Zu teure Träume

Mittwoch, 24. Februar 2016
NR. 46 RMS01*
Stadtmagazin
S
ie erwartet fünf
kräftige Esser: Ihre
Cousine hat sich
angekündigt – nebst
Ehemann und den drei
heranwachsenden Söhnen. Deshalb steht die
50-Jährige schon früh
am Herd, um die Lammhaxen anzubraten.
Da sie noch ihren Schlafanzug trägt, bleibt die
Balkontür geschlossen.
Und weil sie vertieft ist
in ihre Kochkünste,
merkt sie nicht, wie dick
die Luft um sie herum
trotz dröhnender Abzugshaube bereits ist.
Plötzlich erfüllt ein
durch Mark und Bein gehender Warnton die
sonntägliche Stille. Der
Rauchmelder rührt sich.
Sie schleppt eine Leiter
herbei, klettert rauf und
klaubt die Batterie aus
dem Gehäuse, um das
Ding zum Schweigen zu
bringen. Gedanken von
Nachbarn, die hektisch
mit gefüllten Wassereimern zu ihr in die obere Etage des Mehrfamilienhauses laufen, tauchen vor ihrem geistigen
Auge auf. Und das Bild
vom Wasserschwall, der
ihr beim Türöffnen entgegenschwappt. Doch
was passiert? Nix! Kein
Nachbar rührt sich. Keiner kommt, um zu fragen, was war – wo es
wieder ruhig ist. „Keiner“, so beklagt sich die
50-Jährige am nächsten
Tag bei ihrer gleichaltrigen Kollegin, „kommt
heute noch einer alleinstehenden älteren Dame
zur Hilfe.“
-pn-
NACHRICHTEN
Sanitäter mit Messer empfangen
-hpe- MÜNSTER. Bei einem
Wohnungsbrand gegen
19 Uhr am Ronnebergweg, unweit der Geistkirche, kam es zu einer bedrohlichen Situation. Als
die zuerst am Einsatzort
eintreffenden Rettungssanitäter in die verqualmte Wohnung wollten, wurde einer der Helfer von dem Mieter mit
einem langen Küchenmesser bedroht. Sofort
rückten mehrere Polizei-
Streifenwagen an und
konnten die Situation
beruhigen. Nach Aussage
des Mieters sei er beim
Kochen überrascht worden. Deshalb habe er ein
Messer in der Hand gehalten, teilt die Polizei
mit. Der Sanitäter kam
mit einem Schrecken davon, und auch das Feuer
war rasch gelöscht. Der
Rauch war durch brennendes Essen auf dem
Herd entfacht worden.
Reise endet im Gefängnis
MÜNSTER. In Münsters
Justizvollzugsanstalt endete die Reise eines 51jährigen lettischen
Staatsbürger am Dienstag. Bundespolizeibeamte überprüften den
Mann um 9.30 Uhr im
Personentunnel des
Hauptbahnhofs und
stellten fest, dass gegen
ihn zwei Strafbefehle des
Amtsgerichts Münster
vorlagen. Danach hat er
noch eine Geldstrafe von
insgesamt rund 1300
Euro zu zahlen, ersatzweise 90 Tage Haft zu
verbüßen. Das Geld hatte
er nicht bei sich.
KOMMENTAR
Absage für das Paul-Gerhardt-Quartier
Zu spät
E
s kommt regelmäßig
vor, dass Bauvorhaben scheitern, weil
der potenzielle Bauherr
das erforderliche Geld
nicht auftreiben kann.
Auch das „Aus“ für das
Paul-Gerhardt-Quartier an
der Erlöserkirche folgt diesem Muster.
Doch als Erklärung
reicht das Geld nicht. Als
die Pläne vor einigen Jahren vorgestellt wurden,
ging es um ein „evangelisches Zentrum mit stadtweiter Bedeutung“. Eine
solche Konzentration
kirchlicher Präsenz in
Münster hätte aber zwingend zur Voraussetzung
gehabt, dass nicht eine
einzelne Kirchengemeinde als Bauherr auftritt,
sondern der Kirchenkreis.
Voraussetzung wäre auch
gewesen, dass sich die
evangelische Kirche an
verschiedenen Stellen in
Münster kleinersetzt, um
ihre Kräfte – auch ihre finanziellen – an der Erlöserkirche zu bündeln.
