Haiger-Allendorf - Evangelische Sonntags

24 · 25. Januar 2015 · Sonntags-Zeitung
GEMEINDEREPORT
Der Glaube ist fröhlich
In Allendorf singen Oma und Enkel in einem Chor • Von Ute Jung
Die Kirchengemeinde Allendorf
hat etwa 1900 Gemeindemitglieder, davon 1260 in Allendorf
selbst. Zur Gemeinde gehört
auch der Nachbarort Haiger-Seelbach, eine Gemeinde links und
rechts der Autobahn A 45 SiegenWetzlar. Pfarrer ist seit 15 Jahren Michael Böckner. Er darf von
Allendorf aus mit Genehmigung
einen Schleichweg nutzen, der die
Autobahn unterquert. So kommt
er schneller nach Haigerseelbach.
D
ie Allendorfer Kirche
steht erhöht mitten im
Ort. Und genau dort
möchten sich Pfarrer, Kirchenvorsteher und alle aktiven Mitglieder einbringen: im und für
den Ort. Das zeigte sich beispielsweise, als der Ort im vorletzten
Jahr seine 650-Jahrfeier beging.
Die Protestanten waren maßgeblich an Planung und Umsetzung
der Feierlichkeiten beteiligt. »So
entstanden Beziehungen im
Ort«, berichtet der Pfarrer.
»Die Gemeinde soll eine einladende Gemeinde sein«, das ist
großer Wunsch und Intention
Böckners, auch bei der Gestaltung der Gottesdienste. Es müsse
klar werden, dass Glaube eine
fröhliche Angelegenheit sei. »Es
gibt viel Ernstes im Leben. Der
Glaube, zu dem Humor und Lebensfreude gehört, soll das Herz
froh machen. Das hilft auch in
schwierigen Zeiten, hoffnungsfroh zu bleiben«, sagt der Theologe.
Er möchte bei seinen Predigten
Wörter wählen, die auch Jugendliche verstehen. »Glaube ist alltagsrelevant!« Das sollen die Andachten klarmachen, deswegen
sind sie auch mit Anekdoten und
Geschichten gespickt. Damit sie
für jedermann verständlich sind,
orientiert Böckner sich an jungen
Menschen. »Intellektuelle Zuhörer haben manchmal einen höhe-
ren Anspruch, trotzdem haben
auch für sie die Aussagen der Predigt eine Alltagsrelevanz«, begründet der Pfarrer.
Seit über zwei Jahren gibt es einen Gospelchor in der Gemeinde, zu dem auch Sänger aus Haiger-Seelbach gehören. Der »All
Gospel Chor« unter Leitung von
Sabine Jungeblut, beruflich Musiklehrerin und in weiteren Funktionen in der Kirchengemeinde
tätig, ist ziemlich einzigartig. Die
Sängerschar setzt sich aus Menschen aller Generationen zusammen – im Alter von 6 bis über 60
Jahren. »Bei uns singen auch
Oma und Enkel in einem Chor«,
freut sich Jungeblut. Einmal im
Jahr laden die Chorleiterin und
ihre 40 Mitstreiter zur »All Gospelnight« ein.
In Allendorf darf jeder
so kommen, wie er ist
Die Besucher erwartet ein ungezwungenes, mitreißendes Konzert. Die Mitwirkenden sind so
begeistert bei der Sache, dass der
Funke rasch auf die Besucher
überspringt, das reißt einfach
mit. Aber egal, ob die Gäste wild
klatschen, mitsingen oder sogar
tanzen – oder aber ruhig und unbeweglich in einer Ecke sitzen – in
der Allendorfer Kirche ist das alles
erlaubt. »Jeder darf einfach so
kommen, wie er ist«, sagt Jungeblut.
Das spiegelt sich im gesamten
Gemeindeleben wider, dieses
»den Menschen dort abholen, wo
er gerade steht und ihn so annehmen, wie er eben ist«. Der Pfarrer
und die Kirchenvorstandsmitglieder möchten die Gemeinde stets
menschen- und familienfreundlicher weiterentwickeln. Walter
Lutz, Mitglied im Kirchenvorstand und Organist, ist maßgeblich für eine weitere Besonderheit
der Kirchengemeinde verant-
wortlich, für das Gemeinde-Magazin.
