R.W. Emerson hielt einst so treffend fest: „Versuche niemals

R.W. Emerson hielt einst so treffend fest:
„Versuche niemals, jemanden so zu machen wie Du selber bist. Du weißt, und
Gott weiß es auch, dass einer von Deiner Sorte genug ist.“
(Rothe 2013, S. 39)
Bachelorarbeit
zur Erlangung des Grades Bachelor of Arts
im Studiengang Soziale Arbeit
– Sozialpädagogische Familienhilfe –
Individuelle Familien – Individuelle Konzepte
vorgelegt von
Jan Nastola
Annegret Kohls
Erstgutachter:
Prof. Dr. Matthias Müller
Zweitgutachter:
Prof. Dr. phil. habil. Barbara Bräutigam
urn:nbn:de:gbv:519-thesis2015-0286-2
Abgabetermin:
02. Juli 2015
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ...................................................................................................................1
1 Familie .................................................................................................................. 3
1.1
Idealfamilie der Moderne ........................................................................... 3
1.2
Familie im Wandel ..................................................................................... 5
1.3
Eine Familien-Definition für die Soziale Arbeit ......................................... 10
2 Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) ...................................................... 12
2.1
Rechtliche Einbettung.............................................................................. 12
2.2
Ziele der SPFH ........................................................................................ 14
2.3
Aufgaben der SPFH ................................................................................ 14
2.4
Adressaten der SPFH.............................................................................. 15
2.5
Handlungsvielfalt in der SPFH ................................................................. 17
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe ................................... 19
3.1
Adressaten als Individuen ....................................................................... 20
3.1.1
Lebensweltorientierte Soziale Arbeit ....................................................... 20
3.1.2
Adressaten und ihre Lebenswelt ............................................................. 24
3.2
Adressaten in ihren spezifischen sozialen Milieus ................................... 27
3.2.1
Systemische Sicht auf Familie ................................................................. 27
3.2.2
Familie als individualisiertes Herkunftsmilieu .......................................... 28
3.3
Adressaten und die gesellschaftlichen Teilsysteme ................................ 29
3.3.1
Gesellschaftliche Teilsysteme ................................................................. 29
3.3.2
Inklusion und Exklusion der Adressaten in beziehungsweise aus den
gesellschaftlichen Teilsystemen .............................................................. 31
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe................. 33
4.1
In Bezug auf die Adressaten als Individuen ............................................. 33
4.1.1
Eltern-AG................................................................................................. 33
4.1.1.1
Merkmale................................................................................................. 34
4.1.1.2
Adressaten .............................................................................................. 35
4.1.1.3
Ablauf ...................................................................................................... 36
4.1.1.4
Zeitliche Einordnung ................................................................................ 38
4.1.1.5
Vorteile und Chancen .............................................................................. 38
4.1.2
Dialogisches ElternCoaching ................................................................... 39
4.1.2.1
Merkmale................................................................................................. 39
4.1.2.2
Adressaten .............................................................................................. 42
4.1.2.3
Aufbau ..................................................................................................... 42
4.1.2.4
Zeitliche Einordnung ................................................................................ 46
4.1.2.5
Vorteile und Chancen .............................................................................. 46
4.1.3
Zwischenfazit ........................................................................................... 47
4.2
In Bezug auf die Adressaten in ihren spezifischen sozialen Milieus ........ 48
Inhaltsverzeichnis
4.2.1
Familienrat ............................................................................................... 48
4.2.1.1
Merkmale................................................................................................. 48
4.2.1.2
Adressaten .............................................................................................. 49
4.2.1.3
Ablauf ...................................................................................................... 50
4.2.1.4
Zeitliche Einordnung ................................................................................ 52
4.2.1.5
Vorteile und Chancen .............................................................................. 52
4.2.2
Familien-Coaching................................................................................... 53
4.2.2.1
Merkmale................................................................................................. 54
4.2.2.2
Adressaten .............................................................................................. 54
4.2.2.3
Ablauf ...................................................................................................... 55
4.2.2.4
Zeitliche Einordnung ................................................................................ 56
4.2.2.5
Vorteile und Chancen .............................................................................. 56
4.2.3
Heidelberger Modell ................................................................................ 57
4.2.3.1
Merkmale................................................................................................. 57
4.2.3.2
Adressaten .............................................................................................. 60
4.2.3.3
Ablauf ...................................................................................................... 60
4.2.3.4
Zeitliche Einordnung ................................................................................ 62
4.2.3.5
Vorteile und Chancen .............................................................................. 62
4.2.4
Zwischenfazit ........................................................................................... 63
4.3
In Bezug auf die gesellschaftlichen Teilsysteme der Adressaten ............ 64
4.3.1
Empowerment ......................................................................................... 64
4.3.1.1
Merkmale................................................................................................. 64
4.3.1.2
Adressaten und zeitliche Einordung ........................................................ 65
4.3.1.3
Ablauf ...................................................................................................... 65
4.3.1.4
Vorteile und Chancen .............................................................................. 66
4.3.2
Ressourcenorientierung .......................................................................... 67
4.3.2.1
Merkmale................................................................................................. 67
4.3.2.2
Adressaten und zeitliche Einordung ........................................................ 68
4.3.2.3
Ablauf ...................................................................................................... 68
4.3.2.4
Vorteile und Chancen .............................................................................. 69
4.3.3
Zwischenfazit ........................................................................................... 70
5 Fazit .................................................................................................................... 71
Literaturverzeichnis ................................................................................................ 74
Eidesstattliche Erklärung ....................................................................................... 78
Einleitung
1
Einleitung
[von Kohls/Nastola]
Im Laufe unseres Lebens haben wir neben unseren eigenen Familien auch mit vielen
anderen Familien Bekanntschaft gemacht. Zumeist waren diese Bekanntschaften
eher flüchtiger Natur und man lernte nur bestimmte Ausschnitte des Lebens der
anderen
Familie
kennen.
Im
Rahmen
unserer
Praktika
im
Kinder-
und
Jugendhilfebereich haben wir dann aber ein besonderes Bewusstsein für die
Diversität von Familien und besonders für deren Alltag und Kultur entwickelt. So
wurde uns im Umgang mit dem im Kontext unserer Praktika kennengelernten
Familien
deutlich,
dass
auch
wenn
ähnliche
Grundvoraussetzungen
wie
Arbeitslosigkeit, hohe Kinderzahl oder Paarprobleme beispielsweise vorlagen, die
Familien doch darüber hinaus völlig verschieden waren. Die Umgangsformen der
Familienmitglieder untereinander waren zum Beispiel von Familie zu Familie
unterschiedlich. Aber auch das Problembewusstsein und der Umgang mit diesen
unterschied sie deutlich voneinander. Besonders aber während der Begleitung von
Fachkräften der Sozialpädagogischen Familienhilfe erhielten wir einen intensiven
Einblick in die Einzigartigkeiten von Familien.
In unserer Bachelorarbeit greifen wir deshalb diese Erfahrungen auf und stellen die
Frage nach Gründen für diese Individualität von Familien und wie sie die Arbeit der
Sozialpädagogischen Familienhilfe prägt. Von besonderer Relevanz ist für uns
jedoch die Frage, ob die Arbeit in der Individualität der Familie nicht ausschließlich
über individuelle Zugänge durch die Nutzung verschiedener Konzepte möglich ist.
Den Fragestellungen folgend beginnt die Arbeit im ersten Kapitel mit der
Beschreibung eines Idealbildes von Familie, welches fast allen Bürgern der
Bundesrepublik
Deutschland
innewohnt.
Daran
anschließend
werden
die
wesentlichsten Entwicklungen des Familienbildes seit den 50er Jahren aufgezeigt.
Auf das sozialistische Familienbild der Deutschen Demokratischen Republik in dieser
Zeit wird dabei nicht weiter eingegangen, da das gesellschaftliche und politische
System nicht beziehungsweise kaum mit dem heutigen vergleichbar ist. Damit soll
dieser geschichtlichen Ära Deutschlands nicht die Relevanz für unser heutiges
Familienleben, vor allem in den neuen Bundesländern, abgesprochen werden,
sondern deren Beleuchtung und Bezugnahme würde im späteren Verlauf der Arbeit
zu Unschärfen führen.
Einleitung
2
Über die Vorstellung der Pluralität von privaten Lebensformen und die zusätzliche
Individualisierung dieser durch die spezifische Familienkultur einer jeden Familie wird
eine allgemeine Definition von Familie für die Soziale Arbeit herausgearbeitet.
Im zweiten Kapitel der Arbeit wird die Sozialpädagogische Familienhilfe anhand der
allgemeingültigen Merkmale, wie rechtliche Einbettung, Ziele, Aufgaben und
Adressaten veranschaulicht. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels wird dann die
Handlungsvielfalt der Sozialpädagogischen Familienhilfe aufgezeigt.
Das dritte Kapitel widmet sich den drei Dimensionen der Sozialpädagogischen
Familienhilfe nach Prof. Dr. Matthias Müller. Zunächst wird die erste Dimension
–
Adressaten
als
Individuen
–
entlang
einer
kurzen
Vorstellung
der
lebensweltorientierten Sozialen Arbeit und der Adressaten in Bezug auf ihre
Lebenswelt herausgearbeitet. Daran anschließend wird über die systemische Sicht
von Familie und die Sichtweise auf Familie als individualisiertes Herkunftsmilieu die
zweite Dimension – Adressaten in ihren spezifischen sozialen Milieus – beschrieben.
Die dritte Dimension – Adressaten und die gesellschaftlichen Teilsysteme – wird
dann entlang einer Beschreibung der gesellschaftlichen Teilsysteme und der
folgenden
Verdeutlichung
der
Inklusions-
und
Exklusionsmöglichkeiten
in
beziehungsweise aus den gesellschaftlichen Teilsystemen dargestellt.
Im vierten Kapitel werden daraufhin beispielhafte Konzepte für die zuvor
beschriebenen Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe vorgestellt.
Werden für die erste und die dritte Dimension jeweils zwei Konzepte dargestellt,
sollen durch die Vorstellung dreier, der zweiten Dimension zugeordneten, Konzepte
zum einen die gewichtige Rolle der Sozialpädagogischen Familienhilfe als einziges
Angebot der Hilfe zur Erziehung, welches sich an die gesamte Familie richtet, und
zum
anderen
die
besondere
Bedeutung
der
Familie
als
individualisiertes
Herkunftsmilieu betont werden. In den Zwischenfazits wird die Relevanz der
jeweiligen Konzepte für die ihnen zugeordnete Dimension herausgearbeitet.
Im abschließenden fünften Kapitel – Fazit – finden die soeben aufgeworfen Fragen
an diese Arbeit Beantwortung.
1 Familie
3
1 Familie
[von Kohls/Nastola]
Familie ist in unserer Gesellschaft omnipräsent. Tagtäglich nimmt ein Großteil der
Menschen am Alltag einer oder sogar mehrerer Familien teil und beeinflusst ihn.
Fast ausnahmslos hat jeder Mensch darüber hinaus familiale Erfahrungen in der
eigenen Familie gesammelt (vgl. Uhlendorff/ Euteneuer/ Sabla 2013, S. 25).
Aufbauend auf diesem Erfahrungsschatz unterscheidet man drei Ebenen der
Betrachtung. Auf der ersten Ebene betrachtet man Familie vor dem Hintergrund
des Familienleitbildes, also einer Idealvorstellung von Familie. Die zweite Ebene
zeigt Familienformen auf, welche als Musterbilder des familialen Zusammenlebens
zu verstehen sind. Mit der dritten Ebene wird die Individualität von Familien durch
das Verständnis dieser als Familienkulturen deutlich (vgl. Schierbaum 2013, S.
52).
1.1 Idealfamilie der Moderne
[von Kohls/Nastola]
Hohes C – „Zeit für Familie“
(Eckes-Granini Deutschland GmbH 2015, Internetquelle), solche Slogans in
Fernsehwerbungen sind nur ein Teil der medialen Darstellung, die unsere
Vorstellung einer „normalen“ Familie prägen. Losgelöst von den Erfahrungen
innerhalb der eigenen Familie wird durch Alltagserfahrungen und die bereits
erwähnte mediale Darstellung ein allgemeingültiges Normbild vorgegeben. Diese
Idealvorstellung von Familie ist gekennzeichnet durch Normen und Werte der
bürgerlichen Kleinfamilie.
Die bürgerliche Kleinfamilie der 50er und 60er Jahre zeichnete sich durch die
zentralen Normen der Eheschließung, der Neolokalität und Fertilität aus, welche
darüber hinaus unmittelbar miteinander verbunden waren. Das bedeutete, dass
nach der Eheschließung ein eigenständiger Haushalt, rechtlich und ökonomisch
unabhängig vom elterlichen Haushalt, gegründet wurde und dann die Geburt von
Kindern folgte (vgl. Uhlendorff/ Euteneuer/ Sabla 2013, S. 26-27).
Die Institution Ehe wurde in diesem Rahmen als eine monogame Beziehung
zwischen Mann und Frau verstanden, die zeitlebens von Bestand ist (vgl. Peukert
2008,
S.
23).
Kennzeichnend
für
Beziehungen
dieser
Zeit
war
ein
geschlechtsspezifisches Rollenverständnis. Der Mutterrolle wurde ein expressives
1 Familie
4
Verhalten zugeschrieben, welches auf die emotional-affektiven Bedürfnisse der
Familie ausgerichtet war (vgl. Krüger 2013, S. 76-77). Bezog sich der
Wirkungskreis der Frau zuvorderst auf die familiale Innenwelt, so ging der Vater
einer Erwerbstätigkeit nach und war für die gesellschaftlichen und politischen
Angelegenheiten
der
Außenwelt
zuständig.
Für
dieses
patriarchische
Familienmodell war die Neolokalität von besonderer Bedeutung. Durch einen
eigenständigen
Haushalt
wurde
es
möglich,
Grenzen
gegenüber
der
Herkunftsfamilie zu ziehen und sich um seine „eigenen Angelegenheiten“
Innerfamilial
kümmern
zu
können.
In
Folge
dieses Intimisierungs-
und
Emotionalisierungsprozesses entstand ein familialer Binnenraum, welcher allen
Familienmitgliedern einen Rahmen für Privatheit, Intimität und Individualität bot.
Grundlegendes Moment hierfür war eine auf Liebe aufbauende Paar- sowie
Kindbeziehung (vgl. Uhlendorff/ Euteneuer/ Sabla 2013, S. 27). Mit Beginn der
Studenten- und Frauenbewegung 1968/1969 erfuhr das Idealbild der bürgerlichen
Kleinfamilie einen ersten Wandel. Es kam zu einer bis heute andauernden
Abnahme der Realisierung und Idealisierung des bürgerlichen Familienideals (vgl.
Narve-Herz 2013, S. 30). Unterstützt wurde dieser Prozess auch durch
Gesetzesänderungen,
wie
beispielsweise
die
Modifizierung
des
„Kuppeleiparaprafen“ (§ 180 StGB), welcher die Vermietung von Wohnraum an
unverheiratete Paare unter Strafe stellte. Somit wurden die neuen Wohn- und
Lebensformen unabhängig vom Idealbild der bürgerlichen Kleinfamilie nicht mehr
öffentlich sanktioniert und weitestgehend gesellschaftlich akzeptiert. Ausgelöst
durch
die
neue
Frauenbewegung
wurde
eine
neuartige
Geschlechterdifferenzierung diskutiert. In den Fokus wurde die Inklusion der Frau
in wichtige gesellschaftliche Teilbereiche gerückt. Perspektivisch sollte es zu einer
gleichberechtigten Teilnahme der Frau im öffentlichen Bereich kommen. Im
familialen Binnenraum war die Rolle der Frau nach wie vor die der Mutter- und
Hausfrau.
Somit ist abschließend festzuhalten, dass sich zwar der außenfamiliale Auftritt der
bürgerlichen Kleinfamilie wandelte, aber das innenfamiliale Rollenverständnis
unangetastet blieb (vgl. Krüger 2013, S. 83).
Obwohl diese Familienform nur in den 50er und frühen 60er Jahren des 20.
Jahrhunderts von der Mehrzahl der Menschen gelebt wurde, sind die Menschen
1 Familie
5
diesen Normen und Werten noch heute grundlegend verhaftet (vgl. Narve-Herz, S.
30).
1.2 Familie im Wandel
[von Kohls/Nastola]
Laut des Bundesinstitutes für Bevölkerungsforschung (BiB) vollzog sich in den
letzten Jahrzehnten ein auffälliger Wandel im Bereich der Lebensformen. Die
Monopolstellung der traditionellen bürgerlichen Kleinfamilie löste sich auf und
nicht-eheliche Lebensformen gewannen an Bedeutung (vgl. Bundesinstitut für
Bevölkerungsforschung 2015, Internetquelle).
Beeinflusst wurde dieser Wandel durch die drei spezifischen Entwicklungen:
demografischer Wandel, Pluralisierung der privaten Lebensformen im Lebenslauf
und binnenfamilialer Wandel.
Der Geburtenrückgang seit Mitte der 1960er Jahre ist als zentrales Merkmal des
demografischen Wandels zu kennzeichnen. Beispielhaft dafür ist die enorme
Rückläufigkeit
der
Gesamtfruchtbarkeitsrate,
also
die
prognostizierte
durchschnittliche Anzahl an Geburten pro Frau. Dieser Wert ist bereits so gering,
dass die Bevölkerungszahl, ohne Berücksichtigung der Einwanderungszahlen,
stetig abnimmt. Als Gründe hierfür sind sowohl die Abnahme von kinderreichen
Familien als auch die steigende Kinderlosigkeit zu nennen. Letztere ist in unserer
Gesellschaft kaum mehr diskriminiert und wird als gewählte Lebensweise
anerkannt (vgl. Uhlendorff/ Euteneuer/ Sabla 2013, S. 31-32). Zudem eröffnet sich
für Frauen mit akademischem Abschluss oft nur ein Zeitfenster von 5 Jahren, in
dem sie sich beruflich etablieren und sämtliche Voraussetzungen für die
Gestaltung ihres weiteren Lebens treffen können. So fällt in diesem als „Rushhour
des Lebens“ bezeichneten Lebensabschnitt auch die Entscheidung für oder gegen
Kinder (vgl. Rätz/ Schröer/ Wolff 2014, S. 121). Gestützt wird diese Feststellung
durch den Nachweis, dass Frauen mit niedrigen Bildungsabschlüssen früher
Kinder bekommen als Frauen mit höheren Abschlüssen. Dennoch lässt sich
allgemein ein deutlicher Anstieg des Durchschnittsalters von Frauen bei der
Geburt ihres ersten Kindes verzeichnen. Beeinflusst wird dies ebenso durch den
Wunsch
nach
Neolokalität
vor
der
Familiengründung.
Vor
allem
die
Arbeitsmarktverschlechterung seit den 1990er Jahren erschwert die Gründung
eines
eigenen
ökonomisch
unabhängigen
Haushalts,
wodurch
sich
die
1 Familie
6
Familiengründung erst später im Lebensverlauf realisieren lässt (vgl. Uhlendorff/
Euteneuer/ Sabla 2013, S. 33). Des Weiteren bedeutet ein Kind für die Frau
zunächst
die
Aufgabe
ihrer
Berufstätigkeit
und
einen
entscheidenden
Wettbewerbsnachteil beim Wiedereinstieg in das Berufsleben (vgl. Rätz/ Schröer/
Wolff 2014, S. 120-121).
Schließlich erfuhr auch die Institution Ehe in den letzten Jahrzehnten einen
Bedeutungswandel. Seit den 1960er Jahren ist die Eherate in Deutschland
deutlich gesunken. Eine steigende Anzahl an Paaren entscheidet sich für ein
gemeinsames Leben ohne Trauschein. Gleichzeitig sind immer mehr Menschen
Singles. Unabhängig vom Rückgang der Ehezahlen gehen Familienforscher von
einem Anstieg der qualitativen Ansprüche an eine Paarbeziehung aus. Diese
Annahme in Kombination mit der Tatsache, dass auf Grund der steigenden
Lebenserwartungen Ehen perspektivisch immer länger werden, erhöht die
Scheidungswahrscheinlichkeit. Zu konstatieren ist jedoch, dass eine Scheidung
oder Trennung wesentlich bedeutender zur Pluralisierung von Familienformen im
Lebenslauf beiträgt, als die sinkenden Ehezahlen. Wenngleich die traditionellen
Aspekte des bürgerlichen Kleinfamilienideals nur wenig an Attraktivität verloren
haben, steigt die Zahl von Familien, die in bestimmten Lebensabschnitten von
diesen abweichen. Exemplarisch dafür sind die folgenden Beispiele für
Abweichungen vom bürgerlichen Kleinfamilienideal im Lebensverlauf (vgl.
Uhlendorff/ Euteneuer/ Sabla 2013, S. 33-35).
Die Lebensform der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit und ohne ledige
Kinder hat sich seit 1972 bereits mehr als verzehnfacht und kann so als ein
prägnantes Beispiel festgehalten werden (vgl. Peukert 2008, S. 24). Dass es auch
nichteheliche Lebensgemeinschaften ohne Kinder gibt zeigt, dass diese
Veränderung nicht nur Familien betrifft. Jedoch bleiben Paare dieser Lebensform
nur
selten
unverheiratet,
wenn
Kinder
geplant
werden
oder
bereits
Schwangerschaften bestehen. Die meisten nichtehelichen Lebensgemeinschaften
mit Kindern entstehen nach Scheidungen, wobei im Besonderen Frauen oft ihre
Kinder aus vorangegangener Ehe in die neue Gemeinschaft mitbringen. Eine
Trennung oder Scheidung führt oftmals zu unterschiedlichen Familienformen im
Verlauf des Lebens. Die bedeutsamste und bekannteste Lebensform ist dabei der
Ein-Eltern-Haushalt, oft als die „Alleinerziehenden“ bezeichnet. Man unterscheidet
in Bezug auf die Entstehungszusammenhänge zwei Ausprägungen dieser
1 Familie
7
Lebensform. Die eine Gruppe war zuvor verheiratet, die andere hingegen ledig.
Trennen sich ledige Paare schon während der Schwangerschaft oder kurz nach
der Geburt, erfolgt die Trennung der verheirateten Partner erst später mit der
Begründung
des
„Alleinerziehend“
hohen
ist
Konfliktniveaus
dabei oft
der
Ehe.
nicht gleichzusetzen
Die
mit
Bezeichnung
einer
alleinigen
Erziehungsverantwortung. So liegt häufig eine Zwei-Eltern-Situation vor, in der der
zweite leibliche Elternteil oder der neue Partner Teile der Betreuungstätigkeiten
und Erziehungsverantwortung übernimmt. In seltenen Fällen kann man sogar von
einer Drei- oder Vier-Eltern-Situation reden. Dabei sind neben den beiden
leiblichen Eltern auch die neuen Partner als Erziehungsinstanz von Relevanz.
Dadurch wird schon erkennbar, dass auf eine Ein-Eltern-Familie oft sogenannte
Fortsetzungsfamilien folgen (vgl. Uhlendorff/ Euteneuer/ Sabla 2013, S. 35-37).
Das besondere an diesen Familienformen ist, dass häufig zwischen biologischer
und sozialer Elternschaft unterschieden wird. So wachsen Minderjährige mit Eltern
auf, die nur noch zur Hälfte oder gar nicht mehr mit ihnen leiblich verwandt sind.
