Jan Vermeer: Das Mädchen mit dem Perlenohrring, um 1665–1667 Den Haag, Koninklijk Kabinet van Schilderijen Mauritshuis © Margareta Svensson, Amsterdam BÜCHER-FASS WEIHNACHTSBRIEF 2015 Worauf es ankommt im Leben Der Himmel über Kyoto war von strukturlosem, hellem Grau und Regen fiel unablässig dicht in feinen Tröpfchen. Ich sass vor der Nässe geschützt auf einer blank polierten Holzdiele und schaute auf einen rechteckigen, fein und kunstvoll gerechten Kiesplatz, in welchem in geheimnisvoller Anordnung ein paar wenige Steinbrocken auf einem sorgfältig gezirkelten Moosgrund lagen. Vertäute Schiffe in einer ruhigen Bucht. Hinter der begrenzenden Gartenmauer brachte ein rosa blühender Kirschbaum einen fröhlichen Tupfer in das trübe Licht des Morgens. Der Ryoan-ji, bis vor 80 Jahren noch ein unbeachteter Garten unter vielen, ist heute der wohl meistbesuchte Zengarten in der alten japanischen Kaiserstadt. Ich war unterwegs in einer kleinen Gruppe von Freunden und wir waren gespannt auf den Abend, wo wir alte Freunde treffen würden, die beruflich in Burma tätig waren. Die Freude über das Wiedersehen an einem fremden Ort war gross, und ausgelassen machten wir uns auf, um in einem Okonomiyaki-Lokal zu essen. Nach westlich-japanischer Sitte sassen wir um einen grossen runden Tisch auf einem Kissen auf dem Boden, wobei wir die Beine bequem in der Vertiefung unter der Tischplatte verstecken konnten. In der Mitte des Tisches ist, für diese Art Restaurant typisch, eine teppan, eine eiserne Kochplatte, eingelassen, auf welcher jeder Gast individuell 1 INHALT Markus Werner Von Bäumen, Moosen, Tau und Sternen Geschichte Reiseberichte Zhuangzi Bildbände Philosophie Politik und Gesellschaft Belletristik Worauf es ankommt im Leben (2) Dank 2 3 6 8 11 12 14 16 18 23 24 seine Auswahl an Gemüse, Fleisch oder Meeresfrüchten in einem Teig mit Grünzeug gart. Wir waren hungrig und bestellten üppig; nur M.K., der in Burma tätige sprachgewandte IKRK-Delegierte, blieb bescheiden. Mit dem warmen Reiswein wurden unsere Stimmen lauter, was kein Wunder ist, wenn politische Meinungen ausgetauscht werden. M.K. blieb ruhig und ass bedächtig, lange kauend seine zubereiteten Okonomiyaki; er ist von hagerer Statur, tief liegen seine Augen im scharf geschnittenen, kantigen Gesicht. Nach einer Weile fragte ich ihn, ob ihm nicht wohl sei; da wurden seine manchmal stechend dreinblickenden Augen ganz freundlich: «Doch, doch, ich fühle mich wohl unter euch, ich bin nur satt. Weisst du, die Menschen, die ich täglich besuche, müssen mit viel weniger auskommen, eine dünne Suppe täglich und ein Schälchen Reis müssen genügen.» In wenigen Worten sagte er alles Wichtige und ich blieb schweigsam für den Rest des Abends. Von Bäumen, Moosen, Tau und Sternen Dass Pflanzen Lebewesen sind, ist seit jeher evident und unbestritten. Dass Pflanzen aber so etwas wie ein Leben haben könnten, wie es Tiere haben oder gar wir Menschen, ruft immer noch Skepsis hervor, vor allem, wenn von der Seele oder der Intelligenz von Pflanzen die Rede ist. In den frühen Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts publizierten Peter Tompkins und Christopher Bird im Berner Scherz Verlag ein Buch mit dem Titel Das geheime Leben der Pflanzen; den beiden Autoren ging es vor allem darum zu zeigen, dass Pflanzen mit Menschen in Interaktion treten können, und sie sprachen dabei von der Seele der Pflanzen. Verlag und Autoren betonten dabei ausdrücklich, dass ihre Studie auf naturwissenschaftlichen Grundlagen und Methoden basiere. Als politisch bei den JUSO engagierter junger Buchhändler brachte ich den Theorien des Buches zwar Neugier entgegen, doch ich speicherte letztlich den Titel in meiner Gedächtnisschublade unter Esoterik ab. Rund zwanzig Jahre später erschien im selben Verlag – in dessen Gemischtwarenprogramm u.a. schon Walther Bringolfs Autobiographie oder das gepfeffert-frivole Tal der Puppen von Jacqueline Susann, Solschenizyns Archipel Gulag oder Churchills Memoiren, Robert Jungks Die Zukunft hat schon begonnen oder Fritjof Capras Wendezeit publiziert wurden – von David Attenborough, seltsamerweise unter demselben Titel, ein Band, der aber das Augenmerk viel mehr auf intelligente Handlungen von Pflanzen richtete. Dieses Jahr erschienen nun gleich drei Titel zu dem von Tompkins/Bird oder Attenborough aufgegriffenen Themenkreis. Stefano Mancuso von der Universität Florenz und die Wissenschaftsjournalistin Alessandra Viola zeigen in ihrem anschaulich geschriebenen Buch, wie Pflanzen zum Beispiel Umweltreize aufnehmen und verarbeiten, und sie zeigen eindrücklich, wie vielfältig sich Pflanzen verhalten können, um ihr Überleben, das auch unser Überleben bedeutet, zu sichern. Ob in jedem Falle allerdings von Intelligenz gesprochen werden kann, auch wenn diese ganz weit gefasst definiert wird, möge dahingestellt sein. schauwerk Das andere Theater Schaffhausen Szenische Lesung Abgänge nach Markus Werner In der installativen Lesung der Theatercompagnie «Erweiterte Zugeständnisse» werden zentrale Motive aus Markus Werners Romanen Zündels Abgang und Die kalte Schulter miteinander verwoben und die Handlungen auf bildhafte Weise umgesetzt. Die Figuren in Werners Werken scheitern beständig an den Anforderungen des Lebens, misstrauen konsequent der Idee von Sicherheit, fühlen sich unzugehörig. Sie treten ab, rebellieren, verstummen. Als Gegenpol zu dieser haltlosen Welt verspricht die Begegnung zwischen Mann und Frau scheinbar Geborgenheit, bis die Angst vor dem Scheitern zur Verweigerung der Liebe führt oder der Tod eintritt. Markus Werner: - Die kalte Schulter. Fr. 12.30 - Zündels Abgang. Fr. 11.20 beide: Fischer TB HABERHAUS BÜHNE, Neustadt 51, Schaffhausen Freitag, 8. und Samstag, 9. Januar 2016, 20.30 Uhr Türöffnung und Barbetrieb ab 20 Uhr Eintritt: 30.–/20.– (mit Legi) 2 3 Phänomene aus der Natur. Selbst wer sich für nichts interessiert, was mit der Natur zu tun hat, wird von zwei Büchern Jens Soentgens fasziniert sein. Der Autor studierte Chemie und Philosophie, arbeitete als freischaffender Journalist und lehrte an Universitäten in Brasilien und Deutschland; seit 2002 ist er Leiter des Wissenschaftszentrums Umwelt an der Universität Augsburg. Vor fünf Jahren erschien der wunderbar gestaltete Band Von den Sternen bis zum Tau, eine Reise durch die Natur vom Makrokosmos zum Mikrokosmos. Aussergewöhnlich daran ist, dass der Autor die Kapitel über den blauen Himmel, den Mond, den Pirol, die Minze oder die Kohlenstoffatome, um nur eine Auswahl zu nennen, als Lobreden formuliert und sie doch ganz aus der Perspektive des Naturwissenschaftlers analysiert. 120 Phänomene aus der Natur nimmt Soentgen unter die Lupe und verknüpft diese auch mit Experimenten – Gold is, where you find it! heisst ein alter Goldgräberspruch, und hier erfährt man nicht nur, dass der Rhein unterhalb von Basel am meisten Gold mit sich führt, sondern, fast schon wichtiger, dass wer Gold wirklich finden möchte, zuvor nicht nur das Verhalten von Sand und Kiesel beobachten, sondern auch die drei französischen R nicht aus den Augen verlieren sollte: regarder, réfléchir, réaliser! Nun ist ein weiterer Band erschienen – mit «Goldmachen!» übertitelt der Autor sein Vorwort und er deutet mit diesem Wort schon an, dass von Alchemie in irgendeiner Form die Rede sein wird. Jens Soentgen verfolgt in seinem neuen Werk die Geschichte der Chemie, wobei man gleichermassen von historischen Ereignissen und von chemischen Reaktionen viel mitbekommt. Wir erfahren zum Beispiel, was Elefantenkotpapier zu tun hat mit der Wahrscheinlichkeit, dass die Grauhäuter vor den Ziegen aussterben werden; oder dass Jean Paul Marat nicht nur in der französischen Revolution, sondern auch im Wissenschaftsbetrieb (er war ein überzeugter Vertreter der Phlogistontheorie) eine schillernde Rolle spielte und weshalb sein Gegenspieler Antoine de Lavoisier, dessen Forschungen zu wichtigen chemischen Prozessen (Sauerstofftheorie) noch heute in ihren Grundlagen gelten, trotz solidem wissenschaftlichem Arbeiten vom Furor und Terror der politischen Umwälzungen getroffen wurde. Beide Bücher sind von Vitali Konstantinov illustriert und eignen sich bereits für junge Erwachsene, doch wer auch schon viel Wissen und Erfahrung im Rucksack trägt, wird seine helle Freude daran haben. Spaziergang in den Wald. Ebenfalls 2015 