Memorandum zum Umgang miteinander

Debattierclub Georgia Augusta e.V. Göttingen
Debattierclub Georgia Augusta e.V. c/o Nicolas Eberle
Der Beauftragte für Billigkeitsfragen
E [email protected]
An
alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der
ZEIT DEBATTE Göttingen
Wiesbaden, 21. X. 2015
Betr.: Memorandum zum Umgang miteinander
A. Zusammenfassender Teil
In einem Satz (tl;dr):
Behandle Andere so, wie Du in Deren jeweiliger Situation würdest behandelt werden
wollen, und: wer nicht behandelt werden will, der wird auch nicht behandelt.
Stichpunkte zum konfliktvermeidenden Verhalten:
1. Bitte verhaltet Euch möglichst freundlich, tolerant und verständnisvoll.
2. Verzichtet auf alles, was geeignet ist, Andere herabzusetzen, gleich ob diese
anwesend oder abwesend sind.
3. Nehmt Rücksicht auf die jeweiligen Empfindungen und Eigenheiten Eures Gegenübers
(Adressatenbezogenheit Eures Verhaltens).
4. Bitte versucht, zu unterstellen, dass Euer Gegenüber Euch nicht angreifen möchte
(Intention des Sprechers bzw. der Sprecherin).
5. Löst etwaige Konflikte durch freundliche Kommunikation miteinander, räumt
Missverständnisse aus.
6. Achtet insbesondere beim Flirten darauf, niemandem zu nahe zu treten. Akzeptiert
ohne Weiteres auch Nichtinteresse.
7. Diskriminiert niemanden, nur weil er oder sie in irgendeiner Form anders ist oder
denkt, als ihr selbst seid oder denkt.
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B. Analytischer Teil:
I. Problembeschreibung
1. Veranstaltungsumfeld als Mikrogesellschaft
Debattierturniere zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass eine relative große
Anzahl von Menschen über einen relativ langen Zeitraum auf engem Raum in
Gemeinschaft ist. Neben dem eigentlichen Debattieren verleben die TeilnehmerInnen
auch ihre Freizeit – üblicher Weise über die Dauer eines Wochenendes – miteinander.
Regelmäßig beinhalten zudem die gemeinsamen Freizeitaktivitäten den Ausschank von
Alkohol und gemeinsames Feiern.
2. Moral, Sitte und Gesetz
Im Rahmen eines jeden gesellschaftlichen Umgangs miteinander treten zwischen
Menschen regelmäßig Konflikte auf. Ein Zusammenleben einer Vielzahl von Menschen ist
ohne das Auftreten von Konflikten im Grunde nicht möglich, so dass ein geordnetes
gesellschaftliches Zusammenleben das Setzen und die Befolgung von allgemeingültigen
Regeln erforderlich macht. Dies ist – grob vereinfacht – Hintergrund einer jeden
gesetzlichen Regelung: Das Zusammenleben einer Vielzahl von Menschen zu ordnen.
Neben diesen gesetzlichen Regeln existieren auch nichtgesetzliche – und damit nicht
allgemeingültige – Normen für ein jedes gesellschaftliches Zusammenleben.
Üblicherweise werden derartige Normsätze als „Sitte“ oder „Moral“ bezeichnet, wobei
sich nach deutlich überwiegender Ansicht in Psychologie und Recht ein Gefälle in
folgender Gestalt ergibt:
(1) Zunächst bildet der Einzelne für sich eine Moral aus, diese ist zunächst rein
subjektiv,
(2) eine Moral, die ihrem Wesen nach von einer Mehrheit einer relevanten Gesellschaft
geteilt wird, wird zur Sitte (im Recht gerne definiert als „das Anstandsgefühl aller
billig und gerecht Denkenden“) und ist damit jedenfalls vom Anspruch her zumindest
intersubjektiv,
(3) wird letztlich nach einer mehr oder minder langen Zeit in aller Regel zum
gesetzten Recht, ergo zum allgemeinverbindlichen Gesetz.