Die multiple Elternschaft führt dazu, dass immer mehr Kinder mit mehreren
biologischen und/oder sozialen Elternteilen aufwachsen. Daraus resultieren
vielfach auch unterschiedliche Formen von Geschwistern. Die Großeltern, Onkel
und Tanten können im Lebensverlauf mehrfach wechseln, wobei mit traditionellen
Verwandtschaftsterminologien eine genaue Beschreibung der Familien- und
Verwandtschaftsverhältnisse nur begrenzt möglich ist. Neben der klassischen
Stieffamilie, bei denen ein sozialer Vater fast immer den biologischen Vater im
Haushalt ersetzt, handelt es sich auch bei Adoptivfamilien um eine Art der
Fortsetzungsfamilien. Hier werden jedoch beide biologische Elternteile durch
soziale Eltern ersetzt (vgl. Peukert 2008, S. 25-26). Kennzeichnend kann dies
auch
für
Inseminationsfamilien
sein,
welche
mithilfe
von
Reproduktionstechnologien gegründet werden. Im Unterschied zur Adoptivfamilie
wird schon mit Schwangerschaftsbeginn, unabhängig von der biologischen
Elternschaft, die soziale Elternrolle übernommen. Vor allem in den Fällen, in
welchen ein oder beide Elternteile nicht mit dem Kind biologisch verwandt sind,
entstehen sozial ungewohnte und rechtlich komplexe Verwandtschafts- und
Familienverhältnisse. So können gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit
Kindern, sogenannte Regenbogenfamilien, als eine Unterart von Adoptiv- und
Inseminationsfamilien verstanden werden. Einstweilen ist dabei ausschließlich die
1 Familie
8
Stiefkind-Adoption durch den Lebenspartner in Deutschland zulässig. Man kann
die
Regenbogenfamilie
jedoch
auch
als
eine
eigenständige
Art
der
Fortsetzungsfamilie begreifen, wenn, wie in den meisten Fällen, die Kinder aus
vorangegangenen heterosexuellen Partnerschaften stammen (vgl. Uhlendorff/
Euteneuer/ Sabla 2013, S. 38-39). Als ein letztes Beispiel für Familienformen soll
die transkulturelle Familie dienen, die quantitativ immer mehr an Bedeutung
gewinnt. Es werden zwei Grundtypen unterschieden. Bei den binationalen
Familien hat nur ein Elternteil eine ausländische Staatsangehörigkeit, bei
Migrantenfamilien kommen beide Partner aus dem Ausland. Innerhalb dieser
Familienform
ergibt
sich
eine
enorme
Vielfältigkeit
aufgrund
ihrer
unterschiedlichen kulturellen, nationalen und ethnischen Herkunft (vgl. Peukert
2008, S. 26-27). Auch wenn noch immer die meisten Kinder mit beiden
biologischen Elternteilen aufwachsen, sind die beschriebenen Beispiele für
Abweichungen vom bürgerlichen Kleinfamilienideal im Lebensverlauf keine
gesellschaftlichen Randerscheinungen mehr.
Zu einer weiteren Pluralisierung von Familien trägt auch der binnenfamiliale
Wandel bei. Im Mittelpunkt steht dabei die Veränderung der Frauenrolle. Die
stärkere Berufsorientierung der Frau führt zur Auflösung des männlichen
Alleinverdienermodells der bürgerlichen Kleinfamilie (vgl. Uhlendorff/ Euteneuer/
Sabla 2013, S. 40). Im familialen Innenraum wird durch die Paare eine egalitäre
Beziehung angestrebt. Elementar hierfür ist die Betonung der Gleichheit und der
persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten beider Partner. Im Allgemeinen ist aber
eher davon auszugehen, dass nur wenige Paare eine streng egalitäre
Partnerschaft
führen
(vgl.
Peukert
2008,
S.
26).
Spätestens
mit
der
Familiengründung erfolgt oft eine Retraditionalisierung der Arbeitsteilung. Der
Mann übernimmt mit Geburt des Kindes wieder die klassische Ernährerrolle.
Während er im Beruf verbleibt und sein Engagement teilweise sogar verstärkt,
zieht sich die Frau vom Arbeitsmarkt zurück und übernimmt deutlich mehr
Haushaltstätigkeiten. Aus diesem Grund lässt sich ein typisches Drei-PhasenModell
in
vielen
weiblichen
Lebensläufen
erkennen.
Es
folgt
auf
die
Vollerwerbstätigkeit der Frau, oftmals nach der Geburt des ersten Kindes, die
Phase der Elternzeit. Auf diese Phase der Beurlaubung vom Arbeitsleben gewinnt
die Erwerbsbeteiligung erst mit steigendem Alter der Kinder wieder an Attraktivität.
Um den Teilbereichen Mutterschaft, Hausfrau und Erwerbstätigkeit gerecht
1 Familie
9
werden zu können, arbeiten die meisten Frauen nur noch in Teilzeit (vgl.
Uhlendorff/ Euteneuer/ Sabla 2013, S. 40-41). Weitergehend ist darauf
hinzuweisen, dass der Mann ebenfalls mit einer Doppelrolle konfrontiert ist.
Demnach muss er sowohl der Rolle des Alleinernährers als auch der Rolle des
engagierten
Familienvaters
gerecht
werden,
umso
zu
einer
positiven
Kindesentwicklung beizutragen. Gleichzeitig sieht er sich der Aufgabe gegenüber,
sowohl besonders fürsorglich zu sein, als auch das Männlichkeitsstereotyp zu
bedienen (vgl. Krüger 2013, S. 89). Insgesamt können sich aber Männer eher mit
den traditionellen Rollenvorgaben arrangieren als Frauen. Noch deutlicher als die
Beziehung zwischen Mann und Frau haben sich die Umgangsformen zwischen
Kindern und ihren Eltern verändert. Wurde früher noch auf eine hierarchische
Eltern-Kind-Beziehung in Form eines Befehlsaushaltes wert gelegt, so beschreibt
der moderne Verhandlungshaushalt eine ausgewogene Machtbalance der
Familienmitglieder (vgl. Uhlendorff/ Euteneuer/ Sabla 2013, S. 41-42).
Abschließend lässt sich darauf hinweisen, dass es aufgrund des beschriebenen
demografischen Wandels, der Pluralisierung der privaten Lebensformen im
Lebenslauf
und
des
binnenfamilialen
Wandels
heute
einer
Vielfalt
an
Familienidealen bedarf. Denn diese können für Familien in ihren unterschiedlichen
Lebenslagen individuelle Orientierungshilfen für den konkreten Alltag sein (vgl.
Narve-Herz 2013, S. 33).
1 Familie
10
1.3 Eine Familien-Definition für die Soziale Arbeit
[von Kohls/Nastola]
Ungeachtet der Tatsache der Pluralisierung der privaten Lebensformen stellt die
Familie eine anthropologische Universalie da. Das heißt, dass sie in jeder
Gesellschaft auftritt und universelle Aufgaben und Funktionen erfüllt. Ist dies allen
Familien gleich, so unterscheidet deren Umsetzung sie doch deutlich voneinander
(vgl. Uhlendorff/ Euteneuer/ Sabla 2013, S. 42). Vor diesem Hintergrund kann jede
Familie als eine eigene Kultur verstanden werden. Denn wie auch Kulturnationen
verwenden
Familienmitglieder
ein
gemeinsames
Orientierungssystem
mit
individuellen Symbolen, die sie an die nächste Generation weitergeben. Können
sich einzelne Familiengruppen noch in den Kulturstandards gleichen, also eine
gemeinsame Art des Denkens, Wertens, Handelns und Wahrnehmens aufweisen,
ist eine Familienkultur als einzigartig zu bezeichnen. Durch die Kombination ihrer
Merkmale, also der Gesamtheit von Annahmen, Grundsätzen, Attitüden, Werten,
Verhaltensnormen, Wert- und Grundeinstellung, gleicht keine Familienkultur einer
anderen. Das bedeutet, dass die universellen Aufgaben, die eine Gesellschaft an
eine Familie stellt, von ihr individuell und einzigartig gelöst werden (vgl. Wolf 2006,
S. 232-235). Die universellen Funktionen und Aufgaben der Familie bieten
dennoch die Grundlagen zur Bestimmung einer Definition des Begriffes Familie für
die Soziale Arbeit. Zu diesen zählen neben den Sorgebeziehungen in der Familie,
auch die Generationsbeziehungen und die Sozialisation der Kinder. Wie im
Familienideal der bürgerlichen Kleinfamilie finden sich in allen Familienformen
wechselseitige Sorgebeziehungen. Neben der dominierenden Sorgebeziehung
zwischen Eltern und Kind, gibt es noch die der Eltern untereinander, sowie die
Sorgebeziehung im späteren Leben zwischen den erwachsenen Kindern und ihren
Eltern. Nicht zu unterschätzen sind auch die Sorgebeziehungen zwischen
Großeltern und ihren Enkelkindern und umgekehrt. Es lassen sich drei
Dimensionen von Sorge unterscheiden. Sind die Bereiche der Gesundheit und
Ernährung beispielhaft für die körperliche Sorge, ist die emotionale Zuwendung,
Bildung und Erziehung Ausdruck der Sorge um das seelische und geistige Wohl
der Familie. Die letzte Dimension wird als materielle Sorge bezeichnet, also die
Sorge um Wohnraum, Nahrungsmittel oder Kleidung. Die innerfamilialen
Sorgebeziehungen werden auch als ein informelles Sorgeverhältnis verstanden.
Im Gegensatz zur formellen Sorgetätigkeiten, welche durch Soziale Dienste
1 Familie
geleistet
11
werden,
beruht
die
informelle
Sorgetätigkeit
auf
emotionalen
Beziehungen. Des Weiteren werden diese alltäglich wie auch beiläufig ohne
formale
Prüfung
lebenslang
erbracht.
Da
dies
auch
Bestandteil
von
Paarbeziehungen und anderen solidarischen Formen des Miteinanderlebens ist,
bedarf es noch dem Abgrenzungsmerkmal der Generationsbeziehung für die
Begriffsbestimmung von Familie (vgl. Uhlendorff/ Euteneuer/ Sabla 2013, S. 4245). Ein zentrales Merkmal für Familie ist die Zusammengehörigkeit zweier
Generationen in Form einer Eltern-Kind-Beziehung. Aus der Sicht des Kindes ist
es die Herkunftsfamilie und aus der Perspektive der Eltern die Eigenfamilie.
Außerhalb der Kernfamilie, bestehend aus Eltern und Kind oder Kindern, gibt es
noch weitere Generationsbeziehungen in einer Familie (vgl. Wolf 2012, S. 89).
Sind Eltern primäre Erziehungsinstanz für die Kinder, wirken auf ihre Sozialisation
auch die Großeltern, Tanten und Onkel bedeutsam ein (vgl. Uhlendorff/
Euteneuer/ Sabla 2013, S. 45). Darauf aufbauend lässt sich für die Soziale Arbeit
folgende Definition von Familien herausstellen: „Familien sind potentiell auf Dauer
gestellte Lebensgemeinschaften, die durch mehrgenerationale Beziehungen
geprägt sind und bei denen die wechselseitige informelle Sorge um das
körperliche, emotionale und geistige Wohl im Zentrum steht. Familien tragen zur
Erziehung und Sozialisation der Kinder im Wesentlichen bei.“ (Uhlendorff/
Euteneuer/ Sabla 2013, S. 43).
2 Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH)
12
2 Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH)
[von Kohls/Nastola]
Unter der SPFH ist ein Form der Hilfe zur Erziehung zu verstehen bei der eine
Sozialpädagogische Fachkraft eine Familie in der Regel zu Hause aufsucht, um
ihr dort begleitend, unterstützend und beratend in verschiedenen Belangen des
alltäglichen Lebens zur Seite zu stehen, damit die Familie der Ort bleibt oder wird,
an dem Kinder und Jugendliche ihrem Wohl entsprechend aufwachsen können
(vgl. Gut 2014, S. 13).
2.1 Rechtliche Einbettung
[von Kohls/Nastola]
Seit 1991 ist die SPFH als Pflichtaufgabe im Kinder- und Jugendhilfegesetz
(KJHG) verankert. Die SPFH ist im § 31 des achten Sozialgesetzbuches (SGB)
geregelt. Sie ist Teil des ambulanten Angebotes der Hilfe zur Erziehung (vgl.
Schmidt 2007, S. 8).
Die Grundlage der Hilfe zur Erziehung bildet der § 27 SGB VIII. Danach hat ein
Personensorgeberechtigter Anspruch auf Hilfe bei der Erziehung eines Kindes
oder Jugendlichen, wenn er eine Erziehung dem Wohl des Kindes entsprechend
nicht gewährleisten kann und die Hilfe notwendig und geeignet ist (vgl. Nomos
Gesetze 2015, S. 1738). Somit ist Hilfe zur Erziehung als Präventivmaßnahme zur
Vermeidung oder Abwendung von Kindeswohlgefährdung zu sehen. Verwurzelt ist
dieser Grundgedanke in den Aussagen des § 1 SGBVIII, welcher als Leitnorm des
gesamten achten Sozialgesetzbuches zu verstehen ist (vgl. Wolf 2012, S. 141).
Denn: „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und
auf
Erziehung
zu
einer
eigenverantwortlichen
und
gemeinschaftsfähigen
Persönlichkeit.“ (Nomos Gesetze 2015, S. 1730). Aus diesem Grund stellt der
Bereich der Hilfe zur Erziehung in den §§ 28 bis 35 SGB VIII verschiedene
ambulante, teilstationäre und stationäre Hilfeformen bereit, die zur Unterstützung
oder Ersetzung der Erziehungsverantwortung der Personensorgeberechtigten
dienen.
In Form einer aufsuchenden Familienarbeit mit Alltags- und Lebensweltbezug
richtet sich die SPFH an die gesamte Familie (vgl. Gut 2014, S. 16). Im Gesetz
wird
sie
als
intensive
Begleitung
und
Betreuung
der
Familie
in
Erziehungsaufgaben und der Bewältigung des Alltages sowie in Prozessen der
2 Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH)
13
Krisen- und Konfliktlösungen beschrieben. Weiter heißt es im ersten Satz des § 31
des achten Sozialgesetzbuches, dass Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten und der
Kontakt zu Institutionen und Ämtern zu unterstützen ist. Dem Gesetzgeber war es
auch wichtig hervorzuheben, dass diese Form der Hilfe zur Erziehung eine
ambulante Intensivhilfe darstellt, die die Mitarbeit aller Familienmitglieder erfordert
(vgl. Nomos Gesetze 2015, S. 1739). Wie bei allen Erziehungshilfeformen nach §
27 SGB VIII wird den Personensorgeberechtigten nur auf Antrag die Hilfe unter
den schon beschriebenen Voraussetzungen gewährt (vgl. Wolf 2012, S. 145).
Sind jedoch die Eltern nicht in der Lage oder nicht gewillt, das Wohl ihres Kindes
zu gewährleisten, tritt der staatliche Erziehungsauftrag in Kraft. Das in Art. 6, Abs.
2, S. 2 Grundgesetz (GG) begründete Wächteramt des Staates erlaubt es, in
klarer Nachrangigkeit gegenüber dem Erziehungsprimat von Eltern, in solchen
Fällen einzugreifen (vgl. Richter 2013, S. 31). Bekannt werden diese Fälle dem
Jugendamt oft durch Fremdmeldung, beispielsweise durch Kindergärten oder
Nachbarn. Wenn in einem gemeinsamen Gespräch mit der Familie keine Einigung
stattfindet, wird den Personensorgeberechtigten unter Androhung der teilweisen
oder umfassenden Sorgerechtsentziehung die SPFH aufoktroyiert (vgl. Gut 2014,
S. 13).
Zieht
man
einen
Erziehungsberatung
Vergleich
(§
28),
zwischen
Soziale
den
ambulanten
Gruppenarbeit
Angeboten
(§
29),
Erziehungsbeistandschaft (§ 30) und der Sozialpädagogischen Familienhilfe (§ 31)
so wird deutlich, dass die SPFH die einzige Hilfeform ist, die sich an die gesamte
Familie richtet. Das heißt, dass durch die aufsuchende Form und vielfältigen
Zuständigkeits- und Aufgabenbereiche ein enorm starker Bezug zur Lebenswelt
der Eltern, Jugendlichen und Kindern vorgesehen ist (vgl. Gut 2014, S. 21).
2 Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH)
14
2.2 Ziele der SPFH
Das Hauptziel, die Hilfe zur Selbsthilfe stellt eine zentrale Aussage im
Gesetzestext dar. In den Anfängen hatte die SPFH noch das vorrangige Ziel, eine
kostspieligere
Fremdplatzierung,
vor
allem
die
Heimunterbringung
bei
kinderreichen Familien, zu verhindern. Heutzutage nutzt man sie auch zur
Begleitung
von
sorgerechtlichen
Verfahren
oder
zur
Unterstützung
der
Reintegration von Kindern in die Familie nach vorangegangener Fremdplatzierung
(vgl. Schattner 2007, S. 593-594). Allgemein ist das Ziel jeder SPFH, dass die
Familie am Ende der Hilfeleistung in der Lage ist, ihren Alltag selbständig zu
meistern (vgl. Schmidt 2007, S. 8).
2.3 Aufgaben der SPFH
[von Kohls/Nastola]
Vor dem Hintergrund der Ziele der SPFH besteht die Hauptaufgabe darin, die
Familie in der Bewältigung ihres Alltags lebensweltorientiert zu befähigen, ihre
Alltagsprobleme, familialen Konflikte und Krisen zu bearbeiten. Dadurch sollen
Eltern in die Lage versetzt werden ihre Kinder adäquat zu versorgen. Neben den
Aufgaben im innerfamilialen Raum dient die SPFH auch der Stärkung und
Stabilisierung des familialen Netzes (vgl. Rätz/ Schröer/ Wolff 2014, S. 143-144).
Verwirklicht werden diese Hilfen beispielsweise durch Erziehungs- und Partneroder Einzelberatung, Anleitung bei der Haushaltsbewältigung oder durch
Begleitung zu Behörden und Institutionen (vgl. Jordan/ Maykus/ Stuckstätte 2012,
S. 207).
Grundsätzlich lassen sich vier Handlungsdimensionen hervorheben. Die erste
Handlungsdimension
beinhaltet
die
Arbeit
entlang
der
Familiendynamik.
Beispielhaft hierfür sind Lösungsversuche von Partnerkonflikten, Förderung der
familialen Kommunikation oder die Verbesserung der Eltern-Kind-Beziehung, etwa
durch
die
Anleitung
beim
gemeinsamen
Spielen.
Die
Hilfe
bei
der
Haushaltsführung und der Anstoß zur Gesundheits- und Ernährungsfürsorge oder
neuen
Strukturierung
des
Alltags
sind
Beispiele
für
die
zweite
Handlungsdimension, also die Unterstützung bei lebenspraktischen Aufgaben.
Kennzeichnet die dritte Dimension Aufgaben, wie Arbeits- und Wohnungssuche
oder Schuldenregulierung zur Verbesserung der materiellen Grundlage der
Familie, dienen die Aufgaben der vierten Handlungsdimension der Förderung von
2 Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH)
Außenkontakten
und der
sozialen
Netzwerkarbeit. Innerhalb
15
der vierten
Handlungsdimension lassen sich drei Aufgabengebiete unterscheiden. Zum einen
soll die Familie bei der Kontaktaufnahme mit anderen Institutionen zum Beispiel
Kirchengemeinden unterstützt werden, zum anderen soll die Begleitung der
Organisation von Zusatzhilfen zur Entlastung der Familie führen. Diese können
unteranderem Nachhilfeangebote für Schulkinder oder Babysitting sein. Der dritte
Aufgabenbereich sieht die Hilfe bei der Integration in Sportvereine oder
Pfadfindergruppen, also Angebote des sozialen Nahraums vor.
Neben diesen Aufgaben der Fachkraft ist die Grundvoraussetzung für eine
gelingende SPFH die aktive Mitarbeit der Familie. Begründet liegt diese Aufgabe
darin, dass die SPFH auf Hilfe zur Selbsthilfe abzielt und die Familie als den
Lebensort von Kindern und Jugendlichen versteht (vgl. Gut 2014, S. 15-16). Aus
diesem Grund sieht sich die SPFH heute als eine aufsuchende Form der Hilfe zur
Erziehung, in der sozialpädagogische Fachkräfte die Familien in ihrer Wohnung
aufsuchen und dort mit allen Familienmitgliedern intensiv arbeiten (vgl. Rätz/
Schröer/ Wolff 2014, S. 143).
2.4 Adressaten der SPFH
[von Kohls/Nastola]
Die SPFH richtet sich an Familien, die eine Erziehung entsprechend dem Wohl
des Kindes oder des Jugendlichen nicht gewährleisten können (vgl. Schattner
2007, S. 593).
In den vergangenen Jahren ist deutlich geworden, dass es Familien gibt die mehr
und Familien die weniger durch die Hilfeform der SPFH angesprochen werden.
Die SPFH richtet sich primär an Familien mit massiven Einzelkrisen wie Trennung,
Krankheit oder Arbeitsverlust. Durch diese Belastungssituationen können Eltern
mit der Erziehung der Kinder in Verbindung mit den Aufgaben des Alltags
überfordert sein (vgl. Rothe 2013, S. 17). Dem gegenüber stehen Familien, die in
verschiedenen, sich gegenseitig beeinflussenden Lebenskrisen, wie hoher
Kinderzahl und Arbeitslosigkeit, stecken. Besonders jedoch Familien mit extremen
Strukturkrisen, zum Beispiel einem gewalttätigen oder suchtkranken Elternteil,
werden von der Hilfe der SPFH selten nachhaltig berührt (vgl. Jordan/ Maykus/
Stuckstätte 2012, S. 208-209). Denn nur durch einen vorausgehenden oder
parallelen Entzug bei einer starken Alkohol- oder Drogenproblematik ist die
2 Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH)
16
Begleitung durch die SPFH sinnvoll (vgl. Rothe 2013, S. 17). Darum sind sie meist
ungeeignet für diese Form der Hilfe zur Erziehung. Generell lässt sich aber
festhalten, dass SPFH mit dem Beginn der Familienkrise einsetzen sollte, da die
Motivation und die Chancen auf Veränderung noch sehr hoch eingeschätzt
werden können. Auch sind die Probleme in der Regel noch nicht so tiefgreifend
und Folgeproblematiken haben sich oftmals noch nicht ergeben (vgl. Jordan/
Maykus/ Stuckstätte 2012, S. 209). In den letzten Jahren, werden jedoch
zunehmend Familien begleitet, die durch traumatisierende Ereignisse in ihrer
eigenen Lebensgeschichte geprägt wurden (vgl. Rothe 2013, S. 17).
In der Fachliteratur werden für die Adressaten der SPFH ganz unterschiedliche
Begrifflichkeiten verwandt, von „Familien in Krisen“ über „Problem- oder
Multiproblemfamilien“
bis
hin
zu
als
„arme
Familien
in
gravierenden
Unterversorgungslagen“ bezeichnet. In diesen Bezeichnungen verbergen sich
unterschiedliche Problemzuschreibungen, die auf die konzeptionelle Gestaltung
der
SPFH
Einfluss
haben.
Der
Armutsbegriff
impliziert
eine
soziale
Benachteiligung und Unterprivilegierung, also die soziale, räumliche sowie
materielle und gesellschaftliche Ausgrenzung. Ausgerichtet ist dieser Begriff auf
die soziale Gerechtigkeit und die gesellschaftliche Teilhabe der Familie. Dagegen
betont der Begriff der familialen Krisen den Blick auf die familiale Organisation
hinsichtlich ihrer innerfamilialen Belastungen, Defizite und Ressourcen und scheint
damit mehr auf die familiale Problembewältigung sowie die Hilfe zur Selbsthilfe zu
zielen. Fehlt es dem Armutsbegriff an einer innerfamilialen Perspektive der
Familie, so fehlt es dem Krisenbegriff an einer außerfamilialen Perspektive und
bedarf darum einer jeweiligen Ergänzung (vgl. Gut 2014, S. 18-19). Für Andreas
Gut sind Adressaten der SPFH „damit Familien, welche sich in gravierenden,
materiellen, sozialen und/oder seelischen Unterversorgungslagen befinden und
damit in Krisen stecken, die sie aus eigener Kraft nicht mehr bewältigen können“
(Gut
2014,
S.
19).
Ihr
Leben
ist
häufig
geprägt
durch
massive
Erziehungsprobleme, familiale Konflikte, soziale Isolation sowie Mangel an
Bildungs- und Teilhabemöglichkeiten
und
den
oft
daraus resultierenden
finanziellen Schwierigkeiten. Damit der Alltag für und mit Kindern besser gestaltet
werden kann, sind die Adressaten der SPFH auf professionelle beratende und
zupackende Hilfe angewiesen, um so ihre inner- und außerfamilialen Ressourcen
für sie zugänglich zu machen (vgl. Gut 2014, S. 19-20).
2 Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH)
17
2.5 Handlungsvielfalt in der SPFH
[von Kohls/Nastola]
Auf Grund der zuvor aufgezeigten Vielfältigkeit an Zielen, Aufgaben und
Adressaten der SPFH, bedarf die Hilfe einer auf den Einzelfall zugeschnittenen
Ausgestaltung mit einem multiperspektiven Zugang. Zu dem benötigt die SPFH
mehr als andere Hilfen zur Erziehung eine Ausrichtung auf die Lebenswelt der
Adressatenfamilie und auf das Familiensystem (vgl. Gut 2014, S. 20-21). Zudem
ist die Arbeitsweise der SPFH nicht methodisch-konzeptionell geregelt. So muss
die Fachkraft über ein umfassendes Repertoire an Handlungsmöglichkeiten
verfügen, um im Alltag der Familie zu bestehen und darüber hinaus auch wirksam
zu sein (vgl. Gut 2014, S. 25). Darum wurden in den vergangenen Jahren viele
neue Ansätze vorgeschlagen und unterschiedlichste Methodendiskussionen
geführt, um diesem Anspruch gerecht zu werden (vgl. Rätz/ Schröer/ Wolff 2014,
S. 145). In deren Folge hat sich fast überall eine Qualitätssteigerung von
Fachkräften und Hilfekonzepten durchgesetzt (vgl. Röttgen 2009, S. 81).