Der Marketingprofi ist stolz auf
das Nachrichtenblatt, das sowohl
in Allendorf als auch in HaigerSeelbach an alle Haushalte verteilt wird. Bunt ist das Magazin im
A4-Format. Es enthält auch
nichtkirchliche, aber für die Dorfgemeinschaft wichtige Informationen, Artikel und Bilder. Darin
spiegelt sich ebenfalls wider, dass
die Kirchen eine Gemeinschaft
für den Ort und im Ort sein
möchte. Auch die Gottesdienste
haben sich im Laufe der Zeit verändert. Pfarrer Böckner versucht
hier, eine Balance für moderne
und konservative Menschen zu
finden.
So etwa beim Liedgut. Da gibt
es Gesangbuch- und Nichtgesangbuch-Lieder.
Während
dreimal im Monat in den Gottesdiensten vorwiegend Gesangbuchlieder auf dem Plan stehen,
sind es einmal im Monat moderne Anbetungslieder, die vermehrt
in den Gottesdienst integriert
werden. »Man muss die Menschen mitnehmen bei Veränderungen und diese deswegen sowohl behutsam als auch erkennbar umsetzen«, sagt Böckner.
Neue kreative Ideen sind in Allendorf reichlich vorhanden, die
Menschen setzen sie auch um. So
haben sie etwa am Reformationstag für etwa 60 Kinder ein besonderes Projekt installiert. Statt Halloween mit dem Spruch »Süßes
oder Streich« gingen sie in Gruppen und in mittelalterlichen Kostümen durch das Dorf. Hier mussten sie spezielle Aufgaben, in die
ebenfalls die Dorfbevölkerung integriert war, erledigen. Und am
Ende gab es eine Schnucktüte für
jedes Kind.
Kinder- und Jugendliche finden sich in vielen kleinen Gruppen. Dabei gibt es allerdings ein
Problem: Zwar steht die aus dem
Jahr 1749 stammende Kirche, die
in den Jahren 1978/79 baulich erweitert worden ist, mitten im Ort.
Der Weg zum Gemeindehaus ist
von hier aus aber zu lang, um ihn
für Kindergottesdienste nutzen
zu können. Deswegen ist in der
Kirche auf der Empore ein Bereich
abgetrennt und schallgedämmt.
Diese Raumvariante ist eher
suboptimal, da auch von ziemlich beengtem Zuschnitt. Der
Traum des Pfarrers und des
15-köpfigen Kirchenvorstandes
von Allendorf und Haiger-Seelbach ist ein Gemeindehaus in unmittelbarer Nähe zur Kirche.
Auch Parkplätze sind (noch)
Mangelware.
Im barocken Betsaal der Kirche
gibt es dann noch etwas Ungewöhnliches zu entdecken: Hier
hängt ein großes Gemälde, das einen Engel zeigt – nicht eben üblich für eine reformierte Kirche.
HAIGER-ALLENDORF
■ Pfarrer Michael Böckner
Gemeindebüro Pfarrstraße 2
35708 Haiger-Allendorf
Telefon 0 27 73 / 51 15
Fax 0 27 73 / 91 30 95
Eine zukünftige Herausforderung
für die Kirche sieht der Pfarrer in
der Arbeit mit Flüchtlingen und
dem zunehmenden Bedarf an
Nachbarschaftshilfe.
Fotos: Ute Jung (2) / privat (1)
Seite
Michael Böckner und der Nachwuchs in vollem Einsatz beim Erntedank-Gottesdienst. Die Kirche in Haiger-Allendorf ist ein Schmuckstück. Gemeinsamer Auftritt: der Gospelchor mit dem Kirchenchor.
DREI FRAGEN AN ...
...Sabine Jungeblut, Leiterin des
Gospelchors und des Kindergottesdienstes:
?
Wo ist Ihr Lieblingsplatz in der
Gemeinde?
In der Kirche, direkt vor dem Altar und vor dem Chor stehend,
und dabei in die strahlenden
Gesichter der Sängerinnen und
Sänger schauend.
Was würden Sie spontan mit
einer 20 000-Euro-Spende anfangen?
?
Ich würde sie in ein neues Gemeindezentrum investieren.
?
Wen würden Sie gerne in Ihren
Gottesdienst einladen?
Alle Nachbarn und alle Menschen, die ich kenne – egal, welchen Hintergrund sie haben.
Und das gelingt teilweise über
den Gospelchor, denn hier sind
Beziehungen in der Nachbarschaft entstanden.