle Verfahren wie elektronische Signaturen und
Verschlüsselungstechniken vorgegeben.
Vorsicht vor Risiken und Nebenwirkungen bei
Nichteinhaltung
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Wenn Sie die gesetzlichen oder regulatorischen
Anforderungen missachten, drohen Ihnen unter anderem
die folgenden Risiken:
Busse und Strafverfolgung
Verlust des Vorsteuerabzuges der Mehrwertsteuer auf den
Lieferantenrechnungen
Aberkennung der reduzierten Mehrwertsteuersätze auf
den Kundenrechnungen
Reputationsschäden
Beweislosigkeit in juristischen Verfahren zu Ihren
Ungunsten
Verlust von Lizenzen und Marktzugängen
Wenn Sie Ihre Geschäftsunterlagen und -daten gesetzlich und
regulatorisch korrekt verwalten, vermeiden Sie allfällige Kosten für
die Umsetzung von Anforderungen oder Recherchen durch
behördliche Anfragen. Aus Erfahrung wissen wir, dass inkonsistente
Ablagen von Unterlagen und Daten bei behördlichen Anfragen sowie
deren interne Aufarbeitung enorm teuer werden können – sowohl
beim eigenen Personal als auch bei den Aufwänden externer Parteien
(E-Discovery).
Vielschichtige Lösung
Der zeitgemässe Umgang mit Geschäftsinformationen besteht darin,
dass Sie Dokumente und Belege aktiv und systemunterstützt
verwalten, Datenquellen erschliessen und die entsprechenden ITSysteme und Abläufe unterhalten, die diese Informationen
regelkonform verwalten und zusammenführen; von der Entstehung
über die Aufbewahrung bis zur Vernichtung. Eine kluge Verwaltung
von Informationen ist also mehr als reine Archivierung – aber auch
deutlich mehr Wert.
Mehr als ein Gesetz
Eine Übersicht über die wesentlichen Gesetzestexte finden
Sie hier. Für die Verwaltung und Archivierung von
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Geschäftsinformationen gelten in der Schweiz in erster Linie
die Bestimmungen des Obligationenrechts über die
kaufmännische Buchführung (Art. 957–963 OR) sowie die
Verordnung über die Führung und Aufbewahrung der
Geschäftsbücher (GeBüV). Über diese Grundlagen hinaus
existieren diverse Spezialbestimmungen aus anderen
Rechtsgebieten. Die Verordnung über elektronische
Daten und Informationen (ElDl-V) regelt beispielsweise
den Versand von elektronischen Rechnungen. Das
Datenschutzgesetz spielt bei der Archivierung von Daten
auf Servern im Ausland und bei der Zusammenarbeit mit
Outsourcing-Dienstleistern eine besondere Rolle. Auch das
Steuerrecht umfasst Aufbewahrungsvorschriften.
Geldwäschereigesetz und Spielbankengesetz wiederum
enthalten spezielle Regeln für Finanzintermediäre und
Spielbanken hinsichtlich der Aufbewahrung
branchenspezifischer Unterlagen. Die Banken schliesslich
müssen zudem die Richtlinien der Schweizerischen
Bankiervereinigung über die Behandlung
nachrichtenloser Konten, Depots und Schrankfächer
beachten.
In Schritten vorgehen
Manche Unternehmen scheuen den Aufwand für die Umsetzung
eines kohärenten Geschäftsinformationsmanagements. Allerdings
müssen Sie nicht unbedingt auf einen Schlag an allen Standorten und
in allen Bereichen ein komplett neues Modell implementieren. Schon
durch die Neugestaltung oder Entschlackung einzelner Vorgänge
oder Phasen verschaffen Sie sich Schritt für Schritt klare Vorteile.
 Abbildung 3 zeigt einen möglichen Ansatz.