Genau diese Grundsatzfrage hätte geklärt sein
müssen, als 2013 der
Architektenwettbewerb
ausgelobt worden war.
War sie aber nicht. Nicht
die Absage ist das Problem. Wohl aber ihr Zeitpunkt. Klaus Baumeister
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Zu teure Träume
Evangelische Erlöserkirchengemeinde beerdigt Neubau-Pläne rund um das Paul-Gerhardt-Haus
So hätte das neue Paul-Gerhardt-Haus nach den Plänen des Büros Kuckert aussehen sollen. Es hatte den Architektenwettbewerb gewonnen. Nach der Absage
der evangelischen Kirche bleiben die Pläne in der Schublade.
Foto: Kuckert Architekten BDA
Von Klaus Baumeister
MÜNSTER. Außer Spesen
nichts gewesen: Die evangelische
Erlöserkirchengemeinde hat sich am Dienstag
auch offiziell von dem Projekt
des
Paul-GerhardtQuartiers
verabschiedet.
„Die Finanzierung war nicht
sichergestellt“, erklärte Projektleiter Ulrich Grywatz bei
einem Pressegespräch.
Das Konzept sah eine
komplette Umgestaltung der
Fläche rund um die Erlöserkirche an der Eisenbahnstraße vor. Geplant waren ein
Ersatzbau für das abgängige
Paul-Gerhardt-Haus,
welches Gemeinderäume, ein
Jugendheim und eine Familienbildungsstätte
beherbergt. Darüber hinaus sollten in einem weiteren Gebäude verschiedene Einrichtungen aus dem kirchlichen
und sozialen Bereich gebündelt werden.
Auch wenn es viel Lob für
das Konzept gegeben habe,
so Grywatz weiter, sah sich
die Erlöserkirchengemeinde
„finanziell auf sich allein ge-
Sichtlich enttäuscht waren bei dem Pressegespräch (v.l.):
Martin Schofer, Ulrich Grywatz und Superintendentin Meike
Friedrich.
Foto: Oliver Werner
stellt“ und habe deshalb
einen Rückzieher gemacht.
Ganz offensichtlich war es
nicht möglich, im Kreis der
evangelischen
Kirchengemeinden Verbündete zu finden. So berichtete der Presbyter Martin Schofer von
den Gesprächen mit den
Nachbargemeinden
über
eine „abgestimmte Gemeindekonzeption“.
Schofers
Kommentar dazu: „Der Weg
war schwierig.“
Die evangelische Superintendentin Meike Friedrich
attestierte der Kirchengemeinde, „wie ein Löwe“ für
das Projekt gekämpft zu haben. Letztlich habe aber
auch die Landeskirche gesagt: „Lasst es sein!“
An dem Gespräch nahm
auch Stadtdirektor Hartwig
Schultheiß teil. Er erinnerte
an die städtebaulichen Erwartungen, die mit dem Projekt verbunden gewesen sei-
en, so beispielsweise eine
Verkehrsberuhigung durch
den Wegfall der Friedrichstraße als öffentlicher Straße
und die Verbreiterung der
Eisenbahnstraße – bedingt
durch den Abriss des alten
Paul-Gerhardt-Hauses.
Schultheiß zitierte den früheren Superintendenten Dr.
Dieter Beese, der das Quartier als „eine wunderbare
Chance für eine andere
Wahrnehmbarkeit“
der
evangelischen Kirche bezeichnet hatte.
Seine Nachfolgerin indes
wies darauf hin, dass sich die
Rahmenbedingungen
grundlegend geändert hätten. Weder in Trägerschaft
der Gemeinde noch in Trägerschaft des Kirchenkreises
sei das finanzielle Risiko
tragbar. „Es hat sich nicht gerechnet.“
Die Kirchengemeinde will
jetzt das Paul-Gerhardt-Haus
in der bestehenden Form
weiterführen und für die Instandhaltung sorgen. Größere Investitionen seien vorerst nicht geplant.
| Kommentar
Planung kostete
250 000 Euro
Rund sechs Jahre hat die
evangelische Erlöserkirchengemeinde an dem
neuen Quartier geplant
und dafür rund 250 000
Euro ausgegeben, unter
anderem für einen Architektenwettbewerb 2013.
