Brenn-Wert-voll: Kunststoffabfälle

KUNSTSTOFF XTRA
RECYCLING
Separate Kunststoffsammlung in der Schweiz
Brenn-Wert-voll: Kunststoffabfälle
Bis vor Kurzem war die separate Kunststoffsammlung in der Schweiz noch eine Unmöglichkeit. Heute wird öffentlich diskutiert über eine alternative Kunststoffverwertung.
Jedes Jahr kommen Schweiz weit rund
eine Million Tonnen Kunststoffe neu in Umlauf, wobei 20 % in Anwendungen erhalten
bleiben. 80 % sind kurzlebige Produkte,
wie Verpackungen, welche nach dem Gebrauch schnell in den Abfall gelangen. Das
jährliche Entsorgungsvolumen an Kunststoffen beträgt kumuliert stolze 790 000
Tonnen. Lediglich 90 000 Tonnen gehen
ins Recycling und 50 000 Tonnen als Ersatzbrennstoffe in Zementwerke. Der
grösste Teil der Kunststoffabfälle, rund
650 000 Tonnen, verbrennt in Kehrichtverbrennungsanlagen, wo sie Energie, also
Wärme, Dampf und Elektrizität erzeugen,
aber mit schlechtem Wirkungsgrad. Nichts
desto trotz ist der Kunststoff für immer verloren. Dieser ineffiziente Umgang mit
Kunststoffabfällen ist schon länger Stein
des Anstosses. Mit dem Aktionsplan Grüne
Wirtschaft möchte nun der Bundesrat diesen Missstand beheben.
Aktionsplan Grüne Wirtschaft
Der Aktionsplan sieht vor, durch den vermehrten Einsatz von Sekundärrohstoffen
aus dem Recycling den Import von Primärrohstoffen zu senken. Noch offene Stoffkreisläufe, wie im Kunststoffrecycling, müssen geschlossen, bzw. das Abfallaufkommen gesenkt werden. Auch die Kehrichtverbrennungsanlagen müssen ihre
stoffliche und energetische Effizienz verbessern und überdies verpflichtet werden,
nicht nur wie bis anhin die Verbrennung
der Abfälle im Fokus zu haben, sondern
auch im Bereich der stofflichen Verwertung, z.B. mittels vermehrter Separatsammlung resp. Sortierung von Siedlungsabfällen,
aktiv zu werden.
1
Markus Tonner, Geschäftsführer
der InnoRecycling AG, Eschlikon.
48
Grafiken: InnoRecycling
Markus Tonner1
Zahlenbeispiel: Ist-Situation Schweiz: Emissionen von über 2,2 Mio. Tonnen CO2
Kunststoffabfälle haben einen ähnlichen
Heizwert wie Kohle oder Erdöl. Nicht nur
für Kehrichtverbrennungsanlagen ist dieser
hochkalorische Brennstoff interessant. Zementwerke setzen schon seit langem
Kunststoffabfälle als Ersatzbrennstoff (EBS)
ein. Anstatt fossile Brennstoffe (Kohle, Gas,
Erdöl, etc.) zu importieren, substituiert im
Zementwerk eine Tonne EBS aus Kunststoff eine Tonne Kohle. Die Quote von EBS
liegt derzeit bei 50 bis 70 % und wäre
grundsätzlich ausbaubar – sofern verfügbar.
Solange jedoch die KVA weiterhin jährlich
650 000 Tonnen Kunststoffe verbrennen,
fehlt den Zementwerken das Ausbau-Volumen und sie müssen wohl oder übel
120 000 Tonnen Kohle vom Ausland importieren.
Kunststoffabfälle sind wegen ihres Energiegehalts ausgezeichnete Brennstoffe. Doch
es gibt natürlich auch Alternativen zur thermischen Verwertung; Kunststoffe sind prädestiniert fürs Recycling.
Heute werden rund 90 000 Tonnen Kunststoffabfälle stofflich verwertet, sprich recy-
celt, es entstehen also wieder neue Kunststoffprodukte. Die Recyclingquote von
Kunststoffen beträgt in der Schweiz aber
lediglich 10 % im Vergleich zu Glas, PET,
Dosen, etc., mit über 80 %. Die Schweiz
muss sogar Kunststoffabfälle aus dem Ausland importieren, um den heimischen Bedarf an Sekundärrohstoffen, Regranulat und
Recyclingprodukten abzudecken.
Fact ist, dass die Schweiz im Ausland pro
Jahr für CHF 17 Mia. fossile Rohstoffgüter
kauft, währenddessen die Kehrichtverbrennungsanlagen fossile Rohstoffgüter – in
Form von Kunststoffabfällen – im Wert von
jährlich CHF 3 Mia. vernichten. Es stellt sich
somit die berechtigte Frage, ob nicht zumindest ein Teil der 650 000 Tonnen
Kunststoffabfälle zu retten sind.
Separate Kunststoffsammlung
Die Verwertung von Kunststoffabfällen
muss im Kontext verschiedener Anwendungen betrachtet werden. Unter dem Aspekt
der Ressourcen-Effizienz bringt eindeutig
6/2013
KUNSTSTOFF XTRA
RECYCLING
stoffe und 50 000 Tonnen fossiler Kunststoffrohstoffe.