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Abbildung 3: Den Umgang mit Geschäftsinformationen (Information Governance) als
Mehrwert verstehen – nicht nur als Mehraufwand
1. Gap-Analyse
Sie definieren das Ziel, das Sie im Umgang mit Geschäftsinformationen erreichen
wollen. Dabei berücksichtigen Sie sämtliche Anspruchsgruppen und holen deren
Anforderungen ein. Anhand der Gap-Analyse identifizieren Sie die Lücken, die
zwischen der aktuellen Ausgangslage und Ihrem Ziel entstehen.
2. Strategie und Lösungsansätze
Sie entwickeln eine kohärente Strategie für Ihren Umgang mit
Geschäftsinformationen. Basis dafür ist die Gap-Analyse und die Erhebung der
internen und externen Faktoren wie Geschäfts- und Organisationsstruktur,
Informationsfluss und -lebenszyklus, Sicherheit, IT und Stakeholder. Anhand der
Lösungsansätze sollen die Lücken schrittweise geschlossen und Ihre Geschäftsprozesse
optimiert werden.
3. Compliance-Anforderungen
Sie identifizieren die für Sie relevanten Gesetze und regulatorischen Anforderungen.
Denn diese Grundlagen stellen einige Anforderungen an den Umgang und die
Qualität Ihrer Informationen. Zum Beispiel bezogen auf Integrität und Lesbarkeit,
Schutz vor schädlicher Einwirkung, Nachvollziehbarkeit und Authentizität sowie
Benutzbarkeit und Verfügbarkeit.
Insbesondere bei der Interpretation der Anforderungen und deren Deklination für
das Unternehmen ist Vorsicht geboten. Hier kann es sinnvoll sein, externe
Unterstützung beizuziehen.
4. Konzept
Bevor Sie mit der Umsetzung der Strategien und Lösungsansätze beginnen, brauchen
Sie ein Grob- und Detailkonzept. In einem solchen sind die Definition der
Verantwortlichkeiten und die Planung der schrittweisen Umsetzung zentral, damit
Sie Ihr Projektziel erreichen können. In dieser Phase sollten Sie sich mit dem
Kulturwandel auseinandersetzen und Ihre Mitarbeiter schulen.
5. Umsetzung
Damit Sie Ihr Detailkonzept erfolgreich umsetzen können, sollten Sie die
Komplexität mit Hilfe von Teilzielen und Meilensteinen reduzieren und die
Umsetzung schrittweise vorantreiben. Kern dieser Phase sind die strukturelle
Anpassung der Systeme und die Optimierung der Prozesse.
Um in der Komplexität die Übersicht zu behalten, lohnt sich der kontinuierliche
Abgleich mit der Gap-Analyse, Ihrer Strategie sowie den internen und externen
Anforderungen. Gegebenenfalls müssen Sie Phasen 1 bis 4 wiederholen.
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Anders denken
Ja, die prozessuale und technische Einführung einer modernen
Informationsverwaltung ist komplex und anspruchsvoll. Gerade der
Wunsch, alle Bereiche einzubinden und sämtliche Anforderungen zu
erfüllen, lässt die Komplexität ansteigen. Allerdings besteht Ihre
schwierigste Aufgabe darin, eine neue kulturelle Perspektive im
Unternehmen zu etablieren: Der Umgang mit
Geschäftsinformationen soll nicht als lästige Pflicht, sondern als
Wir sind für Sie
da!
Christian Hug
Senior Manager,
Wirtschaftsprüfung
+41 58 792 23 66
[email protected]
vielschichtige Chance verstanden werden.
Fazit
Der Umgang mit geschäftsrelevanten Informationen erfordert ein ganzheitliches Verständnis von
Informationen über die gesamte Wertschöpfungskette, über die gesetzlichen und regulatorischen
Verpflichtungen und über einzelne Bereiche Ihrer Organisation hinweg. Es geht also um weit mehr als um die
reine Archivierung von Unterlagen und Daten. Denn diese sind vorwiegend digital und betreffen den gesamten
Informationslebenszyklus, also von der Entstehung über die zeitgerechte Bereitstellung und Aufbewahrung bis
zur Vernichtung. Wer seine relevanten Geschäftsinformationen im Griff hat, erhöht die Effizienz und
Effektivität von Abläufen und IT-Systemen, gewährt eine optimale Compliance, optimiert sein
Risikomanagement, spart Kosten und verschafft sich so einen nachhaltigen Vorsprung im Wettbewerb.