Daraus ist eine breite Palette methodischer Handlungsanleitungen, Modellen und
Konzepten entstanden. Man unterscheidet Konzepte mit einem umfassenden
Geltungsanspruch für die Soziale Arbeit von Konzepten, die direkt auf die SPFH
zugeschnitten sind. So finden die Konzepte der Lebensweltorientierung oder der
systemischen Sozialarbeit in fast allen Bereichen der Sozialen Arbeit Anwendung.
Wohingegen Konzepte, wie das Heidelberger Modell von Marga Rothe,
versuchen, genaue Handlungsanleitungen für den Alltag mit der Familie zu geben.
Der Entwurf dieser Konzepte beruht zum Teil auf intensiven Forschungsarbeiten,
Erfahrungsberichten, eigener Praxiserfahrung und Herleitung aus benachbarten
Fachbereichen. Diesen Konzepten gemein ist der Versuch, Beratungsanteil,
lebenspraktische Hilfe und die unterschiedlichen Interaktionsformen geordnet in
Verbindung zu bringen. Prinzipiell sind die Handlungskonzepte jedoch nur auf
Teilbereiche oder spezifische Problematiken von Familien ausgelegt und
beschreiben so nur einen Teilprozess innerhalb der Hilfe. Der Sozialpädagogische
Familienhilfeprozess besteht also aus verschiedenen Konzepten. Dies ermöglicht
variable Perspektiven auf die Problemlagen der Familie und fördert so ein
kreatives Miteinander von Familie und Fachkraft. Aus der Kombination dieser
konzeptionellen Orientierung, der Person der Fachkraft mit ihrer persönlichen
Begabung und Vorlieben und der Familie mit ihrer Familienkultur und ihren
2 Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH)
Erwartungen,
entsteht
eine
kaum
18
zu
greifende
Vielfältigkeit
des
Familienhilfeprozesses (vgl. Gut 2014, S. 25-26).
Anders formuliert mit den Worten von Johannes Röttgen, ergibt sich die Vielfalt
der Hilfeformen aus der Vielfalt der Lebenswelten (vgl. Röttgen 2009, S. 82). „Eine
standardisierte „evidence based SPFH“ ist vielleicht der Traum einiger
Verantwortlicher, für Familien und Helfer ist es eher ein Albtraum.“ (Röttgen 2009,
S. 82), so die Auffassung von Johannes Röttgen.
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
19
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
[von Kohls/Nastola]
Die Polyglotte Kommunikation ist für Müller der theoretische Ausgangspunkt für
die Determinierung seiner Vorstellung von drei Dimensionen in der SPFH. Dabei
ergeben sich für ihn die drei relevanten Dimensionen der Adressaten als
Individuen, Adressaten in ihren spezifischen sozialen Milieus sowie Adressaten
und die gesellschaftlichen Teilsysteme. Das Theoriekonzept der Polyglotten
Kommunikation, also der Vielsprachigkeit der Sozialen Arbeit, vertritt die
Annahme, dass ein Sozialarbeiter in der Lage sein muss, unterschiedliche
Sprachen zu bedienen. Das Konzept unterscheidet die Milieukommunikationen
und die funktionalen Kommunikationen (vgl. Müller 2010, S. 208).
Milieukommunikationen als akteursbezogene Kommunikationsweisen Sozialer
Arbeit differenzieren sich auf zwei Ebenen. Auf der Subjektebene werden die
Adressaten Sozialer Arbeit in ihrer Subjektivität als individuell begriffen. Hauptziel
ist es darum, einen Zugang zu den Adressaten als Subjekte in ihren Eigenlogiken
zu finden. Dabei muss es der Fachkraft gelingen, eine kommunikative
Anschlussfähigkeit an alle akteursbezogenen Positionierungen im sozialen Raum
herzustellen. Öffnet die Subjektebene damit den Zugang zu den Adressaten in
ihrer akteursbezogenen Einzigartigkeit, bietet die Ebene des Ortes einen Zugang
zu den sozialen Milieus und ihren Unterschieden. Ort meint in diesem
Zusammenhang
die
realen
Sozialbezüge
und
Bedingungen,
welche
als
Bezugssystem und Grundlage für die Handlungen der Adressaten dienen. Das
Milieu ist somit ein Ort des Spracherwerbs und deren Anwendung. Aus
kommunikationstheoretischer Perspektive ist der Ort als ein sprachlicher Markt zu
verstehen, der durch die zwei Elemente, grammatikalische Korrektheit und
Distinktion, geprägt ist. Auf dem sprachlichen Markt entscheidet nicht die
grammatikalische Genauigkeit, sondern das sich Verstehen über soziale
Akzeptanz oder Ablehnung. Die Aufgabe der Fachkraft liegt dementsprechend
darin, die diversen sozialen Milieus als individuelle Kommunikationsorte mit
eigenen
Milieukulturen
zu
ergründen
und
sich
ihrer
Korrektheit
und
milieuspezifischen Distinktion anzupassen. Folglich muss sich die Fachkraft einer
auf das Milieu bezogenen, angemessenen und korrekten Kommunikationsform
bedienen. Denn dies bildet die Grundlage für die Gestaltung einer professionellen
soziokulturell anschlussfähigen Hilfeleistung (vgl. Müller 2008, S. 269-275).
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
Unter
funktionaler
Kommunikation
20
sind
Inklusions-
und
Exklusionskommunikationen in Hinsicht auf die Teilsysteme der modernen
Gesellschaft zu verstehen. Die kommunikativen Anforderungen liegen dabei
neben dem kommunikativen Anschluss an die Teilsysteme der Gesellschaft auch
in
der multidimensionalen
Hilfekommunikation
Sozialer
Arbeit.
Diese
ist
zweicodiert, also enthält sowohl die binäre Codierung des jeweiligen Teilsystems
als auch den binären Code – Hilfe/Nichthilfe – der Sozialen Arbeit (vgl. Müller
2008, S. 279). Darauf wird in diesem Kapitel noch vertiefend eingegangen.
Beruhend auf die beschriebenen Bereiche Polyglotter Kommunikation Sozialer
Arbeit
lassen
sich
drei
allgemeine
Perspektiven
benennen,
die
die
Kommunikationen innerhalb der Praxis Sozialer Arbeit prägen. Diese Perspektiven
sind Akteur, Milieu sowie Gesellschaftssysteme (vgl. Müller 2010, S. 209).
3.1 Adressaten als Individuen
[von Kohls/Nastola]
In diesem Abschnitt des dritten Kapitels wird vor dem Hintergrund der
lebensweltorientierten Sozialen Arbeit auf die Gedanken Müllers zur Dimension
der Adressaten als Individuen eingegangen.
3.1.1 Lebensweltorientierte Soziale Arbeit
Das Konzept der Lebensweltorientierung ist nicht nur ein Rahmenkonzept
sozialpädagogischer Theorieentwicklung in der Sozialen Arbeit, sondern auch eine
der grundlegenden Orientierungen sozialpädagogischer Handlungspraxis (vgl. Gut
2014, S. 69). Lebensweltorientierung bietet somit einen Rahmen für die
Bestrebungen der Sozialen Arbeit, der es erlaubt, unterschiedliche praktische und
theoretische Entwicklungen miteinander zu verbinden. Konkretisiert findet sich
dieses Konzept beispielsweise im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) oder
dem achten Jugendbericht (vgl. Thiersch/ Grunwald/ Köngeter 2002, S. 161).
Neben diesen rechtlichen und sozialpolitischen Rahmenbedingungen spielt die
Lebensweltorientierung
eine
große
Rolle
in
sozialpädagogischen
Handlungskonzepten, institutionellen Programmen und Modellentwicklungen.
Um den Begriff der Lebenswelt fassen zu können, unterscheidet man vier
Grunddimensionen. Diese sind die erfahrene Zeit, der erfahrene Raum, die
sozialen Bezüge sowie die alltäglichen Bewältigungsaufgaben. Die erfahrene Zeit
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
21
meint die Lebensphasen der Adressaten der Sozialen Arbeit und die damit
einhergehenden Entwicklungs- und Bewältigungsaufgaben. Der erfahrene Raum
meint die diversen Lebensorte, in denen sich die Adressaten aufhalten und in
welchen sie zurechtkommen müssen. Unter den sozialen Bezügen sind die
verschiedenen sozialen Gefüge, wie Familie, Freundschaften, Peergroups,
Arbeitsbeziehungen oder die Schule zu verstehen. Vor dem Hintergrund der schon
genannten Dimension zeigt die Bewältigungsarbeit die Kompetenzen und Stärken
der Adressaten auf, die aus der Auseinandersetzung mit den jeweiligen
spezifischen Lebensbedingungen entstanden sind. Alle vier Dimensionen haben
gemein, dass sie sowohl die tatsächlichen Lebensverhältnisse als auch die daraus
resultierenden subjektiven Erfahrungen der Adressaten umfassen (vgl. Gut 2014,
S. 69). Darum ist das Konzept der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit ein
wesentlicher Zugang zu den Problemlagen ihrer Adressaten (vgl. Thiersch
Grunwald/
Köngeter
2002,
S.
167).
Anders
formuliert
bedeutet
eine
Lebensweltorientierung in der Sozialen Arbeit, den Adressaten mit seinen
Verhältnissen, seinen Ressourcen, seinen vorenthaltenen Partizipationschancen
sowie seinen Schwierigkeiten im Alltag sichtbar zu machen, um so einen
„gelingenden Alltag“ zu realisieren (vgl. Gut 2014, S. 70). Jedoch lässt sich Alltag
nicht mehr in Form einer allgemeingültigen Kategorie definieren. Die Veränderung
unserer Gesellschaft durch Industrialisierung und Technisierung hat das
Alltagleben stark beeinflusst (vgl. Lambers 2013, S. 105). Der Alltag unserer
modernen
Gesellschaft
ist
geprägt
durch
das
Spannungsfeld
von
Individualisierung und Pluralisierung. Lebenslagen, die Adressaten heutzutage
vorfinden, sind gekennzeichnet durch eine unendliche Pluralität von Strukturen
und Lebensbedingungen (vgl. Gut 2014, S. 70). Darüber hinaus haben
traditionelle Muster der Lebensführung innerhalb der Generationsfolge kaum noch
Bedeutung (vgl. Lambers 2013, S. 105). Dadurch ergeben sich neue und offenere
Möglichkeiten
der
Lebensführung.
Die
aus
dieser
Pluralisierung
und
Individualisierung entstehende Vielfältigkeit an Lebensmöglichkeiten ist zeitgleich
als Chance und Risiko zu verstehen. Diese Chance auf eine individualisierte
Lebensweise birgt das Risiko, gezwungen zu sein, die Gestaltung und
Orientierung seines Lebens selbständig und ohne Vorgaben zu realisieren. Alltag
ist demnach komplex, widersprüchlich und nur schwer durchschaubar. Hans
Thiersch, der Begründer des Konzepts der Alltags- und Lebensweltorientierung
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
22
beschreibt den Alltag als „pseudokonkret“, doppelsinnig und ambivalent. Das
heißt, dass durch die vorgegebenen Strukturen einerseits Sicherheit vermittelt wird
und andererseits diese verengend und entfremdend wirken und oft durch soziale
Ungleichheit geprägt sind. Für die Soziale Arbeit bedeutet dies, dem Adressaten
mit seinen Verhältnissen, seinen unterschiedlichen lebensweltlichen Deutungen
und Erfahrungen wie auch seiner eigensinnigen Lebensgestaltung mit Respekt zu
begegnen.
Gleichzeitig
ist
den
unhinterfragten
Gegebenheiten
und
Handlungszwängen mit Motivation und wohlwollender kritischer Provokation zu
begegnen. Beides kann jedoch nur auf der Basis einer auf Aushandlung
beruhenden
gleichwertigen,
miteinander
interagierenden
anwaltschaftlichen
Partnerschaft geschehen (vgl. Gut 2014, S. 70-72).
Neben
den
schon
dargestellten
Dimensionen
manifestiert
sich
die
lebensweltorientierte Soziale Arbeit in Struktur- und Handlungsmaximen (vgl.
Thiersch/ Grunwald/ Köngeter 2002, S. 173). Die fünf Strukturmaximen auch als
Handlungsleitlinien bezeichnet sind Prävention, Alltagsnähe, Regionalisierung,
Integration und Partizipation, an Hand derer Soziale Arbeit transparent gemacht
und strukturiert werden kann.
Die Maxime der Prävention unterteilt sich in allgemeine und spezielle Prävention
(vgl. Gut 2014, S. 74-75). Die allgemeine Prävention beabsichtigt die
Stabilisierung und Inszenierung unterstützender und belastbarer Infrastrukturen
sowie
die
Stabilisierung
und
Bildung
allgemeiner
Lebensbewältigungskompetenzen und darüber hinaus eine gute Erziehung und
gerechte Lebensverhältnisse (vgl. Thiersch/ Grunwald/ Köngeter 2002, S. 173).
Ferner beabsichtigt die spezielle Prävention ein rechtzeitiges Handeln in
definierten Arbeitssettings wie beispielsweise der Jugendhilfe. Sie soll also
verhindern, dass anfängliche Schwierigkeiten zu massiven Krisen werden. Das
bedeutet, dass Hilfeangebote realisiert und bereitgehalten werden, die im Vorfeld
eine
Antwort
auf
erwartete
Lebenskrisen
beziehungsweise
Überforderungssituationen geben können. Dabei muss eine Balance zwischen
einer Bagatellisierung von Schwierigkeiten durch eine Entstigmatisierung sozialer
Probleme und einer überspitzten Kontrolle, aufgrund der hohen Sensibilität
Sozialer Arbeit, für die Gefährdung und Risiken ihrer Adressaten hergestellt
werden.
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
23
Die Handlungsleitlinie der Alltagsnähe setzt voraus, dass jegliche Hilfeform an der
Lebenswelt der Adressaten orientiert und in ihr präsent ist. Folglich müssen die
Angebote der Sozialen Arbeit niedrigschwellig und erreichbar sein und darüber
hinaus offen, situationsbezogen und ganzheitlich an den unterschiedlichen
Problemen der Adressaten orientiert sein. Ergänzend dazu ist auf die subjektiven
Erfahrungen und Deutungen der Adressaten respektvoll zu reagieren und nicht
eine vermeintlich objektiv richtige Problemlösung zu postulieren.
Die Regionalisierung, die Dezentralisierung und Vernetzung zielt darauf ab, dass
Soziale Arbeit neue Hilfeformen dezentral vor Ort entwickelt und die bereits vor
Ort befindlichen Einrichtungen und Angebote miteinander vernetzt. Hierdurch soll
der Zugang zu den Angeboten der Sozialen Arbeit für den Adressaten erleichtert
werden
und
die
Rolle
der
Sozialen
Arbeit
vor
Ort
gestärkt
sowie
Kooperationsbeziehungen entwickelt werden.
Integration in der Sozialen Arbeit versteht sich im Spannungsfeld der Akzeptanz
gegenüber der Normalität abweichender Lebensentwürfe und der Anpassung der
Adressaten an die gesellschaftlichen Normvorstellungen. Des Weiteren steht sie
vor der Aufgabe, den hohen Ansprüchen einer gelingenden Integration vor den
tatsächlich häufig begrenzten Möglichkeiten der Realisierung gerecht zu werden.
Die letzte Strukturmaxime, die der Partizipation verlangt eine vielfältige
Mitbestimmung und Beteiligung der Adressaten an der Realisierung und Planung
des Hilfeprozesses. Mittels einer offenen und gemeinsamen Gestaltung von
Handlungsprozessen und der Institutionalisierung der unterschiedlichen Formen
von Teilhabe, sollen die Adressaten in ihren Mitbestimmungsrechten gestärkt
werden und sich als handelnde Subjekte erfahren. Besonders für die Kinder- und
Jugendhilfe besteht oft die Gefahr, dass die Partizipationsmöglichkeiten von
Familien, Jugendlichen und Kindern übersehen werden und man sie stattdessen
mit eigenen Vorstellungen der Hilfegestaltung überfordert.
Die
beschriebenen
fünf
Strukturmaximen
sind
sowohl
zentrale
Orientierungspunkte als auch Zielperspektiven lebensweltorientierter Sozialer
Arbeit. Darum sind sie stets in Verbindung miteinander zu sehen und können nur
gemeinsam realisiert werden. Innerhalb der einzelnen Angebote sozialer Arbeit
findet jedoch eine unterschiedliche Gewichtung dieser statt.
Geeignete Methoden zur Realisierung der Strukturmaximen sind nicht genau
festgeschrieben, sondern unter den Handlungsmaximen Planen, Einmischen,
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
24
Aushandeln und Reflektieren in dem Begriff der „strukturierten Offenheit“
zusammengefasst (vgl. Gut 2014, S. 75-77). Die Handlungsmaxime des Planens
und Vernetzens beschreibt das Koordinieren und Vernetzen der vielfältigen
Angebote
und
Arbeitsfelder
der
Sozialen
Arbeit,
um
ein
gegen-
und
nebeneinander zu minimieren, damit Kräfte nicht unnötig verbraucht werden.
Einmischen im Bereich der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit setzt aktive und
beständige Erweiterung des Zuständigkeits- und Aufgabenbereiches voraus, um
so ihrem Selbstverständnis und ihrer Aufgaben entsprechend anwaltschaftlich für
ihre
Adressaten
Lösungsstrategien,
einzutreten.
Regeln
Darüber
und
hinaus
sollen
Organisationsformen
Problemdeutungen,
in
gemeinsamen
partnerschaftlichen Gesprächen ausgehandelt werden. Aushandlung heißt, im
persönlichen Umgang fair miteinander zu verhandeln, aber gleichwohl in der
Sache hart zu diskutieren. Dabei gibt es eine klare Differenzierung der
Sachverhalte, die im unterschiedlichen Maße verhandelbar sind (vgl. Schoch
2015, Internetquelle). Grundvoraussetzung für jedes berufliche Tun in der
Sozialen Arbeit ist jedoch deren Reflexion vor dem Hintergrund persönlicher
Motive, Erfahrungen und Deutungsmustern, um das eigene Handeln kritisch zu
überdenken und fachlich weiterzuentwickeln. Nur so ist eine stetige fachliche
Professionalisierung und Qualitätssicherung in der Sozialen Arbeit zu garantieren.
Alle Handlungsmaxime zusammengefasst unter dem Begriff der „strukturierten
Offenheit“ zeigen, dass lebensweltorientierte Soziale Arbeit auf der einen Seite
nicht planbar ist, jedoch auf der anderen Seite methodisch geklärte Zugänge
unverzichtbar sind. Das bedeutet, dass die Offenheit des sozialpädagogischen
Handelns stets auf eine zielorientierte Problemlösung gerichtet ist (vgl. Gut 2014,
S. 77-78). Die lebensweltorientierte Soziale Arbeit sieht sich damit der ständigen
Herausforderung gegenüber, die tatsächliche Lebenslage der Adressaten von
ihrer subjektiven Lebenswelt zu unterscheiden (vgl. Gut 2014, S. 82).
3.1.2 Adressaten und ihre Lebenswelt
Um die Adressaten der SPFH als Subjekte in ihrer Individualität zu zeigen, ist laut
Müller das Theoriekonzept der Lebensweltorientierung besonders geeignet.
Bezugspunkte der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit sind für ihn die erfahrene
Zeit, der erfahrene Raum und die sozialen Bezüge der Adressaten, in deren
Wechselwirkungen zu einander. Jedoch bezieht sich Müller nur auf Teile dieses
Theoriekonzeptes und vernachlässigt beispielsweise die Handlungsmaximen. Aus
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
25
seiner Sicht sind diese für die SPFH zwar von hoher Relevanz, aber in einigen
Punkten führen sie zu Unschärfen in der Betrachtung der Hilfesituation.
Die erfahrene Zeit meint nicht die allgemeingültigen Zeiteinheiten wie Stunden,
Tage oder Wochen, sondern die Zeiteinheiten, die einen individuellen Eigensinn
vom
Subjekt
bekommen.
Verdeutlicht
wird
dies
von
Müller
anhand
individualisierter Tagesabläufe und der biografischen Zeit. Tagesabläufe sind
individualisiert durch die jeweiligen Begründungszusammenhänge, also die
individuelle Erklärung für die spezifische Zeitstruktur eines jeden Adressaten.
Weiter ist die erfahrene Zeit an der Gestaltung und den Anforderungen der
Individuen orientiert und plausibilisiert sich letztendlich im Individuum selbst.
Anders ausgedrückt ist Zeit vom Eigensinn des Akteurs geprägt und damit
individualisiert. Von besonderer Bedeutung für eine gelingende SPFH ist, dass die
Begründung für die zeitliche Strukturierung nie vom Individuum getrennt zu werten
ist.
Erfahrungsgemäß
läuft
eine
Fachkraft
so
Gefahr,
die
individuelle
Zeitgestaltung der Adressaten falsch zu deuten oder ihnen gar zu unterstellen,
keine Tagesstruktur vorweisen zu können. Solch eine Vernachlässigung der
lebensweltorientierten Sichtweise auf die erfahrene Zeit ist schon deshalb
abwegig, weil es nicht möglich ist, für die eigene Tagesstruktur keine individuellen
Begründungzusammenhänge zu haben. Die biografische Zeit, also die individuelle
Interpretation der Lebenszeit, ist ebenso individualisiert. Gemeint ist damit eine
Selbstplausibilisierung der eigenen Lebensereignisse, um diesen einen Sinn zu
geben. Lebensereignisse beschreiben bestimmte Lebensabschnitte, welche mit
individuellen Erfahrungen verbunden sind und das weitere Leben durch deren
individuellen Bedeutungen für den Adressaten prägen. Die Bedeutungsinhalte
können zwar im Verlauf des Lebens neu interpretiert werden, bleiben aber
dennoch prägend und eigensinnbezogen. Anhand dessen zeigt sich, dass hohe
Individualisierungspotenzial dieser Perspektive. Somit ist unvorstellbar, dass zwei
Individuen die gleiche Interpretation und Plausibilisierung für ihre biografische Zeit
aufweisen und sie darüber hinaus gleichermaßen prägt.
Räume oder Orte in ihrer individuellen und subjektiven Darstellung beschreiben
die Perspektive des erfahrenen Raums. Individualität im Lebensraum zeigt sich
zum einen in verschieden individuell geprägten Orten und zum anderen durch die
Bedeutung dieser Orte für die Adressaten. Die Adressaten sehen sich der
Aufgabe gegenüber, mit sich und für sich selbst die verschiedenen Orte ihres
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
26
Lebensraums zu plausibilisieren. Daraus ergibt sich auch eine individualisierte
Bedeutungszuschreibung für die verschiedenen Orte, des Weiteren kann ein und
derselbe
Ort
für
unterschiedliche
Menschen
verschiedene
Bedeutungszuschreibungen haben. Kann für ein Kind die Schule zuvorderst ein
Ort sein, um Freunde zu treffen, wird sie beispielsweise von den Eltern primär als
ein
Ort
der
Bildungsvermittlung
verstanden.
Eine
Pluralisierung
an
Bedeutungszuschreibungen kann, neben dem eben beschriebenen, auch durch
ein
Individuum
selbst
geschehen.
Neben
der
primären
Aufgabe
der
Bildungsvermittlung des Ortes Schule, kann dieser für die Eltern auch ein Ort sein,
an dem sie andere gleichgesinnte Eltern treffen. Daraus resultiert schließlich die
Aufgabe für die Fachkraft, den Lebensraum der Adressaten mit seinen
spezifischen Orten und deren Bedeutungen für sie, zu verstehen. In diesen
beschriebenen Orten agieren die Adressaten in sozialen Bezügen. Darunter ist ein
Geflecht sozialer Verhältnisse mit Potenzialen, aber auch Belastungen zu
verstehen.
Hervorzuheben
ist,
dass
soziale
Beziehungen
abhängig
von
individuellen und wechselseitigen Bedeutungszuschreibungen und Bewertungen,
der in den sozialen Bezügen befindlichen Akteure, sind. Folglich können zwei
Akteure einen ganz unterschiedlichen Stellenwert, aufgrund ihrer individuellen
Bewertung und Bedeutungszuschreibungen, füreinander haben. Die Arbeit der
Fachkraft sollte aus diesem Grund stets an den Zuschreibungen der Adressaten
für ihre Beziehungspartner anschließen.
