Diego Feßmann

Bürgerforum Altenpflege, Montag, 09.11.2015, 18:00 – 20:00 Uhr, Neues
Rathaus Marienplatz 8, großer Sitzungssaal
Beitrag zum Gerontopsychiatrische Dienst
Diego Feßmann, Gerontopsychiatrischer Dienst München – 0st, 09.11.2015
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe KollegInnen,
die heutige Veranstaltung fällt auf den Monat genau auf die Eröffnung des GpDi- 0st
im November 1990, also vor 25 Jahren. Solange gibt es dieses ambulante Angebot
für psychisch veränderte SeniorInnen in München, das ich Ihnen vorstellen darf,
wobei die heutige Veranstaltung sich einreiht in zahllose ihrer Art, regional und
überregional während des genannten Zeitraums.
Ferner bedanke ich mich bei der Beschwerdestelle für die Einladung und
Gelegenheit unsere Arbeit kurz vorzustellen.
1: Warum Gerontopsychiatrische Dienste?
Die Gerontopsychiatrischen Dienste in München (derzeit gibt es 4) sind Teil der
ambulanten psychiatrischen Versorgung innerhalb sozialpsychiatrischer Angebote.
Angehörige verschiedener Berufe arbeiten in einem festgelegten Einzugsgebiet
(beim GpDi-0st: ca. 279 000 Einwohner) gleichberechtigt zusammen und sind
zuständig für Menschen ab 60 Jahren und ihr soziales Umfeld mit dem Ziel, diese
unter verbesserten Lebensbedingungen in ihrem Wohn – und Lebensbereich so
lange wie möglich und auch möglichst selbstbestimmt unter Berücksichtigung der
jeweiligen Störung/Erkrankung zu belassen. Das bedeutet im Einzelfall Kooperation
mit allen relevanten ambulanten Angeboten im Sinne einer aktiven und aktivierenden
Netzwerkarbeit unter Nutzung / Unterstützung der noch vorhandenen Ressourcen.
Die Dienste arbeiten kostenlos (lediglich bei vorhandenen BEW/IBEW Stellen sind –
einkommensabhängig- Eigenanteile zu leisten) und man/frau benötigt auch keine
Krankenkarte um sie zu nutzen im Sinne der „Niederschwelligkeit“, der leichten
Erreichbarkeit. Die GpDi`s sind pauschal vom Bezirk Oberbayern finanziert, der
grundsätzlich für die Kosten psychiatrischer Angebote zuständig ist, was heißt, dass
die Landeshauptstadt mit wenigen Prozent an den Sachkosten beteiligt ist, ebenso
wie an denen der Sozialpsychiatrischen Dienste. Im Klartext: MünchnerInnen und
Münchner erhalten täglich Hilfen, die, wie gesagt, nur minimal von der
Landeshauptstadt mitfinanziert werden!
Hintergrund ist die Rechtslage, d.h. historisch hat es sich entwickelt, dass der
überörtliche Kostenträger in Bayern für die Psychiatrie generell zuständig ist. Das
müsste meinem Dafürhalten nach so nicht bleiben, lässt sich jedoch nur auf
Landesebene mit einem PsychKG verbindlich regeln.
Die seit Jahren mit Abstand größte KlientInnengruppe stellen die an Depressionen
leidenden Menschen dar (incl. Angststörungen), gefolgt von Personen mit diversen
wahnhaften Störungen / Erkrankungen und von Demenzen Betroffenen.
Grund für die Schaffung solcher ambulanten Angebote war die seit Mitte der 80-er
Jahre anwachsende Zahl psychisch kranker SeniorInnen in unserem Land –
übrigens die größte Zielgruppe bei den psychisch Kranken -, welche oft von
Abklärung und Versorgung Ihrer Erkrankungen im Grunde grundgesetzwidrig
ausgeschlossen waren. Und – analog zum Pflegebereich – lebt die große Mehrheit
dieser Zielgruppe zu Hause und eben nicht in Heimen, Wohngruppen und ähnlichem.
Das hieß u.a. über Jahre hinweg in den Medien das Thema zu thematisieren und
viele Widerstände zu überwinden.
Übrigens – das bestätigen unsere Jahresstatistiken – benötigen 2/3 unserer
KlientInnen (wie wir sie nennen) k e i n e n Pflegedienst.
2. Wie kommen die Leute zu uns….?
Die Anmeldungen erfolgen auf vielfältige Weise: Niedergelassene (Fach - ) ärztInnen,
Sozialbürgerhäuser, Pflegedienste, RechtsbetreuerInnen, Angehörige u.a.m. Am
wenigsten die Betroffenen selbst, was ja in der Natur der Störung/ Erkrankung
begründet ist. Ebenso Kliniken, da bei meiner Konzeption diesen das Angebot der
Entlassung aus dem stationären Bereich gemacht werden soll und die Aufnahme in
die stationäre Gerontopsychiatrie nicht länger der „way of no return“ war, also nach
Hause entlassen werden konnte und kann. Während der „Durchsetzungsphase“
1989 wurden wir z.B. äußerst hilfreich vom Isar – Amper – Klinikum unterstützt, das
auch heute noch die fachärztliche Versorgung über die Leiterin der Institutsambulanz
sicherstellt.
u
3:….und was passiert nach der Anmeldung?