Die stoffliche Verwertung von Kunststoffen
substituiert also den Import von 100 000
Tonnen fossiler Rohstoffe. Ein weiterer positiver Effekt liegt in der Vermeidung von
beträchtlichen CO2-Emissionen.
Dass das Recycling der Verbrennung und
dem Import vorzuziehen ist, belegt das
Zahlenbeispiel mit 100 000 Tonnen pro
Jahr (effektiv 650 000 Tonnen) (Grafiken).
Fazit
Alternative mit Substituierungsmodell: Einsparungen von 250 000 Tonnen CO2 und 100 000
Tonnen weniger Import von fossilen Rohstoffen.
das Recycling die besten Ergebnisse. Aus
Kunststoffabfällen werden wieder neue
Kunststoffprodukte hergestellt, der Rohstoff
bleibt erhalten und die Produktion von Recyclingkunststoff spart gegenüber Primärkunststoff 50 % Energie und CO2. Und nur
was sich nicht recyceln lässt, wird thermisch verwertet.
Anstatt 85 % der Kunststoffabfälle in der
KVA zu verbrennen, könnte der grösste Teil
davon recycelt werden. Österreich und
Deutschland haben bereits jahrelange Erfahrung in der Verwertung von Haushaltkunstoffen. Dass das Potenzial in der
Schweiz dem unserer Nachbarländer um
nichts nachsteht, zeigen neuste Feldversuche und Pilotprojekte.
Wie gelangen jedoch die Kunststoffabfälle
aus Industrie, Gewerbe und Privathaushalten ins Recycling? Die Erfassung bei Industrie und Gewerbe funktioniert bereits
heute schon recht gut. Die bestehende
Sammellogistik kann man verfeinern und
ausbauen. Hingegen muss die Erfassung
der Haushaltkunststoffe grösstenteils neu
aufgebaut werden. Ein Teil der Kunststoffe,
wie PET-, und Milchflaschen, gelangt zwar
schon ins Recycling, aber für den ganzen
Rest, also Verpackungen, Produkte des täglichen Gebrauchs, Baumaterialien, etc., benötigen wir ein neues System.
Zusätzlich zum bestehenden Kehrichtsack
wird ein zweiter Kunststoff-Sammelsack
verkauft. Die Kosten für den Konsumenten
6/2013
sind deutlich tiefer als beim Kehricht. Der
Vertrieb erfolgt auf den bisherigen Distributionskanälen. Die Kunststoffabfälle werden zusammen mit dem restlichen Haushaltkehricht wöchentlich eingesammelt.
Auch Abgabe- oder Sammelstellen sind
möglich.
Schweizer Substituierungsmodell für Kunststoffe
Die Vorteile einer separaten Kunststoffsammlung mit anschliessender stofflicher
Verwertung liegen auf der Hand. Die Hälfte der gesammelten Haushaltkunststoffe
wird recycelt und es entstehen wieder
neue Kunststoffprodukte. Die zweite Hälfte dient in Zementwerken als EBS zur Produktion von ökologischem Zement. Anhand
eines konkreten Zahlenbeispiels, lässt sich
der positive Effekt verdeutlichen:
100 000 Tonnen Kunststoffabfälle in der
KVA verbrennen erfordert Re-Importe von
100 000 Tonnen fossilen Rohstoffen, nämlich 50 000 Tonnen fossile Brennstoffe für
Zementwerke und 50 000 Tonnen fossile
Rohstoffe zur Kunststoffproduktion.
Gelangen aber 100 000 Tonnen Kunststoffabfälle nicht in die KVA sondern in eine
alternative Verwertung, dienen diese je zur
Hälfte der Kunststoffproduktion bzw. als
Ersatzbrennstoff und vermeiden so den
Import von 50 000 Tonnen fossiler Brenn-
Für Länder ohne bedeutende Rohstoffvorkommen wie die Schweiz ist der Zugang
zu Rohstoffen für die Versorgungssicherheit
der Wirtschaft zentral. Mit dem Aktionsplan
Grüne Wirtschaft forciert der Bundesrat
den vermehrten Einsatz von Sekundärrohstoffen aus dem Recycling, um gleichzeitig
den Import von Primärrohstoffen zu senken. Die Förderung des Kunststoffrecyclings ist aber lediglich eine von 27 Massnahmen. Die Einführung einer neuen
Separatsammlung ist für die Schweiz kein
unüberwindbares Hindernis. Wer würde
heute noch PET-Flaschen, E-Schrott und
Batterien im Kehricht entsorgen? Diese
Systeme sind allesamt Errungenschaften
der letzten zwanzig Jahre und fest etabliert.
Eine flächendeckende Separatsammlung
für Kunststoffabfälle ist für die Schweiz gewiss neues Terrain und birgt grosse Herausforderungen – für Konsumenten und
Wirtschaft – ist aber ein ultimativer Schritt
in die richtige Richtung.
Klar ist: Die ambitionierten Ziele der Grünen Wirtschaft lassen sich nur mit neuen
Ideen und Ansätzen erreichen. Machen wir
die Schweiz zum Wertstoff-Land!
Kontakt
InnoRecycling AG
Hörnlistrasse 1
CH-8360 Eschlikon
Telefon +41 (0)71 973 70 80
[email protected]
www.innorecycling.ch
■
49