Auslöser für die Neuplanung war nicht zuletzt
der schlechte bauliche
Zustand des bestehenden
Paul-Gerhardt-Hauses.
In Architektenkreisen hat
das „Aus“ nach Informationen unserer Zeitung
für ganz erhebliche Irritationen gesorgt. 16 Büros
hatten Beiträge geliefert
und sich Gedanken gemacht über eine komplette Neugestaltung des
Areals zwischen dem
Freiherr-vom-Stein-Platz
im Norden und der Wolbecker Straße im Süden.
Jetzt wird über die Frage
diskutiert, wie ernst gemeint der Wettbewerb
überhaupt war.
-kb-
Kein Partyschiff
im Stadthafen 1
TV-Millionär will aber nicht aufgeben
Von Martin Kalitschke
MÜNSTER. Der Traum von
Wer-wird-Millionär-Gewinner Leon Windscheid ist
noch nicht zerplatzt – aber
er hat einen Dämpfer bekommen. Das Ordnungsamt
hat dem 28-jährigen Doktoranden jetzt mitgeteilt, dass
das von ihm geplante Partyschiff „MS Günther“ nicht
dauerhaft im Stadthafen 1
vor Anker gehen darf. Gewerbliche Nutzungen seien
dort auf dem Wasser verboten, so Amtsleiter Martin
Schulze-Werner.
Windscheid denkt jedoch gar
nicht daran aufzugeben.
Möglicherweise
könnte
das Partyschiff nämlich im
Stadthafen 2 anlegen, sagt
Schulze-Werner. Der KanalSeitenarm am Hawerkamp
sei inzwischen zum Teil versandet. Andere Nutzungen,
die dem Partyschiff im Wege
stehen könnten, gebe es hier
nicht. Doch Windscheid
müsste dort erst einmal kräftig in die Infrastruktur investieren, sagt Schulze-Werner.
Nicht nur Strom- und Wasserversorgung sowie Entsorgung vom Schiff müssten sichergestellt werden. Es gebe
nicht einmal eine Straße
zum Hafenbecken. „Wenn er
genug Geld in die Hand
nimmt, dann wäre der Plan
im Stadthafen 2 wohl grundsätzlich umsetzbar“, sagt
Schulze-Werner.
Der Stadthafen 2 sei für
ihn durchaus eine Option –
allerdings nur eine unter
mehreren, so Leon Windscheid gegenüber unserer
Zeitung. In einer Pressemitteilung betonte der frischgebackene Millionär am Dienstag: „Wir arbeiten gemeinsam mit der Stadt mit Hochdruck an einer Alternative.“
Mehr noch: Eine „totale
Möglichmachermentalität“
habe er bei den Behörden
ausgemacht, und auch im
Ordnungsamt sei man „guter
Im Stadthafen 2 könnte das Partyschiff eventuell vor
Anker gehen, sagt die Stadt. Millionär Leon Windscheid (kl.
Foto) bleibt daher optimistisch.
Fotos: hpe/RTL
Dinge“. Entsprechend „optimistisch“ sei er, dass die „MS
Günther“ bald auf Jungfernfahrt gehen kann.
Bei seinem Partyschiff
werde es sich um ein voll
funktionsfähiges, fahrbares
Schiff handeln, so Windscheid. „Wenn wir nicht in
Münster selbst liegen können, finden wir sicher einen
Liegeplatz ein wenig weiter
weg. In Münster an- und ab-
zulegen, ist nämlich kein
Problem, das haben die Behörden schon bestätigt, und
andere Schiffe machen das
auch.“
Bereits jetzt gebe es viele
Buchungsanfragen für Veranstaltungen: „Das gibt uns
sehr viel Rückenwind.“ Noch
im März, so der Plan, soll ein
Schiff nach Münster geholt,
umgebaut und im Frühsommer aufs Wasser geschickt
werden. Mit Günther Jauch,
der versprochen hatte, zur
Schiffstaufe zu kommen, stehe er in engem Kontakt. Der
TV-Moderator habe bereits
einige mögliche Termine
durchgegeben, so Windscheid.
| Westfalen