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3. Mangelnde Intersubjektivität als Konfliktpotenzial
Wer nun einmal auf einem Debattierturnier gewesen ist, dem dürfte rasch einleuchten,
dass auf den Ebenen von Moral und Sitte schnell Unstimmigkeiten zwischen einzelnen
TeilnehmerInnen oder verschiedenen TeilnehmerInnen-Gruppen auftreten können. Schon
die Intersubjektivität der Sitte ist in aller Regel begrenzt auf die Mehrzahl der
Teilelemente einer Gesellschaft. Subjektive Moralvorstellungen bieten indes noch mehr
Raum für individuelle Abweichungen.
Jedwede solche Abweichung kann zu Konflikten zwischen einzelnen Personen und/oder
Personengruppen führen. Nicht nur, aber auch auf Debattierturnieren.
Anzumerken ist hier, da für den Turnierbetrieb des VDCH von großer Bedeutung, dass im
Gegensatz zu internationalen Debattierturnieren ein erheblich reduziertes
Konfliktpotenzial anzunehmen sein wird – die TeilnehmerInnen auf VDCH Turnieren
werden mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit ein und das selbe oder doch ein
vergleichbares sittliches Wertekonzept sowie eine eher vergleichbare jeweilige
individuelle Moral aufweisen, als beispielsweise Individuen aus sehr unterschiedlichen
Ländern. Letztlich wird das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“
notwendiger Weise überdeutlich vom jeweiligen Kulturkreis geprägt, ist nach
verschiedenen Theorien in verschiedenen Feldern der Wissenschaft sogar als erhebliches
Teilelement der Kultur zuzurechnen.
Nichtsdestoweniger sind auch VDCH-Turniere grundsätzlich offen für ganz
unterschiedliche Menschen mit ganz unterschiedlichen persönlichen Hintergründen,
Erfahrungen und gegebenenfalls unterschiedlichem Moral- und Sittlichkeitsempfinden.
Gemeinhin wird dies als „Diversität“ auch begrüßt – wie bei jeder Heterogenität unter
Menschen beim Zusammenleben auf engem Raum auf eine gewisse Dauer können sich
jedoch auch hier gewisse Konfliktpotenziale ergeben.
II. Zielbestimmung
Vermutlich allgemein gewünschtes – auf dieser Zeitdebatte völlig zweifelsfrei
angestrebtes – Ziel ist es nun, unter Erhaltung der gerade im Debattieren
wünschenswerten Diversität des Teilnehmerfeldes etwaig auftretende Konflikte durch
Aufbringen gegenseitigen Verständnisses und Zurückstellen eigener Befindlichkeiten zu
lösen. Das bedeutet im schlimmsten Fall eine unbefriedigende Lösung für beide
Konfliktparteien, trägt allerdings in erheblichem Maße zur Befriedung von Gesellschaften
gleich welcher Größe bei.
Optimaler Weise zu erreichendes Ziel ist es, dass auftretende Unstimmigkeiten bereits
vor Ausbruch eines eigentlichen Konfliktes erstickt werden. Hierfür ist es von Nöten,
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dass einerseits eine jede Person, deren Verhalten von einer anderen Person als
unmoralisch oder anderweitig störend empfunden wird, dieses Verhalten grundsätzlich
einzustellen bereit ist. Andererseits ist es ebenso notwendig, dass die jeweils in ihren
Moralvorstellungen oder anderweitig in ihrem Befinden gestörte Person diese Störung
zum einen dem/der StörerIn kommuniziert und dann keine weitere Konfliktvertiefung
betreibt.
Ein guter Hinweis aus dem Feld der Mediation dürfte hier sein, dass eigene subjektive
Empfinden in allen Situationen für verhandelbar zu halten und nicht den Fehler zu
machen, subjektive Vorstellungen verallgemeinern zu wollen.
