Beitrag zur Geschichte der Hohenzollerischen - 3-Löwen-Takt

Eisenbahngeschichte
Eine Dampflok in
Haigerloch (um 1912).
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Schönes Schwaben 2/15
Eisenbahngeschichte
Putzmuntere
»Kleinbahn«
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HOHENZOLLER I SC HEN LANDESBAHN
Von Uwe A. Oster
Der Begriff »Kleinbahn«, den die Hohenzollerische Landesbahn bis 1907 im Namen trug, verleitet leicht dazu, an
Schmalspurbahnen zu denken, und tatsächlich war das bei
vielen der preußischen Kleinbahnen der Fall – nicht aber
bei der Hohenzollerischen Landesbahn. Sie war von Anfang
an als Normalspurbahn konzipiert, um den Anschluss an die benachbarten
Bahnlinien zu erleichtern. Eine »kleine«, erstaunliche Eisenbahngeschichte.
Schönes Schwaben 2/15
M
it der Auflösung des
Hohenzollerischen
Landeskommunalverbands, dem einstigen Selbstverwaltungsorgan des
kleinen Ländchens, ist Hohenzollern
1972 endgültig von der politischen
Landkarte verschwunden. Nicht
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Eisenbahngeschichte
Tunnelbau in Haigerloch: Am Bau waren
viele Gastarbeiter
aus Italien beteiligt.
Bis heute gibt es in
Hohenzollern italienische Familiennamen,
die auf diese Zeit
zurückgehen.
einfach
tüpisch
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Rechts: Winterverschwunden ist Hohenzollern im Befahrplan 1962/63.
wusstsein der Menschen. Mit der RückDie HzL beförderte
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sogar eher wieder
stärker geworden.
Auch im Wirtschaftsleben ist Hohenzollern wenigstens als
Namensbestandteil
präsent geblieben. Es gibt, um nur
einige Beispiele zu nennen, die Zollern GmbH und Co. KG (ehemals
Fürstlich Hohenzollernsche Hüttenwerke im Laucherthal), die »Hohenzollerische Zeitung«, die Volksbank
Hohenzollern – und nicht zuletzt die
Hohenzollerische Landesbahn. Sie ist
zwar ein veritabler Spätzünder der
deutschen Eisenbahngeschichte, aber
erfreut sich bis heute nicht nur bester Gesundheit, sondern hat als Unternehmen die ehemaligen Landesgrenzen längst hinter sich gelassen.
VOR 175 JAHREN fuhr zwischen
Nürnberg und Fürth die erste deutsche Eisenbahn, am 22. Oktober
1845 wurde zwischen Cannstatt
und Untertürkheim die erste Eisenbahnverbindung des Königreichs
Württemberg eröffnet. In den folgenden Jahrzehnten wurde dieses
Netz kontinuierlich ausgebaut. Ein
Politikum war der Anschluss an
benachbarte Staaten wie Baden
oder Bayern. Vollends kurios wurde
die württembergische Eisenbahngeschichte durch die beiden Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen
und Hohenzollern-Sigmaringen, die
seit 1850 zum Königreich Preußen
gehörten. 1861 erreichte die von
Plochingen ausgehende Neckarbahn die Bischofsstadt Rottenburg
und sollte von dort über Horb
nach Sulz und Rottweil weitergeführt werden. Doch dazwischen
lag hohenzollerisches Gebiet.
Die preußische Regierung war dem
Abschluss eines Staatsvertrags nicht
abgeneigt, verband die Zustimmung aber mit einer Bedingung:
Württemberg müsse als Gegenleistung die hohenzollerischen
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Eisenbahngeschichte
Eine der schönsten Eisenbahnstrecken
Baden-Württembergs führt bei Kloster
Beuron durch das Donautal.
Foto: Rainer Fieselmann
Oberamtsstädte Hechingen und Sigmaringen über Tübingen an das Bahnnetz anschließen. Da dadurch auch
ein Anschluss der württembergischen Städte Balingen
und Ebingen erreicht werden konnte und sogar eine
Weiterführung bis in die Schweiz möglich schien, fand
die Idee im südlichen Württemberg gleichfalls eifrige Befürworter. So kam es 1863 zum Abschluss eines
Staatsvertrags zwischen den Königreichen Preußen und
Württemberg über den Bau der »Hohenzollernbahn«
von Tübingen über Hechingen, Balingen und Ebingen
nach Sigmaringen (und von dort weiter über Aulendorf nach Ulm). Bereits 1869 konnte das erste Teilstück
zwischen Tübingen und Hechingen eingeweiht werden.
