CLUBSTORY So sieht die Butterseite im Pott aus. Im Süden Essens unterhalb der Ruhr schlängeln sich die 18 Löcher des Essener Golfclub Haus Oefte durch eine vielfältige Wald- und Parklandschaft rund um das Schloss Oefte. Über 50 Jahre schotteten sich Club und Mitglieder ab, man verstand sich als Golf- nicht als Sportclub. Das soll sich jetzt ändern VON KOLJA HAUSE FOTOS: DATENBANK J ack Nicklaus hat gar keine 72, sondern eine 73 gespielt“, sagt Udo Lechtermann, Headpro im Essener GC Haus Oefte. „Die Leute haben nur nicht gesehen, wie sich sein Ball unerlaubt bewegte, das hätte einen Strafschlag bedeutet.“ Am 5. Juli 1978 war das. Und Lechtermann muss es wissen. Er stand dem damals weltbesten Golfer Nicklaus als Caddie zur Seite. Der kam auf Einladung des dreifachen Deutschen Meisters Peter Jochums für eine Vorführrunde nach Essen – bevor er wenige Tage später in St. Andrews zum dritten und letzten Mal in seiner Karriere die British Open gewann. Bundespräsident Walter Scheel war einer von 1.500 Zuschauern, die sich durch den strömenden Regen kämpften, um den Megastar damals zu sehen. „Furchtbar gekübelt hat das“, erinnert sich Lechtermann (61), der damals gerade seine Pro-Ausbildung beendet hatte. Golf boomte in Deutschland und der Essener GC, der zwei Jahre zuvor von 9 auf 18 Löcher erweitert hatte, profitierte. Sechs Jahre später war es wieder Jochums Initiative zu verdanken, dass auch Deutschlands damaliger ShootingStar Bernhard Langer (hatte gerade 8 seiner 98 Profisiege erspielt) für eine Lehrstunde und Gastrunde an die Ruhr kam. 94 www.golfmagazin.de Die schönste Bahn des Platzes (Loch 9, 433 m) endet vor dem historischen Schloss Oefte, das heute als Clubhaus für den Essener GC dient. E T F E O , R E T F Ö , T F O 2/2016 Longhitter erreichen das 9. Grün mit zwei Schlägen. Aber Vorsicht: Neben dem frontalen und seitlichen Wasser fängt dieser Bunker viele Bälle ab. Stargäste in Essen: Bernhard Langer 1984 (links und Karte, spielte mit 65 Schlägen Platzrekord) und Jack Nicklaus 1978 (mit Caddie Udo Lechtermann, dem heutigen Headpro). Besonders zum Herbst zeigt sich der Platz von Haus Oefte südlich der Ruhr im grünen Teil von Essen-Kettwig von seiner ganzen Pracht. 2/2016 www.golfmagazin.de 95 CLUBSTORY ESSENER GC HAUS OEFTE FOTOS: DATENBANK, HAUSE Die 4 ist das erste Par 5 des Platzes (440 m, für Damen ein Par 4 mit 366 m) und die erste realistische Chance zu punkten. Jochums kommentierte per Megafon live am Platz das Geschehen, während Langer im Vorbeigehen mit 65 Schlägen den noch heute gültigen Platzrekord spielte. Wieder dabei: Pro Lechtermann. In Kettwig geboren, hat es ihn nie wirklich weggezogen. „Einmal Ruhrpott, immer Ruhrpott“, sagt er und ist seit 1994 nach Stationen in Duisburg und Recklinghausen als Headpro im GC Haus Oefte zurück. Ein Urgestein, das bereits 1963, vier Jahre nach Clubgründung, seine ersten D-Mark als Caddie verdiente, unter anderem für die inzwischen verstorbenen Theo und Karl Albrecht – die ALDI-Brüder (geschätzes gemeinsames Vermögen zu Lebzeiten 35 Milliarden Euro). „Dienstags war ALDI-Tag“, verrät Lechtermann. Viele ALDI-Vorstandsmitglieder spielten dann in Kettwig ihre Runde. „Die waren wirklich großzügig.“ Die Liste der Clubmitglieder umfasst bis heute viele Größen aus Industrie und Wirtschaft, wie z. B. von der Krupp AG, 96 www.golfmagazin.de 2/2016 Begleiter für die Runde in Essen (v.l.): Headpro Udo Lechtermann, Pro Nicholas Hubbard und Karsten Patan. „Unser Platz lässt sich mit keinem anderen vergleichen.