Nach Müllers Ansicht handelt die lebensweltorientiere Soziale Arbeit mit dem
Respekt vor der Alltäglichkeit der Adressaten und versucht, an deren
lebensweltliche Deutung von sozialen Bezügen, Raum und Zeit anzuknüpfen.
Damit eine gemeinsame Strukturierung von Raum, Zeit und sozialen Bezügen für
alle Familienmitglieder möglich ist. Wichtig ist dabei, dass das Individuum sich als
Subjekt seiner Verhältnisse erfahren kann, um so eigene Kompetenzen zur
Bewältigung
der
Offenheit
und
den
Widersprüchlichkeiten
unserer
individualisierten und pluralisierten Gesellschaft zu entwickeln (vgl. Müller 2010, S.
209-214).
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
27
3.2 Adressaten in ihren spezifischen sozialen Milieus
[von Kohls/Nastola]
Im folgenden Abschnitt wird die besondere Bedeutung der Familie als
Herkunftsmilieu für die Adressaten der SPFH, auf der Grundlage
der
systemischen Sichtweise auf Familie, herausgearbeitet.
3.2.1 Systemische Sicht auf Familie
Eine systemische Perspektive beschreibt die Verbindung einzelner Teile zu einem
System, die dieses wechselseitig und wiederholt beeinflusst. Jedes System weist
spezifische Merkmale und wiederkehrende Muster auf, welche das System
typisieren sowie organisieren und geprägt sind durch Phasen von Wandel und
Stabilität. Das System der Familie meint mehr als nur die bloße Beschreibung der
Personenzugehörigkeit. Bezugspunkt sind vielmehr die vorhersagbaren und
wiederkehrenden Interaktionsmuster einer Familie. In diesen spiegeln sich neben
der Zugehörigkeit auch die Hierarchien und Spannungen innerhalb der Familie.
Gleichzeitig können die Interaktionsmuster als Bedeutungsträger für Verhalten und
Beziehungen verstanden werden (vgl. Minuchin/ Colapinto/ Minuchin 2000, S. 2834). Um einen Zugang zum Familiensystem zu erlangen, ist es wichtig, diese
Interaktionsmuster zu erkennen und in ihrer Bedeutung zu verstehen (vgl.
Goldbrunner 1996, S. 18). Denn die meisten Familien weisen vielfältige Muster
von
Allianzen
auf.
Allianzen
bestehen
aus
emotional
eng
miteinander
verbundenen Familienmitgliedern, die sich wechselseitig stützen. Eine andere
Form der Allianz ist solche, die von Familienmitgliedern geschlossen wird, um sich
in
Form
einer
Koalition
oppositionell
gegen
andere
Familienmitglieder
zusammenzuschließen. Arten dieser Koalition sind häufig nur von kurzer Dauer
und relativ harmlos. Allianzen und Koalitionen sind Musterbeispiele für die
Organisation von Machthierarchien innerhalb der Familie. Allgemein definieren
Machthierarchien den familialen Weg der Entscheidungsfindung und die Kontrolle
der Verhaltensweise von Familienmitgliedern. Einen besonders relevanten Aspekt
der Familienorganisation bilden die Autoritätsmuster. In ihnen liegt sowohl das
Potenzial für Harmonie als auch für Konflikte.
Ursprünge familialer Interaktionsmuster können ganz vielfältiger Natur sein. Die
meisten sind familienspezifisch, werden also im Laufe der Zeit im familialen
Kontext entwickelt. Andere können traditionelle oder ethnische Wurzeln haben.
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
28
Durch die in den Interaktionsmustern definierten Erwartungen und Grenzen ergibt
sich ein gemeinsames familiales Wissen des Erlaubten und Nichterlaubten.
Ein weiteres Merkmal für die systemische Sicht auf Familie ist das Vorhandensein
vieler Subsysteme. Faktoren für die Bildung familialer Subsysteme sind zum
Beispiel Alter oder Geschlecht. So differenziert sich die Untereinheit der
weiblichen Familienmitglieder von der der männlichen Familienmitglieder.
Kontrolliert wird die Beziehung zwischen den einzelnen Subsystemen durch
explizite und implizite Regeln. Dabei sind die Grenzen zwischen den Subsystemen
unterschiedlich durchlässig und flexibel.
Die kleinste Einheit des Familiensystems stellt jedoch das Individuum dar als eine
separate Größe, aber doch Teil des Ganzen. Davon inspiriert ist die
Grundannahme des systemischen Ansatzes, dass jedes Familienmitglied seinen
individuellen Beitrag zur Bildung der Familienmuster leistet (vgl. Minuchin/
Colapinto/ Minuchin 2000, S. 34-38).
3.2.2 Familie als individualisiertes Herkunftsmilieu
Ein spezifisches soziales Milieu von besonderer Bedeutung für die Adressaten der
SPFH, ist nach Müller, die Familie als spezifisches Herkunftsmilieu. Die im ersten
Kapitel dieser Arbeit aufgezeigte Pluralität von Familienformen und die soeben
beschriebene Individualität von Familienmustern, lässt für Müller den Schluss zu,
dass Familie genauso wie die Menschen, die diese bilden, individualisiert zu
betrachten sind. Daraus leitet sich für Müller weiter ab, dass jede Familie eine
eigene individualisierte Familienkultur entwickelt. Der durch den Familienwandel
ausgelöste Verlust eines allgemeingültigen normativen Familienverständnisses hat
zur Folge, dass Familien heutzutage dazu verpflichtet sind, sich einen selbständig
generierten normativen Rahmen zu schaffen, der im Laufe der Zeit dynamischen
Prozessen ausgesetzt ist. Copingstrategien, so Müller weiter, bürgen die Gefahr in
sich, der Vergangenheit, aber nicht der aktuellen eigenen Familienkultur zu
entsprechen. Das fehlende adäquate transgenerationale Erfahrungswissen stellt
moderne Familien fortwährend vor die Aufgabe, die neuen Bewältigungs- und
Aneignungsleistungen selbständig zu erfüllen. Hauptziel einer solch orientierten
Familienarbeit ist es, alle Familienmitglieder wieder in die Lage zu versetzen, ein
Leben in ihrer Familienkultur führen zu können, welches zu ihnen passt. Da keine
Familienkultur einer anderen gleicht, unterscheidet sich die Familienkultur der
Fachkraft immer von der Familienkultur der Adressaten. Dies gilt es zu beachten,
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
29
damit die eigenen individualisierten Normen der Fachkraft nicht als allgemeingültig
verstanden wird, sondern das Familienmilieu der Adressaten als individuell und
gleichrangig neben anderen zu sehen ist.
In der SPFH ist in der Dimension der spezifischen sozialen Milieus die
Familienkultur von besonderer Bedeutung, weil die individuelle Kultur der Familie
erschlossen werden muss, bevor eine gelingende Intervention im Familienmilieu
vollzogen werden kann (vgl. Müller 2010, S. 214-216).
3.3 Adressaten und die gesellschaftlichen Teilsysteme
[von Kohls/Nastola]
Im letzten Abschnitt dieses Kapitels wird die Bedeutung der Dimensionen der
gesellschaftlichen Teilsysteme für die Arbeit der SPFH aufgezeigt. Über die
Darstellung der Funktionsweise gesellschaftlicher Teilsysteme soll deren Relevanz
für die SPFH verdeutlicht werden.
3.3.1 Gesellschaftliche Teilsysteme
Die moderne Gesellschaft aus funktionaler Perspektive besteht aus funktional
ausdifferenzierten Teilsystemen. Dabei übernehmen die Teilsysteme, wie
beispielsweise
Erziehung
oder
Wissenschaft,
jeweils
eigene
spezifische
Gesellschaftsfunktionen und konstruieren dadurch eigene Welt-Versionen der
Gesellschaft. Dabei folgt jedes Teilsystem der Gesellschaft seiner eigenen Logik,
bezeichnet als Kontextur. Daraus resultierend gelten in der modernen Gesellschaft
verschiedene Kontexturen parallel zueinander ohne einen allgemeingültigen
kontexturalen
Systemstrukturen
gesellschaftlichen
eines
Zusammenhang.
Teilsystems
nur
intern
So
durch
können
die
systemeigene,
kommunikative Operationen aufgebaut oder verändert werden. Eine Einwirkung
der Umwelt auf das Teilsystem ist somit nicht möglich und das Teilsystem ist so
als operativ geschlossen zu verstehen (vgl. Müller 2008, S. 114-116).
Hierdurch ist es ausschließlich dem spezifischen Teilsystem möglich, seine
individuelle gesellschaftliche Funktion zu erfüllen sowie deren funktionale Leistung
zu liefern. Der funktional differenzierte, polykontexturale Charakter der modernen
Gesellschaft trägt gleichzeitig zur gesellschaftlichen Leistungsfähigkeit und auch
zum Problem der funktionalen Spezialisierung bei. Da keines der Teilsysteme in
der Lage ist, die Leistung eines anderen Teilsystems zur Verfügung zu stellen,
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
30
sind in der modernen Gesellschaft keine Orte der Leistungskompensation
vorhanden (vgl. Müller 2010, S. 217).
Aufgrund der zuvor beschriebenen operativen Geschlossenheit der Teilsysteme
werden
Umweltinformationen
ausschließlich
entlang
der
systemeigenen
Operationen verarbeitet. Darum bedarf es eines symbolisch generalisierten
Kommunikationsmediums,
um
die
hochunwahrscheinliche
Kommunikation
wahrscheinlicher zu machen. Diese generalisierten Medien sind stets binär
codiert. Der binäre Code beschreibt zwei entgegengesetzte Werte in einem
strikten Entweder-Oder-Schema und schließt auf dieser Ebene (vgl. Müller 2008,
S. 119-121). Nach dieser Logik hat zum Beispiel das Teilsystem Erziehung das
generalisierte Medium – Lebenslauf – mit dem binären Code „gute/schlechte
Zensuren“ oder das Teilsystem der Wissenschaft das generalisierte Medium –
Wahrheit – mit dem binären Code „Wahrheit/Unwahrheit“ (vgl. Müller 2008, S.
123). Die als Leitdifferenz zu verstehenden binären Codes der Teilsysteme
bestimmen entweder die gesellschaftliche Teilhabe oder den gesellschaftlichen
Ausschluss, auch als Inklusion und Exklusion bezeichnet.
Dabei sind alle Teilsysteme der Gesellschaft auf All-Inklusion ausgerichtet.
Gemeint ist damit, dass die spezifische Leistung eines Teilsystems generell allen,
ungeachtet ihrer sozialen Herkunft, zusteht (vgl. Müller 2010, S. 217).
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
31
3.3.2 Inklusion und Exklusion der Adressaten in beziehungsweise aus
den gesellschaftlichen Teilsystemen
Aus der zuvor aufgezeigten Sichtweise sind Menschen Adressaten von
Kommunikationen. Darüber hinaus inkludieren sie über Kommunikationen in die
gesellschaftlichen Teilsysteme. Die Inklusion in die gesellschaftlichen Teilsysteme
realisiert sich durch eine auf den positiven Wert des binären Codes ausgerichtete
Kommunikation. Für das Teilsystem der Wissenschaft bedeutet Inklusion eine
Ausrichtung der Kommunikation auf ihren positiven Wert – Wahrheit. Weiter ist es
möglich, zeitgleich in verschiedene funktionale Teilsysteme der Gesellschaft
inkludiert zu sein. Der Modus der Inklusion beschreibt die Teilnahmechancen und
-bedingungen für die Teilsysteme der modernen Gesellschaft. Zudem gibt es aber
keine einheitliche Regelung für Inklusion, da durch den operational geschlossenen
Charakter der Teilsysteme alleinig die Entscheidung für Inklusion oder Exklusion
durch die jeweiligen funktionssystemspezifische Kommunikationen vorgegeben
wird.
Dementsprechend
wechseln
Kommunikationen
in
der
modernen
Gesellschaft zwischen den gegensätzlichen Werten des binären Codes. Dies
bildet die Grundlage für das Switschen in unterschiedliche Teilsysteme der
Gesellschaft. Da in der modernen Gesellschaft die Inklusion prinzipiell temporären
Charakters ist, wird Exklusion dringend notwendig. Anders formuliert kann die
Inklusion in ein beliebiges Teilsystem auch die Exklusion aus einem anderen
bedeuten. Somit kann Exklusion ein Nebeneffekt von Inklusion sein. Im
Unterschied dazu bürgt eine polykontexturale Gesellschaft auch die Gefahr eines
dauerhaften Ausschlusses von einzelnen Teilsystemleistungen, bis hin zu einer
Exklusionsverkettung mit dem Risiko eines Gesamtausschlusses von den
Systemleistungen der Gesellschaft.
Die Bedeutung für die Soziale Arbeit liegt dabei in dem Umstand begründet, dass
eine Inklusion der Adressaten in die gesellschaftlichen Teilsysteme nicht durch
sie, sondern durch die jeweiligen Funktionssysteme selbst bestimmt wird. Wenn
ein Adressat außer Stande ist, in funktional relevanter Weise mit dem Teilsystem
zu kommunizieren, besteht keine Möglichkeit des Leistungsbezuges vom
Teilsystem, auch dann nicht, wenn es für den zu inkludierenden Adressaten
lebensnotwendig ist (vgl. Müller 2010, S. 218-219). Die Soziale Arbeit ist damit ein
sekundäres Teilsystem, welches als transdisziplinäres Zwischensystem zu
begreifen ist. In ihrer intermediären Position kann Soziale Arbeit darum
3 Dimensionen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
kommunikative
Übergänge
zu
allen
für
den
32
Hilfeprozess
notwendigen
Teilsystemen der modernen Gesellschaft herstellen (vgl. Müller 2008, S. 278).
Daraus ergeben sich für die Arbeit der SPFH folgende Aufgaben. Zunächst sollte
der Inklusions- beziehungsweise Exklusionsgrad des Adressaten anhand des
Empfangens oder Nichtempfangens von Leistungen der modernen Gesellschaft
festgestellt werden. Anschließend gilt es zu überprüfen, ob Inklusionsbeziehungsweise Exklusionsgrad dem entsprechen, was sich die Adressaten
vorstellen und anstreben oder gegebenenfalls den Vorstellungen der Adressaten
entsprechend angepasst werden muss. Ergänzend ist zu erschließen, ob
bestimmte Inklusionen oder Exklusionen vorliegen, welche von den Adressaten in
Form einer Belastung wahrgenommen werden und darüber hinaus einer
Veränderung bedürfen. Im Rahmen der SPFH sollen Adressaten daher bei ihrer
Findung des eigenen Verhältnisses zur Gesellschaft Unterstützung erfahren. Die
SPFH beschreibt dabei einen Prozess der Hilfe, der die Adressaten befähigt, auf
die von ihnen benötigten sowie ihnen zustehenden Systemleistungen zuzugreifen.
Dabei ist der Bezugspunkt für die Fachkraft immer die normative Vorstellung von
gesellschaftlicher Teilhabe der Adressaten (vgl. Müller 2010, S. 219-220).
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
33
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen
Familienhilfe
[von Kohls/Nastola]
Konzepte im Kontext der Sozialen Arbeit sind Handlungsmodelle, die Inhalte,
Ziele, Methoden sowie Techniken sinnvoll miteinander verbinden. Methoden als
unverzichtbare Teilaspekte von Konzepten beschreiben den im Voraus geplanten
Verlauf des Hilfevorgehens. Techniken wiederum sind unverzichtbare Bausteine
von Methoden. Sie geben Antworten auf Detailprobleme, welche während des
methodischen Vorgehens entstehen können.
So sind Konzepte der Sozialen Arbeit manchmal nicht genau von Methoden und
Methoden nicht genau von Techniken zu unterscheiden. Darüber hinaus lassen
sich in der Sozialen Arbeit drei Arten von Konzepten ausmachen. Das sind neben
den Theoriekonzepten, wie Lebensweltorientierung auch Vor-Ort-Konzepte,
beispielsweise spezielle Konzepte von Beratungsstellen und Praxiskonzepte, wie
dem systemischen Ansatz in der Arbeit mit Familien (vgl. Uhlendorff/ Euteneuer/
Sabla 2013, S. 161-162). Für die SPFH im Speziellen ergibt sich eine weitere
Unterscheidung
von
Konzepten,
welche
entweder
einen
umfassenden
Geltungsanspruch für die Soziale Arbeit haben und damit auch das Arbeitsfeld der
SPFH einschließen oder direkt auf die SPFH ausgerichtet sind (vgl. Gut 2014, S.
25).
4.1 In Bezug auf die Adressaten als Individuen
[von Kohls/Nastola]
In diesem Abschnitt der Arbeit werden exemplarisch zwei Konzepte vorgestellt, die
einen Zugang zu den Adressaten als Individuen in der SPFH ermöglichen können.
Im daran anschließenden Zwischenfazit wird die Bedeutung der vorgestellten
Konzepte für die Betonung der Individualität der Adressaten herausgestellt.
4.1.1 Eltern-AG
[von Nastola]
Die Eltern-AG ist ein auf Prävention ausgerichtetes Programm zur Förderung der
Erziehungskompetenz der Eltern auf dem Gebiet der frühen Erziehung sowie
Bildung (vgl. Armbruster 2006, S. 230).
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
34
4.1.1.1 Merkmale
In erster Linie richtet die Eltern-AG ihren Blick auf Eltern mit sozialer
Benachteiligung,
wie
beispielsweise
Armut,
Migrationshintergrund,
soziale
Deprivation und Bildungsferne. Das Konzept ist durchgängig auf sämtliche
Bereiche der Arbeit mit Eltern, hinsichtlich seiner Empowerment-Methodik,
ausführbar. Darüber hinaus setzt die Eltern-AG einen wesentlichen Schwerpunkt
auf die Menschen, die bereits Kinder im Alter zwischen null und sechs Jahren
haben beziehungsweise erwägen, eine Familie zu gründen. Weiterhin ist diese
Spezialisierung durch zwei Grundannahmen folgendermaßen gekennzeichnet.
Einerseits geht man davon aus, dass die Eltern in der frühen Familienphase sehr
aufgeschlossen gegenüber sämtlichen Interventionen, gerade im Umgang mit
ihren Kindern, sind. Andererseits wird davon ausgegangen, dass innerhalb der
ersten Jahre die menschliche Entwicklung im Zuge der Gehirnreifung am
grundlegendsten bestimmt sowie geprägt wird (vgl. Armbruster 2006, S. 25-26).
Weiterführend ist die Aktivierung des stetig gleichberechtigten Handelns der Eltern
ein wesentliches Merkmal der Eltern-AG und öffnet somit einen Zugang zu bislang
unbekannten Betrachtungsweisen, Handlungsmöglichkeiten wie auch Talenten.
Aufgrund der alltäglichen Vorurteile und Muster sowie durch die negativen
Kognitionen und Emotionen wird infolgedessen der Bereich Erziehung mithilfe der
Fokussierung auf das Eltern-Kind-Thema von neuem reflektiert. Durch das in den
Mittelpunkt
rücken
des
Eltern-Kind-Themas
werden
Handlungs-
und
Wissensstrukturen neu organisiert und die Ausbildung von Kompetenzen
einschließlich Selbstvertrauen gestärkt.
Empowerment ist ein wichtiger Bestandteil, um implizites Lernen und ein
Gespräch auf Augenhöhe zu ermöglichen. Beispielhaft hierfür ist, dass Eltern
innerhalb der Gruppe anfangen, sich wechselseitig zu ermutigen. Dies braucht
keine ausdrückliche Steuerung. Angesichts der ausgeprägten Reflektion des
Elternseins wird ein Zugang zu neuen Rollen und Kompetenzen in den sozialen
Stützsystemen sowie in der Erziehung und ebenso innerhalb der Familie
geschaffen.
Ferner hat die Eltern-AG den Leitgedanken des „Lernens durch Tun“, zudem ist
die Eltern-AG ein diskursiver Gruppenansatz. Ebenfalls ein wesentlicher Punkt der
Eltern-AG ist die gegenseitige Anerkennung und Gleichberechtigung der Personen
untereinander, hier geht man generell davon aus, dass zwischen ihnen eine
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
35
sachliche Kommunikation erreichbar ist. Aufgrund dessen ist es möglich, dass in
sämtlichen
Angelegenheiten
alle
Eltern
als
eigenständige
Personen
Mitspracherecht haben, auch wenn es sich auf das Thema Erziehung bezieht.
Randgruppeneltern wählen hinsichtlich ihrer tatsächlichen Lebenswelt sowie ihrer
Lebensgeschichte eher angepasste und rationale Lösungen des Problems. Diese
unterscheiden sich formell und auch inhaltlich von denen der Mittelschichtseltern.
Die Abhängigkeit der Menschen von ihrer Umwelt und natürlich voneinander ist
Grundlage für die Idee der Eltern-AG. Grundsätzlich wird allen Menschen
zuerkannt, dass sie nach Ganzheit und Selbstverwirklichung streben. Jegliche
Lebensentwürfe erscheinen einzigartig und subjektiv, da jedes Individuum sich
seine eigene Wirklichkeit entwirft. Gleichwohl werden durch soziale und politische
Umbrüche eben Eltern beziehungsweise Familien aus sozial benachteiligten
Verhältnissen in ihren lebensnotwendigen Rechten beschnitten sowie an den
gesellschaftlichen Rand gedrängt. Zuvorderst sind dafür Ausschlussprozesse der
Gesellschaft ursächlich und nicht ihr spezifisches Versagen oder ihre eigenen
Defizite. Dennoch ist jedes Individuum für sich und für die Gesellschaft
verantwortlich.
Ein
zentrales
Ziel
der
Eltern-AG
ist
es,
den
sogenannten
Modernisierungsverlierern die Möglichkeit auf gesellschaftlicher Teilhabe zu
bieten. Die Eltern-AG bestärkt die Eltern darin, sich konstruktiven Lösungen
zuzuwenden. Außerdem ermutigt sie im Wesentlichen dazu, für die Kinder und für
sich selbst Verantwortung zu übernehmen (vgl. Armbruster 2006, S. 29-31).
4.1.1.2 Adressaten
Ausnahmslos jeder Mensch kann Adressat von Eltern-AG sein, also der beruflich
mit Eltern zusammenarbeitet, der Kinder erzieht oder mit ihnen den Alltag
bestreitet. Der Ansatz der Eltern-AG ist prädestinierter für die Arbeit mit Eltern, die
einen geringeren Bildungsstand aufweisen und einkommensschwächer sind als
die
durchschnittliche
Bevölkerung.
Weitere
Merkmale,
die
für
eine
Zusammenarbeit sprechen, sind unter anderem Eltern, denen nicht so viele
Ressourcen zur Verfügung stehen, deren Wohnverhältnisse schlecht sind und
deren
Kinder
oftmals
Verhaltensauffälligkeiten
sowie
Entwicklungsdefizite
aufweisen (vgl. Armbruster 2006, S. 32).
Zudem wurden vier Zielgruppen für die Eltern-AG benannt. An erster Stelle steht
die Zielgruppe der werdenden Mütter und/oder Väter, an zweiter die Eltern mit
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
36
Kindern im Krippenalter bis zu drei Jahren sowie die dritte Zielgruppe der Eltern
mit Kindern im Kindergartenalter bis zu sechs Jahren und abschließend die
Zielgruppe der Eltern mit Kindern im Schuleintrittsalter. Außerdem werden
genauere Personenkreise in der Zielgruppe bestimmt. So richtet sich die ElternAG zum Beispiel gezielt an bildungsferne und sozial benachteiligte Familien wie
auch an Familien, die aus Staaten stammen mit weniger guten politischen und
sozioökonomischen Verhältnissen (vgl. Armbruster 2006, S. 233).
4.1.1.3 Ablauf
Die Aktivitäten der Eltern-AG werden immer in zwei Teilabschnitte gegliedert, zum
einen in die Vorlaufphase zur Eltern-Akquise und zum anderen in die Initial- und
Konsolidierungsphase.
Die Vorlaufphase dauert etwa 6 Wochen. Zu Beginn der Phase betreiben die zwei
Mentoren eine Art Feldforschung. Anschließend werden Gespräche mit relevanten
Multiplikatoren in der Region und im Stadtteil sowie mit wichtigen sozialen
Institutionen geführt, welche die örtlichen Umgebungsbedingungen und die
unterschiedlichen Gruppen der Bevölkerung sehr gut kennen. Diese potenziellen
Kooperationspartner werden mit dem Eltern-AG-Programm vertraut gemacht.