erschienen und schon in 11. Auflage vorliegend ist Peter Wohllebens Buch Das geheime Leben der Bäume. Der Förster nimmt den Leser mit auf einen Spaziergang in den Wald und zeigt ihm zum Beispiel einen vermoosten Stein, der sich schliesslich als uralter Baumstrunk entpuppt, und der Autor erklärt uns dann, weshalb ein vor 400 Jahren gefällter Baum noch heute leben kann. Ein einfach geschriebenes, wunderbares und höchst informatives Buch für alle, die ab und zu im Wald unterwegs sind. Nur mit Lupe und Objektiv beobachtet. Für The Forest Unseen. A Year’s Watch in Nature erhielt David G. Haskell 2013 den Best Book Award der National Academies. Für seine Beobachtungen wählte der Biologieprofessor ein kleines, kaum quadratmessergrosses urwüchsiges Stück Wald im Südosten von Tennessee – ein Stück Wald so gross wie ein tibetisches Mandala. Während eines Jahres besuchte Haskell mehrere Male wöchentlich sein Versuchsfeld, betrat es dabei nie, beobachtete es nur mit Lupe und Objektiv, mit Stift und Notizblock, mit Geduld und Zeit. Lesen Sie zum Beispiel das Kapitel «Moos» – und Sie werden sogleich über diese seltsamen Pflanzen noch mehr erfahren wollen. Haskells Beobachtungen beschränken sich nicht nur auf die Pflanzen, er bezieht genauso die Tierwelt mit ein, und wir Leser nehmen jedes Kapitel auf wie eine kleine Lektion Biologieunterricht. Moose: Rund 16'000 bekannte Arten. Ariel Bergaminis Moose im Kanton Schaffhausen gewährt Ihnen einen spannenden Einblick in Lebewesen, die das Zeitalter der Dinosaurier offenbar problemlos überdauert haben. Alle vier letztgenannten Bücher lehren uns, durch genaues Beobachten wieder zu staunen. Mancuso, St./Viola, A.: Die Intelligenz der Pflanzen. Kunstmann Verlag, Fr. 25.30 Wohlleben, P.: Das geheime Leben der Bäume. Ludwig Verlag, Fr. 25.20 Jens Soentgen: Von den Sternen bis zum Tau. Eine Entdeckungsreise durch die Natur. Kunstmann Verlag, Fr. 32.70 Haskell, D.: Das verborgene Leben des Waldes. Kunstmann Verlag, Fr. 29.10 Bergamini, A.: Moose im Kanton Schaffhausen. Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen Nr. 67/2015, Fr. 24.– Jens Soentgen: Wie man mit dem Feuer philosophiert. Chemie und Alchemie für Furchtlose. Kunstmann Verlag, Fr. 36.80 4 5 Guillaume le Maréchal. Ritter, Ritterturniere und Ritterburgen spielen nicht nur in der Phantasie von Buben eine Rolle, wie im Sommer 2014 die spektakulären Ritterspiele auf dem Herrenacker bewiesen haben. Doch was wissen wir überhaupt über die Kultur des Rittertums? Über welche Tugenden und Qualitäten der ideale Ritter verfügen sollte, davon berichteten schon im Mittelalter die grossen Dichtungen von Wolfram von Eschenbach (Parzival) oder der Prosa-Lancelot. Doch es lebte von ca. 1144 – 1219 auch ein Ritter, der offensichtlich dem Idealtypus sehr nahe kam: Guillaume le Maréchal. 1984 widmete ihm der grosse französische Mediävist Georges Duby eine kleine Monografie. Mehr als dreissig Jahre später schiebt jetzt der englische Historiker Thomas Asbridge, der vor ein paar Jahren eine viel beachtete Geschichte der Kreuzzüge vorgelegt hat, eine neue Biographie des untadeligen Ritters nach. Der Vater Guillaumes, Jean, war ein Nordmann, dessen Vorfahren im Tross einer Invasionsarmee – mit Wilhelm, Herzog der Normandie, an der Spitze – den Ärmelkanal überquerten und bei Hastings die Angelsachsen 1066 entscheidend geschlagen hatten. Als Kleinkind kam er als Geisel gegen das Ehrenwort seines Vaters an den englischen Hof, wo König Stephan 1152 beschloss, den Jungen hinrichten zu lassen … Es kam anders. Guillaume le Maréchal war später mit Richard Löwenherz oder König Johann Ohneland befreundet; im Weiteren arbeitete er auch an der 1215 besiegelten Magna Charta mit; diese erste Verfassung Europas, die Freiheits- und andere Rechte und Pflichten (zumindest für den Adel bindend) festhielt, bedeutete auch einen ersten Schritt aus dem Dunkel des frühen Mittelalters in die Neuzeit. Gleichzeitig kündigt sich der Niedergang einer Epoche an, die Duby unvergleichlich formuliert: «Er konnte friedlich dem Tod entgegengehen, stolz darauf, das Werkzeug des letzten, höchst flüchtigen, anachronistischen Triumphs der Ehre über das Geld, der Treue über den Staat gewesen zu sein und das Rittertum zu seiner Vollendung gebracht zu haben.» Meister des Codex Manesse (Grundstockmaler): Herr Heinrich von Rugge 1305–1315 Quelle: UB Heidelberg Geschichte Nach wie vor modern. Die Menschen forschen und suchen seit alters her in der Hoffnung, dass ihre Erkenntnisse zu Fortschritten führen, die das Leben weniger mühselig machen. Das gelang und gelingt in vielen Bereichen, obwohl die Rückseite der Fortschrittsmedaille nicht immer genau untersucht wird. Eine Ausnahme bildet die Disziplin der Geschichte: Legion ist die Zahl der Historiker, die stets von Neuem, beharrlich und zäh, Ereignisse der Vergangenheit zu ergründen versucht, wohl wissend um ihre Sisyphusarbeit, denn es scheint sich zu bewahrheiten, was Hegel in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte formuliert hat: «Was die Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dieses, dass Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben.» Hegel hielt diese Vorlesungen insgesamt fünf Mal, wobei die meisten Editionen auf jene vom Wintersemester 1830/31 zurückgehen. Es ist wahrscheinlich sein am einfachsten zu lesendes Werk und ist auch heute insofern noch spannend, weil es einen Einblick in das Wissen über die Geschichte und die Welt des frühen 19. Jahrhunderts gibt. Und Hegel deutet schon Zusammenhänge an, die nach wie vor modern sind. Eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die genügend Musse haben. Duby wie auch Asbridge bedienen sich derselben Quelle – einer Handschrift, die 1226, nur wenige Jahre nach dem Tod Guillaumes, entstanden ist. Diese wurde 1861 vom jungen französischen Gelehrten Paul Meyer bei einer Auktion von Sotheby’s entdeckt. Beide Autoren beherrschen den Stoff souverän; Duby erzählt jedoch ganz klar aus der Distanz des Wissenschaftlers, die ihm auch Raum lässt für Interpretationen; Asbridges Stärke liegt hingegen im Erzählerischen und man fühlt sich beim Lesen in die Zeit hineinversetzt. 6 7 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen zur Philosophie der Geschichte. Werke bd. 12. stw Fr. 26.90 Georges Duby: Guillaume le Maréchal oder Der beste aller Ritter. Suhrkamp st Fr. 14.– Thomas Asbridge: Der grösste aller Ritter und die Welt des Mittelalters. Klett-Cotta, Fr. 37.90 Reiseberichte Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich. Harper’s Magazine bot dem damals 33-jährigen David Foster Wallace an, eine siebentägige Karibik-Kreuzfahrt zu unternehmen und darüber für das Magazin eine Reportage zu schreiben, die dann ein Jahr später unter dem Titel «Shipping out» auch tatsächlich erschienen ist. Der junge talentierte Autor staunte zwar nicht schlecht über das Angebot, das den Auftraggeber schon 3000 US $ kostete, bevor auch nur eine einzige Zeile geschrieben war, doch er nahm an. In einer überarbeiteten Fassung erschien dann 1997 die Essayreportage A Supposedly Fun Thing I’ ll Never Do Again. Der schlicht geniale Text vereint zwei Dinge: Im Stil einer Collage beschreibt der Autor einerseits detailversessen, was er beobachtet, und ergänzt oder erläutert in ebenso langen wie amüsanten Fussnoten, wenn nötig seriös und bestens recherchiert, eine vertiefte Variante. Foster Wallace gelang damit ein hochkomischer Erlebnisbericht auf einem Luxusliner, der gleichzeitig eine schonungslose Bestandsaufnahme des «American Way of Life» ist. Das 2002 im Mare Verlag erstmals auf Deutsch erschienene Buch liegt jetzt in einer neuen Taschenbuchausgabe vor und sei Ihnen wärmstens empfohlen, wenn Sie es noch nicht kennen. Mit liebevoller Ironie. Der Schutzumschlag ist grauenhaft, der Titel leicht esoterisch. Charlotte Peter, geboren 1924 in Zürich, ist auch mit 91 Jahren noch eine aktive Gesellschaftsdame – sie doktorierte in Zürich in Geschichte, war lange Zeit Chefredaktorin der Modezeitschrift «Elle», sie arbeitete für die Swissair und ist im zweiten Leben immer noch Reisende und Reiseschriftstellerin. Obwohl mir Usbekistan nicht unbekannt ist und ich weiss, dass nicht wenige Usbeken den Schrein des alten Sufimeisters Naqshband (14. Jh.) verehren, war mir bis anhin Scheich Sufi Tabib kein Begriff – aber ich verkehre ja auch weder in Sufikreisen noch in anderen Geheimbünden. Charlotte Peter also machte sich vor zwei Jahren mit einer Bekannten, die aktives Mitglied des Ordens von Sufi Tabib ist und in Zürich eine Zweigstelle betreibt, auf, um den Meister in der Nähe von Taschkent zu besuchen. Entstanden ist daraus ein mit leichter Hand geschriebenes Porträt über die Praktiken und Ideen des Gurus; by the way erfährt man aber auch einiges über das zentralasiatische Land – kurz: ein mit liebevoller Ironie süffig geschriebener und auch informativer Reisebericht über eine wenig bekannte Weltgegend. 