III. Verhaltenshinweise, Konfliktlösung, Verfahrensgang
1. Verhaltenshinweise
Die TeilnehmerInnen sollten zur Konfliktvermeidung über den geltenden gesetzlichen
Mindestrahmen hinaus bemüht sein, zu jedem Zeitpunkt auf dem Turnier ein möglichst
sozialverträgliches Verhalten an den Tag zu legen. Hintergrund dessen ist der
wünschenswerte Versuch, die Teilnahme an allen Phasen des Turniergeschehens für alle
Anwesenden möglichst angenehm zu gestalten. Dies beinhaltet, wie oben bereits
angemerkt, sowohl den sensiblen Umgang mit anderen TeilnehmerInnen, als auch die
sensible Reaktion auf das Verhalten anderer TeilnehmerInnen. Es empfiehlt sich
unbedingt, grundsätzlich zu unterstellen, dass das jeweilige Gegenüber keine bösartigen
Absichten hegt.
Insbesondere:
Direkte oder indirekte Beleidigungen, gruppenbezogene Ausgrenzung, Verlachen,
Bloßstellen oder verbales Abwerten von TeilnehmerInnen sollten vermieden werden.
Den intensiven Austausch über die Sexualität anderer TeilnehmerInnen sollte niemand
nötig haben. Das Verhalten anderer zwanghaft zu bewerten, mag eine verzeihliche
Charakterschwäche sein, die eigenen Bewertungen öffentlich oder halböffentlich
kund zu tun, kann nur Ausdruck der eigenen Lächerlichkeit sein. Im Grunde bedarf
doch nur ein armes Würstchen der Herabsetzung anderer vor Dritten, um sich selbst
aufzuwerten. Leider ist derartiges Verhalten recht häufig auf deutschen
Debattierturnieren zu beobachten. Die Vermutung liegt nahe, dass auf den
Veranstaltungen arme Würstchen in zumindest relativ hoher Dichte zu finden sind.
Frauen wie Männer gleichermaßen sollten zudem darauf achten, einen angemessenen
Umgang mit jedem potentiellen Subjekt der Begierde zu pflegen. Neben den
gesetzlichen Vorgaben ist hier insbesondere zu erwähnen, dass gerade das explizite
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oder implizite Bekunden von Nichtinteresse entsprechend zu würdigen ist. Kein
Mensch ist in wie auch immer gearteter Form minderwertig oder legitimer Weise
herabzusetzen, nur weil er/sie die eigenen amourösen Avancen nicht wertzuschätzen
weiß. Wenn ihr so unwiderstehlich wärt, wie ihr glaubt, wärt ihr erst gar nicht in die
Situation geraten, mit Ablehnung umzugehen. Die Wahrscheinlichkeit der
Wiederholung dieser unangenehmen Erfahrung ist daher recht hoch. Es bietet sich für
Euch folglich dringend an, den adäquaten Umgang mit Ablehnung möglichst rasch zu
trainieren. Nämlich sofort. Auch hier finden sich geradezu haarsträubende
Negativbeispiele in der Geschichte des Debattierens.
Ebenso im Besonderen sollten alle TeilnehmerInnen darauf achten, niemanden
aufgrund seiner Hautfarbe, Nationalität, Religion, anderweitiger Überzeugung oder
Gewissensbildung, körperlichen Merkmalen oder Zugehörigkeit zu einer wie auch
immer differenzierbaren Gruppe zu diskriminieren. Gleichsam sollte ein jede und ein
jeder darauf achten, nicht überall eine Diskriminierungsabsicht zu erblicken. Gerade
im Hinblick auf diskriminierendes Verhalten ist – über diejenigen Vorgänge, die
gesetzlich normierte ggf. unter Heranziehung von in der Rechtsprechung gebildeten
Fallgruppen ausgefüllte Tatbestände verwirklichen – auch aus Perspektive des/der
etwaig Diskriminierten Vorsicht geboten. Zur Verwirklichung des Ziels des
angenehmen gemeinsamen Verlebens der Turniertage haben alle Anwesenden im
Sinne eines vermittelnden Ausgleichs Rücksicht auf alle anderen Anwesenden zu
nehmen. Dies betrifft auch und gerade das oftmals sehr subjektiv geprägte Feld der
nicht rechtserheblichen Diskriminierung, da diese nicht objektiv oder objektivierbar,
oftmals nicht hinreichend intersubjektiv fassbar ist. Aus Perspektive einer
Teilnehmerin bzw. eines Teilnehmers ist es daher empfehlenswert, Verhaltensweisen
anderer, die verschiedene Interpretationsmöglichkeiten bieten, grundsätzlich nicht
als Diskriminierung zu verstehen.