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Disclose — Ausgabe 1, 2016
disclose.pwc.ch
Update
Derivatehandel: Wie das FinfraG Organisationen
ausserhalb des Finanzsektors beeinflusst
Für Schweizer Firmen, die mit derivativen Finanzinstrumenten handeln, erscheint ein
neues Regulierungsinstrument am Horizont. Das anstehende Schweizer
Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) wird nicht nur die
Finanzdienstleistungsindustrie, sondern auch andere Schweizer Organisationen
beeinflussen, die mit Derivaten handeln.
R
egulatorische Änderungen sind in der Vorbereitung, da
die Schweiz einen Schulterschluss mit der internationalen
Gemeinschaft sucht. Am 19. Juni 2015 nahm das
Parlament das Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG)
in der Schlussabstimmung an. Es tritt am 1. Januar 2016 in Kraft.
Die neue Gesetzgebung sieht Regularien vor, die denen der
Europäischen Union (Europäische Marktinfrastrukturregulation für
Derivate, EMIR) und der USA (Dodd-Frank Act) ähneln. 2009
veröffentlichten die G20-Staaten Verfahren zur Regulierung des
Derivatehandels, um das Risiko der Marktinstabilität zu reduzieren.
Die EMIR-Regulation wurde in der Folge im Jahr 2012 von der
Europäischen Kommission verabschiedet. Da die meisten derivativen
Transaktionen in der Schweiz mit Gegenparteien in der
Europäischen Union erfolgen, soll das FinfraG eine Angleichung an
die regulatorischen Umgebungen herbeiführen, um systemische
Gegenparteirisiken zu reduzieren und die Transparenz des
Derivatemarktes sicherzustellen. Die Änderung wird dazu beitragen,
James Nelson
Manager, Wirtschaftsprüfung
dass der Zugang zu den internationalen Märkten transparent bleibt.
Auch stellt das Gesetz eine Chance für die betroffenen Firmen dar,
die Reife bestehender Risikomanagementsysteme erneut auf den
Prüfstand zu stellen. Für die Umsetzung des neuen Standards
wurden Übergangszeiträume vorgesehen. Die erste Verpflichtung des
FinfraG ist die Ausarbeitung schriftlicher Dokumente, in denen
dargelegt ist, wie die Organisationen die Umsetzung des FinfraG bis
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1. Januar 2016 planen. Weitere Verpflichtungen treten in den
nachfolgenden Phasen in Kraft.
Betroffene Unternehmen
Die neue Gesetzgebung ist breit aufgestellt und gilt für alle
Organisationen, die einen registrierten Sitz in der Schweiz haben und
mit derivativen Finanzinstrumenten handeln. Firmen werden je nach
Art des Geschäfts und dem Umfang und der Art des Derivatehandels
einer der vier Gegenparteiklassifizierungen  (vgl. Abbildung 1)
zugeordnet. Diese Kategorien bestimmen wiederum, welchen
Anforderungen des FinfraG das Geschäft entsprechen muss.
Im Allgemeinen kann eine Organisation ihre Klassifizierung nach
dem Standard in  (Abbildung 1) bestimmen. Da dieser Standard
jedoch bestimmte Nuancen bei der Bestimmung offen lässt, kann es
für Organisationen hilfreich sein, einen Gutachter einzuschalten.
Ausgabe 1, 2016
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Abbildung 2: In welche Kategorie gehören Sie?
Schweizerische Einheit, die mit Derivaten handelt?
Ja
Nein
Finanzielle Gegenpartei?