1000 Tage zu Fuss unterwegs. Vielleicht mögen Sie sich erinnern an das mehrseitige Porträt im Magazin des Tages-Anzeigers, wo über die unglaublich anmutende Reise der Jurassierin Sarah Marquis berichtet wurde. Die Schweizerin war 1000 Tage zu Fuss unterwegs – von Sibirien nach Südaustralien – und legte dabei rund 20'000 Kilometer zurück. Ohne Zweifel, Sarah Marquis' Leistung ist impeccable in sportlicher Hinsicht, und es scheint auch, dass der Fussmarsch für sie eine ganz spezielle Bedeutung hatte. Abgesehen jedoch davon, dass der eigene Körper aus freiem Willen bis an die Grenzen geschunden wurde, was auch nach vollbrachter Leistung Genugtuung sein mag, war das Unternehmen jedoch in erster Linie Selbstzweck. Darin unterscheidet sie sich nicht von andern Extremsportlern. Zwar müsste nicht über jedes dieser Abenteuer auch ein Buch geschrieben werden, doch wen solche Leistungen begeistern, nimmt Allein durch die Wildnis mit Gewinn zur Hand. 8 Mit grosser Beobachtungsgabe. Wer Natur erleben möchte, muss nicht zwingend in die Mongolei oder nach Patagonien reisen. Der Schotte Robert Macfarlane findet ausserordentliche Orte auch auf den Britischen Inseln und beschreibt einige davon in seiner Karte der Wildnis. Ohne Zweifel, man findet Orte wenig berührter Natur auch in der Schweiz und anderswo. Doch ganz selten findet man Bücher, die mit derart grosser Beobachtungsgabe von der Natur erzählen und gleichzeitig Beziehungen knüpfen zu Werken der bildenden Kunst oder der Literatur. Auf dem Vorsatzblatt des zudem ausserordentlich schön gestalteten Buches wird eine Karte mit den Namen der Wildnisorte wiedergegeben, eine Karte, die jedoch mit keiner Landkarte übereinstimmt: Wildnis, könnte man damit interpretieren, findet eben stets auch in der Imagination statt. Macfarlanes Buch ist zudem ein literarisches Juwel, vergleichbar mit den Werken von Anita Albus. 9 Michael Punke ist Anwalt und Schreibtischtäter, weil er neben seiner eigentlichen Arbeit auch noch Bücher schreibt: Der Totgeglaubte heisst sein neustes. Er erzählt darin die kaum fassbare Geschichte des Pelztierjägers Hugh Glass, der 1823 bei der Rocky Mountain Fur Company anheuerte. Ende August desselben Jahres, als er mit zwei weiteren Trappern in den Rockies unterwegs war, wurde er auf einem Kundschaftsgang von einem Grizzly angefallen und lebensgefährlich verletzt. Die beiden andern pflegten ihn zuerst, liessen ihn dann jedoch im Stich, als sie glaubten, dass er sich nicht mehr erholen würde. Dabei nahmen sie ihm noch Messer und Gewehr ab. Doch Hugh Glass kam wieder auf die Beine und schwor Rache … Punke schrieb ein packendes Abenteuerbuch über die Zeit des frühen Wilden Westens, das alle Klischees über jene Zeit erfüllt und dennoch eben auf einer tatsächlichen Begebenheit beruht. Giorgos Seferis erhielt 1963 als erster Grieche den Literaturnobelpreis – sein Werk umfasst in erster Linie Lyrik und Essays und Tagebücher, sein Roman Nacht über der Akropolis ist vergriffen wie viele andere Ausgaben auch. Es ist dem kleinen Waldgut-Verlag zu verdanken, dass seit diesem Herbst erstmals in deutscher Sprache sein Reiseessay Drei Tage bei den Höhlenklöstern von Kappadokien greifbar ist. Wer in der Türkei nicht nur Ferien am Strand macht, besucht oft auch die phantastische Erosionslandschaft um Göreme. Die Touristen steigen in Heissluftballons hoch, um die bizarren Landschaftsformen besser aus luftiger Höhe betrachten zu können. Ein derartiges Spektakel wäre Seferis fremd gewesen, hätte es dies in den 50er-Jahren schon gegeben, als er mit einer kleinen Forschergruppe die Gegend besucht hatte. Sein kunsthistorisch gelehrter Bericht ist ein perfektes Beispiel dafür, dass ein Reisebericht eben nicht das persönliche Abenteuer hervorheben muss, sondern für zukünftige Reisende ein Reiseführer sein kann. Der Band enthält neben Fotos des Autors auch einen umfangreichen Anhang zu den besuchten Klöstern und der Malerei sowie ein Nachwort von Evtichios Vamvas, der den Text zusammen mit Clemens Müller übersetzt hat. Zhuangzi – Das Schwere ist der Ursprung des Leichten Vertiefte Hintergrundreportagen. Nicht zu vergessen sind die Reisenden, die beruflich unterwegs sind: Korrespondenten für Zeitungen, Radio oder Fernsehen. Ihr Fokus liegt in der Tagesaktualität, doch es gibt auch Journalisten, die vertiefte Hintergrundreportagen erarbeiten. Der 1950 geborene Basler Alexander Gschwind gehört mit Diesseits und jenseits von Gibraltar zu ihnen; ab 1978 war er Auslandredaktor bei Schweizer Radio DRS und regelmässig in den Sendungen Echo der Zeit zu hören, er berichtete als Korrespondent vor allem über Nordafrika, Spanien und Portugal. Im Kapitel «Gernika» – die baskische Stadt wurde 1937 von der deutschen Flugwaffe zu Schutt und Asche bombardiert, worauf Pablo Picasso dann sein weltberühmtes Antikriegsbild Guernica schuf – erhellt Gschwind die Geschichte der Unabhängigkeitsbewegung des Baskenlandes und von deren militärischem Arm, der ETA. Und der heutige Zeitgenosse erschrickt ganz leicht, wenn er sich wieder inne wird, dass in den 70er-Jahren noch Bomben in Spanien explodierten und Generalisimo Franco, wenige Monate vor seinem Tod, noch 1975 fünf Mitglieder der ETA erschiessen liess. Ein informatives Buch nicht nur für Reisende auf die iberische Halbinsel. Wallace, David Foster: Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich. Kiepenheuer-Taschenbuch KiWi, Fr. 10.90 (auch noch in Leinen gebunden bei Mare erhältlich für Fr. 26.90) Charlotte Peter: Ich bin Sufi Tabib. Zwei Frauen auf einer Reise zum Guru. Offizin Verlag, Fr. 29.– Sarah Marquis: Allein durch die Wildnis. Malik Verlag, Fr. 19.80 Michael Punke: Der Totgeglaubte. Eine wahre Geschichte Malik Verlag, Fr. 25.40 Robert Macfarlane: Karte der Wildnis – Naturkunden No. 18. Mathes & Seitz, Fr. 41.50 Giorgos Seferis: Drei Tage bei den Höhlenklöstern von Kappadokien. Ein Reiseessay. Waldgut Verlag, Fr. 24.– Giorgios Seferis: Logbuch III … Zypern, wohin das Orakel mich wies … (Gedichte). Waldgut Verlag, Fr. 25.– Dschuang Dsi: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland (übersetzt von Richard Wilhelm). Marix Verlag, Fr. 14.– Alexander Gschwind: Diesseits und jenseits von Gibraltar. Als Korrespondent unterwegs in Spanien, Portugal und Nordafrika. Blaukreuz-Verlag, Fr. 33.80 Zhuangszi. Auswahl, Einleitung u. Anmerkungen von G. Wohlfahrt. Reclam, Fr. 6.50 Thomas Merton: Sinfonie für einen Seevogel und andere Texte des Tschuang-tse. Zhuangzi ausgewählt und frei übersetzt aus der Sicht eines amerikanischen Mönchs und Mystikers. Patmos Verlag, Fr. 24.50 Billeter, Jean François: Das Wirken in den Dingen. Vier Vorlesungen über das Zhuangzi. Verlag Matthes & Seitz, Fr. 20.80 10 11 Das wahre Buch vom südlichen Blütenland des Dschuang Dsi entstand im 4. Jahrhundert v. Chr., kurz nach dem Tao te king des Laotse, und gilt als einer der drei grundlegenden Texte des Taoismus. (Ich verwende durchgehend die heute veraltete, von Richard Wilhelm eingeführte deutsche Schreibweise.) Heute wird allgemein vom Zhuangzi gesprochen und man bezeichnet damit sowohl das Werk wie auch den Autor, bzw. die Autorschaft. Hermann Hesse nannte es einst «eines der herrlichsten Bücher Chinas». Es ist noch heute ein Text, der durch seine literarische Qualität besticht, und die kreativen und paradoxen Weisheiten bringen einen stets von Neuem zum Nachdenken – die gleichnishaften Geschichten zählen zu den wichtigsten Quellen des taoistischen Verständnisses zwischen Mensch und Kosmos. Jean François Billeter, 1939 in Basel geboren, war ab Mitte der 80er-Jahre bis zu seiner Emeritierung 1999 ordentlicher Professor für Sinologie. Seine ursprünglich in Französisch gehaltenen vier Vorlesungen über das Zhuangzi eröffnen einen