Blitzeinschlag im Wohnmobil

Blitzeinschlag im Wohnmobil
Ein nichtalltägliches Phänomen bescherte uns ein Ford Transit vom Baujahr 2013 welcher als Wohnmobil
umgebaut wurde. Das Wohnmobil wurde mit einem Abschleppwagen zu uns in die Werkstatt gebracht. Sein
Besitzer hatte kurzzeitig seinen Urlaub auf einem Campingplatz in Frankreich abgebrochen. Bei einem heftigen
Gewitter wurde das Wohnmobil von einem Blitz getroffen und erheblich beschädigt (Bilder 1 + 2). Wie stark
beschädigt sollte sich im Nachhinein noch herausstellen.
Bild 1 + 2 Bei einem Gewitter kam es zu einem Blitzeinschlag im Wohnmobil, welcher erhebliche
Schaden anrichtete.
Da der Aufbau des Camper-Modells hauptsächlich aus Kunststoff besteht und somit keinen schützenden
Metallrahmen hat, wirkt kein sogenannter Faraday’scher-Käfig-Effekt. Auf der freien Fläche wurde das
Wohnmobil von einem Blitz getroffen. Dabei fand der Blitz über zwei Nieten, die sich jeweils rechts und links in
der Mitte im Dachbereich hinter der Dachverkleidung des Aufbaus befinden, den Weg ins Innere (Bilder 3 + 4).
Bild 3 Vermutliche Eintrittsstelle des Blitzes, hinter
der seitlich oberen rechten Dachverkleidung befand
sich eine Niete.
Bild 4 Es befindet sich eine weitere Eintrittsstelle
auf der gleichen Stelle auf der linken Seite.
Vermutlich hatte sich der Blitz geteilt.
Hinweis: Am besten stellt man sich mit einem Wohnmobil an eine Laterne oder neben ein Haus - dann ist man
sicherer, schließlich schlägt der Blitz normalerweise immer in den höchsten Punkt der Umgebung ein.
Bei der näheren Betrachtung des Wohnmobils konnte man im Inneren deutliche Brandspuren und
Beschädigungen sehen, die der Blitz auf seiner Suche nach einem möglichen Weg zum Erdboden zerstört hat
(Bilder 5 bis 8). Aber auch von außen waren Brandspuren und Beschädigungen zu sehen, die vermutlich durch
Feuchtigkeit ausgelöst wurden. So waren Brandspuren im Lack im Bereich der Dichtmasse und an
Kunststoffabdeckungen sichtbar. Auch ein Seitenblinker auf der Stoßstange hatte anscheinend im Inneren
Feuchtigkeit, wodurch das Blinkergehäuse zerstört wurde (Bilder 9 bis 11).
Bilder 5 – 8 Im Innenraum des Wohnmobils entstanden mehrere Beschädigungen durch den
Blitzeinschlag. Links oben, im Bereich der Steckdosen für das Fernsehgerät. Rechts oben, im Duschraum
in der oberen Ecke der beiden Spiegel. Links unten, oberhalb im Deckenbereich des Zusatzbettes wurden
Metallbefestigungen rausgerissen, im unteren rechten Bild noch eine intakte Metallbefestigung.
Bild 9 Beschädigte seitlich hintere obere Ecke vom
Wohnmobil.
Bild 10 Beschädigte hintere obere Ecke vom
Wohnmobil im Bereich der Dichtmasse.
Bild 11 Auch am zerstörten Seitenblinker hinten rechts sind Brandspuren vom Blitz deutlich zu erkennen.
Vermutlich durch Feuchtigkeitseinschlüsse.
Allgemein bekannt ist, dass wenn ein Blitz einschlägt elektrische und elektronische Bauteile der Motorsteuerung,
Fahrwerkssteuerung sowie der Komfort- und Sicherheitselektronik durch Überspannung beschädigt werden
können. Aber wie viele Bauteile der Bordelektronik waren bei unserem Wohnmobil zerstört? Eine Frage die wir
auf dem Grund gingen, galt es doch das Fahrzeug wieder in tadellosem Zustand zu bringen.