Um Zugangsbarrieren zu vermindern, werden in einem zweiten Schritt innerhalb
der Eltern-Akquise die möglichen Adressaten der Eltern-AG direkt vor Ort
angesprochen. Eine Vielzahl der Eltern haben negative Erfahrungen mit Schulen,
Sozialarbeitern oder mit dem Jugendamt gemacht. Aufgrund des Gefühls der
Unsicherheit und der Angreifbarkeit ist es vielen Eltern nicht möglich, sich an
offizielle Stellen zu wenden. Durch ausgefallene Werbemaßnahmen, wie
beispielsweise Mitmachangebote oder Stegreif-Theater, wird die Neugier der
Eltern an einer möglichen Teilnahme geweckt. Weiterhin erfahren die Eltern, dass
die Eltern-AG streng vertraulich und kostenfrei ist. Wenn zehn Eltern die Kriterien
einer bestimmten Zielgruppe erfüllen, wie beispielsweise Migrationshintergrund,
soziale Benachteiligung oder Bildungsferne, so kann umgehend mit der Bildung
der Eltern-AG-Gruppe begonnen werden. Daraufhin folgt ein Gespräch zwischen
den Mentoren und der neuen Gruppe, in dem der zukünftige Treffpunkt festgelegt
wird. Von fremden Umgebungen und langen Fahrzeiten zum Treffpunkt soll
Abstand genommen werden, da es den Eltern der Gruppe unter Umständen Angst
macht beziehungsweise es mit einem erhöhten Zeitaufwand verbunden ist.
Außerdem wird den Eltern das Angebot unterbreitet, die Kinder während der
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
37
Treffen betreuen zu lassen. Ferner werden Eltern, die keiner Zielgruppe
angehören, über weitere Angebote in Kenntnis gesetzt und zu einem
Schnuppertermin in einer anderen Elternschule begleitet.
Die Initial- und Konsolidierungsphase besteht aus 20 Treffen der Eltern-AGGruppe. Jedes Treffen setzt sich zusammen aus je zwei Gruppenstunden à 45
Minuten. Vorbereitet und geleitet wird die Eltern-AG von zwei Mentoren. Hier wird
aus Gender-Gesichtspunkten darauf geachtet, dass möglichst ein Mann und eine
Frau die Anleitung übernehmen. Dies soll als Modell dienen und eine Vater- und
Mutteridentifikation zulassen. Zudem werden durch die Mentoren unter Beachtung
der datenschutzrechtlichen Aspekte alle Treffen der Eltern-AG dokumentiert und
evaluiert.
Mit der Initialphase beginnt die Eltern-AG, diese umfasst zehn Treffen. Die
Initialphase
hat
ihre
Schwerpunktlegung
klar
in
der
Förderung
einer
Gruppenidentität, der Herausbildung von geordneten Abläufen innerhalb der
Gruppe, wie auch die Bearbeitung von Gruppen- und Erziehungsregeln. Inhaltlich
richten sich die Treffen allumfassend an den Bedürfnissen sowie den Interessen
der Eltern aus. Daneben übernehmen die Mentoren eine begleitende Rolle auf
Augenhöhe, damit zwischen den Eltern ein Austausch angeregt wird. Hier ist zu
bemerken, dass die Eltern in der Initialphase noch sehr stark von den
Anweisungen
der
Mentoren
abhängig
sind,
mehr
noch
als
in
der
Konsolidierungsphase. Diese Anweisungen sind wesentlich für die Strukturierung
und die Rahmung des dreigliedrigen Ablaufes der Eltern-AG.
Die Konsolidierungsphase umfasst weitere zehn Treffen, in denen bei gleicher
Strukturierung die Möglichkeit besteht, dass die Eltern die Art und Weise der
Treffen mehr und mehr in ihre eigenen Hände nehmen. Sie können somit ihre
neugewonnenen Erfahrungen der ersten zehn Treffen dafür nutzen, mehr
Verantwortung für die Gruppe zu übernehmen. Davon ausgehend dient diese
Vorbereitung dazu, die Eltern-AG-Gruppe nach Beendigung der zwanzig Treffen
eigenständig
weiterzuführen.
Darüber
hinaus
werden
außerdem
weitere
Angebote, wie zum Beispiel Feste und Ausflüge, Spielenachmittage mit den
Kindern sowie Aktionstage, auf Wunsch der Eltern durchgeführt.
Abschließend fertigen die Mentoren nach den 20 Treffen einen Abschlussbericht
an. Inhaltliche Punkte sind in diesem Bericht der Ort, Teilnehmerzahl, Verlauf der
Eltern-AG, Ergebnisse sowie Empfehlungen aber auch Reflexion, Hinweise
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
38
bezugnehmend auf die Nachhaltigkeit, Vernetzungsaspekte und die geplanten
Aktivitäten im Anschluss der Maßnahme (vgl. Armbruster 2006, S. 37-39).
4.1.1.4 Zeitliche Einordnung
Die Frage nach der zeitlichen Einordnung kann wie folgt beantwortet werden. Die
Eltern-AG
ist
nicht
in
eine
andere
umfangreiche
Maßnahme
integriert
beziehungswiese eingeflochten, sondern ein eigenständiges Projekt. Da die
Eltern-AG in einzelnen Schritten abläuft, findet sie in einem zeitlichen Rahmen, mit
Beginn der Vorlausphase bis zum Ende der 20 Treffen der Eltern-AG-Gruppe, von
circa 6 Monaten statt. Die Mentoren übernehmen mit Beendigung der Eltern-AG
die Patenschaft für die sich verselbständigte Gruppe der Eltern (vgl. Armbruster
2006, S. 231).
4.1.1.5 Vorteile und Chancen
In erster Linie kann man festhalten, dass mittels der besonderen Methodik und der
Elternwerbung die Eltern-AG ihre angestrebte Zielgruppe uneingeschränkt
erreicht. Der wesentlichste Vorteil der Eltern-AG ist es, dass der Ansatz auf
sämtliche Bereiche einer niedrigschwelligen sowie nachhaltigen Erziehungs- und
Elternarbeit übertragbar ist. Die enorme Bandbreite des Anwendungsgebietes des
Konzeptes erstreckt sich von der Erziehung und frühen Bildung bis hin zur
Elternarbeit in der Berufsschule oder Sekundarstufe II. Ein weiterer Vorteil ist es,
dass nicht nur sozial benachteiligte Eltern die Adressaten der Eltern-AG sind, die
von den Empowerment-Techniken profitieren können, sondern auch alle anderen
Eltern. Ferner kann das Konzept auf verschiedene Fragestellungen und
verschiedene Altersgruppen übertragen werden (vgl. Armbruster 2006, S. 240241). Durch die gewichtigen Vorteile des Eltern-AG-Konzeptes ergeben sich
unterschiedlichste Chancen für die Adressaten. Durch die verschiedenen
Methodiken können die Eltern lernen, ruhiger mit ihren Kindern umzugehen,
weiterhin treten dadurch weniger Konflikte beziehungsweise Reibungen zwischen
den Kindern und ihnen auf. Letztendlich ist zu konstatieren, dass die Adressaten
durch die Nutzung ihrer Möglichkeiten eine andere Wahrnehmung erlangen und
damit Veränderungen erkennen. Sie erleben sich kompetenter als in der
Vergangenheit und können anderen Personen und sich selbst Hilfe geben (vgl.
Armbruster 2006, S. 240).
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
39
4.1.2 Dialogisches ElternCoaching
[von Kohls]
Dialogische ElternCoaching und Konfliktmanagement zielt darauf ab, Eltern in
ihren Erziehungs-, Sorge- und Förderaufgaben gegenüber ihren Kindern zu
stärken und zu unterstützen. Anwendung findet dieses Bildungskonzept für Eltern
und Fachkräfte besonders in den Bereichen der ambulanten und stationären Hilfe
zur
Erziehung
aber
auch
in
der
Familien-
und
Erziehungsberatung,
Familienbildung, Kindertageserziehung, oder in den frühen Hilfen (vgl. Wolff/ Stork
2012, S. 8).
4.1.2.1 Merkmale
Das von Reinhard Wolff entwickelte Konzept Dialogisches ElternCoaching und
Konfliktmanagement ist das Ergebnis Jahrzehnte langer Forschung und Praxis. Im
Mittelpunkt des Interesses stand dabei neben den Fragen zur allgemeinen
Erziehung, vor allem die Frage nach einer gewaltfrei und respektvoll gelingenden
Beziehung von Eltern und Kindern. Dem folgend ist ElternCoaching eine von
vielen Antworten Wolffs auf die Frage nach der Gestaltung eines gelingenden
Miteinanders in unserer modernen Gesellschaft. Grundlage seiner Arbeit ist dabei
stets die Sichtweise auf den Menschen an seinen sozialen Orten mit seinen je
spezifischen Logiken (vgl. Müller 2009, S. 105). Wobei in der heutigen Zeit das
Mikro-System jeder Familie umringt ist von diversen professionellen MesoSystemen, wie etwa schulischer Bildung oder den verschieden professionellen
Beratungsarrangements, und politisch-ökonomischen sowie kulturellen MakroSystemen im nahen oder entfernteren Umfeld.
Daraus ergibt sich einer der grundlegendsten Eckpunkte des Konzepts des
Dialogischen
ElternCoachings
und
Konfliktmanagements,
nämlich
die
Grundannahme, dass Erziehungskompetenz ein komplexes Gefüge aus sozialen
und personalen Fähigkeiten ist und alle Eltern, wenn auch nicht immer
allumfassend, über diese verfügen (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 20-22). Darüber
hinaus ist Elternkompetenz nicht nur ein personengebundenes Konstrukt, sondern
zeigt sich vielmehr in den tatsächlichen sozialen Zusammenhängen und ist so an
Motivationen und vor allem Beziehungen gebunden. Somit ist sie als ein implizites
Wissen zu verstehen (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 14). Aus diesem Grund steht
Elternbildung im allgemeinen und das Konzept Dialogisches ElternCoaching und
Konfliktmanagement im Besonderen vor der Aufgabe, die Kompetenzen, Ideen
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
40
und Wünsche der Eltern zu ergründen, sie hervorzuheben und sie so nutzen zu
können. Dadurch wird es möglich, dass die Familie etwas von der Fachkraft lernt,
aber gleichzeitig die Fachkraft andersherum auch etwas von der Familie lernt.
Dabei soll es nicht wie sonst üblich so sein, dass Experten eines Fachbereiches
die Eltern beraten, bilden oder fördern geschweige denn belehren, sondern das
Professionelle Fachkräfte und Eltern, oft Klienten der Kinder- und Jugendhilfe,
Lerngemeinschaften bilden. Diese werden von neutralen und unabhängigen
Fachkräften des Coachings begleitet. Die dadurch entstehende Triangulation wirkt
sich entwicklungsfördern auf den Prozess des Dialogischen ElternCoachings und
Konfliktmanagements aus. Das Konzept ist also darauf ausgelegt, dass alle
Beteiligten ihre Erfahrungen und Fertigkeiten einbringen können und damit im
Wechsel
sowohl
Lehrende
als
auch
Lernende
sind.
Das
Dialogische
ElternCoaching und Konfliktmanagement folgt dabei den drei Grundorientierungen
Dialog-Prinzip,
demokratische
Erziehung
und
der
ökologischen
Entwicklungsförderung.
Das
Dialog-Prinzip
ist
dabei
ein
essentielles
Merkmal
der
kommunikationstheoretischen Grundausrichtung des Konzeptes. Dem DialogPrinzip zur Folge, ist der gesamte kommunikative Kontext frei von jeglicher
Bewertung und kategorialer Beurteilung (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 21-23). Anders
formuliert, der Dialog ermöglicht als methodisches Kernstück des Konzeptes eine
vorurteilsfreie
Begegnung
von
Individuen
ohne
die
Unterscheidung
in
Weiterbildungsteilnehmer und Leiter beziehungsweise Trainer oder gar Klient und
Professioneller, also der Dialog in einer Ich-Du-Beziehung geführt werden kann.
So entsteht im Dialog ein neuer Möglichkeitsraum, soziale Verhaltensweisen
umzugestalten und in Verbindung mit einer beständigen Anpassung neue
Sachlagen entstehen zu lassen (vgl. Müller 2009, S. 106-107). Das Ziel des
Dialog-Prinzips ist es also, durch die Einbindung der externen Fachkräfte des
Coachings einen Möglichkeitsraum für Eltern und Fachkräfte zu schaffen. Dieser
offene Dialog ermöglicht einen gemeinsamen Neuanfang durch die eigene
Selbstveränderung. Denn so kann es gelingen, neue Wege der erfolgreichen
Förderung und Unterstützung sowie Bildung und Erziehung der Kinder zu
beschreiten.
Von zentraler Bedeutung für die Ausrichtung des Konzeptes entlang einer
demokratischen Erziehung ist die Annahme, dass zunächst einmal alle Beteiligten
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
41
Subjekte im demokratischen Rechtsstaat und Träger von Menschenrechten sind.
In diesem Rahmen sind bestimmte Rechte und Pflichten von Kindern und
Erwachsen
verankert.
Das
ist für das Dialogische
ElternCoaching
und
Konfliktmanagement insofern von Bedeutung, weil diesen Rechten und Pflichten
neben der Partnerschaft, dem Dialog und der Aushandlung abweichender
Interessen und Sichtweisen eine hohe Beachtung und Wertschätzung zuteilwird.
Demokratische Erziehung meint in diesem Kontext, dass alle Fragen, Wünsche
und Bedürfnisse von Kindern, Erwachsenen sowie der Gesellschaft gesehen,
verstanden und anerkannt werden, um danach kritisch beantwortet zu werden. Es
muss sich also von der allgemein gültigen Annahme frei gemacht werde, dass
Autoritätskonflikte zwischen Eltern und Kindern stets aus fehlender Grenzsetzung
resultieren und vielmehr in Betracht gezogen werden, dass sie auch Ergebnis der
autoritären Erwartungen an das zu gehorchen habende Kind ist.
Mit der ökologischen Entwicklungsförderung wird der Fokus auf die gemeinsame
Analyse der familialen Umwelten und den Übergängen zwischen ihnen und der
Familie gelegt. Von handlungspraktischen Ratschlägen abstandnehmend werden
Unterstützungspartner
gesucht,
Übergänge
geplant
und
die
Gestaltung
innerfamilialer und extra-familialer Umwelten gefördert (vgl. Wolff/ Stork 2012, S.
24-28).
Damit ist das Dialogische ElternCoaching und Konfliktmanagement als ein
Konzept zu sehen, welches methodisch zwischen Unterrichten und Lehren auf der
einen Seite und Beratung und Therapie auf der anderen Seite zu verorten ist, den
Eltern so zur Weiterentwicklung des Verständnisses für das eigene Verstehen und
das Verstehen der Anderen verhelfen kann und damit die Förderung der SelbstEntdeckung betont (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 32).
Insgesamt versteht sich das Dialogische ElternCoaching und Konfliktmanagement
als eine Möglichkeit der Weiterentwicklung der Elternarbeit und ganz besonders
der Elternbildungsarbeit im Bereich der Hilfe zur Erziehung. Die Anwendung des
Konzepts ist aber auch in anderen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit möglich
und erwünscht (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 115).
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
42
4.1.2.2 Adressaten
Da das Konzept versucht, Themen der Kinder- und Jugendhilfe, sowie es für
Coachings im allgemeinen gültig ist, in Werkstätten zu behandeln, richtet sich das
Konzept in erster Linie an Eltern, welche Leistungen der Kinder- Jugendhilfe in
Anspruch nehmen (vgl. Müller 2009, S. 107). Gerade in Familien in sozial
benachteiligten Lebenslagen und akuten Konflikten sowie Krisen sehen sich Eltern
vermehrt der Aufgabe gegenüber, gleichzeitig mit mehreren professionellen
Fachkräften arbeiten zu müssen. Deshalb sieht das Konzept Dialogisches
ElternCoaching und Konfliktmanagement vor, möglichst all diese professionellen
Fachkräfte aus den unterschiedlichsten Bereichen für ein gemeinsames Coaching
zu begeistern (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 22). Somit ist es von besonderer
Wichtigkeit, dass bereits im Vorfeld ein Gespräch zwischen den Eltern und
Fachkräften des ASD sowie Fachkräften der freien Träger geführt wird (vgl. Müller
2009, S.107). Die Fachkräfte des Coachings organisieren nach diesem Gespräch
den kommunikativen Raum der jeweiligen Werkstätten, in denen in der Regel
zwischen 30 und 35 Beteiligte in einer Lerngruppe zusammenarbeiten (vgl. Wolff/
Stork 2012, S. 33). Damit können Eltern im Rahmen ihrer Lerngruppe von und mit
anderen Eltern, den diversen Fachkräften und den Fachkräften des Coachings
lernen und umgekehrt (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 22).
4.1.2.3 Aufbau
Das Dialogische ElternCoaching und Konfliktmanagement besteht aus vielen
einzelnen Werkstätten. Dabei ist der Katalog nicht abgeschlossen, sondern kann
durch im Coaching neu entstehende Inhalte und Schwerpunkte sowie deren
Bearbeitung ergänzt werden (vgl. Müller 2009, S. 108). Die schon beschriebenen
Lerngemeinschaften werden in diesen Werkstätten von den Fachkräften des
Coachings entlang des entwickelten Materials auf den unterschiedlichen
methodischen Ebenen angeleitet. Gleichzeitig vermitteln sie die notwendigen
wissenschaftlichen Erkenntnisse, stellen Forschungsergebnisse anschaulich vor
und erklären deren Relevanz, um für ein genaueres Verständnis in familialen
Erziehungs- und Beziehungsfragen der Beteiligten zu sorgen. Im Folgenden
werden nun wesentliche Werkstätten kurz vorgestellt (vgl. Wolff/ Stork 2012, S.
33).
Üblicherweise beginnt das Elterncoaching mit der Elternwerkstatt. Häufig und zur
großen Überraschung der Eltern geht es damit erst einmal nicht um die Kinder,
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
43
sondern um sie (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 37). Elternwerkstatt bietet den
Teilnehmern die Möglichkeit, ihre eigene Familie zu entschlüsseln und
darzustellen (vgl. Müller 2009, S. 108). So wird den Fragen nachgegangen,
welche Fähigkeiten und Stärken sie haben, welche Pläne, Hoffnungen und
Lebensziele sie antreiben und wo sie ihre Wurzeln haben. Kurz gesagt, wer sie
sind und was sie sein wollen. Dazu bedient sich die Elternwerkstatt verschiedener
Methoden der Biografiearbeit, der Familienbildungsarbeit und der systemischen
Familienberatung (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 37). Oft fertigt jeder Teilnehmende,
nach einer allgemeinen Einführung in die Genogrammarbeit, ein drei Genrationen
umfassendes Familienschaubild der eigenen Familie an. Jenes bietet neben
allgemeinen
Strukturelementen
der
Familie
auch
einen
Einblick
in
die
Beziehungsmuster der Familienmitglieder untereinander. Mit Hilfe des erstellten
Schaubildes wird dann den anderen Teilnehmenden die eigene Familie
vorgestellt. Eine weitere Methode ist die Fotoanalyse, bei der Familienfotos
analysiert werden. Durch Fotos der Eltern können häufig Vermächtnisse
ausgemacht werden, welche die Eltern in ihre neue eigene Lebensgemeinschaft
tradiert haben. Die Gefahr dieser Tradierung besteht aber darin, auch
Ungeeignetes zu übernehmen, was einer produktiven Entwicklung der Familie im
Wege steht. Beide Methoden zielen darauf ab, die eigene Kindheitsgeschichte zu
ergründen. Untermauert wird dieser Prozess durch den vor Beginn des
Dialogischen
ElternCoachings
und
Konfliktmanagements
von
allen
Teilnehmenden verfassten Mikroartikel. In Form einer Geschichte sollen die
Teilnehmenden eine präsente Situation oder ein präsentes Thema ihrer Kindheit
aufschreiben und die sich für sie daraus ergebenden Erkenntnisse und
Schlussfolgerungen notieren. Der Mikroartikel wird dann im Verlaufe der
Elternwerkstatt der Gruppe vorgetragen und mit ihr gemeinsam analysiert. Darauf
folgt eine Erweiterung des Blickwinkels auf die Umwelt der Familie. Mittels einer
Umwelt-Karte kann das soziale Netzwerk der Teilnehmenden veranschaulicht
werden und Eigeneinschätzung der Beziehungsqualitäten vorgenommen werden.
Auf der Basis der aufgezeigten Lebenszusammenhänge und Ressourcen der
Familie kann der individuelle Entwicklungsbedarf so konkretisiert und formuliert
werden (vgl. Müller 2009, S. 108-110). Durch die vielfältigen analytischen,
verhaltenstherapeutischen, systemischen und anderen Orientierungen in der
Elternwerkstatt ist eine multiperspektivische Förderung der Eltern möglich (vgl.
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
44
Wolff/ Stork 2012, S.38). Erfahrungen haben gezeigt, dass sich schon während
der Elternwerkstatt erste Veränderungen in der Eltern-Kind-Beziehung und der
Erziehungspraxis zeigen, ohne dass diese eine Thematisierung erfährt (vgl. Wolff/
Stork 2012, S. 37). Folglich ist das Ziel der Elternwerkstatt, dass durch das
Erkennen des Familienproblems das Wohl des Kindes und der Familie gesichert
werden kann, sehr realistisch (vgl. Müller 2009, S. 110).
Das Kinderentwicklungslabor ist ein weiteres Beispiel für die Fülle an Werkstätten.
Hauptaugenmerk liegt hier jedoch auf den Kindern. Durch die bereits im Kontext
der Elternwerkstatt erwähnte Fotoanalyse, aber vor allem durch die Entwicklung
des sogenannten – Buch der Stärken – gelingt es einen neuen Blick auf die Kinder
zu bekommen. Wie der Name schon vermuten lässt, sollen die Stärken des
Kindes benannt, beschrieben und im Buch festgehalten werden (vgl. Müller 2009,
S. 110). Es geht also im ersten Schritt des Kinderentwicklungslabors um das
Erlernen eines neuen, wertfreien und offenen Blicks auf die Kinder, um dann
gezielt ihre Stärken hervorheben zu können und ein Verständnis für die kindliche
Entwicklung zu schaffe, um sie zu jeder Zeit adäquat begleiten zu können (vgl.
Wolff/ Stork 2012, S. 59). Durch diese Ressourcenanalyse der Fachkräfte wie
Eltern wird so ein Perspektivwechsel ermöglicht, weg von zumeist als defizitär
attribuierten Kindern hin zu starken Kindern mit positiver Entwicklung (vgl. Müller
2009, S. 110). Methodisch schließt das Kinderentwicklungslabor an die
Elternwerkstatt an. Es werden Chancen der multilateralen Arbeit in Klein- und
Großgruppen
genutzt
therapeutischen
Arbeit
und
mit
Methoden
Methoden
der
der
sozialpädagogischen
Bildungsarbeit
kombiniert.
und
Im
Kinderentwicklungslabor sind die Fachkräfte neben selbständig Lernenden
hauptsächlich Lernbegleiter der Eltern. Auch die Eltern nehmen eine Doppelrolle
ein, in welcher sie Lernende sind, aber zeitgleich eine beratende Rolle gegenüber
den anderen teilnehmenden Eltern einnehmen.
Eine
ganz
spezielle
Perspektive
auf
Eltern
und
Kinder
bietet
das
Konfliktmanagement. Besonders Eltern-Kind-Beziehungen, aber auch diverse
andere Generationsbeziehungen sind häufig geprägt von unterschiedlichen
Interessen, Wünschen, Absichten und gegensätzlichen Erwartungen, die nicht
selten zu Spannungen und Konflikten führen. Vor allem bei steigender oder
dauerhafter
Konflikterfahrung
nimmt
die
Bewältigungsfähigkeit
der
Konfliktpersonen kontinuierlich ab. Genau da setzt das Konfliktmanagement an
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
45
und verfolgt im Wesentlichen drei Ziele. Das erste Ziel ist es, den Eltern zu einer
differenzierten und offenen Wahrnehmung ihrer Konflikte zu verhelfen. Sprich,
eine Unterscheidung der Konflikte in eigene, derer der Kinder und gemeinsame
vorzunehmen. Dann wird mit den Eltern geübt, wie es ihnen gelingen kann,
bestehende und entstehende Konflikte zu minimieren, zu meistern und sie
produktiv zu nutzen. Damit werden die Eltern dann letztlich dazu befähigt,
fortwährend präsent zu sein ohne aus der Situation zu flüchten, um so ihrer
Verantwortung als Mutter oder Vater umfassend gerecht zu werden (vgl. Wolff/
Stork 2012, S. 95). Hilfreich sind in diesem Kontext oft Rollenspiele, da die
eigenen Konfliktsituationen thematisiert werden können und sich gleichzeitig die
Möglichkeit
ergibt,
in
der
Situation
gemeinsam
nach
neuen
Handlungsmöglichkeiten zu schauen (vgl. Müller 2009, S. 110). Alternativ dazu
wird häufig auch das offene Gespräch als Arbeitsform gewählt. Das heißt, dass
ein Teilnehmer eigene aktuelle Konflikte der Gruppe beschreibt, die zunächst die
ersten Eindrücke sammelt und eventuell noch Nachfragen stellt, bevor der
Konfliktfall systematisch aufgearbeitet wird und daran anschließende mögliche
Lösungswege diskutiert werden (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 96).