Zugang zum Werk des alten chinesischen Klassikers, indem er konsequent die Kernaussage des Buches aufnimmt: «Dem zu folgen, was ist» oder das Leben zu akzeptieren, wie es ist. Man mag dann darüber nachsinnen, was denn überhaupt ist oder ob das, was ist, das Richtige ist. Das bei aller Komplexität erfrischend verständlich geschriebene Büchlein verleitet zudem den, der sich verführen lässt, auf neues, doch verwandtes Terrain bei Ludwig Wittgenstein etwa. Bildbände Opulente Bildbände sind nicht mehr so en vogue wie noch vor einigen Jahren. Die Technologie der Digitalkameras ist heute so hochentwickelt und preisgünstig, dass alle ihren eigenen Bildband produzieren können. Vielleicht ist der Text dann nicht ganz so geschliffen, dafür sind die Bilder nicht nur in guter Qualität, sondern stehen auch in direktem Bezug zur Person, die sie aufgenommen hat. Und doch gibt es Bildbände, die nicht ersetzt werden können! Strahlkraft über Jahrzehnte. Auch Kunstbücher zählen zu den Bildbänden, die man selber kaum herstellen kann. Noch bis zum 10. Januar 2016 zeigt die Fondation Beyeler einmal mehr eine einzigartige Ausstellung: Auf der Suche nach 0,10. Die letzte futuristische Ausstellung der Malerei. Es gibt in der Kunstgeschichte nur wenige Gruppenausstellungen, deren Strahlkraft über Jahrzehnte andauert. «Der Blaue Reiter» ist da zu erwähnen und diejenige der Suprematisten und russischen Konstruktivisten, die vom 19. Dezember 1915 bis zum 19. Januar 1916 in Petrograd gezeigt wurde. Nach hundert Jahren wird diese nun im Sinne einer kritischen Rekonstruktion jenes wirkungsmächtigen Ereignisses in der Fondation Beyeler nochmals aufgenommen. Beim Durchblättern des hervorragenden Kataloges entdeckte ich übrigens, dass, wie so oft, auch hier Bilder als Illustrationen von Buchumschlägen verwendet werden. Konkret: Den bei Dörlemann diesen Herbst erschienenen, in den 20er-Jahren entstandenen Roman Der Buchstabenmörder von Sigismund Krzyzanowski ziert die «Suprematistische Komposition (mit acht roten Rechtecken)» von Kasimir Malewitsch, wobei der Grafiker das Bild jedoch um 180 Grad gedreht hat … Auch wenn ich die Ausstellung selber noch nicht gesehen habe, weiss ich, dass der Katalog in meine Bibliothek gehört. Am Ende der bewohnbaren Welt. Wer schon Patagonien und Feuerland besucht hat, dem werden die kargen, weiten und wilden Landschaften nicht mehr aus dem Kopf gehen: die kalten, steppenartigen Flächen in Argentinien nicht, und nicht die schroffen, zum Teil vergletscherten Bergspitzen und Schründe der Anden, nicht das oft stürmische südliche Meer und nicht die Kanäle und Fjords, und auch nicht die zum Teil noch dichten Wälder auf Feuerland, wo die Biber ihre Burgen bauen. Und wer dann einmal die ruhigen Gestade der «Bahía Inutíl», der nutzlosen Bucht, entlang gefahren ist, Richtung Camerón zum Lago Blanco, der weiss, das Ende der bewohnbaren Welt ist nicht mehr weit. Und auf diesem entlegenen Flecken Erde wohnten bis in die 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts die letzten Indígenas des südlichen Halbkontinents: die Selk’nam, Yámana und Kawesqar. Heute werden an Souvenirshops bedruckte T-Shirts mit Motiven und Emblemen der ausgerotteten Stämme verkauft. Martin Gusinde kam 1912 nach Santiago de Chile, wo er am Liceo Alemán als Lehrer für Naturwissenschaften arbeitete. 1918 unternahm er seine erste Reise nach Feuerland, der bis 1923/24 noch drei weitere folgen sollten. Auf diesen Reisen entstanden rund 1200 Fotos, von denen der vorliegende Band eine eindrückliche Auswahl zeigt. Beiträge zum heutigen Forschungsstand, zu den Mythen und Initiationsriten sowie zur Besiedelung und Entstehung Feuerlands von Christine Barthe, Marisol Palma Behnke, Anne Chapman und Dominique Legoupil vervollkommnen den exquisiten Band. 1946 übrigens erschien im Zsolnay Verlag Gusindes eigener Reisebericht. Geheimnisvolle Augen. Seit einigen Jahren blicke ich an meinem Schreibtisch in ein geheimnisvolles Augenpaar – wer das dazugehörige Bild auch nur einmal gesehen hat, weiss, in welches: Es sind die bernstein-braun-farbenen Augen des Mädchens mit dem Perlenohrring von Johannes Vermeer. Als ich 1995 in Den Haag die letzte grosse Ausstellung des Meisters aus Delft (1632 – 1675) besuchte, waren 22 seiner 35 zweifelsfrei ihm zugeschriebenen Werke zu bestaunen. Der nun vorliegende grossformatige Band Vermeer. Das vollständige Werk zeigt nun alle plus zusätzlich zwei, die mit einiger Vorsicht ebenfalls als eigenhändig gemalte Werke Vermeers gelten können. Der Band besticht nicht nur durch seinen fachkundigen Text, sondern auch durch die Abbildungen, von denen einige vergrösserte Details zeigen, die das ausserordentliche Talent und die Könnerschaft eindrücklich belegen. Er ist die beste Art, Vermeer zu sehen, falls man seinen Bildern nicht direkt gegenüber stehen kann. Der Lebensraum des Menschen oszilliert zwischen Natur und Geist. Der Natur und ihren Gewalten ist er ausgeliefert und von den Früchten der Natur lebt er – den Geist benötigt er, um erstere zu zähmen und letztere zu kultivieren. Dieses Wechselspiel widerspiegelt sich in den allermeisten Religionen. Toby Musgrave ist eine der führenden Autoritäten zu den Themen Garten- und Gartengeschichte. In seinem neusten Werk Paradiesgärten untersucht der Botaniker und Gartenhistoriker, wie Spiritualität, Religion und Mystik die Gartenkultur prägen. Seine gewählten Beispiele reichen zurück in die Antike, behandeln u.a. Hatschepsuts Totentempel oder ein Fresco im Speisezimmer der Livia in Rom; er fragt sich, was es mit dem Garten Eden auf sich hat, und geht dem Geheimnis der japanischen Zengärten nach. Und selbst wenn Menschengruppen wie die Indianer Nordamerikas zum Beispiel keine Gartenkultur kannten, so wussten sie doch um die besonders schön gelegenen Naturparadiese und hielten diese heilig. Das vielfältige, kenntnisreiche und schön bebilderte Buch ist weit mehr als ein exquisites Stück für den coffeetable. 12 Begegnungen auf Feuerland. Selk’nam, Yámana, Kawesqar. Fotografien von Martin Gusinde. Hatje/Cantz, Fr. 82.20 Martin Gusinde: Urmenschen im Feuerland. Vom Forscher zum Stammesmitglied. Zsolnay Verlag, 1946, vergriffen Toby Musgrave: Paradiesgärten. Gartenkultur geprägt von Spiritualität, Religion und Mystik. DVA, Fr. 62.90 Auf der Suche nach 0,10 (Null-Zehn) – Die letzte futuristische Ausstellung der Malerei. Hatje/Cantz, Fr. 79.30 Karl Schütz: Vermeer. Das vollständige Werk. Taschen Verlag, Fr. 125.– 12 13 13 Philosophie – denken und leben Prächtig! «The Universe is made of stories, not of atoms». Das Motto, das Richard Precht seinem neusten Werk voranstellt, ist Programm. Er gilt in der Zunft der Philosophen als Leichtgewicht; wohl deshalb, weil er fähig ist, auch kompliziertere Sachverhalte verständlich darzustellen. Sein 2007 erschienenes, äusserst erfolgreiches Buch Wer bin ich – und wenn ja wie viele? Eine philosophische Reise war für Unzählige eine Offenbarung zu den Fragen, die Philosophen umtreiben und für wenige Fachleute ein Ärgernis, eine Schaumschlägerei. Nun legt Precht eine Geschichte der Philosophie vor, und wahrscheinlich fragen sich wieder einige, ob es denn davon nicht schon genug gäbe. Allein, Erkenne die Welt, so der Titel des ersten Bandes, ist prächtig! Der Autor versteht es ausgezeichnet, neben der Geschichte der Ideen auch das historische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Umfeld, in dem die entsprechenden Philosophen gelebt, gedacht und gehandelt haben, darzustellen; so wird dem heutigen Leser auch verständlich, woher und warum so oder so über diese und jene Probleme nachgedacht wurde. Zugegeben, es tönt im O-Ton etwas salopp, wenn Precht zum Beispiel über die Sophisten, die nach hundertfünfzig Jahren philosophischen Nachdenkens plötzlich konkreter werden, schreibt: «Sie lehren nicht in religiösen oder parareligiösen Zirkeln, sondern unterrichten ganz pragmatisch rhetorisches und anderes Handwerkszeug. Philosophie (…) wird nun zur Nüchternheit der Juristen. Leuchtende Sätze werden wichtiger als erleuchtete Einsicht!» Ich bin jetzt schon gespannt auf die kommenden zwei Bände. «Der Theoretiker hält sich dem Leben fern: Ihn interessieren nur abstrakte Begriffe und Argumente.» Es ist die hohe Kunst eines Klappentextes, den nur einen flüchtigen Blick werfenden Leser in Bann zu ziehen: Dass dieser