1874 folgte der Weiterbau bis in die württembergische
Oberamtsstadt Balingen. Auch badische Bahnlinien
(Stockach–Pfullendorf, Meßkirch–Ablachtal, Meßkirch–
Ablachtal–Mengen) wurden teilweise über hohenzollerisches und damit preußisches Territorium geführt.
DAMIT WURDE HOHENZOLLERN von der Eisenbahn
zwar von Norden nach Süden durchfahren. Doch das
Ländchen dehnte sich vor allem in Ost-West-Richtung
aus, vom Neckar in einem Bogen über Haigerloch, Hechingen und Sigmaringen bis fast an den Bodensee. Das
alles war weiterhin weithin »eisenbahnfreies« Gebiet.
Im Zuge der Verhandlungen um den Bau der »württembergischen« Hohenzollernbahn war der Strecke Tübingen–Balingen ein Bestandsschutz bis 1899 eingeräumt
worden. Das heißt: Es sollte in diesem Bereich keine
Konkurrenz-Eisenbahn geben. Das aber war nicht das
einzige Problem: Hohenzollern war Hunderte von Kilometern vom preußischen Kernland entfernt und dünn
besiedelt. An den Bau einer staatlichen preußischen
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Eisenbahn war vor diesem Hintergrund nicht zu denken. Dieses Problem teilte Hohenzollern mit zahlreichen anderen entlegenen Landstrichen Preußens.
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Eisenbahngeschichte
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Foto: Rainer Fie
Die Regierung musste handeln: Und so wurde am
28. Juli 1892 das preußische Kleinbahngesetz erlassen. In Artikel 1 dieses Gesetzes heißt es: »Kleinbahnen sind die dem öffentlichen Verkehre dienenden
Eisenbahnen, welche wegen ihrer geringen Bedeutung
für den allgemeinen Verkehr dem Gesetze über die
Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838
nicht unterliegen.« Auf dieser Grundlage beschloss
der Hohenzollerische Kommunallandtag im Februar 1898 die Gründung einer Kleinbahngesellschaft in
der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Das war die
Geburtsstunde der Hohenzollerischen Landesbahn.
Das Aktienkapital der neugegründeten Gesellschaft betrug 3,24 Millionen Mark. Davon hielt der preußische
Staat 1,62 Millionen Mark, der Hohenzollerische Landeskommunalverband 810 000 Mark und die Westdeutsche Eisenbahngesellschaft in Köln, die zunächst auch
die Betriebsleitung übernehmen sollte, 808 000 Mark.
Dafür wurde der Gesellschaft auf die Dauer von
35 Jahren eine Verzinsung ihres Aktienkapitals in Höhe von 3,5 Prozent garantiert. Für jeweils 1000 Mark
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Aktiengesellschaft ist die Hohenzollerische Landesbahn
bis heute geblieben – 71,88 Prozent der Anteile hält das
Land Baden-Württemberg, jeweils 14,06 Prozent verteilen sich auf die Landkreise Zollernalb und Sigmaringen.
NACHDEM DIE RAHMENBEDINGUNGEN gegeben waren,
wurde zügig mit dem Bau begonnen, an dem zahlreiche Gastarbeiter aus Italien beteiligt waren. Bis heute
gibt es in Hohenzollern italienische Familiennamen, die
auf diese Zeit zurückgehen. Die erste, gerade einmal
5,6 Kilometer lange Teilstrecke der Hohenzollerischen
Kleinbahn zwischen Sigmaringendorf und Bingen wurde
am 28. März 1900 eröffnet, 1901 folgten die Abschnitte zwischen Hechingen und Burladingen, Eyach und
Stetten/Haigerloch sowie zwischen Kleinengstingen und
Gammertingen. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg
wurde kontinuierlich weitergebaut. Der Schlusspunkt
wurde 1912 zwischen Hechingen und Stetten/Haigerloch
gesetzt. Das Streckennetz war damit auf 107,43 Kilometer angewachsen. Bereits 1907 war die Umbenennung
in Hohenzollerische Landesbahn erfolgt. Doch der Name
»Kleinbahn« hielt sich hartnäckig. In der älteren Generation hört man vereinzelt noch immer »Kleinbahn«, wenn
von der Hohenzollerischen Landesbahn die Rede ist.
