niemandem mehr das Wasser reichen»

Berner Landbote – Mittwoch, 2. September 2015 – Nr. 18
TITE L S TORY
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niemandem mehr das Wasser reichen»
und ursprüngliches Trinkwasser uneingeschränkt vorhanden ist. Wasser soll als höchstes Gut für alle Lebewesen gelten.
Kein unbehandeltes Quellwasser
gewesen. Doch das Aarewasser weist mit Bestimmtheit Mikroverunreinigungen auf.
hat noch Weiteres herausgefunden, was
ihr bisher völlig unbekannt war. Sie
nennt ein Beispiel: «Wegen der intensiven Fleisch- und Milchproduktion in
der Schweiz findet sich letztlich Vieles
als Mikroverunreinigungen im Wasser wieder – antibiotikaresistente Bakterien, Rückstände von Pestiziden, Antibiotika und Medikamente.» Dies hat
sie endgültig wachgerüttelt. «Damit ist
nicht zu spassen. Kommen diese Mikroverunreinigungen in den Wasserkreislauf, können wir sie zum Beispiel mit
dem Trinkwasser zu uns nehmen, ohne
etwas zu merken. Wir können beim Baden in Fliessgewässern oder Seen mit
ihnen in Berührung kommen», sagt
Franziska Herren und: «Die Folgen unseres Verhaltens den Tieren gegenüber
können uns wie ein Bumerang lebensbedrohend treffen.»
Die Trink-, Quell- und Mineralwasserverordnung des Bundes schreibt allen Trinkwasserversorgern vor, mindestens einmal
jährlich über die Qualität des abgegebenen Trinkwassers zu informieren. Die grössten Versorger im Verbreitungsgebiet des
«Berner Landboten» kommen dieser Pflicht
nach, wie die nachfolgende Zusammenfassung zeigt.
Die Energie Thun AG liefert Trinkwasser an über 43 000 Einwohnende. Dieses
stammt zu rund einem Viertel aus Quellen
und kommt nach Ultraviolett (UV)-Bestrahlung ins Leitungsnetz. Der Rest ist Grundwasser. Es wird einmal pro Woche durch
das Wasserlabor Thun bakteriologisch untersucht. Rund viermal pro Jahr wird zudem eine chemische Analyse in Auftrag gegeben.
Das Trinkwasser der NetZulg AG (Steffisburg) ist ein Mischwasser und stammt zu
knapp 65 Prozent aus den Grundwasserpumpwerken Schwäbis (Wasserversorgung
Steffisburg) und Amerikaegge (WARET AG)
sowie zu zirka 35 Prozent aus dem Quellwassergebiet Buchen-Homberg. Das Quellwasser wird durch UV-Bestrahlung behandelt. Das Trinkwasser für die knapp 21 000
Bezügerinnen und Bezüger in Steffisburg
und Heimberg wird monatlich kontrolliert.
Der Gemeindeverband Wasserversorgung Blattenheit (WGB) versorgt rund
20 000 Einwohnerinnen und Einwohner
mit Trinkwasser. Dieses stammt zu 90 Prozent aus den Quellen Blattenheid und
Baachalp. Das Quellwasser wird durch UVAnlagen entkeimt. Das Grundwasser (10
Prozent) wird nicht behandelt, wird nach
Angaben des Versorgers jedoch regelmässig chemisch und biologisch analysiert und
kontrolliert. Angeschlossen sind die Ge-
meinden Amsoldingen, Blumenstein, Brenzikofen, Forst-Längenbühl, Gurzelen, Herbligen, Jaberg, Kiesen, Oppligen, Pohlern,
Seftigen, Stocken-Höfen, Thierachern,
Uebeschi, Uetendorf und Uttigen. Zusätzlich ist Gerzensee als Vertragsgemeinde
ans WGB-Netz angeschlossen. Mit der Wasserversorgung Region Thun AG (Waret) besteht ein Abgabe- und Bezugsvertrag für
das Stufenpumpwerk Uetendorf.
Die Wasserversorgungsgenossenschaft der Gemeinden Aeschi und Spiez
bezieht ihr Trinkwasser aus Quellen oberhalb Reichenbach im Kandertal und aus
dem Grundwasser des Kanderdeltas.
14 000 Wasserbezüger in Spiez, Aeschi,
Aeschiried, Einigen-Gwatt, Emdtal, Faulensee und Hondrich werden dauerhaft mit
Trinkwasser versorgt. Während der Hauptsaison steigt die Zahl auf 16 500 an. Das
Quellwasser wird mit einer UV-Anlage behandelt.