erste Satz eine Behauptung ist, der nicht widersprochen werden kann, vermutet man im gleichen Augenblick. Die drei Autoren Dieter Thomä, Vincent Kaufmann und Ulrich Schmid scheuen sich in der Folge nicht, sich aufs Glatteis zu begeben, wenn sie versuchen, die Theoriengebäude von berühmten Ideenkonstrukteuren aus ihrer Autobiografie herzuleiten. Der Einfall des Lebens – der Titel des Buches ist treffend gewählt, macht er doch deutlich, dass die Lebenserfahrungen nicht ganz aus der Theorie gebannt werden kann. Das Buch eignet sich als Einführung für Fortgeschrittene in Leben und Werk der geschilderten Personen. Man mag vielleicht bemängeln, dass der Fokus der Biografierten etwas zu schwerlastig auf Frankreich liegt und abgesehen von Susan Sontag nur Vertreter aus Europa und Russland berücksichtigt wurden. Gedankensteinbruch. «Ein Gedicht ist wie ein Igel / Es braucht Stacheln». Der in Schaffhausen aufgewachsene Markus Waldvogel lebt schon lange im Berner Seeland, wo er in Biel Deutsch und Philosophie unterrichtete. Unter dem Titel Zingara Triste erschien dieser Tage sein neustes Buch; das schmale Bändchen kann als fotografische Impression einer Reise nach Triest und Duino betrachtet und zusammen mit den Aphorismen und Gedichten als Gedankensteinbruch gelesen werden. Richard David Precht: Erkenne die Welt. Eine Geschichte der Philosophie Bd. 1: Antike und Mittelalter. Goldmann Verlag, Fr. 29.10 Kluger und streitbarer Kopf. Mark Lilla, geboren 1956, lehrt als Professor für Geisteswissenschaften an der New Yorker Columbia University und in jüngster Zeit kann man auch ab und an Kommentare von ihm in der NZZ lesen. Mark Lilla ist ein kluger Kopf und auch ein streitbarer. 2001 schon erschien sein Buch The Reckless Mind, in welchem er die Theorien einiger europäischer (politisch-philosophischer) Meisterdenker von Hannah Arendt über Carl Schmitt bis Michel Foucault einer Nagelprobe unterzieht, indem er sie der gelebten Realität gegenüberstellt. Es fällt dann auf, dass Theorie und Praxis keineswegs deckungsgleich sind – was niemanden erstaunen wird. Lilla stellt aber auch fest, dass wir unsere ideologischen Kämpfe hinter uns gelassen haben und damit auch die Fähigkeit zu verstehen, was neue Ideologien, zum Beispiel den Islamismus, wirklich antreibt. Lilla schrieb ein unglaublich anregendes, griffig und prägnant formuliertes Buch für politisch interessierte Leser, ein Buch, das man hin und wieder zum Teufel wünscht und es dann doch wieder aufnimmt, um die eigene Kritikkraft zu schärfen. Mark Lilla: Der hemmungslose Geist. Die Tyrannophilie der Intellektuellen. Kösel Verlag, Fr. 25.60 Dieter Thomä / Vincent Kaufmann / Ulrich Schmid: Der Einfall des Lebens. Theorie als geheime Autobiographie. Edition Akzente Hanser, Fr. 31.80 Markus Waldvogel: Zingara Triste. Texte und Bilder. verlag die brotsuppe, Fr. 25.– 14 15 Politik und Gesellschaft Geld und Macht in der Schweiz. Seit die NZZ vor wenigen Monaten unter dem neuen Chefredaktor Eric Guyer auf der politischen Skala deutlich nach rechts gerückt ist und sich täglich nicht nur Kommentare, sondern bedenklicherweise auch Berichterstattungen lesen wie einst Elaborate der rechtsbürgerlichen Meinungspresse in der Zeit des Kalten Krieges, erstaunt es nicht, dass das neue Buch von Ueli Mäder – Professor der Soziologie an der Universität Basel – ganz bös unter die Räder kam. In der Ausgabe vom 25. November rezensiert ein Hansueli Schöchli das Buch im Wirtschaftsteil und gleich eingangs fällt sein Verdikt: «Das Buch ist in erster Linie ein politisches Traktat, das die gängigen Parolen von Linksparteien und Gewerkschaften spiegelt.» Worum handelt es sich jedoch in macht.ch wirklich? Im ersten, umfangreichsten Teil des Buches untersucht Mäder mit seinem Soziologenteam die Rolle, die Finanzinstitute, Denkfabriken, Unternehmen, staatliche Verwaltungen etc. in der heutigen Gesellschaft haben. Erhofft wird eine Antwort, ob die Macht der 300 Reichsten in der Schweiz, die 1989 über 89 Milliarden Franken verfügten und heute über 589 Milliarden, entsprechend grösser geworden sei. In Gesprächen mit Mächtigen und Reichen sollen über «das Biografische dominante Strukturen, Werte und Einstellungen erhellt werden». Dem Leser erlaubt dies zwar einen authentischen Einblick auf Einstellungen und Haltungen der Interviewten, doch darüber, wie gross nun ihr wirklicher Einfluss auf die politische Macht ist, kann nur spekuliert werden. Im Kapitel «Bankenstaat» untersucht dann Peter Streckeisen die Verflechtungen von FINMA und Nationalbank und leuchtet diese juristische Grauzone der «vierten Gewalt» des Staates aus – ein erhellendes Kapitel, das allein schon die Lektüre des Buches lohnt. Seit 2013 verhandeln die EU und die USA intensiv und zumeist hinter verschlossenen Türen über ein Freihandelsabkommen, das kaum abschätzbare Folgen haben wird und von dem sich die grossen internationalen Unternehmungen viele Vorteile versprechen. In der NZZ vom 10. Januar 2015 schreibt Yvonne Helble ein Loblied auf diese Handels- und Investitionspartnerschaft; es sei «eine einmalige Chance» und weiter: «Der Ausgang des Vorhabens wird die Zukunft des Welthandels bestimmen.» Derweil in Deutschland sich heftiger Widerstand gegen das Abkommen regt, bleiben die kritischen Stimmen in der Schweiz vergleichsweise leise – SVP-National(und jetzt Bundes-)rat Guy Parmelin oder SP-Nationalrätin Jacqueline Badran reichten vor einem Jahr Interpellationen ein, die vom Bundesrat beantwortet, aber im Rat noch nicht behandelt wurden. Thilo Bode, seit Jahren politischer Anwalt der Verbraucher und der Umwelt, stellt in seinem klar und verständlich geschriebenen Buch TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) die Pro-Argumente von Regierungen und Unternehmungen vor und legt anschliessend analytisch messerscharf dar, wie und warum die Konsequenzen aus einem TTIP-Abschluss Konsumentenrechte sowie soziale und Umweltstandards gefährden würden. Zu grossem Bedenken Anlass gibt zum Beispiel das vorgesehene Schlichtungsverfahren im Streitfall, das jedoch ausserhalb staatlicher Gerichtsbarkeit wirksam würde. Der Autor zeigt im Weiteren verständlich auf, wie das Abkommen die Position der multinationalen Unternehmungen stärkt und die Rechte der Konsumentinnen und Konsumenten schwächt – Thilo Bode schrieb ein informatives wichtiges Buch, das auch die Schweiz betrifft! macht ch 16 Zum Thema Grenze erschien im Sommer ein ganz schmales, anregendes Bändchen des französischen Anthropologen Marc Augé. Der Autor denkt in seinem kleinen Aufsatz darüber nach, was Grenzen denn für das Individuum bedeuten, und kommt zum Schluss, dass kein einziges Individuum sich über eine Zugehörigkeit definiert. Jedes (menschliche) Individuum steht in Verbindung zu anderen, was allerdings bedeute, dass dazwischen jedoch eine Grenze besteht. Für die menschlichen Gesellschaften könne dies nicht bedeuten, dass Kulturen eingeebnet würden, es hiesse aber auch keineswegs, dass sich Traditionen abschotten; das Ideal liege eigentlich viel mehr dort, wo im friedlichen Sinne Überschreitungen von Grenzen Neues und Anderes erfahren lasse. Ueli Mäder: macht.ch. Geld und Macht in der Schweiz. Rotpunktverlag, Fr. 39.90 Thilo Bode: TTIP. Die Freihandelslüge. Warum TTIP nur den Konzernen nützt – und uns allen schadet. DVA, Fr. 18.90 Ein gewaltiges Buch! Martín Caparrós gilt als einer der sprachmächtigsten und bedeutendsten Intellektuellen der spanischsprechenden Welt. In deutscher Sprache erschienen schon die Romane Valfierno, worin es um Kunstfälscher und Kunsthandel geht, und Wir haben uns geirrt, ein unter die Haut gehender Roman über die Zeit der Militärdiktatur in Argentinien. In seinem neusten Buch, Der Hunger, untersucht Caparrós eine der bedrohlichsten Konsequenzen von Armut – täglich sterben auf dieser Welt 25'000 Menschen direkt oder indirekt an Hunger! Das knapp 850 Seiten starke Werk besticht durch erzählerische und sprachliche Qualitäten genauso wie durch inhaltliche Stringenz – es liest sich so packend wie ein Essay von Hans Magnus Enzensberger und ist in seinen Aussagen so engagiert und hellsichtig wie dieser. Ein gewaltiges Buch, auch wenn es einen angesichts des Elends, das so gerne schöngeredet wird, schier verzweifeln lässt. Ueli Mäder Foto: Mediathek Uni Basel Thilo Bode © Heike Steinweg Marc Augé (Juli 2010) Marc Augé: Die illusorische Gemeinschaft. Matthes & Seitz, Fr. 10.90 Martín Caparrós: Der Hunger. «Wie zum Teufel können wir weiterleben, obwohl wir wissen, dass diese Dinge geschehen?» 