Nicht betroffen, wenn eine formale
Entscheidung getroffen wird
Ja
Nein
Über der 8-Mrd.-CHF-Schwelle
Ja
Finanzielle
Gegenpartei
Über der 1,1/3,3-Mrd.-CHF-Schwelle*
Nein
Kleine finanzielle
Gegenpartei (FC)
Ja
Nichtfinanzielle
Gegenpartei
Nein
Kleine nichtfinanzielle
Gegenpartei (NFC)
* Ausser Derivate zur Risikominimierung, die direkt mit der
Geschäftsaktivität, dem Liquiditätsmanagement oder dem
Assetmanagement der Gegenpartei oder Gruppe verbunden sind.
Definition eines Derivats nach dem FinfraG
Der Standard definiert Derivate allgemein als Finanzverträge, die
keine Kassatransaktionen sind und deren Wert von einer anderen
Basis (wie einem Zinssatz, Wechselkurs oder Rohstoffpreisindex)
abhängt. Derivatkontrakte für Strom und Gas sind unter bestimmten
Bedingungen von dieser Definition ausgeschlossen. Das Gesetz
schliesst darüber hinaus strukturierte Produkte, Rückkäufe und
Wertpapierleihgeschäfte, Optionsscheine sowie Verträge zur
physischen Abrechnung von Waren aus. Die letzte Ausnahme ist
besonders für Schweizer Organisationen ausserhalb des
Finanzdienstleistungssektors von Bedeutung. Zum Beispiel wäre ein
Unternehmen, das mit Holz handelt und dies über
Holzterminkontrakte abwickelt, von den Bestimmungen des FinfraG
für diese Art von Geschäft befreit, vorausgesetzt, dass die
Terminkontrakte nur zur physischen Lieferung führen.
Massnahmen der Geschäftsleitung bei
kleinen nichtfinanziellen Gegenparteien
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Die überwiegende Mehrheit der Schweizer Organisationen
ausserhalb des Finanzdienstleistungssektors wird als kleine
nichtfinanzielle Gegenpartei eingestuft werden und wird
vergleichsweise wenige Anforderungen des Gesetzes erfüllen müssen,
die unten aufgeführt sind. Die Geschäftsleitung einer kleinen
nichtfinanziellen Gegenpartei ist verpflichtet, Prozesse und
Kontrollen einzurichten, damit die Organisation verschiedene
Leistungsanforderungen erfüllen kann.
Reporting: Ausser Transaktionen zwischen zwei kleinen
nichtfinanziellen Gegenparteien unterliegen alle
börsengehandelten und OTC-Derivate-Transaktionen dem
Reporting an ein durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht
(FINMA) autorisiertes oder anerkanntes Transaktionsregister.
Dies gilt ebenso für konzerninterne Derivate. Im Gegensatz zur
EMIR-Verordnung ist gemäss dem FinfraG nur eine der
Gegenparteien zum Reporting verpflichtet. Im Standard wird eine
hierarchische Ordnung vorgeschrieben, die festlegt, welche
Gegenpartei bei einem Geschäft dem Reporting unterliegt. In
diesem Fall wäre die Partei, die ein Reporting abgibt,
normalerweise keine kleine nichtfinanzielle Gegenpartei.
In einigen Situationen jedoch, z. B. wenn die handelnde
Gegenpartei nicht dem FinfaG untersteht, kann eine kleine
nichtfinanzielle Gegenpartei zur Partei werden, die das Reporting
abgibt.
Risikominderung: OTC-Derivate (ausser Währungsswaps und
Termingeschäfte), die nicht über eine zentrale Gegenpartei ein
Clearing durchführen, müssen Anforderungen zur
Risikominderung erfüllen. Die Anforderungen, die für kleine
nichtfinanzielle Gegenparteien gelten, umfassen (i) die
Bestätigung der vertraglichen Bedingungen der derivativen
Transaktionen mit den Gegenparteien, (ii) die Aufstellung von
Verfahren zur Anerkennung und Schlichtung von Streitigkeiten
mit Gegenparteien zu einem frühen Zeitpunkt und (iii) eine
mindestens halbjährliche Portfoliokompression1, wenn sie mehr
als 500 offene OTC-Transaktionen halten, für die kein zentrales
Clearing durchgeführt wird. Kleine nichtfinanzielle Gegenparteien
sind von der Anforderung, offene Derivatepositionen täglich zu
bewerten, sowie von der Verpflichtung zum Austausch von
Sicherheiten mit den Gegenparteien befreit.