1999 haben zehn Gemeinden aus dem
mittleren Kiesental die Wasserverbund
Kiesental AG (WAKI) gegründet. Seither
sind zwei weitere Gemeinden hinzugekommen, so dass der WAKI heute zusammen mit den lokalen Wasserversorgungen
in zwölf Gemeinden (Bowil, Freimettigen, Grosshöchstetten, Häutligen, Niederund Oberhünigen, Konolfingen, Mirchel,
Obertal, Schlosswil, Tägertschi und Zäziwil) tätig ist und rund 13 700 Personen mit
Trinkwasser, gewonnen aus entkeimtem
Quell- und Grundwasser, versorgt.
Die InfraWerke Münsingen gewinnen
ihr Trinkwasser aus Quellen in Niederhünigen (36 Prozent) und aus Grundwasser (64
Prozent). Der Ortsteil Trimstein wird zu 100
Prozent mit Quellwasser aus dem Gebiet
Herolfingen in der Gemeinde Konolfingen
versorgt. Das Quellwasser wird durch UVBestrahlung desinfiziert. Versorgt werden
etwas über 12 000 Einwohnende.
Der weitaus grösste Teil (zirka 98 Prozent) des Wasserangebotes für die rund
11 500 Einwohnerinnen und Einwohner in
Belp stammt aus den Quellgebieten Neuhaus in Toffen und Kohlholz in Belp. Es wird
mit einer UV-Anlage behandelt. Den kurzzeitigen Spitzenbedarf (zirka 2 Prozent)
deckt die Energie Belp AG mit Grundwasser ab, das ab den Aaretalleitungen 1 und
2 (Kiesen und Belpau) der Wasserverbund
Region Bern AG bezogen wird. Der Wasserbezug für das Verteilnetz Belpberg erfolgt
ab Wasserversorgung der InfraWerke Münsingen.
Rund 11 000 Einwohnerinnen und Einwohner beziehen ihr Trinkwasser von der
Wasserversorgung Worb. 95 Prozent davon kommt aus dem Grundwasser, das mit
Chlor behandelt wird, das restliche Quellwasser durchläuft eine UV-Anlage
Die Gemeinde Schwarzenburg bezieht
ihr Trinkwasser für die knapp 7000 Personen zählende Bevölkerung aus vier Bezugsorten auf dem eigenen Gemeindegebiet
sowie aus dem nördlichsten Teil der Gemeinde Guggisberg. Im Gemeindegebiet
Albligen wird das Wasser aus Ueberstorf
und Heitenried bezogen. Das Trinkwasser
stammt aus Quell- und Grundwasser. Das
Quellwasser wird teilweise mittels Ultraviolettlicht desinfiziert.
Wer mehr über die Qualität des bezogenen Trinkwassers wissen will, kann sich
beim jeweiligen Versorger erkundigen. sl
gegenwärtig Unterschriften. Gleichzeitig
betreibt sie mit ihren Mitstreiterinnen
und Mitstreitern Informationsarbeit –
mit den unterschiedlichsten Reaktionen.
«Mein oberstes Ziel ist, dass die ganz ‹nor-
se auf den Errungenschaften der biologischen Landwirtschaft aufgebaut werden,
um den Weg für eine gesunde und natürliche Ernährung zu ebnen – ohne Tierleid
und Umweltverschmutzung.
«Ich will aufrütteln und informieren sowie an die Selbstverantwortung meiner Mitmenschen appellieren. Nur wer,
wie ich, Informationen hinterfragt oder
nachfragt, kann bewirken, dass ein Umdenken einsetzt – auch beim Konsumverhalten.» Wasser soll als höchstes Gut
für alle Lebewesen gelten. «Durch unser
Handeln können wir einen Beitrag leisten,
dass dies auch für kommende Generationen so ist», sagt Franziska Herren und
sieht ihr Projekt nicht als einen Kampf gegen Windmühlen: «Ich frage mich nicht,
habe ich mit meinen Anliegen überhaupt
eine Chance. Ich will allen die Augen öffnen, dass sie nicht einfach alles hinnehmen und sich mit belanglosen Antworten
oder halbherzigen Versprechen abwimmeln lassen müssen.»
Jürg Amsler
Quellen: www.wasserqualitaet.ch und Homepage der Gemeinden, respektive Wasserversorger.
Jürg Amsler
Ausgeweitete Kontrollen
Franziska Herren will den Schwarzen
Peter nicht allein der Landwirtschaft zuschieben: «Erschreckend ist ebenfalls,
was Spitäler oder gewisse Industriezweige unserer Umwelt zumuten.» Sie habe
weiter festgestellt, dass Schweizerinnen
und Schweizer sehr grosses, ja meist bedenkenloses Vertrauen im Umgang mit
Wasser hätten. «Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern gilt Wasser in der
Schweiz als tadellos. Dem ist aber bei
Weitem nicht so. Und Länder, in denen
die Versorgung mit sauberem Trinkwasser im Argen liegt, dürfen nicht als Massstab herangezogen werden.» Franziska
Herren fordert deshalb eine umfassende
Aufklärung der Bevölkerung und eine
ausgeweitete Kontrolle der Wasserqualität. Sie hat die Petition «Gesundes, sauberes Wasser für alle» lanciert und sammelt
«Die Qualität des Trinkwassers muss besser
getestet werden.»
