Pastoralreferent Rolf Müller, Frankfurt „Übrigens“ in hr 4 am Freitag, 15. April 2016 Alarm in der Nachbarschaft Ich hab immer so ein komisches Gefühl, wenn ich ein Sirenengeheul höre. Erst recht, wenn ich merke: Das ist ganz nah. So wie vorletzte Woche. Ich kam gerade aus der Haustüre raus, da habe ich schon ganz laut die durchdringenden Töne eines Martinshorns gehört. Und dann sah ich es: Um die Ecke in der Nebenstraße hielten ein Kranken- und ein Notarztwagen. Tausende von Gedanken sind mir durch den Kopf geschossen. Was ist da wohl passiert? Es muss ja wohl um Leben und Tod gehen! Was heißt das jetzt für die Angehörigen? Wie mag das wohl sein, wenn sich das Leben von jetzt auf gleich so dramatisch verändert? Dazu kam dann noch eine Portion Hilflosigkeit. Ich konnte nichts machen und niemandem helfen. Fast den ganzen Tag ging mir dieses Erlebnis nicht mehr aus dem Kopf. So oder so ähnlich geht es mir fast immer, wenn ich ein Martinshorn höre. Und als ich später über das „Martinshorn – Erlebnis“ noch einmal nachgedacht hab, sind mir drei Dinge dazu eingefallen. Als Erstes: Mir wird bewusst, wie zerbrechlich das Leben ist. Wie leicht ist ein Mensch verletzbar. Das darf ich nie vergessen. Denn dann passe ich besser auf Andere und mich selbst auf. Dann: Ich kann dankbar dafür sein, wenn es mir gut geht und wenn ich gesund bin. Ich merke: Wenn ich Menschen sehe, bei denen es um Gefahr für ihr Leben geht, werden viele meiner angeblich so großen Probleme ganz klein. Fast könnte ich sagen: Sie werden ins richtige Maß gebracht. Und als Drittes, das aber vielleicht die wichtigste Erkenntnis für mich ist: Ich bin nicht abgestumpft. Es ist mir nicht egal, was da passiert – auch wenn ich im Moment nicht konkret helfen kann. Und so habe ich mir angewöhnt, wenigstens ein kurzes Gebet für den Mann oder die Frau im Krankenwagen zu sprechen. Manchmal schaffe ich es sogar, dazu eine Opferkerze in meiner Pfarrkirche für sie aufzustellen. Ich weiß: Das ist nicht viel. Aber immerhin vertraue ich darauf: Gott lässt niemanden ganz allein. Übrigens: Ein paar Tage nach dem Alarm in meiner Nachbarschaft habe ich gehört, was da passiert war. Ein Mann ist die Treppe hinunter gestürzt. Obwohl es am Anfang wohl schlimm ausgesehen hat, ist er mit ein paar Prellungen davon gekommen. Es war schön für mich zu hören, dass so etwas auch einmal gut ausgehen kann. Und es war ein Anlass für mich, ein kurzes „Danke“ an den lieben Gott zu sagen. Denn ich weiß ja: Es ist nicht selbstverständlich, wenn alles gut ausgeht. Zum Nachhören als Podcast: http://www.hr-online.de/website/radio/hr4/index.jsp?rubrik=29232
© Copyright 2025 ExpyDoc