Die Entstehung von Entscheidungen im Gehirn

07.03./08.03.16
Die Entstehung von Entscheidungen im Gehirn
Sebastian Gluth, Prof. Dr.
Zusammenfassung
Wir stehen im Supermarkt vor einer Vielzahl von Produkten, buchen das Reiseziel für den
kommenden Sommer, suchen den Partner fürs Leben, oder planen die nächsten Schritte auf
der Karriereleiter: In jeder Lebenslage müssen wir Entscheidungen treffen. Es sind alltägliche
Entscheidungen, die uns rückblickend zumeist unwichtig erscheinen, aber auch solche
Entscheidungen, die unser Leben in neue Bahnen lenken können. Seit jeher sind Ökonomen
ebenso wie Psychologen daran interessiert, das Entscheidungsverhalten von Menschen besser
zu verstehen. Ökonomen verfolgen dabei eher das Ziel, Entscheidungen so gut es geht
vorhersagen zu können, Psychologen wollen darüber hinaus auch begreifen, wie es zu
Entscheidungen kommt, wie also der Prozess der Entscheidung von der Wahrnehmung der
Entscheidungsoptionen bis zur Ausführung der Handlung beschrieben werden kann.
Zu diesen beiden Disziplinen gesellt sich die der Neurowissenschaften, welche durch
bedeutende methodische Fortschritte in den letzten Jahrzehnten, wie etwa der Entwicklung der
funktionellen Magnetresonanz-Tomographie (fMRT), unser Verständnis der neuronalen
Grundlagen von Denkfunktionen revolutioniert hat. Folgerichtig etablierte sich an der
Schnittstelle von Ökonomie, Psychologie und Neurowissenschaften zu Beginn des 21.
Jahrhunderts eine neue, eigenständige Forschungsrichtung, die Neuroökonomie, die sich
insbesondere das Verständnis der Entstehung von Entscheidungen im Gehirn zum Ziel gesetzt
hat.
In meinem Vortrag werde ich die zentralen Erkenntnisse der neuroökonomischen Erforschung
von Entscheidungen präsentieren. Dabei werde ich einen besonderen Fokus auf so genannte
Evidenz-Akkumulations-Modelle (EAM) legen. EAMs beschreiben Entscheidungen als einen
zeitlich ausgedehnten Prozess des Sammelns von Evidenz (Evidenz bezüglich des Nutzens
bestimmter Entscheidungsoptionen). Erst wenn eine Entscheidungsgrenze überschritten
wurde, wenn also ausreichend Evidenz gesammelt wurde, kommt es zur Handlungsausführung.
Im Gegensatz zu klassischen Modellen der Verhaltensökonomie sagen EAMs nicht nur vorher,
welche Entscheidung getroffen wird, sondern auch wie schnell es zur Entscheidung kommt. In
zahlreichen Verhaltensexperimenten wurden EAMs empirisch untermauert. Darüber hinaus
konnte mittels neurowissenschaftlicher Techniken gezeigt werden, dass bestimmte
Teilprozesse von EAMs, wie etwa der Akkumulationsprozess oder das Überschreiten der
Entscheidungsgrenze, der Tätigkeit bestimmter Gehirnregionen zuzuordnen sind. Hierzu werde
ich sowohl Forschungsergebnisse aus Tierstudien wie auch aus fMRT-Studien am Menschen
vorstellen.
Literatur und Internetlinks
Jungermann, H., Fischer, K., & Pfister, H.-R. (2010). Die Psychologie der Entscheidung: eine
Einführung. Heidelberg: Spektrum Verlag.
Gold, J.I., & Shadlen, M.N. (2007). The neural basis of decision making. Annual Review of
Neuroscience, 30, 535–574.
SeniorenUni. Ein Angebot der Volkshochschule beider Basel und der Universität Basel
Volkshochschule beider Basel, Kornhausgasse 2, CH-4051 Basel
T +41 (0)61 269 86 66, F +41 (0)61 269 86 76, [email protected], www.vhsbb.ch
Glimcher, P.W., & Fehr, E. (2014). Neuroeconomics: Decision Making and the Brain.
Amsterdam, Boston: Academic Press.
Gluth, S., Rieskamp, J., & Büchel, C. (2012). Deciding when to decide: time-variant sequential
sampling models explain the emergence of value-based decisions in the human brain.
The Journal of Neuroscience, 32, 10686–10698.
Seite der Society for Neuroeconomics: http://www.neuroeconomics.org/
Kontakt
Prof. Dr. Sebastian Gluth
Fakultät für Psychologie
Universität Basel
Missionsstrasse 62a
4055 Basel
https://psycho.unibas.ch/fakultaet/personen/profil/gluth
[email protected]
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