Gerahmt werden diese drei vorgestellten Werkstätten von der Elternuniversität, in
der wissenschaftliche Erkenntnisse der elementaren Themen der Elternbildung
und dieser drei Werkstätten vermittelt werden (vgl. Müller 2009, S. 111). Konkret
bedeutet das, dass den Eltern und sozialpädagogischen Fachkräften durch
Spezialisten unterschiedlichster Gebiete, Hintergrundwissen sowie die aktuellsten
Erkenntnisse vermittelt und erklärt werden. Dabei soll das gemeinsame Studium in
Verbindung
mit
einem
regen
Erfahrungsaustausch
zu
neuartigen
Handlungsorientierungen führen, die eine bessere Vernetzung der kollektiven
Arbeit realisierbar macht. Die thematischen Schwerpunkte werden zum einen von
den
Teilnehmenden
Übersichtsvorträge
selbst
und
bestimmt,
vertiefende
aber
Gespräche
auch
durch
ergänzt.
Es
allgemeine
wird
auf
Grundprobleme der heutigen Erziehungsarbeit aufmerksam gemacht und
historische Entwicklungslinien vorgestellt. Die Elternuniversität ist als innovativer
Ansatz der Erwachsenenbildung daher methodisch interaktiv, dialogisch und
kommunikativ aufgestellt (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 88-90).
Eine besondere Beachtung erfahren Eltern, die Hilfe zur Erziehung beanspruchen,
in der Werkstatt für Familienhilfe. Auf der Grundlage aller bereits erarbeiteten
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
46
Materialien wird noch einmal die jeweilige Familiensituation betrachtet und der
eigene Entwicklungsbedarf eingeschätzt. Dafür wird ein Entwicklungskalender
angefertigt, in dem selbständig von den jeweiligen Teilnehmenden eingeschätzt
wird, was sie ändern wollen, was dafür getan werden muss und in welchem
zeitlichen Rahmen das Ziel erreicht werden soll. Der Dialog eröffnet damit einen
neuen Möglichkeitsraum für die Familie, der Veränderung wieder vorstellbar
werden lässt und neue Entwicklungen anstößt (vgl. Müller 2009, S. 112).
4.1.2.4 Zeitliche Einordnung
Das Dialogische ElternCoaching und Konfliktmanagement ist ein zeitlich
anspruchsvolles Konzept. Die Teilnahme an den Werkstätten dauert meist über
ein Jahr hinaus. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass die Zeiten der Werkstätten
als Auszeiten vom hektischen Alltag verstanden werden, in der experimentiert,
studiert, nachgedacht und neuen Leuten offen begegnet werden kann. Vor allem
in Bezug auf die Erziehung und Entwicklung der eigenen Kinder ist ein
antizipiertes und zukunftsorientiertes Denken besonders wertvoll. Deshalb wird in
vielen Fällen mit Beginn dieses Konzeptes erarbeitet, was in einem Jahr erreicht
werden möchte. Das erlaubt es, nach dem Jahr einen guten Abschluss in der
Beantwortung der Fragen zu finden, wie es gelungen ist, die Ziele zu erreichen
und wer sie dabei unterstützt hat (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 34-36).
4.1.2.5 Vorteile und Chancen
Die Begegnung auf gleicher Augenhöhe wird durch Anerkennungsarbeit auf drei
Ebenen bewirkt. Zunächst wird positionale Anerkennungsarbeit geleistet durch
den vorurteilsfreien Blick auf den Menschen in seinen sozialen Milieus und den
damit einhergehenden Sichtweisen sowie seinen jeweiligen sozialen Orten.
Darüber hinaus ist dann die moralische Anerkennungsarbeit leistbar. Verstanden
wird darunter die erlebte moralische Gleichberechtigung, zum Beispiel bei der
Ideenfindung von Konfliktlösestrategien. Zuletzt bleibt noch, die emotionale
Anerkennungsarbeit hervorzuheben, die darin besteht, die Menschen in ihrer
Individualität zu akzeptieren und wertzuschätzen (vgl. Müller 2009, S. 113). Die
dadurch möglich werdende partizipatorische Zusammenarbeit von Eltern und
Fachkräften erlaubt es, die häufige Einseitigkeit der Hilfebeziehungen zu
überwinden und eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft aufzubauen (vgl.
Wolff/ Stork 2012, S. 115). Der im Dialog geschaffene Möglichkeitsraum bietet
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
47
dann die Chance einer offenen Begegnung und eines geleichberechtigten Geben
und Nehmens aller Teilnehmenden (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 16). Solche
mehrseitigen, offenen Lernarrangements profitieren und fördern zugleich die Interund Multiprofessionalität der Sozialen Arbeit (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 115).
Daher ist das Dialogische ElternCoaching und Konfliktmanagement aufgrund der
dialogischen Arbeitsweise und der Anerkennungsebenen ein Konzept gelebter
Demokratie (vgl. Müller 2009, S. 113). Aus der kommunikativen Mannigfaltigkeit
heraus entsteht eine Vielfalt von Handlungs- und Verstehensmöglichkeiten, die die
Chance, in Konflikten Lösungen zu finden, die allen Familienmitgliedern gerecht
werden, erhöht (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 27-35). Die Erfahrung der
Gegenseitigkeit auf Augenhöhe wiederrum verhilft den Eltern zu einem neuen
Rollenverständnis gegenüber den Fachkräften (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 116). Es
entsteht so ein geeigneter Rahmen, der es auch erlaubt über Ratlosigkeit zu
sprechen. Nicht nur die Eltern können ihr Unverständnis kundtun, sondern auch
Fachkräfte ihre Ratlosigkeit in bestimmten Situationen eröffnen (vgl. Müller 2009,
S. 108).
Zusammengefasst ergibt sich aus dem Konzept die Chance, zum einen die
Routinen im Alltag zu hinterfragen und zum anderen, die entstandenen Strukturen
von Nähe und Distanz in der Zusammenarbeit aufzubrechen. Gleichzeitig wird der
Netzwerkausbau gefördert, sowie die Organisationsstrukturen weiterentwickelt
und miteinander verknüpft (vgl. Wolff/ Stork 2012, S. 115).
4.1.3 Zwischenfazit
[von Kohls/Nastola]
Die im Unterkapitel – Adressaten und ihre Lebenswelt – des dritten Kapitels
vorgestellten Bezugspunkte der Lebensweltorientierung in der Sozialen Arbeit,
erfahrene Zeit, erfahrener Raum und die sozialen Bezüge werden von den soeben
vorgestellten Konzepten
unterschiedlich aufgegriffen. So entscheiden
die
Adressaten der Eltern-AG zum Beispiel selbständig über Zeit und Ort der
Gruppentreffen, so dass sie sich wohlfühlen können und es zu ihren individuellen
Tagesabläufen
passt.
Darüber
hinaus
bietet
die
spezifische
Zielgruppenausrichtung einen niedrigschwelligen Zugang für die Adressaten.
Damit ist gemeint, dass beispielsweise für Zielgruppen, bestehend aus Adressaten
mit
Migrationshintergrund,
kulturell
bedingt
oft
ähnliche
Begründungszusammenhänge für bestimmte Lebenssituationen wie Schulzeit,
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
48
Partnerschaft et cetera bestehen und dadurch schon eine gemeinsame Basis für
die Zusammenarbeit gegeben ist. Der erfahrene Raum und die sozialen Bezüge
werden im Konzept des Dialogischen ElternCoaching insoweit betont, dass die
positionale Anerkennungsarbeit in Form einer vorurteilsfreien Arbeitsweise mit
dem wertfreien Blick auf die Adressaten in ihren sozialen Bezügen an ihren
sozialen Orten grundlegend ist und damit der Respekt vor ihrer Alltäglichkeit
gewahrt wird. Weiter bekommen die Fachkräfte sowie die Adressaten jeweils eine
neue Zuschreibung, weg von der Helfer-Adressaten-Beziehung hin zu einer
Erziehungs- und Bildungspartnerschaft. Durch die neuen kommunikativen
Möglichkeitsräume im Dialog eröffnet sich somit auch die Möglichkeit, eine neue
Struktur von Raum, Zeit und sozialen Bezügen selbständig zu entwickeln, die allen
Familienmitgliedern gerecht wird. Schlussendlich ermöglichen beide Konzepte die
Routinen im Alltag aufzubrechen, und den Aufbau eines stabilen sozialen
Netzwerkes zu fördern.
4.2 In Bezug auf die Adressaten in ihren spezifischen sozialen
Milieus
[von Kohls/Nastola]
In diesem Abschnitt der Arbeit werden exemplarisch drei Konzepte vorgestellt, die
einen Zugang zu den Adressaten in ihren spezifischen sozialen Milieus
ermöglichen. Dabei ist die Auswahl dieser an der außerordentlichen Bedeutung
der Familie als Herkunftsmilieu ausgerichtet. Im anschließenden Zwischenfazit
wird die jeweilige Betonung der außerordentlichen Bedeutung von Familie als
Herkunftsmilieu durch die vorgestellten Konzepte herausgearbeitet.
4.2.1 Familienrat
[von Kohls/Nastola]
Der Familienrat, auch als Family Group Conference bezeichnet, stammt
ursprünglich aus Neuseeland und beschreibt ein Entscheidungsfindungsverfahren
für Familien (vgl. Früchtel/ Straub 2011, S. 49).
4.2.1.1 Merkmale
Grundgedanke des Familienrates ist es, die Partizipationsmöglichkeiten in der
Kinder- und Jugendhilfe zu erhöhen und gleichzeitig mit einem hohen Grad an
Flexibilität anschlussfähig an die diversen Familienkonstellationen mit ihren
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
49
unterschiedlichen Handlungs- und Lebenskonzepten zu sein. Dabei beschreibt der
Familienrat ein Verfahren zur aktiven Beteiligung von Familien an der Hilfeplanung
sowie Entscheidungsfindung. Darüber hinaus sieht ein Familienrat auch eine
Aktivierung und Beteiligung des sozialen Netzwerkes im Hilfeplanungsprozess für
Kinder,
Jugendliche
und
ihre
Familien
vor
und
begünstigt
so
eine
lebensweltorientierte Arbeitsweise der Fachkraft. Jedoch ist das Verfahren des
Familienrates nicht als eigenständige Hilfe zur Erziehung zu sehen.
Aufgrund des enorm hohen Beteiligungsgrades der Familie an der Lösung ihrer
Problemlagen und Konflikte, erfährt die Familie eine besondere Form der
Wertschätzung und Bestärkung und motiviert sie zumeist nachhaltig.
Kurzum ist der Familienrat ein universell einsetzbares Verfahren mit dem Ziel der
Aktivierung des sozialen Netzwerks der Familie, um durch adressatenzentrierte
Hilfepläne für Entlastung zu sorgen (vgl. Bandow u.a. 2011, S. 9-10).
4.2.1.2 Adressaten
Das Konzept des Familienrates stützt sich auf die Grundannahme, dass nur die
Familie selbst die eigentliche Fachkraft für diese sein kann. Darüber hinaus geht
das Verfahren davon aus, dass mit Unterstützung des Netzwerks und
gegebenenfalls einer professionellen Fachkraft jede Problem- und Konfliktsituation
lösbar ist. Des Weiteren geht das Konzept davon aus, dass jede Familie ein
Netzwerk hat, was zwangsweise nicht nur ausschließlich Verwandtschaft
umfassen muss. Denn als Ressourcenträger im Netzwerk können auch Eltern von
Freunden der Kinder, Nachbarn, Gemeindemitglieder oder sogar Arbeitgeber
verstanden werden.
Aus diesen Gründen lassen sich keine speziellen Adressatengruppen für den
Familienrat bestimmen. Besonders gut können jedoch Familien die Hilfeform des
Familienrats annehmen, welche mit den bewährten Hilfen kaum zu erreichen sind
oder anderen Kulturkreisen entstammen (vgl. Bandow u.a. 2011, S. 20-21).
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
50
4.2.1.3 Ablauf
Die Organisation des Rates übernimmt die Familie mit Unterstützung eines
Koordinators
oder
einer
Koordinatorin,
im
weiteren
Verlauf
der
Arbeit
zusammenfassend als Koordinator bezeichnet, selbst. Zusätzlich ist eine fachliche
Zurückhaltung der fallzuständigen Fachkraft des Allgemeinen Sozialen Dienst
(ASD) vor und während des Familienrates vorgesehen. Die Aufgaben des
Koordinators werden in fast allen Fällen von spezialisierten Mitarbeiter/innen freier
Träger übernommen.
Der
Prozess
des
Familienrates
ist
durch
aufeinanderfolgende
Phasen
gekennzeichnet. Die Vorbereitungsphase dient dazu, dass der Koordinator in
Zusammenarbeit mit der Familie potenzielle Teilnehmende am Familienrat
bestimmt. Vor dem Hintergrund der Sorgeformulierung, also der fachlichen
Problemlage aus Sicht des ASD, schlägt der Koordinator entsprechend relevante
Experten/innen vor. Diese sollen den Teilnehmenden während des Familienrates
zur Seite stehen und ihnen alle notwendigen Informationen in Bezug auf die
Problemlage geben. Je nach Problemlage macht es zum Beispiel Sinn, bei
Suchtproblematiken in der Familie Experten aus diesem Fachgebiet einzuladen
oder bei Problemen mit Kindern pädagogische Konzepte oder Beiträge zur
Entwicklungspsychologie
in
den
Familienrat
zu
integrieren.
Damit
wird
sichergestellt, dass der Familienrat sich über die jeweiligen spezifischen
Anforderungen an die angestrebte Problemlösung bewusst ist, um so in der Lage
zu sein, fundierte Entscheidungen zu treffen. Zudem werden neben den
teilnehmenden Personen auch Datum und Zeitpunkt sowie der Ort des
Familienrates ausgemacht. Erfahrungsgemäß dauert die Vorbereitungszeit in der
Abhängigkeit von der jeweiligen Falllage vier bis acht Wochen.
Der anschließende eigentliche Familienrat ist nochmals in drei Teilabschnitte
unterteilt. Im ersten Abschnitt der Informationsphase wird der Auftrag des
Familienrates geklärt und zum anderen werden die Inputs der geladenen
Experten/innen gehört und mögliche Fragen der Teilnehmenden durch sie
beantwortet. Während der gesamten Phase soll die Familie durch die Fachkräfte
wiederholt darin bestärkt werden, dass sie selbständig in der Lage sind,
kompetente Lösungen zu finden und einen entsprechenden Plan für die Familie zu
entwickeln. Daraufhin verlassen die Fachkräfte und die Experten den Familienrat
und die Familienphase (Family-only-Phase) beginnt. In diesem geschützten
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
51
Rahmen werden dann alle Dinge besprochen, auch die, die aus vermeintlicher
Angst oder Scharm vor der Fachkraft des ASD oder der Koordination nicht
angesprochen worden sind. In dieser Phase werden mögliche Problemlösungen
von der Familie in Zusammenarbeit mit den Teilnehmenden diskutiert und darauf
aufbauend ein detaillierter Plan formuliert. Ist der Familienrat zu einer Einigung
gelangt, kommen Koordinator und fallführende Fachkraft des ASD wieder hinzu. In
diesem als Entscheidungs- und Konkretisierungsphase bezeichnetem Abschnitt
präsentiert die Familie zunächst ihren entwickelten Plan. Daraufhin prüft die
fallführende Fachkraft des ASD, ob der Plan die Anforderungen des formulierten
Auftrages erfüllt. Ist dies der Fall, unterzeichnen alle Teilnehmenden des
Familienrats den Plan und beginnen unverzüglich mit dessen Umsetzung. Falls
einige Teile des Plans aus Sicht der Fachkraft noch einer Überarbeitung bedürfen,
wird der Familie die Möglichkeit gegeben, erneut darüber zu verhandeln. Oft
erfährt der Plan auch erst in dieser Phase eine Konkretisierung der Details nach
dem Handlungsschema wer, wann, was, mit wem, wo und wie lange macht.
Abschließend wird vereinbart, wann die Familie dem Familienrat und der
fallzuständigen Fachkraft des ASD erste Ergebnisse vorstellt. Dieses zweite
Treffen, auch Folgerat genannt, findet in der Regel nach acht bis zwölf Wochen
statt und bietet dem Familienrat gegebenenfalls die Möglichkeit noch Veränderung
oder Ergänzungen des Plans vorzunehmen. Für den Zeitraum zwischen
Familienrat und Folgerat sind eindeutige Kommunikationsstrukturen festgelegt.
Diese sehen vor, dass die Verantwortung für die Plandetails in den Händen der
Teilnehmenden liegt, aber bei auftretenden Problemen mit der fallführenden
Fachkraft des ASD Rücksprache gehalten wird. In vielen Fällen wird auch ein
Familienratsmitglied
bestimmt,
das
Abweichungen
und
Unstimmigkeiten
gesammelt der fallführenden Fachkraft mitteilt, wenn diese zu ernsthaften
Problemen führen sollten (vgl. Bandow u.a. 2011, S. 12-14).
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
52
4.2.1.4 Zeitliche Einordnung
In der Frage nach dem geeigneten Zeitpunkt für einen Familienrat im Hilfeprozess
gibt es keine einheitliche Antwort, sondern ist von Familie und Problemlage
abhängig. So kann ein Familienrat sowohl vor als auch während einer Hilfe zur
Erziehung passend sein. Gestützt wird diese Feststellung auch durch die guten
Ergebnisse,
die
bei
der
Inanspruchnahme
des
Konzeptes,
in
akuten
Krisensituationen oder beim Erstkontakt erzielt wurden. Häufig spricht das
Konzept aber insbesondere Familien mit langjähriger Jugendamtserfahrung an.
Gleichwohl ist es ebenso denkbar, dass die Familie dieses Konzept zunächst für
sich ausschließt, dennoch kann im weiteren Verlauf des Hilfeprozesses ein
erneutes Angebot des Konzeptes durch die Fachkraft unterbreitet werden (vgl.
Bandow u.a. 2011, S. 21-22).
4.2.1.5 Vorteile und Chancen
Für die Familien ergeben sich aus dem Konzept Familienrat unterschiedlichste
Vorteile. Besonders das hohe Maß an Selbstbestimmung, durch die im Prozess
des Familienrates gebotene Gestaltungs- und Entscheidungsmacht der Familie, ist
im Vergleich zum gewöhnlichen Hilfeprozess hervorzuheben. Die kooperative
Zusammenarbeit von ASD und Familie führt zum einen dazu, dass das Jugendamt
von den Familien eher als ein kooperativer Partner und nicht als eine investigative
Kontrollinstanz gesehen wird. Zum anderen dazu, dass durch eine aktive
Beteiligung
der
Familie
am
Hilfeplanungsprozess,
der
ASD
zu
einem
umfassenderen Einblick in die Ressourcen und sozialen Netzwerke der Familie
gelangt. Zeitgleich wird der Familie ein autonomer Raum zur Verfügung gestellt,
der es ihr ermöglicht, die eigene Privatsphäre in einem hohen Maße
aufrechtzuerhalten. Aus der Sicht des ASD formuliert bedeutet dies, dass nur so
viel Einfluss von ihm auf das Ergebnis genommen wird, um dem gesetzlichen
Auftrag gerecht zu werden, ohne dabei die Familie zu entmündigen. Also kann das
Konzept Familienrat als Bindeglied zwischen den Auflagen des Wächteramtes des
ASD und dem Bürgerecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit beschrieben
werden.
Grundsätzlich
sind
Familien
dadurch
eher
in
der
Lage,
sozialpädagogische Hilfen anzunehmen, wodurch weiterführende Hilfen dort
geleistet werden können, wo sie gewollt sind. Als Experten für ihr Leben
verstanden, erfährt die Familie Wertschätzung und Anerkennung durch die
professionellen Fachkräfte und sieht sich einem niedrigschwelligen Hilfeprozess
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
53
gegenüber, in dem durch den Rückhalt im Netzwerk eine Veränderung der
Problemwahrnehmung erfolgt. Die dadurch entstehende enge Bindung ans eigene
Netzwerk eröffnet der Familie eine konstante Unterstützung in Krisensituationen,
ungeachtet der Fallstundenzahl der Fachkraft. Die Aktivierung des sozialen
Netzwerkes wird dabei als ein positives Erlebnis von der Familie beschrieben (vgl.
Bandow u.a. 2011, S. 14-17).
Damit ist Familienrat keine Hilfeleistung im herkömmlichen Sinne, sondern ein
Prozess mit Empowerment- und Netzwerkeffekt, der jedoch noch einer
Organisationsoptimierung bedarf. Der Empowermenteffekt des Familienrates
entsteht durch die Erhöhung der Beteiligungsoptionen der Adressaten in Form
einer Entscheidungsinstanz im Hilfesystem. Folglich ist der Ansatz des
Familienrats, nicht – für –, sondern – mit – den Adressaten zu arbeiten. Durch die
Mobilisierung von bürgerlichen und professionellen Ressourcen im sozialen
Umfeld
der
Adressaten,
infolge
des
deutlich
erweiterten
Kreises
der
Mitwirkungsberechtigten, ist der Netzwerkeffekt gekennzeichnet, welcher zur
Stärkung des Gemeinwesens beiträgt. Schlussendlich ergibt sich durch die vom
Familienrat angestrebte Symbiose von Hilfesystem und Unterstützung aus der
Lebenswelt
ein
standardisierten
Weiter-
oder
Angebotspalette
Neuentwicklungsbedarf
der
Kinder-
und
der
bisweilen
Jugendhilfe
durch
entsprechende Öffnung oder Flexibilisierung des Hilfesystems (vgl. Früchtel/
Straub 2011, S. 49-50).
4.2.2 Familien-Coaching
[von Kohls]
„Familien-Coaching ist ein lösungs- und ressourcenorientierter Ansatz für die
Arbeit mit dem Interaktionssystem ‚Familie‘.“ (Pallasch u.a. 2013, S. 41) Das
Konzept zielt darauf ab, die Familien durch Beratung und Begleitung bei der
Bewältigung ihrer Probleme zu unterstützen und zu fördern (vgl. Pallasch u.a.
2013, S. 40).
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
54
4.2.2.1 Merkmale
Das Konzept Familien-Coaching ist eine pragmatische, individualisierte sowie
lösungs- und zielorientierte Hilfe in Form von Begleitung, Beratung wie
Unterstützung von Familien in schwierigen Lebenslagen mit dem Wunsch auf
Veränderung. Grundvoraussetzung ist dabei, dass dem Handeln, Denken und
Fühlen sowie der Kultur eines jeden Familienmitglieds mit Akzeptanz und Respekt
begegnet wird und darüber hinaus der Familie Achtung und Wertschätzung durch
den Familien-Coach zuteilwird. Auf dieser Grundlage ist es in der gemeinsamen
Arbeit mit der Familie möglich, gemeinsame Lösungswege zu entwerfen, deren
Realisation
zu
begleiten
und
zu
unterstützen,
sowie
zeitgleich
das
Selbstmanagement der Familie zu fördern und auszubauen.
Beratung im speziellen zeichnet sich im Familie-Coaching dadurch aus, dass der
Familien-Coach über die eigentliche Beratung in Bezug auf das definierte Ziel
hinaus gegebenenfalls weiterführende oder ergänzende professionelle Hilfen
durch Therapeuten, Ärzte oder andere Experten aus anderen Fachrichtungen
empfiehlt. Der Berater benötigt zudem einen umfangreichen Methodenkoffer, um
eine adäquate Hilfe zu gewährleisten und sich auf die Individualität einer jeden
Familie einlassen zu können. Im Familie-Coaching können dies neben den
Grundlagen der Gesprächsführung wie Zuhören, Pausen ertragen oder dem
zirkulären Fragen auch ganz praktisch ausgerichtete Methoden wie gemeinsames
Malen oder gemeinsames Ball- und Brettspiel sein (vgl. Pallasch u.a. 2013, S.