Einmal wöchentlich werden die Neuanmeldungen im Team besprochen und verteilt.
Die Kontaktaufnahme erfolgt in 1 bis höchstens 2 Wochen, in Krisenfällen u.U. am
selben Tag. Über die Vielfalt der Kontaktaufnahmen können ganze Seminare
abgehalten werden. ( Einmal z.B. stand ich „zufällig“ um ½ 8 Uhr morgens an der
Theke des Geschäfts um die Klientin zu kontaktieren, nachdem uns ihre besorgte
Metzgerin angerufen hatte, weil die Stammkundin sehr verändert wirkte…).
4: Die Arbeitsbeziehung…
…. gelingt bei über 90% der Angemeldeten. Übrigens auch bei wahnhaft
Veränderten, in der Regel sehr misstrauischen Menschen, oft auch mit Hilfe von
Angehörigen oder z.B. KollegInnen der BSA u.a.m.
Gespräche im Dienst oder zu Hause werden vereinbart um Vertrauen herzustellen,
sowie eine Übersicht über die anstehenden Probleme und alle daran Beteiligten zu
erhalten. Daher bieten wir auch Einzelfallhilfe für diese Personen an und auch für
PartnerInnen oder sonstige Bezugspersonen.
Ganz wichtig, quasi unabdingbar, ist die Kooperation nach allen Seiten hin! Das
schließt Ämter und Behörden mit ein und wir leisten regelmäßig erheblichen
Schriftverkehr.
Neben den Einzelgesprächen bieten wir verschiedene Gruppen, die Sie auch
unserem Flyer entnehmen können. Es ist übrigens falsch anzunehmen, psychisch
kranke Ältere ließen sich problemlos in vorhandene andere Angebote integrieren! Die
Älteren grenzen auch untereinander psychisch Auffällige gnadenlos aus, genauso
wie es oft bei jüngeren Menschen der Fall ist. Trotzdem versuchen wir alle
existierenden Anlaufstellen anzubieten, um die von uns Betreuten in sog. „normale“
soziale Kontakte zu bringen resp. sie dabei zu unterstützen. Das schließt die lange
Vorbereitung
und
Kontaktherstellung
zu
den
vorhandenen
psychotherapeutischen Hilfen mit ein und es war ein langer Weg angesichts des
auch unter den dort tätigen KollegInnen vorhandenen „therapeutischen Nihilismus“,
im Grunde der Ablehnung Älterer als PatientInnen – hin zur erfolgreichen Vermittlung
psychotherapeutischer Hilfen. Das ist insgesamt während der letzten 30 Jahre
besser geworden.
Nach 5 Gesprächen, so haben wir es uns angewöhnt, wird eine Zwischenbilanz
gezogen: Ob und wie es weitergeht – was es meistens tut. Aber die Abstände
können „gestreckt“ werden. Das mittlerweile gewobene „ambulante Netz“ trägt in der
Regel und stellt eine z.T. enorme qualitative Verbesserung dar, Rückfälle, also
Verschlechterungen mit eingeschlossen!
Tod und Sterben gehören als Themen und konkrete Arbeitsinhalte dazu ebenso wie
neue Partnerschaften oder Gestaltung von Interessen/ Beschäftigungen.
Manchmal auch „nur“ Begleitung um Verschlechterung zu verhindern.
5: Fazit:
Ausgehend von einer stabilen Arbeitsbeziehung mit allen zwischenmenschlichen
Facetten und den daraus folgenden Maßnahmen – Veränderungen ist die ambulante
Arbeit mit psychisch veränderten SeniorInnen vielfältig, wichtig und „lohnend“ im
Sinne einer Hilfestellung, die den KlientInnen zusteht , die sie dringend benötigen
wenn die Seele, unter Beeinflussung erlebter, oft auch erlittener Biographien,
erkrankt ist mit allen weitreichenden Folgen für Leib und Leben
So, das war`s was in 15 Minuten zu vermitteln gewesen ist, nämlich ein sehr kurzer
Anriss unserer Arbeit!
Ich stehe ihnen selbstredend jetzt zum persönlichen Austausch zur Verfügung, ferner
können Sie die Faltblätter, die unsere Arbeit/Angebote ausweisen, mitnehmen oder
mich im Dienst kontaktieren. Jeder Anfrage wird nachgegangen.
Ich wünsche Ihnen natürlich, dass SIE oder Ihre Angehörigen nicht seelisch
erkranken und wenn doch, dass Ihnen die Hilfen zu Teil werden, die Sie unterstützen
um unter verbesserten Bedingungen Ihr Leben sinnvoll zu gestalten!