“ – Pro und Deutscher Seniorenmeister Nicholas Hubbard deren berühmter Familiensitz, die Villa Hügel, nur sieben Kilometer vom Platz entfernt liegt. Zu den bekanntesten Clubmitgliedern zählt auch der in Essen groß gewordene Fußball-NationalmannschaftsManager Oliver Bierhoff, der im Gegensatz zu seinen Eltern aber selten auf eine Runde in Essen vorbeischaut, weiß der Pro. Und die Prominenz schottete sich in Haus Oefte bislang gerne ab. „Wir waren immer kein Sport- sondern ein Golfclub“, sagt Karsten Patan (42), Voritzender des Sportausschusses. „Wenn Sie sonntags auf den Parkplatz fuhren, mussten Sie befürchten, gar nicht spielen zu können, so viel war da los.“ Doch über den Platz liefen dann tatsächlich nur drei der knapp 500 Mitglieder, die anderen saßen im Schloss zum Dinieren oder shoppten im boutiqueartigen Proshop. Früher brauchte es Vitamin B, um spielen zu können „Es gibt kaum mehr als drei Tage im Jahr, an denen es wirklich voll ist“, ergänzt Pro Gleich an der 2 (Par 4, 340 m) fordert einen das am schwersten geratete Loch. Aus einer Hangabwärtslage muss über einen tiefen Graben auf ein erhöhtes Grün gespielt werden! Nur wer seinen Abschlag genau platziert, erreicht an Loch 8 (Par 4, 320 m) das Grün unbeschadet. Nicholas Hubbard (51; spielte 2015 sogar bei der British Seniors Open), „einer davon ist immer der erste schöne Tag im Frühjahr.“ Ein luxuriöser Zustand – nicht nur für die artenreiche Tierwelt am Platz – heute wirbt man damit: Keine Startzeiten, hier kannst du immer spielen. Wer allerdings vor wenigen Jahren noch in Oefte golfen wollte, brauchte entweder Vitamin B oder musste einen gut gelaunten Caddymaster erwischen – ja, diesen selten gewordenen Service gönnt man sich bis heute. Bis vor knapp zehn Jahren beschäftigten die Essener sogar noch Caddies. Doch die seltenen Gäste fanden die Anlage erst gar nicht. Wo heute an der Straße das Clublogo prangt, gab es früher nur den zarten, abschreckenden Hinweis „Nur für Mitglieder“. Dieses Attribut gilt nach wie vor leider auch für das Betreten des Schlosses Oefte. Es ist, wie der Platz, im Besitz des Energiekonzerns E.ON und dient den Mitgliedern und Gastspielern im Parterre als Clubrestaurant – ob hier die ALDI-Expansion in die USA besprochen wurde? Im ersten Stock sind die geräumigen Umkleiden, darüber liegt nur noch ein riesiger, leerstehender Dachboden. Von Geistern, die dort spuken, ist im Club nichts bekannt. Graf Günthers Geist dürfte nichts auszusetzen haben Für die Zukunft auszuschließen ist das aber nicht. Erst kürzlich wurde die zugewucherte Grabstätte derer von der Schulenburg (verkauften das Anwesen 1940) links neben Bahn 9 freigelegt. Wobei Graf Günthers Geist (verstarb 1939) sicher am umsichtigen Fortbestand seines Besitzes nichts auszusetzen haben dürfte. Er ist für den heute zum Teil noch existierenden exotischen Baumbestand verantwortlich. Die Freilegung geschah im Zuge von Renovierungsarbeiten am Platz, die mit der Expertise von Designer David Krause durchgeführt wurden. Suppentellerartige Old-School-Bunker aus der Feder von Dr. Bernhard von Limburger wurden ansprechender modelliert, Abschläge vor allem für die zuvor arg geforderten Damen versetzt und viele Drainagen gelegt. Dem 50 Jahre lang verdichteten Geläuf konnte man so die Nässe nehmen. Modernem Golf und Equipment hielt der Platz aber auch schon vor den Änderungen stand. 