Franziska Herren
male› biologische Landwirtschaft nach
den Richtlinien von Bio Suisse und Demeter Standard wird. Nur sie soll von den
3,5 Milliarden Franken Subventionsgeldern profitieren», sagt Franziska Herren.
Sie strebe keine Rückkehr ins Mittelalter
an, sondern genau das Gegenteil. Es müs-
Hartnäckig hinterfragen
«Zudem sollen 100 Prozent des Abwassers in der Schweiz von Mikroverunreinigungen befreit werden. Das Trinkwasser
muss, bevor es zur Nutzung freigegeben
wird, auf Mikroverunreinigungen und
multiresistente Bakterien getestet werden, was heute nicht der Fall ist. Die 20
Prozent noch nicht abbaubaren Mikroverunreinigungen müssen abgefangen
werden, bevor sie in den Wasserkreislauf
gelangen und wenn möglich durch abbaubare Stoffe ersetzt werden.» Franziska Herren weiss, dass sie sich mit ihren
Forderungen nicht nur Freunde schafft.
www.sauberes-wasser-fuer-alle.ch
Studie zeigt: Über ein Drittel der Gewässer sind belastet
UMWELTBELASTUNG • Multiresistente Bakterien verbreiten sich in der Schweiz zunehmend. Sie können die Gesundheit von Mensch und Tier bedrohen.
Roger Stephan, Professor am Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene der Universität Zürich, hat schon vor zwei Jahren darauf aufmerksam gemacht.
Antibiotika zählen in der Human- und
Veterinärmedizin zu den wichtigsten
Medikamenten und werden bei bakteriellen Erkrankungen bei Mensch und
Tier als «Wundermittel» eingesetzt. In
der Tierhaltung werden Antibiotika
auch präventiv verwendet. Oftmals sogar ohne medizinische Notwendigkeit
als wachstumsfördernde Substanzen.
Eine Praxis, die inzwischen in der
Schweiz und in der EU verboten ist.
Verschiedene Forschungsprojekte im
In- und Ausland haben aufgezeigt: Einzelne Bakterienstämme entwickelten
die Fähigkeit, in Gegenwart von Antibiotika zu überleben und zu wachsen. Es
wurde ebenfalls festgestellt, dass Keime
Resistenzen gegen mehrere Antibiotika
aufweisen. In solchen Fällen wird von
einer Multiresistenz gesprochen.
Roger Stephan plädiert für einen zurückhaltenden
Einsatz von Antibiotika.
BMG / zvg
Belastete Gewässer
Roger Stephan, Professor am Institut für
Lebensmittelsicherheit und -hygiene
der Universität Zürich, hat mit einem
Team erstmals untersucht, wo multiresistente Bakterienstämme in der
Schweiz vorkommen und wie sie übertragen werden. Das Ergebnis der vor zwei
Jahren veröffentlichten Studie brachte
wenig Erfreuliches an den Tag. In mehr
als einem Drittel von Gewässern unter einer Meereshöhe von 1000 Metern
fanden die Forschenden multiresistente
Keime. Urbane Räume und landwirtschaftlich intensiv genutzte Gebiete wa-
ren am stärksten belastet. Stephan und
sein Team haben zudem bei einigen
Kormoranen antibiotikaresistente Keime gefunden. Die Vögel leben am Wasser, ernähren sich von Fischen, haben
jedoch kaum eine Beziehung zu Menschen. Für das Forschungsteam ein weiteres Indiz für belastete Gewässer. Aufgrund seiner Forschungsergebnisse
plädierte Roger Stephan für einen zurückhaltenden Einsatz von Antibiotika.
Es sei jedoch nicht einzig die häufig zitierte Tierhaltung für die Zunahme der
antibiotikaresistenen Keimen verantwortlich zu machen. Es gäbe noch viele andere Verursacher. Doch Landwirtschaft und Veterinärmedizin müssten
ihren Beitrag dazu leisten.
Reagiert auf die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen im Wasser hat, nicht
zuletzt auf Grund der Forschungsergebnisse des Teams von Roger Stephan,
die Eawag, das Wasserforschungsinstitut der beiden Hochschulen ETH Zürich
und ETH Lausanne und von vier selbstständigen Forschungsinstitutionen. Die
Eawag hat in einem «Factsheet» wichtige
Informationen zum Thema zusammengetragen.
Auch der Schweizerische Verein des
Gas- und Wasserfaches (SVGW) hat für
seine Mitglieder ein Argumentarium
verfasst, um auf entsprechende Fragen
gewappnet zu sein.
sl
www.eawag.ch / www.svgw.ch