17Suhrkamp, Fr. 37.70 Martín Caparrós © Christiane von Enzberg / Agentur Focus / Suhrkamp Verlag Belletristik Die schöne Literatur, einst Flaggschiff einer jeden Buchhandlung, die etwas auf sich hielt, spielt zwar im Feuilleton noch eine Rolle; allein, welche Zeitung leistet sich noch diesen Luxus? Ich halte mich aus zeitlichen Gründen knapp zu den einzelnen Titeln, doch ich versichere Ihnen, dass jedes vorgestellte Buch in seinem Genre sowohl in sprachlicher wie auch in inhaltlicher Hinsicht eine Trouvaille ist. Dennoch sind Handschuhe nicht mit Socken zu vergleichen oder konkret aufs Buch bezogen: Für einen Krimi gelten andere Massstäbe als für die experimentelle Literatur. Stets sollten sie sich jedoch mit den Besten ihres Faches messen. Ich bin mir natürlich bewusst, dass meine Auswahl eine persönliche ist und keineswegs Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt. Unser Wunsch – und damit meine ich den Wunsch aller meiner Mitarbeitenden – ist und bleibt der Anspruch, für Sie das Buch zu finden, das Sie individuell wünschen oder suchen. bedient und dennoch eine Ahnung von savoir vivre vermittelt, von dem wir heute nur noch träumen können. Wenn Sie an den Schauplatz, die Insel Porquerolles vor St. Tropez an der Côte d’Azur, fahren möchten, dann nehmen Sie den TGV nach Paris, steigen aber in Dijon um und sind knapp dreieinhalb Stunden später in Marseille … Meine persönliche Meinung: lesen! Für Vargas-Fans. Fred (eigentlich: Frédérique) Vargas war meine Entdeckung im Jahr 2000, als ihr Roman Bei Einbruch der Nacht auf Deutsch erschien. Die Autorin arbeitete damals noch als Archäologin – heute gilt sie als die wichtigste französische Krimiautorin. Die Gemeinde der KrimileserInnen ist geteilter Meinung was ihre Bücher betrifft. Wer sie jedoch schätzt, der/die zählt ihren neusten Roman Das barmherzige Fallbeil seit langem zu ihren besten. Meine persönliche Meinung: lesen, wenn Sie Fred Vargas schon kennen – oder kennenlernen wollen. Spannungsliteratur bestimmt heute das Sortiment der meisten Buchhandlungen, Spannungsliteratur macht gut 25 % des Umsatzes der meisten Buchhandlungen aus. Auch im Bücher-Fass finden Sie Titel, die zu dieser Warengruppe zählen. Viel Savoir vivre erfahren Sie in Georges Simenons Mein Freund Maigret. Nein, mögen Sie denken, nicht schon wieder eine aufgebrühte Suppe des Buchhändlers, der von Krimis keine Ahnung hat!? Doch: Haben Sie schon Maigret gelesen, und diesen im speziellen? Ich staunte, nachdem ich vor vielen Jahren ziemlich viele Maigret-Krimis des französischen Klassikers gelesen hatte, über die erstaunliche Qualität dieses Kriminalromans, der mit allen Wassern gewaschene Klischees George Simenon: Mein Freund Maigret. Diogenes, Fr. 12.– Fred Vargas: Das barmherzige Fallbeil. Limes Verlag, Fr. 25.50 Robert Harris: Dictator. Heyne, Fr. 28.90 Ein historischer Politthriller der Spitzenklasse (keine Verlagswerbung, sondern meine Meinung) ist Dictator, der neuste Roman von Robert Harris. Es ist der dritte, jedoch unabhängig zu lesende Band der Roman-Trilogie, die mit Imperium und Titan begann und den Kampf zwischen Cicero und Caesar zum Thema hat. Das neue Buch ist aus der Sicht Tiros, des verbürgten Privatsekretärs Ciceros, geschrieben und lässt damit viele Freiheiten offen. Dennoch hält sich Harris an die historischen Facts. Caesar bootet Cicero aus und zwingt ihn, Rom zu verlassen; derweil rüstet er zum Kriegszug gegen die Gallier. Caesar und Cicero sind zwei Giganten, die weit über das römische Reich hinausleuchten. Harris betrachtet die Geschichte aus Ciceros Sicht, aus der Sicht des Philosophen und an Macht interessierten Politikers; Caesar, der als Feldherr, Politiker, Autor und Liebhaber von Cleopatra letztlich diktatorisch nach der Kaiserkrone des römischen Reiches greifen will und daran scheitert, ist sein schillernder Gegenpart. Meine persönliche Meinung: unbedingt lesen. 18 Glückliche Entdeckung. Antonio Dal Masetto wurde 1938 in Intra (Verbania) am Lago Maggiore geboren und wanderte mit seinen Eltern 1950 nach Argentinien aus. Er verstarb dieses Jahr in Buenos Aires; in der argentinischen Literaturszene zählt er zu den bekannteren Autoren. Drei seiner literarischen Kriminalromane erschienen auch in Deutsch. Sein 2003 in Argentinien erschienener Roman Oscuramente fuerte es la vida legte der Zürcher Rotpunktverlag schon fünf Jahre später auf Deutsch auf, doch es scheint, dass das Buch nur wenig beachtet wurde. Als wäre alles erst gestern gewesen handelt in den 30er-Jahren in Italien; es erzählt vom aufkommenden Faschismus, aber auch von den Menschen, die sich dagegen gewehrt haben, es erzählt von einem entbehrungsreichen Alltag, der dennoch reich war. Erzählerin ist die 80-jährige Agata, die die Mutter des Autors sein könnte. Einem Zufall verdanke ich, kürzlich auf das Buch aufmerksam geworden zu sein – die glückliche Entdeckung eines grossen, anrührenden Buches. Einfache und packende Sprache. Aharon Appelfeld wurde 1932 in Czernowitz geboren, wie früher schon Paul Celan oder Rose Ausländer. Er überlebte Verfolgung und Krieg im Ghetto, im Lager und in den ukrainischen Wäldern, 1946 kam er nach Palästina; heute lebt er in Jerusalem. Sein neuster Roman, Ein Mädchen nicht von dieser Welt, nimmt ein Thema auf, das der Autor schon mehrmals aufgegriffen hat: Die Flucht von Juden aus dem Ghetto. Dieses Mal sind es zwei Knaben, die von ihren Müttern im Wald ausgesetzt werden. Ein Hund gesellt sich Antonio Dal Masetto: Als wäre alles erst gestern gewesen. Rotpunktverlag, Fr. 22.– Aharon Appelfeld: Ein Mädchen nicht von dieser Welt. Rowohlt, Fr. 24.50 Christine Lavant: Zu Lebzeiten veröffentlichte Erzählungen. Wallstein, Fr. 47.30 19 dazu und Mina, das kleine Mädchen. Und nicht zu vergessen ist auch die Rolle der Natur, die massgeblich beteiligt ist am Ausgang der Geschichte. Das Buch ist aus der Kinderperspektive in einer einfachen packenden Sprache erzählt, die einen von der ersten Seite weg entführt. Dass die Geschichte zum Ende gut ausgeht, ist weder Kitsch noch Seifenoper; es grenzt viel mehr an ein Wunder, woran man nach der Lektüre wieder zu glauben beginnt, obwohl man die Wunder oft längst schon im Abfall der Legenden und Märchen entsorgt glaubte. Ein eindringliches, grosses Werk. Christine Lavant wurde 1915 als Christine Thonhauser im Lavanttal, Kärnten geboren; aus gesundheitlichen Gründen musste sie ihre Schulbildung schon früh abbrechen; Lungenentzündungen, Tuberkulose und schwere Depressionen verlangten immer wieder Aufenthalte im Krankenhaus. In den dreissiger Jahren sandte sie einen ersten Roman dem Leykam Verlag zu, der nach anfänglichem Lob dann aber eine Publikation zurückwies, worauf sie alle vorhandenen Manuskripte zerstörte. In der Folge verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt jahrelang als Strickerin und lebte für lange Zeit am oder unter dem Existenzminimum. 1948 erschien dann erstmals ein schmaler Band mit Gedichten, erstmals auch unter dem Namen Lavant. In kleineren Verlagen erschienen bis zu ihrem Tod 1973 verschiedene Erzähl- und Gedichtbände. Zweimal wurde sie für ihr ihre Lyrik mit dem Georg-Trakl-Preis für Lyrik ausgezeichnet, 1970 erhielt sie den Grossen Österreichischen Literaturpreis. Im vergangenen Jahr erschienen im Rahmen einer auf vier Bände geplanten Werkausgabe die Gedichte und nun endlich liegen auch die zu Lebzeiten veröffentlichten Erzählungen vor. Ein eindringliches, grosses Werk ist nun wieder lieferbar – ich wünsche dem Buch die verdiente Anerkennung und viele LeserInnen. Glaubt uns: ein Superbuch! Die Kanadierin Jocelyne Saucier, geb. 1948, lebt heute in einem Handvoll-Seelen-Dorf im nördlichen Quebec. Sie schrieb bisher vier Romane, Ein Leben mehr ist ihr erster in deutscher Sprache. Was für ein tolles Buch! In einer wunderbar eleganten Sprache erzählt die Autorin die spannende und berührende Geschichte von drei alten Männern, die sich in die nordkanadischen Wälder zurückgezogen haben. Sie lieben die Freiheit und möchten eigentlich nicht gestört werden. Da taucht eine junge Journalistin auf, die nach einem Überlebenden der grossen Waldbrände sucht, der auch gemalt haben