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Bedeutung für Schweizer Firmen
Ist Ihre Organisation bereit für das FinfraG? Das FinfraG wird für
unterschiedliche Organisationen eine unterschiedliche Bedeutung
haben. Wie wir beim Inkrafttreten der EMIR-Verordnung in der
Europäischen Union gesehen haben, werden Firmen in grossem
Masse davon profitieren, dass sie ihre Folgenabschätzungen und die
Umsetzung von Lösungen frühzeitig vornehmen.
Kleine nichtfinanzielle Gegenparteien werden erkennen, dass die
Reportingverpflichtungen für den Derivatehandel in den meisten
Fällen durch die Gegenpartei getragen werden. Diese Organisationen
werden nichtsdestotrotz alle potenziellen Reporting-Verpflichtungen
identifizieren und die Standards für das Betriebsrisikomanagement
einhalten müssen, einschliesslich Bestätigung der vertraglichen
Bedingungen; sie werden Verfahren für das Risikomanagement und
die Streitschlichtung aufstellen und bei grösseren Portfolios eine
Portfoliokompression durchführen müssen. Kleinere Organisationen
werden vielleicht sehen, dass ein Gesundheitscheck ihrer
bestehenden Politik und ihrer Praktiken eine hinreichend
pragmatische Antwort ist. Auditoren kleiner nichtfinanzieller
Gegenparteien müssen nun zusätzlich die Compliance einer
Organisation mit dem FinfraG auditieren und ihre Ergebnisse dem
Verwaltungsrat präsentieren. Wir ermutigen Unternehmen dazu,
ihre Auditoren in ihre Lösungen miteinzubeziehen und ihre
Bedürfnisse in Bezug auf die Compliance zu diskutieren.
Wir sind für Sie
da!
James Nelson
Manager, Wirtschaftsprüfung
+41 58 792 51 34
[email protected]
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Fazit
Wirtschaftsprüfer können wertvolle Einblicke in die Roadmap eines Unternehmens auf dem Weg zur
Compliance bieten, denn sie werden am Ende berichten müssen, ob die Compliance mit dem Standard bei jedem
Unternehmen erreicht ist. Ist Ihre Organisation bereit für das FinfraG?
1. Die Portfoliokompression ist eine Methode zur Reduzierung der gesamten
theoretischen offenen Derivate und somit zur Verminderung des
Gegenparteirisikos. Sie wird erreicht, wenn zwei oder mehrere Gegenparteien
Derivate in ein Portfolio einbringen, das terminiert und durch einen Surviving
Derivativekontrakt ersetzt wird, dessen theoretischer Wert geringer ist als der
theoretische Gesamtwert der vorherigen Instrumente.
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Disclose
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Leserservice
Frühere Disclose-Ausgaben
Disclose – Ausgabe 2, 2015
Disclose – Ausgabe 1, 2015
Disclose – Ausgabe 1, 2014
Im Fokus: Neue Geschäftsmodelle
Im Fokus: Risikomanagement
Im Fokus: Audit Committees
Update: Zoll und Handel; USTR III;
VegüV; IFRS 9
Update: Neue Vorschriften für den
Anhang der Jahresrechnung; COSO im
nichtfinanziellen Bereich; IFRS 15; Swiss
GAAP FER im Trend
Update: Hedge Accounting unter IFRS 9;
Konzept der Wesentlichkeit; COSOUpdate; Revisionsbericht; Umsetzung
Minder-Initiative
Disclose – Dezember 2013
Disclose – Juni 2013
Disclose – Dezember 2012
Im Fokus: Informationssicherheit
Im Fokus: Corporate Governance
Im Fokus: Rechnungslegung
Update: neues Rechnungslegungsrecht;
Kosten der Compliance; neuer
Leasingstandard; Minder-Initiative
Update: Wird der Wirtschaftsprüfer zum
Whistleblower?; ergänzende
Fachempfehlung für kotierte
Unternehmen; Schweizer
Prüfungsstandards; Integrated
Reporting
Update: eingeschränkte Revision;
Comment Letters; projektbegleitende
Prüfung von Grossprojekten
Ausgabe 1, 2016
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Weitere Publikationen
In depth – New IFRSs for 2015
Das Audit Committee
Die Publikation vermittelt einen
Überblick über die Änderungen an
bestehenden IFRS, neue Standards und
Interpretationen, die per Ende 2015 in
Kraft treten. Der Leitfaden umreisst die
Anforderungen dieser Standards an die
Rechnungslegung.