DASS GERADE DIE STRECKE zwischen Eyach und Stetten/
Haigerloch als letzte fertiggestellt werden konnte, hatte
auch mit den geologischen Schwierigkeiten zu tun, auf
welche die Arbeiten dort stießen. In einem Bericht zum
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Eisenbahngeschichte
Ortschaften des Eyachtals, und oft
erklangen ihre heimatlichen Lieder.«
Stolz wurde in Haigerloch die Ankunft des ersten Zuges begrüßt.
Ehrengast war Franz Graf von
Brühl, der preußische Regierungspräsident der Hohenzollernschen
Lande. Ein Schulkind begrüßte
ihn im typischen Pathos der Zeit:
»Dem hochedlen Gast, dem Grafen von Brühl, umringen der Gäste
so viel. Wir Kinder, wir rufen mit
Jubel und Macht: Willkommen,
der Du die Bahn uns gebracht.«
Gammertingen ist heute Betriebszentrum
der Hohenzollerischen Landesbahn.
Foto: Rainer Fieselmann
50-Jahr-Jubiläum der Hohenzollerischen Landesbahn sind diese anschaulich beschrieben: »Riesige Felsmassen stellten sich in den Weg, und
in Haigerloch war es nötig, ein Felsmassiv mit einem Tunnel zu durchbrechen. Quellen schossen aus dem
Boden und aus den Hängen, sumpfige Strecken mussten gangbar gemacht werden. Man musste Brücken
schlagen und die Eyach an mehreren
Stellen verlegen […]. An den Sonnund Feiertagen waren die Italiener das belebende Element in den
Lange Zeit war der Gütertransport
auf der Landesbahn sehr viel bedeutender als der Personenverkehr.
Neben den alltäglichen Waren kam
dabei zwei Gütern besondere Bedeutung zu: dem Salztransport aus
dem Bergwerk in Stetten/Haigerloch
und den Rohstofflieferungen für
das Fürstliche Hüttenwerk im Laucherthal. Gerade der Salztransport
trug dazu bei, auch die schwierigen
Jahre der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg zu überstehen. Im
Zweiten Weltkrieg kam es 1944/45
zu zahlreichen Angriffen auf das
Bahnnetz der Landesbahn. Erst im
Dezember 1947 waren alle Schäden
wieder beseitigt und das Streckennetz wieder vollständig befahrbar.
DEN SPRUNG IN DIE ZUKUNFT schaffte die Hohenzollerische Landesbahn
endgültig mit der Bahnreform von
1997. Teil dieser Reform war der
freie Netzzugang. Die HzL konnte
damit auch Personen- und Güterverkehr außerhalb ihres eigenen
Schienennetzes übernehmen. Auftakt war gleich 1997 die Übernahme
des Schienenpersonennahverkehrs
auf der Zollern-Alb-Bahn zwischen
Tübingen und Aulendorf. Etwas verwundert rieben sich die Menschen
an den württembergischen Bahnhöfen am Anfang die Augen, als auf
einmal die Triebwagen der Hohenzollerischen Landesbahn bei ihnen
einfuhren.
Mittlerweile ist das nicht nur zwischen Tübingen und Aulendorf
Alltag. Im Jahr 2003 übernahm die
HzL den 3-er-Ringzug der Landkreise Schwarzwald-Baar, Rottweil und
Tuttlingen zwischen Immendingen,
Tuttlingen, Rottweil, Villingen und
Bräunlingen auf. 2004 kam die
Strecke nach Blumberg hinzu. Und
damit nicht genug: Seit 2006 fährt
die Landesbahn zudem zwischen
Stockach und Radolfzell (»Seehäsle«).
Und so ist die HzL, lange nachdem
das Land Hohenzollern von der Bildfläche verschwunden ist, ein putzmunteres Unternehmen. 2013 betrug
der Jahresumsatz 44,1 Millionen Euro. Es wurden 13,1 Millionen Personen befördert und 536 000 Tonnen
Güter. Diesen Erfolg hätten sich die
Väter der Landesbahn wohl nicht
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