soll. Doch damit nicht genug: Einer der drei holt eines Tages seine alte Tante aus der psychiatrischen Klinik; geplant war ein kurzer Ferienaufenthalt, doch die Frauen blieben – und alles wurde etwas komplizierter als gedacht. Das Buch zählt zu den absoluten Lieblingsbüchern der Bücher-Fass-Crew, und doch erleben wir, dass es nicht ganz einfach ist, es zu verkaufen (was ja auch eine unserer Aufgaben ist). Wer sich aber darauf einlässt, uns zu glauben, der ist bis heute noch immer zurückgekehrt mit dem Feedback: ein Superbuch. Mitreissend und lebensprall. Bücher aus Osteuropa haben es nicht ganz einfach, im Westen richtig Fuss zu fassen. Vielleicht gelingt dies nun Serhij Zhadan, der im Nordosten der Ukraine in Charkiw lebt – ich lernte in der Schule noch den alten russischen Namen der bedeutenden Universitäts- und Industriestadt: Charkow. Mesopotamien, so der Titel des neuen Roman, handelt nicht im historischen Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, sondern in der multikulturellen Stadt Charkiw, die an der Mündung des gleichnamigen Flusses in den Lopan liegt, welcher seinerseits in den Udy mündet. Ein packend geschriebener, mitreissender Roman, der uns lebensprall in poetischem Übermut und manchmal auch surrealen Szenen davon erzählt, dass wenn in den Strassen auch geschossen wird, die Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben der unterschiedlichsten Kulturen noch längst nicht begraben ist. Georg-Büchner-Preisträger. Im vergangenen Oktober wurde Rainald Goetz der bedeutendste deutschsprachige Literaturpreis verliehen: der Georg-Büchner-Preis. Die Erfahrung zeigt, dass wir Schweizer ziemlich resistent sind gegenüber preisgekrönten Autorinnen und Autoren, wenn die verliehenen Kronen aus Deutschland kommen und ihre Träger ebenfalls. Es sei denn, eine Schweizerin oder ein Schweizer werde ausgezeichnet. Wie viele der Büchner-Preisträger ist auch der 1954 in München geborene Rainald Goetz keiner, der sich anbiedert. Was aber eben keinesfalls heisst, dass seine Bücher nur Eingeweihten verständlich sind. Sein erstmals 2012 erschienener Roman Johann Holtrop zum Beispiel erzählt vom rasanten Aufstieg und Fall eines Managers in den Nullerjahren. Egomanie und Ehrgeiz führten zum Aufstieg und zum Erfolg, der niemals satt macht; Weltmissachtung und Missachtung der Arbeit, der Menschen, der Gegenwart und des Rechts führen jedoch nicht zu noch glänzenderem Glanz, sondern zum Desaster. Johann Holtrop ist keine Identifikationsfigur, doch darum geht es Goetz auch nicht; seine Romane, virtuos formuliert, sind Gesellschaftsanalysen, die aussagekräftiger sind als soziologische Untersuchungen. Vielleicht möchten sich manche solche Romane am liebsten vom Leib halten, aber wer sich dann darauf einlässt, wird reich belohnt. Unter die Haut geht der schmale Roman Erschlagt die Armen! der in Paris lebenden Bengalin Shumona Sinha. Der irritierende Titel des Buches ist einem Gedicht Baudelaires mit demselben Titel entnommen. Die junge Protagonistin scheint ihn ernst genommen zu haben, denn sie schlägt einem Migranten in der Metro eine Weinflasche auf den Kopf, worauf die dunkelhäutige Frau sich in Polizeigewahrsam wiederfindet. Die Tat ist auf den ersten Blick kaum nachvollziehbar, denn die Täterin indischer Abstammung arbeitet in der Asylbehörde als Dolmetscherin. Bald beginnt man jedoch zu begreifen, dass die Migrantin eben von den weissen Beamten nicht akzeptiert wird und auch nicht von denjenigen, die nach Asyl nachfragen. Und die Dolmetscherin versteht auch glasklar, dass alle aufgetischten Geschichten sich ähneln wie ein Ei dem andern und es letztlich nur darum geht, dem Elend des Herkunftslandes zu entkommen. Die nichteuropäische Sicht auf ein globales Problem tut not, packt, fesselt und lässt einen zuerst einmal rat- und hilflos zurück. Beglückend. Olav H. Hauge zählt in Norwegen zu den ganz grossen Lyrikern; 1908 geboren, schrieb er seit 1924 Tagebuch, das erst wenige Tage vor seinem Tod 1994 abbricht. Ein Tagebuch, das es in sich hat. Hauge lernte Gärtner und betrieb später auf dem Hof seiner Eltern Obstgartenbau. Vor allem aber wollte er auch Dichter sein, eine Profession, die er sich selbst beibrachte. Das gelingt den Wenigsten; für viele, die denselben Weg begehen möchten, wird es ein Irrweg. Auf Deutsch ist nun eine Auswahl aus seinen Tagebüchern erschienen: Mein Leben war Traum. Das Buch zeigt, wo der genialische Aspekt seiner Dichtung liegt: im genauen und doch zurückhaltenden Beobachten und in der Fähigkeit, dies in Übereinstimmung zu bringen mit subjektivem Empfinden. Olav H. Hauge war auch ein grosser Leser und man erfährt ganz nebenbei und doch überzeugend, was Literatur zu bewegen vermag. Kurz: Ein beglückendes Hausbuch für lange Zeit. Ein bewegendes Buch über einen integren Menschen. Der französische Romancier Olivier Rolin legt mit der Romanbiografie Der Metereologe ein Buch vor, das Jocelyne Saucier: Ein Leben mehr. Insel, Fr. 25.20 Serhij Zhadan: Mesopotamien. Suhrkamp, Fr. 28.80 Shumona Sinha: Erschlagt die Armen! Nautilus, Fr. 22.90 Rainald Goetz: Johann Holtrop. Suhrkamp, Fr. 13.– Olav H. Hauge: Mein Leben war Traum. Aus den Tagebüchern 1924–1994. Edition Rugerup, Fr. 31.60 Olivier Rolin: Der Meteorologe. Liebeskind, Fr. 25.30 20 21 aktueller ist, als man auf den ersten Blick vermutet. Es ist die Lebensgeschichte des Alexei Wangenheim. Geboren wurde er 1881 in einem kleinen ukrainischen Dorf und Zeit seines Lebens waren die Wolken sein Fachgebiet. Er wurde zum bedeutendsten Meteorologen der UdSSR, die Wettervorhersagen für ihr grosses Reich dringendst benötigte. Wangenheim war überzeugter Sozialist und ihm war es recht, am Aufbau der noch jungen Sowjetunion mitzuhelfen. Wie Millionen anderen auch, half dies alles nichts, und er kam 1934 ins Lager, wo er 1937 erschossen wurde. Aus dem Gulag konnte er kleine Zeichnungen und Briefe an seine Tochter hinausschmuggeln. Rolin stiess per Zufall bei einer Recherche in einem Archiv auf diesen Packen – entstanden ist ein bewegendes Buch über einen integren Menschen. Die Aktualität liegt im Indirekten: Wo geschossen wird und Bomben fallen gegenüber etablierten Staaten, spricht man heute von Terror und vom Krieg gegen den Terror. Vergessen wird dabei schnell, dass es noch nicht so lange her ist, dass Terror auch von einer völkerrechtlich anerkannten Staatsmacht ausgehen kann, ja, dass solcher Terror noch heute in einigen Ländern gang und gäbe ist. Wangenheim war Wissenschaftler und überzeugt, dass es eine gerechtere Welt geben müsse. Von den Mächtigen wurde er dafür verraten. Buchwoche 2015. Vor Kurzem ist die Schaffhauser Buchwoche 2015 mit schönem Erfolg zu Ende gegangen. Alle vorgestelltenBücher kann ich Ihnen auch hier guten Gewissens empfehlen. Das gilt für Ralph Dutlis Die Liebenden von Mantua ebenso wie für Daniel Guts Neidkopf, Catherine Safonoffs Der Bergmann und der Kanarienvogel, Michèle Minellis Die Verlorene und Sandra Gattis Mörderhölzli. Und es gilt auch für die folgenden Titel: Michael Fehrs Simeliberg ist ein packender Text, dessen Nähe zur spoken-word-Szene spürbar ist. Es lohnt sich, die spannende Geschichte eines Bauern mit anarchistischem Gedankengut, den das Sozialamt bevormunden möchte, für eine oder zwei Seiten laut zu lesen. Als Leser wird man hineinversetzt in eine den Voralpen ähnelnde Landschaft mit Streusiedlungen und einem Bezirksort; wahrscheinlich würde ein überwiegender Teil dieser Bevölkerung der Masseneinwanderungsinitiative zustimmen … Afrika besser begreifen. Die vom Theologen, Journalisten und Afrikakenner Al Imfeld herausgegebene Anthologie Afrika im Gedicht sollten Sie ziemlich oben auf Ihre Bücherwunschliste setzen. Das Buch, ein Bijou in jeder Hinsicht, versammelt über 550 Gedichte von 250 afrikanischen Autorinnen und Autoren. Sie sind zwischen 1960 und 2014 entstanden. «Gedichte sind das Geflecht einer Gesellschaft, eine besondere Form von Philosophie» schreibt Al Imfeld im Vorwort: Wer sich auch nur ein wenig in das Buch vertieft, beginnt Afrika und seine komplizierten letzten 50 Jahre besser zu begreifen. Ein gewaltiger Roman ist Werner Rysers Walliser Totentanz. Fast unglaublich, dass es einem Autor mit seinem ersten Buch gelingt, aus der Perspektive eines Dorfes im Obergoms einen Roman zu schreiben, der neben der lokalen auch die europäische