2/2016 www.golfmagazin.de 97 CLUBSTORY ESSENER GC HAUS OEFTE Die Bahn 15 (Par 4, 424 m) liegt im tiefer gelegenen Teil der Anlage in unmittelbarer Nähe zur Ruhr. Neue Drainagen haben hier die Platzqualität auch bei Nässe deutlich verbessert. Jetzt will man das einzigartige Spielerlebnis in Oefte auch mehr Gästen ermöglichen. „Die Leute sollen merken, dass wir offener werden“, sagt der gebürtige Essener Karsten Patan vorsichtig. Symbol für die Neuausrichtung ist eine moderne Homepage. Und statt einen, wie vom DGV vorgeschlagen, veranstalteten die Essener 2015 vier Golferlebnistage. Von riesigen Plakaten sieht man aber ab. „Unsere Mitglieder bekommen Flyer. Die sollen dann im Bekanntenkreis werben“, beschreibt Patan seinen behutsamen Plan, den Club für die Zukunft zu rüsten. Der Handicap 6-Spieler schraubt auch an der sportlichen Ausrüstung, will mit außergewöhnlichen Angeboten zu mehr Turnierteilnahmen motivieren. Der Club übernahm mit seiner Gründung im Jahr 1959 als Pächter Schloss und Gelände. „Viele haben zu große Angst um ihr Handicap“, weiß er. Diese Social-GolfLastigkeit ließ ambitionierte Golfer immer wieder abwandern. Zum Beispiel in den Bundesliga-Club Hubbelrath in der Düsseldorfer Nachbarschaft. „Wir wollen, dass die Leute wieder stolz sind, für ihren Club zu starten“, sagt Patan. Sogar die Greenkeepermannschaft um Kopf Joachim Matera (45) läuft deswegen inzwischen mit Clublogo auf der Brust auf. Matera, vor 15 Monaten aus Krefeld nach Oefte gewechselt, spricht sich übrigens dafür aus, für noch mehr Attraktivität der Anlage das beste Loch, die auf das Schloss zulaufende 9, als permanentes Schlussloch einzuführen. „Etwas Vergleichbares würden Sie nirgends finden“, ist sich auch Pro Lechtermann sicher. Das wurde viel diskutiert, aber noch nicht beschlossen. Vielleicht ließe sich dann ja Martin Kaymer zur Verkündung des neuen Bahnenverlaufs überreden, eine Vorführrunde zu absolvieren. Er wuchs wenige Kilometer entfernt auf und würde so eine schöne Tradition fortführen. STECKBRIEF ESSENER GC HAUS OEFTE Löcher10-18 2 1 3 Löcher1-9 Haus Oefte wurde über die letzten Jahrzehnte modernisiert. Der Zutritt ist bislang das Privileg der Golfer. 3 TIPPS 1 PROSHOP – SHOPPEN STATT CHIPPEN Über die Grenzen Essens hinaus ist Susanne Lechtermanns exquisites Angebot an sportlich-eleganter Mode im Proshop bekannt – besonders den Damen. Wer Schläger sucht, geht hinten im Shop um die Ecke. FOTOS: DATENBANK, HAUSE Adresse: Laupendahler Landstraße, 45219 Essen Telefon: 02054 / 83 911 Internet & E-Mail: www.oefte.com, [email protected] Gründung: 1959 Platz: 18 Löcher, Par 72 (Rot: Par 69), 6.008 m (gelb), 5.104 m (rot) Architekten: Dr. Bernhard von Limburger, David Krause Greenfee: wochentags 70 € pro Runde (9 Löcher: 40 €), in Begleitung eines Mitglieds 50 € (30 €); am Wochenende/Feiertage nur in Begleitung eines Mitglieds 40 € (70 €); Jugendliche (bis 21 Jahre) 20 € (30 €); Twilight ab 17 Uhr 40 €; Gäste, die keinen gültigen DGV-Ausweis mit „RvS Gold Hologramm“ besitzen, zahlen jeweils einen Aufschlag von 15 €. Schloss Oefte, auch Haus Oefte genannt, wurde im 9. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt und ist einer der ältesten Herrensitze der Region. Zwischenzeitlich starteten von hier sogar Raubritter. Seit 1985 steht die Schlossanlage mitsamt dem Park unter Denkmalschutz. Hotels: • Hotel Landhaus Knappmann, Ringstraße 198, 45219 Essen-Kettwig, hotel-landhaus-knappmann.de, 2,7 km • Hotel Hohenstein, Hohensteinweg 5, 45239 Essen, hotel-hohenstein.de, 3,6 km • Schlosshotel Hugenpoet, August-ThyssenStraße 51, 45219 Essen, hugenpoet.de, 4,3 km 2 CADDYMASTER „RICHARD“ – 1A-SERVICE Ein rar gewordener Service, den sich die Essener gönnen. Caddymaster Ryszard Chmielinski („Richard“) steht für alle Fragen rund um den Spielbetrieb zur Verfügung. Caddies gibt es seit ca. 10 Jahren nicht mehr. 3 CLUBHAUS-RESTAURANT – WIE BEI KÖNIGS Es ist eine Sünde, aber diese stilvollen Räume des „Clubschlosses“ sind nur den Mitgliedern, ihren Gästen und Gastspielern vorbehalten. Sicher würde sich mancher Wanderer der Region hier auch gern verwöhnen lassen. NÄCHSTE AUSGABE: GOLF RESORT ACHENTAL 98 www.golfmagazin.de 2/2016 2/2016 www.golfmagazin.de 99
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