Brief an Minister Jäger

Der Oberbürgermeister · 42849 Remscheid
OB
Burkhard Mast-Weisz
Oberbürgermeister
An
den Innenminister
des Landes Nordrhein-Westfalen
Herrn Ralf Jäger
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Burkhard Mast-Weisz
Rathaus, Theodor-Heuss-Platz 1
220
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Datum
04.09.2015
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Flüchtlinge in Remscheid
Offener Brief
Sehr geehrter Herr Minister Jäger,
wie beschreibe ich Sprachlosigkeit und völliges Unverständnis.
Gestern um 16.00 Uhr erhielt ich die Nachricht, dass umgehend die über 140 Flüchtlinge, die in
Remscheid in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht sind, innerhalb von einer Stunde reisefertig sein sollten, um in vier andere Städte gebracht zu werden. Gleichzeitig wurde angekündigt,
dass noch am gleichen Abend das Haus erneut belegt werden soll.
Ich habe umgehend mit der Bezirksregierung Arnsberg telefoniert. Weder die sofortige Verlegung
noch die Neubelegung am gleichen Abend waren zu verhindern.
Sehr geehrter Herr Minister, was ich danach in der Einrichtung erlebt habe, hat mich erschüttert.
Es waren herzzerreißende Szenen des Schmerzes, der Angst und der Wut. Die Flüchtlinge, die
seit Ende Juli in der ehemaligen Schule leben, waren verängstigt. Sie hatten keine Zeit, sich auf
den Umzug vorzubereiten, mussten innerhalb kürzester Zeit packen, wussten nicht, wohin es geht.
Die haupt- und ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Es gab keine Zeit für Abschied, Kontakte und Freundschaften, die in den letzten Wochen
entstanden sind, wurden abrupt beendet.
Ich habe mich geschämt für das, was ich gestern erleben musste. Es war und ist durch nichts zu
rechtfertigen. So darf man nicht mit Menschen umgehen, vor allem nicht mit Menschen, die nach
langer Flucht endlich etwas zur Ruhe gekommen sind und ein wenig wieder Fuß gefasst haben.
Sprechzeiten:
Nach telefonischer
Vereinbarung.
Buslinien:
654, 657, 658, 660, 675
Remscheid im Internet:
www.remscheid.de
Bushaltestellen:
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Blatt 2 zum Schreiben des Oberbürgermeisters vom 04.09.2015
Wie sollen wir noch die vielen Ehrenamtlichen dazu gewinnen, weiter zu machen? Deren Engagement wurde mit Füßen getreten. Ich bin froh, dass die meisten weiter machen wollen. Ohne sie
würde die Betreuung doch gar nicht funktionieren? Sie geben Essen aus, spielen mit den Kindern,
laden zu Begegnungsfesten ein, helfen beim Deutschlernen, veranstalten Grillabende, begleiten
sie in der Stadt. Und gestern mussten sie erleben, dass die Menschen, um die sie sich so engagiert kümmern, von jetzt auf gleich die Stadt verlassen mussten. Das geht nicht!
Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses und der Betreuungsdienste waren völlig
entsetzt. Sie mussten gestern innerhalb weniger Stunden die Abreise der Flüchtlinge organisieren.
Das Haus musste gereinigt und umgeräumt, Wäsche gewaschen, neues Essen organisiert werden. Und dann, als alle mit ihren Kräften ziemlich am Ende waren, kam der erste Bus mit neuen
Flüchtlingen, die nicht unter den chaotischen Rahmenbedingungen leiden sollten, sondern vernünftig empfangen wurden.
Ich fordere Sie eindringlich auf, alles dafür zu tun, dass sich dieser Vorgang nicht noch einmal
wiederholt – nicht nur in Remscheid. Es war unverantwortlich und gefährdet allen Einsatz, alles
gute Miteinander, den Frieden in der Stadt und in der Nachbarschaft und war ein beschämender
Vorgang, für den mir jegliches Verständnis fehlt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Burkhard Mast-Weisz