Geschichte miteinbezieht. Und in Europa, wie auch im Wallis, standen sich um 1500 machtpolitische Interessen gegenüber, die ganz selbstverständlich kriegerisch gelöst werden wollten. Ryser verfällt nie der Versuchung, seinen Hauptpersonen mehr Glück und Kraft als andern zukommen zu lassen. Alle Personen des Romans sind Kinder ihrer Zeit, von der erfundenen Kräuterfrau Magdalena Capelani bis zum ganz realen Kardinal Schiner oder seinem Kontrahenten Georg Supersaxo. Eine Trouvaille. Regula Wenger, eine junge Autorin aus Basel, ist ausserhalb der Stadt am Rheinknie kaum bekannt. Leo war mein erster handelt nicht etwa vom ersten Liebhaber. Die Icherzählerin Pia ist von Beruf Putzfrau, die sich auf das Reinigen von Wohnungen Verstorbener spezialisiert hat. Regula Wenger erzählt mit Wärme und Sprachwitz, mit augenzwinkerndem Humor und Empathie eine Geschichte von Tod und viel Leben, wie man sie nicht nur so, sondern überhaupt noch nie gehört hat: eine Touvaille! TAMANGUR – allein schon der Klang lässt einen kaum mehr los. Tamangur, ein grosser Arvenwald im S-charl-Tal bei Schuls, wird bei Leta Semadeni auch Sinnbild für den Ort, wo die Toten wohnen, der Grossvater etwa. Der erste Roman der in Lavin wohnenden Lyrikerin ist ein schmales Buch und ein grosser Wurf. In kurzen Kapiteln erzählt die Autorin die Geschichte einer tragischen Katastrophe, die man als Leser mehr ahnt, als dass wirklich davon erzählt wird. Darin liegt die grosse Kunst dieser vordergründig harmlosen Geschichte, die immer wieder mit Humor viel Alltägliches aus dem Leben der Grossmutter ihres Enkelkindes berichtet. Worauf es ankommt im Leben (2) Es gibt Leute, die schreiben eigentlich für ein Publikum und erhoffen sich eine möglichst grosse Leserschar; und es gibt Leute, die schreiben für sich und wünschen allenfalls bescheiden, einem kleinen Kreis von Freunden eine Freude zu machen. Kommt ein Autor nun mit seinem Text zu einem Verleger, so stellt sich dieser immer auch die Frage: Wen interessiert es denn wirklich? Nuot Ganzoni war während vieler Jahre Chefarzt der chirurgischen Abteilung am Kantonsspital Schaffhausen, und ich erinnere mich noch gut an einen Abend in den 70er-Jahren, als ich mir beim Schneiden eines Steckens für den Cervelat in den linken Daumen hackte und dabei eine Sehne durchtrennte. Dr. Ganzoni nähte mir diese im Kantonsspital wieder zusammen, nicht ohne mir angedroht zu haben, dass er mich unter Vollnarkose legen würde, wenn ich nicht endlich aufhöre mit der verwundeten Hand zu zucken. Das hat Wunder gewirkt. Nach der Pensionierung 1996 erfüllten sich Nuot und Trix Ganzoni einen Traum: Sie kauften eine Segelyacht und segelten von der Flensburger Förde während zehn Sommerhalbjahren auf der «Cavistrau» den Küsten Europas entlang bis ins Schwarze Meer. In seinem schon 2009 erschienenen Reisebericht Wolken, Wind und Wogen erzählt Nuot Ganzoni nicht nur über persönliche Erlebnisse, sondern er knüpft auch immer Bezüge zu historischen und kulturellen Ereignissen; darüber hinaus regen die eingestreuten Reflexionen über das Alter und das Leben an, über die eigene Zukunft nachzudenken. Dem Autor gelingt es, auch diejenigen Leser und Leserinnen aufs Boot zu holen, die ihn nicht kennen. Nuot Ganzoni: Wolken, Wind und Wogen. Eine Seglerreise entlang Europas Küsten. Kranich Verlag, Fr. 48.– Al Imfeld (Hrsg.): Afrika im Gedicht. Offizin, Fr. 72.– Regula Wenger: Leo war mein erster. Waldgut, Fr. 28.– Alexander Wanner: In Arkadien. Impressionen aus einem Sabbatical. edition vogelfrei, Fr. 25.– Leta Semadeni: Tamangur. Rotpunktverlag, Fr. 22.– Michael Fehr: Simeliberg. Der gesunde Menschenversand, Fr. 27.– Werner Ryser: Walliser Totentanz. Nagel & Kimche, Fr. 34.90 Bibliografische Angaben und Kurztexte zu den anderen BuchwocheTiteln auf w w w.schaff hauserbuchwoche.ch 22 23 Alexander Wanner, geboren 1965 in Schaffhausen, studierte in Zürich, Lausanne und Caen Romanistik und Latein und unterrichtet seit 1994 an der Kantonsschule Schaffhausen. Im Sommer 2014 gestattete er sich ein Sabbatical, das er besonnen und sorgfältig plante. Die geschenkte (oder gewonnene) freie Zeit sollte nicht ungenutzt verrinnen. Neben ein paar kleinen Vorhaben setzten vier Projekte eine intensivere Planung voraus. In einem Kloster wollte er sich Vergil widmen, die Erwägung einer Wiederaufnahme von Prousts «Recherche» liess ihn an einen Aufenthalt in Caen denken, die Erinnerung an sein virtuoses klassisches Klavierspiel, das ihm in jungen Jahren einen Preis eingebracht hatte, liess ihn an einen Jazzkurs denken, und weil ihm nach dem vielen Bier im Rahmen der Scaphusianer (meine vermutete Interpretation) der Saft gekelterter Trauben zu schmecken begann, stellte er sich ein Praktikum auf einem Château im Bordelais vor. Die Erlebnisse und Erfahrungen aus diesen vier Projekten liegen nun gesammelt in seinem Buch In Arkadien vor. «Auszeit» wählte Alexander Wanner als Arbeitstitel, der mich als Verleger zu sehr an Eishockey erinnerte oder an ein nicht immer ganz freiwilliges Timeout im Arbeitsprozess. «Arkadien» steht auf der anderen Seite der Begriffsskala und klingt nach Musse und paradiesischen Zuständen. Alexander Wanner schreibt oft augenzwinkernd und mit feinem Humor – «Leider bin ich weder Schriftsteller noch Nobelpreisträger …» notiert er in Zusammenhang mit einem Bonmot zu André Gide – und bleibt doch genau in seinen Beobachtungen. In beiden Texten spürt man, dass die Autoren in oder mit ihrer Arbeit eine Erfüllung erfahren haben, wie man sie gemeinhin nur dem idealen Gärtner zuerkennt. Als Leser oder Leserin ahnt man unvermittelt, worauf es ankommt im persönlichen Leben. Herzlichen Dank! Überall und immer, wenn Menschen gemeinsam ein Projekt verfolgen, sei es privat oder beruflich, ist Verlässlichkeit notwendig und muss selbstverständlich sein. Wo Menschen aber ohne zwingende Gründe miteinander zu tun haben, ist nichts selbstverständlich. Viele von Ihnen haben die Buchhandlung seit den Gründungsjahren begleitet, sind mit uns älter geworden – und haben immer wieder einen Umweg in Kauf genommen, um sich im Bücher-Fass mit geistiger Nahrung einzudecken. Dafür möchte ich Ihnen herzlich danken. Ihrer Treue verdanken wir unsere Existenz und Unabhängigkeit. Danken möchte ich wie immer auch meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ursula Stamm, Gabriele Meier, Martina Cucinotta und Norbert Hauser, die mit Engagement, Herzblut und fachlicher Kompetenz wesentlich dazu beitragen, dass das Bücher-Fass so ist, wie es ist. Öffnungszeiten Wir wünschen Ihnen ein frohes Weihnachtsfest, viel Freude und alles Gute im neuen Jahr. Und am Samstag, den 9. Januar 2016 bleibt der Laden wegen Inventur geschlossen. Georg Freivogel Ein Buch als Kunstwerk. Ein rätselhafter Knüller ist der Roman S. – Das Schiff des Theseus des Filmemachers J.J. Abrams und des Romanautors Doug Dorst. Er spielt mit mehreren Textebenen und kommt als veritables «Musterexemplar» im Werkstattlook daher, versehen mit unzähligen handschriftlichen Notizen, Bibliotheksstempeln, Zeitungsausschnitten, Unterstreichungen und Verschmutzungen. Der Plot: Eine junge Studentin findet in der Bibliothek den (fiktiven) Roman «Das Schiff des Theseus» eines (ebenso fiktiven) Autors V. M. Straka, in welchen ein anderer Student Hunderte von Randbemerkungen gekritzelt hat. Die junge Frau ist fasziniert und ergänzt die Notizen mit eigenen Mutmassungen. Zwischen den beiden Studenten Jen und Eric entspinnt sich eine lebhafte Unterhaltung, die allein auf der Textebene der Randnotizen zum Binnenroman «Das Schiff des Theseus» stattfindet. Ein Witz mit Tiefgang? Oder ein Frontalangriff aufs E-Book, wie ein Rezensent findet? Überzeigen Sie sich selbst! Abrams J.J. / Dorst D.: S. – Das Schiff des Theseus. gebunden im Schuber. (Limitierte Auflage) Kiepenheuer & Witsch, Fr. 54.90 Sonntag, 20. Dezember: 12 –17 Uhr Montag, 21. Dezember: 8.30–18.30 Uhr Donnerstag, 24. Dezember: 8.30 –16 Uhr Montag, 28. Dezember: 13.30 – 18.30 Uhr Donnerstag, 31. Dezember: 8.30 – 16 Uhr Das neue Jahr beginnen wir am Montag, den 4. Januar, wie immer um 13.30 Uhr. Impressum Weihnachtsbrief 2015 Bücher-Fass Webergasse 13 8201 Schaffhausen Telefon 052 624 52 33 www.buecherfass.ch Texte: Georg Freivogel Gestaltung: Silvia Bartholdi www.richtigundschön.ch 24
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