Immer empfehlenswert ist es zudem beim zwischenmenschlichen Umgang in derlei
Situationen unter Erwachsenen, zunächst das Gespräch mit dem oder der Betroffenen
zu suchen, bevor man aufgrund subjektiven Empfindens eine gegebenenfalls
unpassende oder doch zu harsche Reaktion folgen lässt. Wichtig ist es hier, zu
verstehen, dass es sich beim zwischenmenschlichen Umgang miteinander nicht um
eine Debattensituation handelt, in der oftmals Emotionen rationalisiert,
Verhaltensweisen eine hypothetischen Analyse und Interpretation unterzogen und
Streitstände künstlich vergrößert werden. Dies gilt auch für den Rahmen eines
Debattierturnieres – immer dann, wenn sich die Teilnehmenden nicht in einer
Debatte befinden. Dieser Absatz erscheint vor dem Hintergrund der geplanten
Kostümfeier umso bedeutsamer.
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2. Konfliktlösung
Sofern kein straf- oder ordnungsrechtlich relevanter Tatbestand vorliegt, ist allen
Beteiligten in allen Situationen zunächst der Versuch einer einvernehmlichen
Konfliktbeilegung aufzuerlegen. Oftmals können Konflikte bereits durch ein klärendes
Gespräch ausgeräumt werden. Hierbei ist – wie es bereits im Kindergarten vermittelt
wurde – darauf zu achten, dass die Position des Gegenübers ernst genommen und die
eigene Position reflektiert betrachtet wird.
Sollte sich aufgrund des Konflikts eine einvernehmliche, nicht moderierte Konfliktlösung
als für eine der oder beide Parteien unbillig erweisen oder ist der Versuch einer solchen
Konfliktlösung gescheitert, so kann von den Parteien jederzeit gerne der Beauftragte für
Billigkeitsfragen angesprochen werden. Dieser wird dann mit allen Beteiligten den
ernsthaften Versuch einer streitschlichtenden Mediation nach den im Groben auch für
eine Mediation nach der Mediationsrichtlinie bzw. der deutschen Umsetzung der
Richtlinie (Mediationsgesetz) vorgesehenen Standards versuchen. Natur der Mediation ist
allerdings, hierauf sei an dieser Stelle hingewiesen, dass nur bei Bereitschaft der
Parteien, eine einvernehmliche Streitbeilegung zu erwirken und sich am notwendigen
reflektierten, verständnisvollen Diskurs mit der Gegenseite zu beteiligen, eine Lösung
überhaupt erreicht werden kann.
Sollte die Mediation scheitern, ist den Parteien zu empfehlen, sich für die verbleibende
Dauer des Turniers voneinander fern zu halten.
3. Verfahrensgang
Der Beauftragte für Billigkeitsfragen kann jederzeit (während des Turnierbetriebs)
persönlich oder über das Organisationskollegium angesprochen werden und steht per
Mail unter [email protected] zur Verfügung. Alle Eingaben werden auf Wunsch anonym
behandelt und auf Wunsch auch anonym bei nächster Gelegenheit dem Plenum
vorgetragen.
Anonyme Eingaben in Schriftform können ebenfalls bei allen an der Turnierorganisation
Beteiligten eingereicht werden.
Echte Sanktionsmöglichkeiten – über die öffentliche Ansprache eines auftretenden
Problems hinaus – bestehen grundsätzlich nicht. In gravierend schweren Fällen sowie bei
allen strafrechtlich relevanten Vorgängen (welche erfahrungsgemäß nicht vorkommen
dürften) besteht naturgemäß die Möglichkeit, in Ausübung des Hausrechts der
Veranstalter nach Anhörung aller Beteiligten und Rücksprache mit der
Turnierorganisation einzelne Personen vom Turnier auszuschließen, bzw. diesen das
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Betreten der entsprechenden Räumlichkeiten zu untersagen, was einem Ausschluss vom
Turnier gleichkommt.
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