Als erstes machten wir uns daran, dass Fahrzeug wieder zum Laufen zu bringen. Beim Einschalten der Zündung
wurden das Abblendlicht und die Scheibenwischer automatisch eingeschaltet. Dies ist eine Strategie, die in
Funktion tritt wenn die Zentralelektronik (BCM-Modul) ausfällt. Im Kombiinstrument wurden nur Bindestriche im
Display angezeigt, was bedeutet dass keine Kommunikation mit dem Motorsteuergerät besteht. Deshalb
wunderte es uns auch nicht, dass der Starter nicht betätigt werden konnte. Die Kontrollleuchten im
Kombiinstrument leuchteten dagegen auf und das Radio funktioniert auch.
Jetzt wurde das Diagnosegerät angeschlossen, eine anschließende Netzwerkprüfung mit dem Tester ergab, dass
keine Kommunikation mit sämtlichen Steuergeräten im Fahrzeug aufgebaut werden konnte. Daraufhin wurde eine
Widerstandsmessung vom High-Speed-CAN Bus und dem Mid-Speed-CAN Bus im Diagnosestecker auf Klemme
6 und 14 und Klemme 3 und 11 durchgeführt. Beim HS-CAN wurde 60 Ohm gemessen, beim MS-CAN jedoch
nur 11 Ohm. Auf beiden Datenbussystemen muss bei intaktem System ein Widerstand von jeweils 60 Ohm
vorhanden sein.
Jetzt wurden die ersten Steuergeräte erneuert. Nachdem das BCM-Modul erneuert wurde, konnte zum
Zentralelektronik-Modul über den Diagnosetester wieder eine Kommunikation aufgebaut werden. Nachdem wir
die Spannungsversorgung vom Motorsteuergerät (PCM) geprüft hatten, wurde auch das PCM erneuert. Da eine
Überprüfung aller Sicherungen keine defekten Sicherungen ergab wurde auch das Kombiinstrument erneuert.
Nach Programmierung des PCM und der Programmierung der Fahrzeugschlüssel sowie Modulinitialisierung mit
dem BCM konnte der Motor wieder gestartet werden, sprang jedoch nicht an. Ein Auslesen der Fehlercode ergab
gespeicherte Fehlercodes zum Kraftstoffdruck-Sensor, Nockenwellen-Sensor und zur Vorglühkontrolleinheit.
Auch nach dem erneuern dieser Bauteile ließ sich der Motor immer noch nicht starten. Da keine Kommunikation
zum ABS-Steuergerät bestand, wurde das ABS-Modul auch erneuert. Nach erneuter Initialisierung sprang der
Motor an, hatte jedoch keine Leistung. Eine weitere Fehlercodeauslese ergab noch Fehlercode im Bereich der
elektronischen Ansteuerung des Abgasturboladers und des Drehstromgenerators. Auch diese Bauteile mussten
erneuert werden. Langsam entwickelte sich die Reparatur zur Kostenexplosion. Bei einer Gesamtabfrage des
Fehlerspeichers wurden das Airbag-Steuergerät und der rechte Radsensor als Fehler ausgegeben. Jetzt war uns
klar, dass der Blitzeinschlag im Dach über das rechte Rad zur Erde geflossen ist. Dabei wird der Blitz von der
Felgenkante über die Wulst des Reifens geflossen sein. Nachdem das Airbag-Steuergerät und der rechte
Radsensor erneuert wurden, funktionierte das Fahrzeug wieder einwandfrei.
Eine Untersuchung des Innenraums des Wohnmobils ergab, dass alle LED-Decken- und Wandleuchten, das
Batterietrennrelais der Zweitbatterie, das Bedienteil Kühlschrank sowie die Elektronik-Schalttafel welches für das
Bordnetz im Wohnbereich und das 220 Volt Netzteil zuständig ist, auch durch den Blitzeinschlag zerstört wurden.
Im Nachhinein wäre man besser beraten gewesen, dieses Fahrzeug als wirtschaftlicher Totalschaden
einzustufen, da durch die erneuerten elektrischen und elektronischen Bauteile mit den etlichen Arbeitsstunden ein
riesiger Kostenfaktor entstanden war.
Interessante Filmbeiträge im Internet
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http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1401298/Wenn-Blitze-ins-Autoeinschlagen#/beitrag/video/1400944/Sind-Cabrios-blitzsicher?
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http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1401298/Wenn-Blitze-ins-Autoeinschlagen#/beitrag/video/1401298/Wenn-Blitze-ins-Auto-einschlagen
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http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1401298/Wenn-Blitze-ins-Autoeinschlagen#/beitrag/bilderserie/561390/Wetterphänomen-Blitz