Praxiswissen für AuditCommittee-Mitglieder hinsichtlich
der Anforderungen und Aufgaben
World Watch
Illustrative IFRS consolidated
financial statements for 2015
year ends
News and opinion on issues
affecting business today
World Watch widmet sich regelmässig
aktuellen Fragen der Corporate
Governance und der
Unternehmensberichterstattung. Die
Publikation bietet einen Überblick über
die Themen Governance,
Finanzberichterstattung, Assurance und
Reporting im weiteren Sinne und enthält
Nachrichten aus aller Welt.
In dieser Publikation fasst PwC den
aktuellen Stand von gesetzlichen,
regulatorischen und De-factoVorschriften sowie den gelebten Alltag
eines Audit Committee zusammen.
Dabei beleuchten wir von den
Industrieunternehmen bis zu den
Finanzinstituten diverse Aspekte aus
allen in der Schweiz relevanten
Wirtschaftsbereichen.
Diese Publikation schildert die
konsolidierte Finanzberichterstattung
für eine fiktive Produktions-, eine
Grosshandels- und eine
Einzelhandelsgruppe. Sie basiert auf den
Rechnungslegungsvorschriften und
Interpretationen nach IFRS, die für die
Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.
Januar 2015 beginnen, massgebend
sind.
Executive Compensation &
Corporate Governance 2015
Die Erhebung ist eine der
umfangreichsten Schweizer
Untersuchungen zur Höhe und Struktur
der Vergütung, die Verwaltungsrats- und
Geschäftsleitungsmitglieder zwischen
2007 und 2014 erhalten haben. Der
Bericht enthält eine umfassende
Darstellung der derzeitigen Vergütung
von Führungskräften börsenkotierter
Schweizer Unternehmen (SMI und
SMIM) sowie eine kurze
Zusammenfassung der Vergütungen in
Small-Caps.
IFRS disclosure checklist
2015
Anhand der Checkliste können die
Unternehmen rasch und systematisch
überprüfen, ob sie die Anforderungen an
die Offenlegung nach IFRS erfüllen. Die
aktuelle Ausgabe berücksichtigt alle
Standards und Interpretationen für die
Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.
Januar 2015 beginnen. Neuerungen
gegenüber dem Vorjahr sind auf den
ersten Blick ersichtlich.
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Bestellformular
Leserservice
Ich bestelle (kostenlos):
In depth – New IFRSs for 2015 (Englisch)
Das Audit Committee – Praxiswissen für Audit-Committee-Mitglieder hinsichtlich der
Anforderungen und Aufgaben
Deutsch Französisch Englisch
Executive Compensation & Corporate Governance 2015 (Englisch)
Illustrative IFRS consolidated financial statements for 2015 year ends (Englisch)
IFRS disclosure checklist 2015 (Englisch)
Meine Adresse (bitte ausfüllen bzw. Visitenkarte beilegen):
Name:
Vorname:
Firma:
Funktion:
Adresse:
PLZ/Ort:
Telefon:
E-Mail:
Bitte kopieren Sie den Talon, und senden Sie ihn an:
PricewaterhouseCoopers AG, Anja Brun, Birchstrasse 160, Postfach, 8050 Zürich,
Fax +41 58 792 18 65, oder per E-Mail: [email protected]
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Mitwirkende
Herausgeber: PricewaterhouseCoopers AG, Geschäftsbereich Wirtschaftsprüfung, Birchstrasse 160,
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