40-44).
4.2.2.2 Adressaten
Familien-Coaching – Familien begleiten und Beraten ist ein Konzept das sich an
Familien in schwierigen Lebenslagen richtet, die nach geeigneten Lösungen
suchen oder ein gemeinsames Ziel verfolgen wollen. Das Familien-Coaching kann
von der gesamten Familie oder aber nur von einzelnen Familienmitgliedern
genutzt werden. Da die Familienstruktur für das Familien-Coaching nicht von
Relevanz ist, kann die Hilfe zum Beispiel allein auf die Eltern oder nur auf die
Kinder ausgerichtet sein. Da bedeutet, dass das Familien-Coaching sowohl von
der ganzen Familie aber auch von einzelnen oder spezifischen Subsystemen der
Familie, sprich von Gruppen unterschiedlichen Alters oder unterschiedlicher
Rollenzuweisung innerhalb der Familie, sogenannten Coachee, in Anspruch
genommen werden kann (vgl. Pallasch u.a. 2013, S. 40). Daraus ergeben sich
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
55
diverse Einsatzmöglichkeiten. Zum einen kann ein als solches bezeichnetes
Persönlichkeitscoaching durchgeführt werden, welches das Coaching einzelner
Familienmitglieder wie Mutter, Vater oder aber der Kinder vorsieht. Zum anderen
ist auch ein Gruppencoaching bei interpersonellen Konflikten innerhalb der Familie
möglich, oder aber, wenn interpersonelle Konflikte in bestimmten Kleingruppen der
Familie wie Geschwistergruppen oder Eltern-Kind-Gruppen zu Spannungen in der
jeweiligen Kleingruppe führen (vgl. Pallasch u.a. 2013, S. 47-48).
4.2.2.3 Ablauf
Als ein aktivierendes, komplexes lösungs- und zielorientiertes Beratungskonzept,
das sich zwischen Therapie und Training verorten lässt, ist Familien-Coaching –
Familien beraten und begleiten daher kein starres Modell, sondern vielmehr ein
flexibles und wandelbares Konzept, welches darum als eine Alternative zu den
klassischen Beratungsformen zu sehen ist. Ein weiterer wesentlicher Unterschied
im Vergleich zu den traditionellen Beratungsformen ist, dass der Familien-Coach
im Verlauf des Coachingprozesses mit verschiedenen Coachee unterschiedlicher
Altersstruktur arbeitet. Das heißt, er arbeitet sowohl mit Erwachsenen, als auch
mit Kindern oder Jugendlichen unterschiedlichen Alters.
Der Ablaufprozess des Familien-Coachings ist in fünf Prozessschritte unterteilt.
Wünschen
sich
bestimmte
Familienmitglieder
oder
die
gesamte
Familie
Beratungen und Begleitung bei der Lösung eines Problems, wird im ersten
Prozessabschnitt, dem Gespräch mit der Familie, das familiale Anliegen geklärt.
Daraufhin bündelt der Familien-Coach alle relevanten Informationen der einzelnen
Familienmitglieder, weil ansonsten die daran anschließende gemeinsame
Lösungswegfindung, aufgrund der unterschiedlichen Bedürfnisse der jeweiligen
Familienmitglieder, aussichtslos bleibt. Danach erstellt der Familien-Coach entlang
seiner pädagogischen Diagnose eine oder mehrere Hypothesen, die er der
Familie vorstellt. Im Anschluss daran, also im dritten Prozessabschnitt, stellt der
Familien-Coach der Familie mögliche Methoden vor, welche nach seinem
Dafürhalten situationsangemessen und nutzbringend für die Problemlösung sind.
Dieser unterbreitete Vorschlag ist verhandelbar und wird erst nach der Annahme
durch die Familie im vierten Prozessabschnitt in die Tat umgesetzt. Diese
gemeinsame Arbeitsphase setzt jedoch eine aktive Mitarbeit der Familie an der
Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten und Zielsetzungen voraus. Die fünfte und
damit letzte Prozessphase ist gekennzeichnet durch die Überprüfung der
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
56
Zielerreichung. Wurde das gesetzte Ziel beziehungsweise die gesetzten Ziele
erreicht und sind alle Familienmitglieder mit dem Ergebnis zufrieden, wird die
Zusammenarbeit beendet. Sollte das nicht der Fall sein, werden neue Ziele mit der
Familie verfasst und anschließend im selben Ablaufschema bearbeitet (vgl.
Pallasch u.a. 2013, S. 47-49).
4.2.2.4 Zeitliche Einordnung
Das Konzept Familien-Coaching ist eine kurzfristige und zeitlich begrenzte
Hilfeform für einzelne Familienmitglieder oder die gesamte Familie (vgl. Pallasch
u.a. 2013, S. 40).
Während des Ablaufprozesses des Familien-Coachings arbeiten Familie und
Familien-Coach Hand in Hand. Demzufolge begleitet und berät der FamilienCoach die Familie für einen begrenzten Zeitraum. Sobald die Lösung des
Problems gefunden wurde, um das formulierte Wunschziel zu erreichen, wird die
Familie in der Zeit bis zur Zielerreichung vom Familien-Coach begleitet und
unterstützt. Jedoch ist Familien-Coaching nicht allein ein interessantes Konzept für
das Arbeitsfeld Familie, sondern führt darüber hinaus auch zur Erweiterung der
Grundkompetenzen von Pädagogen oder Sozialarbeitern (vgl. Pallasch u.a. 2013,
S. 49).
4.2.2.5 Vorteile und Chancen
Der Familien-Coach begleitet, berät und unterstützt Familien bei der Entwicklung
und Bearbeitung individueller und gemeinsamer Ziele von Familienmitgliedern. Im
Hilfeprozess werden so, neben der Umsetzung von Lösungsstrategien, die
Kompetenzen der Adressarten des Familien-Coachings gestärkt, um den
Erziehungsfragen und eventuellen Lern- und Verhaltensproblemen der Kinder
oder Jugendlichen souverän entgegentreten zu können. Weiter werden Familien
zur besseren Bewältigung von außer- und innerfamilialen Beziehungsproblemen
sowie
Problemen
des
Alltags
befähigt.
Hervorzuheben
ist,
dass
jedes
Familienmitglied eine individuelle Stärkung der persönlichen Kompetenzen durch
die Aktivierung der bestehenden familialen und persönlichen Ressourcen erfährt
(vgl. Pallasch u.a. 2013, S. 45). Der größte Vorteil des Konzeptes liegt jedoch im
Erlernen
des
Selbstmanagements.
Die
dadurch
erzielte
verbesserte
Selbststeuerung im beruflichen und privaten Alltag ermöglicht es, dem Adressaten
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
57
des Familien-Coachings eigene adäquate Problembewältigungsstrategien zu
entwickeln (vgl. Pallasch u.a. 2013, S. 40).
Abschließend bleibt zu konstatieren, dass für Waldemar Pallasch FamilienCoaching „daher auf dem Hintergrund gesellschaftlicher Herausforderungen eine
gebotene und sinnvolle Einrichtung von Beratung für Familien“ (Pallasch u.a.
2013, S. 5) ist.
4.2.3 Heidelberger Modell
[von Nastola]
Das
„Heidelberger
Modell
der
Sozialpädagogischen
Familien-
und
Erziehungshilfe“, dessen Begründerin Marga Rothe ist, wird schon seit 1987 von
der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung von Kindern und Jugendlichen e.V. in der
gleichnamigen Stadt Heidelberg als Fortbildungsmaßnahme angeboten. Darüber
hinaus erschien im Jahre 1990 dieses Modell zum ersten Mal in Form einer
schriftlichen Handlungsanleitung (vgl. Gut 2014, S. 31).
4.2.3.1 Merkmale
Vier verschiedene Theorierichtungen – die positive Psychotherapie nach Nossrat
Peseschkian,
die
systemorientierte
Familienarbeit
nach
Selvini-Palazzoli,
Menuschin und die Logotherapie nach Viktor E. Frankl, die initiatische Therapie
nach Karlfried Graf Dürkheim – dienen als gedankliche Grundlagen für die daraus
abgeleiteten handlungsleitenden Theorien des Heidelberger Modells. Des
Weiteren unterstützen diese Grundlagen die Entwicklung konkreter Werkzeuge
zur Diagnostik, Intervention und Reflexion innerhalb der SPFH. Die positive
Psychotherapie richtet den Fokus der SPFH auf die Unterscheidung zwischen
Grund- und Aktualfähigkeiten eines Menschen. Zum einen meint dies, dass jeder
Mensch generell Grundfähigkeiten besitzt, abgesehen von seiner Kultur, Umwelt
und
Gesundheit,
die
es
ihm
ermöglichen,
zu
kommunizieren
und
zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen. Zum anderen gibt es die
Aktualfähigkeiten eines Menschen, diese charakterisieren die voneinander nicht
unabhängigen kulturellen Spielregeln des Zusammenlebens. Aufgrund dieser
Unterscheidung ist es der SPFH möglich, eine differenzierte Sicht auf die
familialen Konfliktsituationen vorzunehmen (vgl. Gut 2014, S. 32). Aus der
Familientherapie nutzt die SPFH nach dem Heidelberger Modell in erster Linie die
zirkuläre Betrachtungsweise menschlicher Interaktion, infolgedessen rückt die
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
58
Ursache-Wirkungslogik in den Hintergrund. Außerdem fokussiert sie sich auf die
übergeordneten Systeme wie beispielsweise das erweiterte soziale Umfeld, die
Familie und die Schule, folglich wird sich nicht auf einen Indexpatienten festgelegt.
Aus Sicht der Logotherapie ist der Mensch fragend, sinnsuchend und leidend, er
soll in dem Vertrauen in eine positive Zukunft und in seiner aktiven Gestaltung des
Lebens Stärkung erfahren. Wichtige Aspekte aus der initiatischen Therapie sind
das Entsagen von Bevormundung und Besitzergreifung, das Achten der
Andersartigkeit der Menschen wie auch das Begleiten der eigenen Gestaltung des
Lebens (vgl. Gut 2014, S. 31).
Ein fester Bestandteil des Heidelberger Modells ist die SPFH, und sie wird im
Rahmen der Hilfen zur Erziehung als ein Unterstützungsangebot geleistet. Im § 31
des achten Sozialgesetzbuches wird die SPFH als intensive Betreuung und
Begleitung der Familie in Erziehungsaufgaben und in Prozessen der Konflikt- und
Krisenlösungen, wie auch der Bewältigung des Alltags bezeichnet. Weiterhin soll
die SPFH Hilfe zur Selbsthilfe leisten und den Kontakt mit Ämtern und Institutionen
unterstützen. Darüber hinaus richtet sich die SPFH an die gesamte Familie und ist
auf einen längeren Zeitraum angelegt. Die Selbsthilfepläne, die auf den
Hilfeplänen des Jugendamtes aufbauen (vgl. AGFJ Familienhilfe-Stiftung 2015,
Internetquelle), werden zwei- bis dreimal im Jahr an das zuständige Jugendamt
weitergegeben (vgl. Gut 2014, S. 33). Der Selbsthilfeplan ist ein wesentliches
Merkmal des Heidelberger Modells. Hier werden die erarbeiteten Ziele in
einzelnen Handlungsschritten in Zusammenarbeit mit den Familien präzise
geplant
und
erreichbar
gemacht
(vgl.
AGFJ
Familienhilfe-Stiftung
2015,
Internetquelle). Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Heidelberger Modells ist die
Familienorientierte Schülerhilfe, die aus der Sozialpädagogischen Familienhilfe
des oben genannten Modells heraus entwickelt wurde. Zudem leistet die
Schülerhilfe einen wesentlichen Beitrag zur Lösung von zwei sich wechselseitig
bedingenden Zukunftsproblemen, die noch nicht ausreichend in den Fokus
gerückt wurden. Einerseits richtet sie den Blick auf das Problem der dauerhaften
Ausgrenzung eines beträchtlichen Teils der jungen Menschen am Arbeitsleben
und
andererseits
der
sich
dadurch
bedingenden
Ausgrenzung
am
gesellschaftlichen Leben mit jeglichen bekannten Folgen für das psychische und
physische Wohlbefinden. Aufgrund dessen steigen die Kosten im Sozial- und
Gesundheitswesen, und die Gewaltbereitschaft der ausgegrenzten Kinder- und
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
59
Jugendlichen nimmt zu. Demzufolge hat die Familienorientierte Schülerhilfe
„Teilnahme ermöglichen“ als ein zentrales Ziel (vgl. AGFJ Familienhilfe-Stiftung
2015, Internetquelle). Damit die Ziele der Familienorientierten Schülerhilfe und der
Sozialpädagogischen Familienhilfe erreicht werden, kam es zur Gründung des
Projektes
„Integration
statt
Isolation“.
Inhaltlich
stützt
es
sich
auf
die
Grundannahme, dass alle Menschen ein Ziel benötigen, damit das Leben für sie
eine Bedeutung hat. Weiterhin braucht der Mensch, um Bestätigung und
Anerkennung zu erfahren, eine Aufgabe. Hinsichtlich dieser Aussage wird jemand,
der keine Aufgabe hat, buchstäblich zu dieser. Um der Ausgrenzung und Isolation
der Jugendlichen und Kinder etwas entgegenzusetzen, erfahren die Eltern, Kinder
und Jugendlichen eine Hilfestellung durch die Fachkraft zur Nutzung von
Angeboten
des
Internetquelle).
Gemeinwesens
(vgl.
AGFJ
Familienhilfe-Stiftung
2015,
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
60
4.2.3.2 Adressaten
Einleitend ist zu konstatieren, dass es durchaus nicht angebracht ist,
grundsätzliche Ausschlusskriterien für die Auswahl von Jugendlichen und Familien
aufzustellen. Es zeigen mehrfach genau die Eltern, Jugendliche und Kinder eine
enorme Entwicklung am Ende ihrer Betreuungszeit, die zuvor als hoffnungslos
erschienen. Adressaten des Konzeptes sind primär Eltern und Alleinerziehende,
die sich, angesichts massiver Belastungen, wie beispielsweise Scheidung und
Trennung vom Partner oder Krankheit sowie Verlust der Arbeit, zeitweilig nicht im
Stande fühlen, für die positive Entwicklung der Kinder eine adäquate zuverlässige
Größe darzustellen und den Kindern emotional zugewandt zu sein. Diese Situation
wird durch die Eltern als Belastung empfunden und hemmt beziehungsweise
überfordert sie in der Alltagsbewältigung sowie in der nötigen Erziehung der
Kinder. Aufgrund dessen versucht die Fachkraft, zum einen auf der Ebene des
Kindes und zum anderen auf der Ebene der Eltern eine Entlastung zu schaffen.
Dadurch besteht die Möglichkeit, dass die Eltern sich neu orientieren und eine
Veränderung eintritt. Hier zeigt uns die Vergangenheit, dass in der Praxis eine
steigende Zahl an Familien begleitet werden, in welchen die Eltern nicht nur
Lebenskrisen bewältigen, sondern auch parallel Traumata verarbeiten müssen.
Genau diese Familien haben einen enormen Bedarf an Unterstützung. Die
Begleitung der Familie durch die Fachkraft innerhalb der SPFH ist bedeutend
länger, intensiver und auch die Entwicklung ist im Wesentlichen davon abhängig,
wie stark sich die Eltern mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen, um dann ihr
Leben neue zu strukturieren (vgl. Rothe 2013, S. 16-17).
4.2.3.3 Ablauf
Ein wesentlicher Aspekt der SPFH nach dem Heidelberger Modell ist die
Persönlichkeit der Fachkraft und nicht ausschließlich das methodische Vorgehen
für eine gelingende Familienhilfe. Demnach sind wichtige Bausteine der
Persönlichkeit,
die
Vorbildfunktion,
die
Kooperationsbereitschaft
und
die
Beziehungsfähigkeit, die Geduld sowie die Fähigkeit, die Familien auf ihrem
eigenen Weg zu begleiten und nicht die persönlichen Ziele aufzudrängen (vgl. Gut
2014, S. 31).
Zu Beginn der Hilfe müssen sich Fachkraft und Familie miteinander austauschen,
welche Ziele und Aufgaben im Fokus stehen (vgl. Rothe 2013, S. 26), also sich
dem Ziel zuwenden und nicht von der Problematik entfernen (vgl. AGFJ
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
Familienhilfe-Stiftung
2015,
Internetquelle).
Die
61
Fachkraft
versucht,
in
Zusammenarbeit mit der Familie verborgene Fähigkeiten aufzuzeigen und ihnen
diese ins Bewusstsein zu rufen. Beide Parteien richten an dieser Stelle ihren Blick
nicht auf die Defizite, sondern auf verfügbaren Ressourcen, an denen angeknüpft
werden kann. Die Fachkraft begleitet den Jugendlichen oder die Familie auf dem
Weg zu ihrem persönlichen Ziel, das einen hohen Stellenwert für sie hat. Ferner
sorgt er dafür, dass jeder Mensch oder jede Familie Vertrauen in seine
verborgenen Möglichkeiten und Kräfte erlangt. Die Fachkraft vermittelt zwischen
der als häufig nicht freundlich empfundenen „Außenwelt“ und dem bekannten
sozialen
Umfeld,
da
die
andersartige
Sprache
wie
auch
die
fremden
Kommunikationsregeln oftmals Angst bei den Jugendlichen und den Familien
hervorrufen. Infolgedessen bewirkt Angst Aggression, und Aggression bewirkt
wiederum ein Abwehrverhalten bei diversen Institutionen wie etwa Ämtern,
Berufsbildungseinrichtungen oder Schulen. Von anderen abgelehnt zu werden,
erzeugt bei Jugendlichen und Familien ein Gefühl der Minderwertigkeit. Bedingt
durch dieses Gefühl schwindet das Vertrauen in die persönlichen Fähigkeiten und
Kräfte. Damit die Jugendlichen und Familien aus dieser unangenehmen
Konstellation herauskommen, muss die Fachkraft sensibel Unterstützung leisten,
aber nicht in der Form, dass sie selber handelt. Dementsprechend macht die
Fachkraft Mut und gibt Vertrauen, dass die Familien und Jugendlichen selbständig
sich der Situation stellen können. Die Selbsthilfepläne sind aus einer solchen
Haltung heraus eine folgerichtige Konsequenz (vgl. Rothe 2013, S. 13-14). Der
Selbsthilfeplan ist Ausgangspunkt für eine auf Vertrauen und auf Hilfe zur
Selbsthilfe ausgerichtete Zusammenarbeit und wird ausnahmslos zwischen der
Familie und der Fachkraft besprochen (vgl. Gut 2014, S. 33). Außerdem werden
die Selbsthilfepläne auch als Grundlage für andere Berichte genutzt. Durch diese
Selbsthilfepläne wird unterbunden, dass über Probleme anderer Menschen
berichtet wird und Informationen über sie, wie auch ihr Versagen weitergetragen
werden. Unter diesem Aspekt wird die Würde des jeweiligen Menschen anerkannt.
Der
Leitspruch
der
Selbsthilfepläne
lautet
„Hinkommen
zum
Ziel
statt
Wegkommen vom Problem“. Aufgrund dessen richten sie sich nach den
Möglichkeiten sowie an den Fähigkeiten der Familien und Jugendlichen aus.
Wenn trotz verfügbarer Rahmenbedingungen und geeigneter Hilfestellung ein
Jugendlicher oder eine Familie den zusammen erarbeiteten Selbsthilfeplan nicht
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
62
einhält, so wird mit dem zuständigen Mitarbeiter des ASD und der Familie
gemeinschaftlich eine Prüfung vorgenommen. Es kann natürlich sein, dass die im
Vorfeld benannten Ziele nicht die tatsächlichen erreichten Ziele sind. Des
Weiteren wird überprüft, ob eventuell andere Rahmenbedingungen durch die
Familie gewünscht werden. Dazu steht noch zur Diskussion, ob die Familie
überhaupt die erforderlichen Veränderungen zulässt. Sollte dies nicht der Fall
sein, so müsste die SPFH eingestellt werden und die Familie erhält eine Mitteilung
über die daraus resultierenden Folgen (vgl. Rothe 2013, S. 14).
4.2.3.4 Zeitliche Einordnung
Die im Vorfeld veranschlagte Wochenarbeitszeit für die Familienarbeit beträgt
zwischen fünf und zwanzig Stunden, innerhalb dieser Zeit wird nicht nur mit der
Familie
gearbeitet,
sondern
beispielsweise
auch
Verwaltungstätigkeiten,
Supervisionen und Teamsitzungen wahrgenommen. Die Zeitspanne der SPFH
beträgt für gewöhnlich ein bis zwei Jahre, darüber hinaus ist es möglich, eine
Verlängerung der Hilfe zu erhalten. Hier ist zu bemerken, dass infolge der
Erfahrungen in der Praxis diese Zeit in den meisten Hilfen auch benötigt wird,
damit die Ziele oder Teilziele der Arbeit mit der Familie erreicht werden (vgl.
Jordan/ Maykus/ Stuckstätte 2012, S. 207).
4.2.3.5 Vorteile und Chancen
Verschiedenste Vorteile und Chancen der SPFH und Familienorientierte
Schülerhilfe nach dem Heidelberger Modell ergeben sich hieraus für die Familien.
So werden die Eltern befähigt, schrittweise die Verantwortung für ihre Kinder zu
übernehmen und die Entwicklung dieser positiv zu gestalten. Außerdem wird
durch die Integration in verfügbare Angebote, die das Gemeinwesen zur
Verfügung stellt, vermieden, dass die Familien ausgegrenzt werden. Durch das
ansteigende Vertrauen in die eigenen Kräfte der Familie wird abweichendes und
aggressives Verhalten abgewendet und Möglichkeiten zur Bewältigung des Alltags
geschaffen. Darüber hinaus soll verhindert werden, dass die Kinder eine
kostenintensive stationäre Hilfe, mit den bekannten Auswirkungen, erfahren
müssen, die für sie nach Beendigung der Fremdunterbringung eine mühsame
Neuorientierung erforderlich macht (vgl. Rothe 2013, S. 107).
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
63
4.2.4 Zwischenfazit
[von Kohls/Nastola]
Auf die im Unterkapitel – Familie als individualisiertes Herkunftsmilieu – des dritten
Kapitels hervorgehobene Individualität von Familienkulturen wird besonders im
Konzept Familienrat eingegangen. Durch die Leitidee des Konzeptes, dass nur die
Familie Experte für die eigene Familienkultur sein kann und die Arbeitsweise der
eigenständigen Problemlösung, lediglich von den professionellen Fachkräften,
moderiert, kann die Gefahr auf Fremdnormierung durch Fachkräfte umgangen
werden. Alle drei vorgestellten Konzepte ermöglichen es, den Familien sich einen
eigenen normativen Rahmen zu generieren und die im Laufe der Zeit auftretenden
dynamischen Prozesse von den Fachkräften für einen bestimmten Zeitraum
begleitet zu werden. Das Hauptziel, den einzelnen Familienmitgliedern wieder ein
akzeptables Leben in ihrer Familienkultur zu ermöglichen, nimmt besonders das
Konzept Familien-Coaching in den Blick. Weil mit einzelnen Familienmitgliedern,
Subsystemen oder der gesamten Familie an den jeweils herausgestellten
Problemen gearbeitet wird, um durch das erlernte Selbstmanagement zur einer
verbesserten Selbststeuerung im privaten Alltag zu gelangen und dadurch eigene
situationsangemessene Problembewältigungsstrategien entwickeln zu können.
Sowohl Heidelberger Modell als auch Familien-Coaching und Familienrat schaffen
angemessene Zugänge zu den individuellen Kulturen der Familie, die gelingende
Interventionen im Familienmilieu möglich machen.
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
4.3 In
Bezug
auf
die
gesellschaftlichen
64
Teilsysteme
der
Adressaten
[von Kohls/Nastola]
In diesem Abschnitt der Arbeit werden zwei beispielhafte Konzepte für die
Ermöglichung
von
Inklusion
oder
Exklusion
in
beziehungsweise
aus
gesellschaftlichen Teilsystemen vorgestellt. Das anschließende Zwischenfazit
widmet sich der Herausstellung der spezifischen Möglichkeiten der Unterstützung
der Adressaten bei Inklusion und Exklusion durch die vorgestellten Konzepte.
