Zofinger Tagblatt, vom: Donnerstag, 28. Mai 2015

REGION 27
ZOFINGER TAGBLATT
DONNERSTAG, 28. MAI 2015
Berufsberatung macht neu Schule
Zofingen Die Berufsberatungsstelle ask! muss schliessen – besucht und berät aber die Schulen neu von Aarau aus
VON MICHAEL FLÜCKIGER
Ask! Frag doch nach. Wer nach eingehender Beratung zu beruflichen Perspektiven
sucht, kann dieser freundlichen Aufforderung ab dem 1. Dezember nicht mehr im
vierten Stock des Gebäudes der StWZ
Energie AG Zofingen nachkommen. Die
«ask!-Beratungsdienste für Ausbildung und
Beruf Aargau» (BDAG) schliessen den
Standort in der Thutstadt. Notgedrungen:
Der Kanton muss Kosten sparen. Er bezahlt seiner Auftragnehmerin BDAG mit
über 100 Beraterinnen und Beratern in
Aarau, Baden, Rheinfelden, Wohlen, Zurzach und Zofingen ab 2016 neu 1,5 Millionen Franken weniger pro Jahr. Aufs Ganze
gerechnet muss sie Einsparungen von 16
bis 17 Prozent der bisherigen Kosten realisieren können. «Es ist nicht an uns, den
Trotz hilfreichem Internet ist
die persönliche Beratung für
komplexere Fragestellungen
für viele unverzichtbar.»
Thomas Eichenberger Geschäftsführer BDAG
politischen Entscheid zu kommentieren.
Wir werden ihn so gut wie möglich vollziehen», sagt Thomas Eichenberger, Geschäftsführer der BDAG. Er versucht aus
der Ausgangslage das Beste zu machen.
Das Wichtigste: Die BDAG bietet in der
Region Zofingen weiterhin Leistungen in
der Berufsberatung an. Die vier Beraterinnen und Berater, die hier 2014 nicht weniger als 1245 Beratungsgespräche mit 727
Personen durchgeführt haben, zügeln zwar
mitsamt Sekretariat. Aber auch von Aarau
aus wollen sie eine möglichst gute Dienstleistung erbringen. Mit den Bedürfnissen
der Schulen der Region sind sie zumindest
bestens vertraut. Anders als bisher empfangen sie die Schulen mit den Oberstufenschülern nicht mehr bei sich im Info-Zentrum und den Büroräumlichkeiten. Sie besuchen sie neu direkt vor Ort.
Intensivere Zusammenarbeit
Zukünftig hat jede Schule ihrer Grösse
entsprechend eine bestimmte Anzahl von
Stunden und Leistungen zugute. Monika
Grüter-Arnold, Leiterin des Teams Zofingen, dazu: «Wir arbeiten enger als bisher
mit den Schulen zusammen. Die Lehrer
müssen in Zukunft eingehender reflektieren, welche Leistungen in der Berufswahlvorbereitung sie zu welchem Zeitpunkt
von uns beziehen möchten.»
Ask! hat dazu bereits bestehende Angebote mitsamt Zeitraster zusammengestellt. Der Übersichtsbogen erwähnt
Schulangebote, die von Schüler-Eltern-Info-Abenden über den Start zum Berufswahlprozess bis hin zu persönlichen Beratungsgesprächen von einzelnen Schülern
Mit dem Berufswahlfahrplan bietet ask! den Schulen neu gute modular nutzbare Angebote, sind Thomas Eichenberger und Monika Grüter-Arnold überzeugt.
727
Personen hat ask! Zofingen
im vergangenen Jahr in nicht
weniger als 1245 Gesprächen
persönlich beraten. 2397 Besucher haben zudem das Info-Zentrum besucht. Zofingen
zählt vier Beraterinnen und
Berater, die sich 280 Stellenprozente teilen. Dazu kommt
ein mit 80 Prozent dotiertes
Sekretariat. Kantonsweit hat
ask! mit über 100 Mitarbeitenden in Aarau, Baden, Rheinfelden, Wohlen, Zofingen und
Zurzach über 10 233 Personen
beraten.
reichen. Die Palette ist breit. Nach
Wunsch können Berufsberater Lehrer
auch über geeignete Formen anleiten, wie
sie die Berufswahl von der Mitte siebten
bis hin zur achten und neunten Klasse gestalten können. «Wir reagieren so flexibel
wie möglich auf die unterschiedlichen
Konzepte, wie Schulen das Thema angehen», sagt Monika Grüter-Arnold.
Die Schulen der Region sind bereits über
die bevorstehende Neuausrichtung der Beratungsdienste informiert. Wie Thomas Eichenberger festhält, reagieren sie positiv auf
«Die Lehrer müssen neu eingehender reflektieren, welche
Leistungen sie zu welchem
Zeitpunkt beziehen möchten.»
Monika Grüter-Arnold Teamleiterin ask! Zofingen
den in den kommenden Monaten in Kraft
tretenden Prozess. «Sie wissen, dass nebst
den Eltern sie es sind, die den Berufswahlprozess initiieren und begleiten müssen.
Von unseren Besuchen vor Ort erwarten sie
sich einen Mehrwert. Doch liegt es an ihnen, unsere Ressourcen gezielt zu nutzen.»