4.3.1 Empowerment
Hauptaugenmerk legt das Konzept Empowerment in der Sozialen Arbeit auf das
Lebensgefühl einer Person und die Betonung des Gefühls von Macht und
Kontrolle über das eigene Leben (vgl. Buchholz-Graf 2001, S. 88). Anders gesagt,
das Ziel des Konzepts Empowerment ist die Entwicklung oder Wiederherstellung
einer
selbständigen
Entscheidungsmacht
über
die
alltagsbestimmenden
Umstände (vgl. Herriger 2014, S. 20).
4.3.1.1 Merkmale
Das
Kernstück
der
Empowerment-Perspektive
ist
die
Entwicklung
einer
professionellen Arbeitshaltung, um die Entdeckung und Aktivierung sozialer Kräfte
der Adressaten zu ermöglichen. Demnach ist Empowerment eine Hilfeform der
Bemächtigung beziehungsweise Wiederbemächtigung. Empowerment umfasst
dabei alle sozialen Bewegungen, die von demoralisierten und machtlosen
Menschen zur Aneignung von Kraft, Macht und Gestaltungsvermögen genutzt
werden. Das führt zur Verbesserung der Selbstbestimmung über die eigenen
Lebensumstände und verhilft zu einer gerechten Verteilung von Macht und
Einflussnahme der Adressaten am politischen und gesellschaftlichen Geschehen
(vgl. Buchholz-Graf 2001, S. 94-95).
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
65
4.3.1.2 Adressaten und zeitliche Einordung
Empowerment ist sowohl eine sozialarbeiterische Grundhaltung als auch ein
Konzept mit einem allumfassenden Praxisanspruch. In Einzelhilfen wie der SPFH
soll
mit
der
Hilfe
kontraproduktiven
von
Empowerment
Verhaltensmustern
den
Adressaten
aufgezeigt
und
Auswege
diese
in
aus
adäquaten
Hilfeformen bearbeitet werden (vgl. Lambers 2013, S. 319). Demzufolge sind die
Adressaten des Konzepts gleich denen der SPFH, welche im zweiten Kapitel
genauer beschrieben wurden.
Weiter wird Empowerment damit während des gesamten Hilfeverlaufs der SPFH,
also über ein bis zwei Jahre oder darüber hinweg, bei Verlängerung der Hilfe
gefördert (vgl. Jordan/ Maykus/ Stuckstätte 2012, S. 207).
4.3.1.3 Ablauf
Das Konzept Empowerment realisiert sich in der sozialen Einzelhilfe über die
Methoden der Motivierenden Gesprächsführung, der Ressourcendiagnostik, dem
Unterstützungsmanagement sowie durch biografisches Lernen in Verbindung mit
dem Kompetenzdialog.
Motivierende Gesprächsführung, auch als Motivational Interviewing benannt ist
eine Form klientenzentrierter Gesprächsführung, die darauf abzielt, Menschen zur
Problemveränderung zu motivieren. Dieser Arbeitsansatz eignet sich besonders
für Adressaten mit langjähriger Hilflosigkeitserfahrung (vgl. Herriger 2014, S. 89).
Die Ressourcendiagnostik richtet ihren Blick insbesondere auf die Defizitanalyse
durch vielfältige Diagnostik- und Testverfahren sowie Fragebogenverfahren zur
detaillierten Darstellung der unzureichenden Bewältigungskompetenzen und
Unzulänglichkeiten. Es lassen sich im Bereich der Einzelhilfen wie der SPFH drei
mögliche
Einsatzorte
der
Empowerment-Arbeit
herausstellen.
In
den
Erstgesprächen der Hilfeplanung sowie der Erstdiagnostik ist eine genaue
Bestimmung der vorhandenen Ressourcen unabdingbar. Im Hilfeprozess direkt
dient
die
prozessbegleitende
Reflexion
dazu,
aktuelle
Ressourcen
zu
veranschaulichen, schon eingetretene Veränderungen festzuhalten und Gründe
für
die
Nichterschließung
von
Ressourcen
herauszustellen,
sowie
das
weiterführende Hilfeverfahren neu zu gliedern und auszurichten. Abschließend
kann zum Ende des Hilfeprozesses durch die Fallevaluation eine Prognose zur
Ressourcenentwicklung erstellt werden, mit deren Daten die Konstruktion eines
Ressourcennetzwerks möglich wird, das es zu stabilisieren gilt (vgl. Herriger 2014,
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
66
S. 93). Das Unterstützungsmanagement verläuft entlang eines vorgegebenen
Prozessplans, der die Abfolge der Prozessschritte des methodischen Vorgehens
bestimmt. Vom vorgegebenen Prozessplan des Unterstützungsmanagement kann
in Einzelfällen aber auch abgewichen werden. Ziel ist zum einen die Bildung eines
Ressourcen-Netzwerkes durch vernetzende, koordinierende und arrangierende
Hilfeleistung, die zum anderen dazu führt, dass Netzwerk ohne pädagogische
Anleitung und in Eigenregie zu nutzen (vgl. Herriger 2014, S. 105). Biografisches
lernen und Kompetenzdialog sind zwei Varianten der biografischen Arbeit mit den
Adressaten. Der Unterschied zwischen beiden Arbeitsansätzen besteht in der
zeitlichen Fokussierung, die deren Interpretation anleiten. Erinnerungsarbeit und
biografisches Lernen beschäftigt sich mit der erlebten, subjektiv gefärbten
Vergangenheit. Es werden vergangene Lebenszusammenhänge beleuchtet und
nach verlorengegangen Lebenskräften gesucht. Der Kompetenzdialog ist dagegen
ausdrücklich zukunftsorientiert. Das bedeutet, auf die Zukunft ausgerichtete
Lebensarrangements mit einem Zugewinn an Lebensautonomie, Umweltkontrolle
und Selbstverfügung zu entwerfen.
Jedoch werden die biografischen Ansätze nie allein in ihrer Reinform Anwendung
finden (vgl. Herriger 2014, S. 112-113).
4.3.1.4 Vorteile und Chancen
Empowerment kann die Adressaten dazu befähigen, eine der vielfältigen
Lebensformen für sich zu wählen und darüber hinaus eigenverantwortliche
Entscheidungen, vor allem auch in unsicheren Zeiten für sich zu treffen. Weiter
können sich die Adressaten als Subjekte verstehen, welche die Umstände ihres
Lebens in Eigenregie produktiv gestalten und erwünschte Veränderungen
eigenständig erreichen können. Zudem kann Empowerment dazu beitragen, dass
die Adressaten ihre persönlichen Wünsche, Interessen, Phantasien sowie
Bedürfnisse wahren und erneuten Bevormundungen durch Dritte souverän
begegnen. Ferner werden Adressaten des Empowerments dazu befähigt, sich
selbständig Zugang zu Informationen, Unterstützungsressourcen wie auch
Dienstleistung beschaffen zu können und diese für sich somit nutzbar zu machen.
Besonders hervorzuheben ist jedoch die Bemächtigung der Adressaten dazu, sich
ihre Rechte auf Mitwirkung und Teilhabe einzufordern und den fortwährenden
Mustern der Entrechtung die Stirn zu bieten (vgl. Herriger 2014, S. 20).
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
67
4.3.2 Ressourcenorientierung
In der ressourcenorientierten Arbeit wird der Fokus auf die Verfügbarkeit,
Verteilung sowie die Beschaffenheit des Bestands der sozialen und personalen
Ressourcen der Adressaten gelegt, um diesen gegebenenfalls gemeinsam zu
erweitern (vgl. Buchholz-Graf 2001, S. 88).
4.3.2.1 Merkmale
Das Ressourcenkonzept geht davon aus, dass jeder Mensch zur Bewältigung der
Anforderungen, die der Alltag an ihn stellt, mehr oder weniger Hilfsmittel benötigt.
Um große oder kleine Probleme in der Bewältigung des Alltags zu meistern,
bedarf es somit einer Verfügbarkeit verschiedenster, situationsabhängiger
Ressourcen. Demnach wird durch das Ressourcenkonzept ein Zusammenhang
zwischen der Ressourcenqualität wie auch der Gesundheit und Befindlichkeit der
Adressaten
hergestellt.
Man
unterscheidet
dabei
Umweltressourcen
und
personale Ressourcen. Unter personalen Ressourcen werden psychische,
physische und materielle Faktoren gefasst, wie etwa die körperliche und seelische
Belastbarkeit in Stresssituationen oder die jeweiligen beruflichen Möglichkeiten
und die daraus resultierende finanziellen Möglichkeiten. Hervorzuheben sind im
Besonderen die Ressourcen Problemlösungskompetenz, Bewältigungsoptimismus
und
das
ausgeprägte
Selbstwertgefühl.
Die
Umweltressourcen
hingegen
beschreiben konkrete Lebensbedingungen wie Quantität und Qualität der sozialen
Netzwerke und deren Verfügbarkeit. Das bedeutet, dass der Umweltseite der
sozioökonomische Status, die Integration in konfliktfreie soziale Netzwerke, die
starke Bindungsqualität sowie umfassende soziale und emotionale Unterstützung
als Ressourcen von besonderer Bedeutung zuzuschreiben sind. Ganz allgemein
sind Ressourcen all jene Hilfsmittel zur Lebensbewältigung, welche von der
jeweiligen Person als förderlich, schützenswert und notwendig bezeichnet
beziehungsweise verstanden werden (vgl. Buchholz-Graf 2001, S. 89-91). Für die
Arbeit der Sozialpädagogischen Familienhilfe bedeutet das Konzept der
Ressourcenorientierung, dass im sozialen Nahraum der Familie nach Ressourcen
gesucht wird, durch welche sie in Belastungssituationen Unterstützung erfahren
(vgl. Winkelmann 2014, S. 115).
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
68
4.3.2.2 Adressaten und zeitliche Einordung
Wie im zweiten Kapitel aufgezeigt, unterscheidet man Konzepte mit einem
umfassenden Geltungsanspruch für die Soziale Arbeit, von Konzepten welche
direkt
auf
die
SPFH
Ressourcenorientierung
ausgerichtet
beschreibt
sind
dabei
(vgl.
ein
Gut
Konzept
2014,
mit
S.
25).
umfassendem
Geltungsanspruch für die Soziale Arbeit und somit auch für die Arbeit der SPFH
(vgl. Buchholz-Graf 2001, S. 85). Folglich sind damit die Adressaten des Konzepts
auch die Adressaten der SPFH, welche schon im Verlauf dieser Arbeit
beschrieben wurden.
Aufgrund des umfassen Geltungsanspruches für die Soziale Arbeit begleitet der
ressourcenorientierte Ansatz den gesamten Hilfeprozess von in der Regel ein bis
zwei Jahren und darüber hinaus auch während einer eventuellen Verlängerung
(vgl. Jordan/ Maykus/ Stuckstätte 2012, S. 207).
4.3.2.3 Ablauf
Im Ressourcenorientierten Arbeitsansatz ist die Hauptaufgabe der Fachkraft der
SPFH, die Familie beim Zugang zu Ressourcen zu unterstützen. Da Familien in
der SPFH oftmals mit der Beantragung und dem Umgang mit sozialstaatlichen
Leistungen überfordert sind, ist es in diesen Fällen die erste Aufgabe der
Fachkraft, zur Stabilisierung der materiellen Grundsicherung der Familie
beizutragen, bevor weitere Interventionen möglich sind. Das bedeutet für die
Fachkräfte,
dass
sie
über
umfassende
Grundlagen
im
Bereich
der
sozialstaatlichen Leistungen verfügen müssen, um den von ihnen betreuten
Familien,
neben
der
Moderation
von
diesbezüglich
meist
schwierigen
Gesprächssituationen auch die angemessene Unterstützung zukommen zu
lassen. Anzumerken ist, dass der Unterstützungsgrad auf die Familie und die
jeweilige Situation zugeschnitten sein muss, um einer weiteren Entmutigung durch
eine zu weitreichende Übernahme beziehungsweise die Entmündigung durch die
Fachkraft, oder aber durch zu geringe Unterstützung und somit einer erneuten
negativen Erfahrung im Umgang mit sozialstaatlichen Institutionen vorzubeugen.
Allgemein entstehen Probleme laut dem Konzept der Ressourcenorientierung
immer dann, wenn für die jeweilige Anforderung, die das Leben an die Familie
stellt, zu wenige Ressourcen zur Bewältigung dieser verfügbar sind. Ein
Belastungsfaktor von elementarer Bedeutung für Kinder und Jugendliche ist häufig
die Armut ihrer Familie. Damit geht oft auch ein schwierigerer Zugang zu
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
69
außerfamilialen Ressourcen wie Freizeitaktivitäten und Bildungsmöglichkeiten
einher. Daraus ergibt sich eine weitere Kernaufgabe für die ressourcenorientierte
Arbeitsweise der Fachkraft der SPFH. So müssen die Fachkräfte über einen
großen Wissenspool in Bezug auf die Hilfeangebote der Kommunen verfügen, um
sie für die Familien zugänglich zu machen. Diese Kontextressourcennutzung wird
von Familien zunächst häufig als eine Bedrohung wahrgenommen. Denn eine
Öffnung nach außen bedeutet für die Familie auch immer, einen gewissen
Kontrollverlust gegenüber ihrer Umwelt zu akzeptieren. Deren Nutzung muss
darum dem Entwicklungstempo der Familie angepasst sein und eingeübt werden.
Nochmal auf den Punkt gebracht, gilt es im ressourcenorientierten Ansatz in der
Sozialpädagogischen Familienhilfe über die Sichtbarmachung der Ressourcen im
Umfeld, individuelle Zugänge zu gestalten, welche der Situation der Familie
angemessen sind, um einem eventuellen Überforderungsmoment der Familie
entgegenzuwirken. Denn das bietet die Grundlage für eine gelingende und
nachhaltige Hilfeleistung (vgl. Winkelmann 2014, S. 181-183).
4.3.2.4 Vorteile und Chancen
Die Ressourcenförderung öffnet der Familie den Zugang zu neuen, alternativen
Verhaltens- und Denkmustern, die zur Erweiterung der Handlungs- und
Entscheidungsoptionen einer Familie beitragen. Anknüpfungspunkt hierfür, sind
die
herausgearbeiteten
Potenziale,
die
eine
Stärkung
der
individuellen
Kompetenzen ermöglichen. Neben der Förderung der soeben beschrieben
internen Ressourcen einer Familie ist auch die Förderung der externen
Ressourcen wichtig. Hervorzuheben ist dabei die Förderung der sozialen
Ressourcen zum Aufbau eines stabilen Netzwerks, auf das die Familie in
Krisensituationen zurückgreifen kann. Das führt zum einen zur Verbesserung des
subjektiven Wohlbefindens der einzelnen Familienmitglieder und zum anderen
ermöglicht eine Ressourcennutzung auch nach Beendigung der Hilfe, selbständig
Veränderungen bei Bedarf in die Wege zu leiten und umzusetzen (vgl.
Winkelmann 2014, S. 19-22).
4 Individuelle Konzepte in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
70
4.3.3 Zwischenfazit
Das Konzept Ressourcenorientierung betont die Rolle der Fachkraft als
interdisziplinärer Vermittler, wie sie in 3.4.2 dieser Arbeit beschrieben wurde. Mit
dem Wissenspool über die jeweiligen kommunalen Angebote und der Vermittlung
ergänzender
professioneller
Hilfeangebote
in
Verbindung
mit
deren
Zugangsbegleitung ermöglicht die Ressourcenorientierung den Zugriff der
Adressaten auf die in ihren Augen notwendigen Teilsysteme. Empowerment
befähigt darüber hinaus zu einem Verselbständigungsprozess in Bezug auf die
Beschaffung von Informationen, Unterstützungsressourcen und Dienstleistungen
der modernen Gesellschaft. Somit befähigt Ressourcenorientierung in Verbindung
mit Empowerment die Adressaten dazu, ihre Rechte auf Mitwirkung und Teilhabe
am gesellschaftlichen Leben, insbesondere den gesellschaftlichen Teilsystemen
selbständig einzufordern.
5 Fazit
71
5 Fazit
[von Kohls/Nastola]
Wie in der Arbeit deutlich geworden ist, scheint das traditionelle Familienbild von
Vater, Mutter und Kind in fast allen Menschen verankert zu sein. Das führt
offensichtlich dazu, dass fast jeder diese klassische Familiensituation zumindest
über einen gewissen Zeitraum hinweg lebt. Vor allem die allgegenwärtige mediale
Darstellung vom Familienidyll hat uns nachdenklich werden lassen. Hohes C ist
nur eine von vielen Werbesendungen, die den Zuschauern suggerieren, dass
glückliche Familien immer aus Eltern und Kindern bestehen und in Eigenheimen
mit gepflegten Gärten leben. Das dies gar nicht so oft der Fall ist und die Familien
auch glücklich in anderen Lebensformen sein können ist offensichtlich nicht
werbewirksam genug und verdeutlicht nochmals die bedeutsame Rolle des
Familienideals unserer heutigen Gesellschaft. Trotz aller gelebten Emanzipation
ist es interessant zu beobachten, dass egal in welcher Lebensform eine Familie
organisiert ist, mit Geburt des ersten Kindes das traditionelle Rollenverständnis in
den meisten Familien wieder Einzug hält. Sei es bedingt durch tradierte Denk- und
Verhaltensmuster oder alleinig durch das fast allen innewohnende Familienideal,
sehen sich die Familien damit großen Herausforderungen gegenüber. Besonders
dann, wenn die tradierten Verhaltens- und Denkmuster auf die gelebte
Lebensform keine Anwendung finden können, sind Konflikte und Krisen scheinbar
vorprogrammiert.
Summa summarum sind die Gründe für die Individualität von Familien durch
mehrere
sich bedingende
Faktoren gekennzeichnet.
Ist
uns
allen eine
Idealvorstellung unabhängig von der Herkunftsfamilienerfahrung gemein, sind
davon abweichende Lebensformen in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr
tabuisiert und werden offen gelebt. Sind Lebensformen noch als Muster für
bestimmte Arten des Zusammenlebens von Menschen zu verstehen, können
Familienkulturen begründet in der Eigenart der Menschen, die diese ausmachen,
keinen
allgemeingültigen
Merkmalen
zugeordnet
werden.
Sprich,
keine
Familienkultur gleicht einer anderen sowie auch kein Mensch einem anderen
gleicht, und die Kombination der Individuen innerhalb einer Familie deren Kultur
einzigartig macht. Diese aufgezeigte Individualität von Familien bedeutet für die
auf die gesamte Familie ausgerichtet SPFH, dass sie über eine enorme
Handlungsvielfalt verfügen muss, die es erlaubt, der Einzigartigkeit einer jeden
5 Fazit
72
Familie gerecht zu werden. Dementsprechend ist die Arbeitsweise der SPFH nicht
methodisch-konzeptionell
geregelt,
sondern
die
Fachkraft
benötigt
einen
umfassenden Pool an Konzepten, um eine gelingende, auf den Einzelfall
zugeschnittene Hilfe leisten zu können.
Unsere Hauptfrage scheint damit schon beinahe beantwortet, aber so individuell
die Familien sind, so individuell sind auch ihre Probleme. Um diese Probleme
gruppieren und damit besser fassbar zu machen hilft es, Probleme entlang der
drei Dimensionen der SPFH nach Müller zu unterscheiden. So gibt es
Problemlagen, die dem Individuum in seiner Lebenswelt zuzuordnen sind. Das
können beispielsweise Probleme bei der eigenen Tagesstrukturierung sein oder
aus ihr resultierende. Weiter können Probleme, die das System Familie betreffen,
wie zum Beispiel Konflikte zwischen Geschwistern oder zwischen Eltern und
Kindern, der zweiten vorgestellten Dimensionen zugeordnet werden. Zuletzt
zeigen sich bei vielen Adressaten der SPFH auch Probleme bei der Inklusion oder
Exklusion in beziehungsweise aus den gesellschaftlichen Teilsystemen, wie etwa
geringe Teilhabechancen am Bildungssystem oder dem Ausschluss von sozialen
Leistungen. Diese aufgezeigten Bespiele sind nur exemplarisch für diverse
Problemlagen, die sich den einzelnen Dimensionen zuordnen lassen. Gestützt
wird die Annahme, dass sich Probleme gruppieren lassen auch dadurch, dass die
meisten Konzepte einen Schwerpunkt auf spezielle Problemlagen legen und damit
ebenfalls einer bestimmten Dimension zuordenbar werden. Wie in Kapitel zwei
aufgezeigt, unterscheiden sich die Konzepte insofern voneinander, dass sie
entweder einen umfassenden Geltungsanspruch für die Soziale Arbeit haben oder
aber speziell auf die SPFH ausgerichtet sind.
Eltern-AG ist eigentlich ein präventives Konzept unabhängig von der SPFH.
Nichtsdestotrotz kann es in unseren Augen in bestimmten Fällen eine gelungene
Ergänzung zur Elternarbeit der SPFH leisten, da die Probleme der Eltern mit
anderen Eltern in ähnlichen Problemlagen besprochen und bearbeitet werden
können. Das Dialogische ElternCoaching und Konfliktmanagement richtet sich
hingegen direkt an die Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe. Gleichzeitig hat es
aber auch wie die Eltern-AG eher ergänzenden Charakter im Hilfeprozess der
SPFH. Der Familienrat ist zuvorderst ebenfalls ein Konzept, welches unabhängig
von der SPFH Einsatz finden soll. Wir sind aber der Auffassung, dass der
Familienrat als Konzept in die Arbeit der SPFH integrierbar sein kann und auch in
5 Fazit
73
angemessenen Fällen anzuwenden ist. Familien-Coaching ist gleichfalls ein
Konzept, dass nicht speziell für die Arbeit der SPFH entwickelt wurde, aber
durchaus sinnstiftend eingesetzt werden kann. Mit dem Heidelberger Modell
wurde dann ein spezielles Konzept, welches direkt auf die SPFH ausgerichtet ist,
vorgestellt und deren Arbeit hauptsächlich auf familiale Problemlagen fokussiert
ist. Die Bearbeitung von Teilhabeproblematiken nimmt in der SPFH aus eigener
Erfahrung viel Zeit in Anspruch, jedoch war es uns nicht möglich, ein speziell
darauf angelegtes Konzept ausfindig zu machen. Für uns sind die Konzepte
Ressourcenorientierung
und
Empowerment,
welche
einen
umfassenden
Geltungsanspruch in der Sozialen Arbeit haben, am ehesten auf diese Probleme
ausgerichtet. Es kann also hervorgehoben werden, dass die jeweiligen Konzepte
einen individuellen Zugang zu Familien und deren Problemlagen bietet, aber eben
nur Zugänge. Wir sind der Auffassung, dass kein Konzept ein allgemeingültiges
Rezept für die „Genesung“ einer Familie sein kann. Sie bieten lediglich Zugänge
zu bestimmten Problemlagen einer Familie. Da Problemsituationen oftmals
einander bedingen, werden trotz Schwerpunktsetzung auch Probleme, die
eigentlich anderen Dimensionen zugeordnet werden können, angesprochen und
bearbeitet. Sei es zum Beispiel die Fotoanalyse im Dialogischen ElternCoaching
und Konfliktmanagement, die Copingstrategien aufzeigen, die eigentlich in der
zweiten
Dimension
von
Relevanz sind,
die
Ressourcenorientierung
des
Familienrats oder das Projekt „Integration statt Isolation“ des Heidelberger
Modells, welches die Inklusion in gesellschaftliche Teilsysteme ermöglichen soll.
Damit sind wir abschließend der Auffassung, dass nur über adäquate Konzepte
ein Zugang zur Individualität einer Familie möglich ist und die Unterteilung in
Dimensionen grundsätzlich sinnvoll ist. Aber wir vertreten den Standpunkt, dass
die Individualität einer Familie gerade darin liegt, dass sich ihre Problemlagen
gegenseitig bedingen und damit deren Probleme ohne eine multiperspektivische
Sichtweise nicht umfassend und nachhaltig lösbar sind. Folglich wäre es somit
unmöglich, die Familie dazu zu befähigen, eine eigene Problemlösefähigkeit zu
entwickeln.
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Eidesstattliche Erklärung
78
Eidesstattliche Erklärung
Wir versichern, die von uns vorgelegte Arbeit selbständig verfasst zu haben. Alle
Stellen,
die
wörtlich
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aus
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nicht
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kenntlich gemacht. Sämtliche Quellen und Hilfsmittel sind angegeben. Die Arbeit
hat mit gleichem bzw. in wesentlichen Teilen gleichem Inhalt noch keiner
Prüfungsbehörde vorgelegen.
Neubrandenburg, 01.Juli 2015
Annegret Kohls
Jan Nastola