Neue kostenpflichtige Leistungen
Ob die neue Berufsberatung den Bedürfnissen der Schulen angemessen gerecht werden kann, muss die Zukunft weisen. Die Sparmassnahmen der Berufsberatung zielen allerdings nicht allein auf
die Schliessung von Standorten ab. Ein
Teil der Leistungen der BDAG soll neu
kostenpflichtig werden. So hat der Grosse
Rat auf Vorschlag der Regierung des Kantons Aargau auch beschlossen, dass Laufbahnberatungen für Personen über 25
Jahren und mit abgeschlossener Ausbildung auf Sekundarstufe II ab 2016 kostenpflichtig werden sollen. Konkret geht es
um rund 3000 solcher Personen, die jedes Jahr von einem oder mehreren Beratungsterminen profitieren. Neu sollen sie
die Vollkosten übernehmen respektive
aus dem eigenen Sack 180 Franken pro
Beratungsstunde bezahlen.
Mit dieser vollen Ausrichtung auf den
Wettbewerb steht der Kanton Aargau al-
MIF
lein auf weiter Flur. Die Kantone Solothurn oder Zürich kennen Teilsubventionen und Kostenbeteiligungen. Allerdings
müssen im Aargau auch in Zukunft ältere
Klienten nur bei eingehenden persönlichen Beratungsgesprächen tief in die Tasche greifen. Und bei einem Stellensuchenden übernimmt das RAV die Kosten,
wenn eine Berufsberatung angezeigt ist.
Kurzanfragen weiterhin gratis
Thomas Eichenberger betont, dass die
Klienten, die über 25 Jahre alt sind, nach
wie vor kostenlos die Info-Zentren nutzen
und kürzere telefonische oder schriftliche
Anfragen an ask! richten können. Er erwartet, dass sich diese Klienten in Zukunft
eingehender vorinformieren. Er weiss:
Die Zahl dieser Beratungen dürfte kurzfristig beträchtlich sinken. Er ist aufgrund
der Erfahrungen aus anderen Kantonen
aber auch guter Hoffnung. «Nach drei Jahren dürfte wieder das alte Niveau erreicht
sein. Trotz hilfreichem Internet ist die
persönliche Beratung für komplexere Fragestellungen für viele unverzichtbar.»
«Menschen mit Handicap bereichern mein Leben»
Strengelbach FC-Traktorazb-Götti und -Ehrentrainer
Gilbert Gress und seine Gattin
waren auf Visite im azb.
«In meiner Kindheit lebten in unserer Strasse in Strasbourg zwei geistig
behinderte Buben, Albert und Gustl.
Beide waren ziemlich verwahrlost und
hatten kaum Sozialkontakte. Die Väter
tot, die Mütter am Arbeiten. Meine
«Rolf Christen, Sie haben
wieder fleissig trainiert,
aber die Defensive etwas
vernachlässigt.»
VON BRUNO MUNTWYLER
«Ich habe nur ein Talent – Fussball. Das
habe ich genützt: als Spieler, Trainer
und bis zum meinem ‹Rausschmiss› als
Experte beim Schweizer Fernsehen.»
Gilbert Gress, 73 Jahre alt – am 17. Dezember 1941 in Strasbourg geboren –,
ist aktuell als Werbeträger, Fussballexperte und als Juror gefragter denn je.
«Der Ruhelose», wie Gress auch genannt wird, reserviert trotz voller
Agenda für seine Spieler vom FC Traktor azb Strengelbach zwei, drei Termine im Jahr. In diesen Tagen beehrte
Gress zusammen mit seiner Gattin Beatrice seinen FC Traktor, deren EhrenTrainer er seit 1998 ist. Das gemeinsame Essen mit dem Behinderten-Fussballteam im azb war ein Erlebnis für
alle.
Gilbert Gress im Saisonrückblick
Mutter Françoise kümmerte sich rührend um die beiden Knaben, die sonst
vermutlich auf der Strasse verwahrlost
wären. Sie waren oft bei uns und gehörten fast zur Familie. Seither gehe
ich ungehemmt mit Menschen mit einer Behinderung um. Sie bereichern
mein Leben, weil sie so authentisch
sind.»
Tafeln bei Kerzenlicht
Natürlich erfüllte Gilbert Gress jeden Autogrammwunsch seiner Schützlinge, die
BM
ihm sehr am Herzen liegen.
Einmal im Jahr lädt Gress die ganze
FC-Traktor-azb-Squadra und andere zu
einem Essen bei Kerzenlicht ein. An ei-
ner grossen Tafel im azb-Esssaal wurde
aus der hauseigenen Küche ein feines
Essen serviert.
Nebst verschiedenen Ansprachen
durch azb-Geschäftsleiter André Rötheli, Mannschaftsführer Martin Sommer
und Spieler Andreas Stüdi wird den Gesprächen viel Platz eingeräumt. Gespannt sind die Fussballer jeweils über
den humorvoll und detailliert von
Gress vorgetragenen Saisonrückblick:
«Rolf Christen, Sie haben wieder fleissig trainiert, aber die Defensive etwas
vernachlässigt», meinte der Kulttrainer
mit der unverwechselbaren Föhnfrisur.
Natürlich hatte der nach Roger Federer,
so eine Umfrage, zweitbekannteste
Schweizer auch ein Bündel Autogrammkarten mitgenommen, die im
Nu vergriffen waren.
Es wurde mit vollem, halb vollem
und leerem Mund geredet und geredet.
Kurz: Es war eine Begegnung mit einem echten Promi, der das Herz ganz
bestimmt am rechten Fleck hat und auf
die Menschen hervorragend notabene
ohne jegliche Berührungsängste einund zugehen kann.