Die Freiberger Pferdezucht in Umbruch

SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS
Medienkonferenz «Pferdeschutz» | 14. Dezember 2015
Die Freiberger Pferdezucht in Umbruch
Jolanda Ellenberger, Drehbuchautorin und Regisseurin
Sie haben es im Film gehört: Tausende von jungen Pferden weltweit werden getötet bevor sie
ihr fünftes Lebensjahr erreichen.
Aufzucht- und Schlachtrate
In der Schweiz waren es im Jahre 2013 ungefähr 40% der sechs Monate jungen Freiberger
Fohlen, die nicht über ihren sechsten Lebensmonat hinaus leben durften. Im Jahre 2014
waren es 37% Schlachtfohlen. Gemäss einer "ersten gemeinsamen" Sitzung vom 3. Dezember 2015 zwischen dem Schweizerischen Freiberger Verband (SFV) und dem Schweizer
Tierschutz STS, teilte uns der SFV mit, dass die Freibergerzüchter nicht an Fohlenmast und
dem Verkauf an Metzger interessiert sind, sondern dass ein vitales Interesse besteht, die in
jedem Jahr neuen, geeigneten Fohlen zum Verkauf an neue Pferdebesitzer anzubieten oder
für die eigene Aufzucht zu behalten.
Wieso sollten gerade Freiberger Pferde Subventionen erhalten?
Weil sie unser einziges Schweizer Originalpferd sind und ein edles Kulturgut wert sind.
Hiermit muss auch einmal erwähnt werden, dass gerade diesbezüglich der SFV unter
vermehrter kritischer öffentlicher Beobachtung steht, als andere Rassepferdezuchtverbände.
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Medienkonferenz «Pferdeschutz» | 14. Dezember 2015
Leider geriet die Freiberger Zucht immer wieder ins schlechte Licht. Anfänglich sicherlich
gerechtfertigt, als vor vielen Jahren die Fohlen gleich nach einer Fohlenshow, obwohl
manchmal hochpunktiert, gleich zum Schlachthof abtransportiert wurden. Doch in den
letzten zwei Jahren hat sich viel in der Freibergerzucht bewegt.
Was unterscheidet Schlachtfohlenproduktion von Selektionierung?
Aktuell gibt es ungefähr 3000 Schweizer Freibergerzüchter. Dies klingt im ersten Moment
nach sehr viel. Doch wenn man die Züchter nach jährlicher Fohlengeburten auflistet, liegen
die Fohlengeburten pro Züchter bei ein bis zwei Fohlen pro Jahr. Eine Minderheit von
Grosszüchter verzeichnen fünf bis sechs Fohlen pro Jahr.
60 % der 3-jährigen Pferde am Feldtest wurden vom Züchter aufgezogen.
40 % der 3-jährigen Pferde am Feldtest sind im Besitz von einem anderen Besitzer als der
Züchter, d.h. wurden zwischen 6 Monaten und 3 Jahre vom Züchter verkauft.
Was bedeutet die Definition "Selektionierung"? Aktuell ist die jährliche Geburtenzahl auf
ungefähr 2000 Fohlen gesamtschweizerisch zurückgegangen. Wenn die Geburtszahl weiter
zurückgeht wird das Problem der Inzucht immer grösser sein. Mit einem Rückgang auf 1500
Fohlen könnte eine irreversible Grenze der Inzucht erreicht werden.
Der SFV arbeitet nicht aktiv an einer Ausdehnung von Pferdefleischproduktion. (Der Fohlenfleischpreis von CHF 8.50 im Vergleich zum Kalbfleisch, welches das Doppelte einbringt, ist
nicht interessant.)
Könnte man diejenigen Züchter, die sogenannte Schlachtfohlen produzieren von
denjenigen, die die Freiberger Fohlen für den Verkauf an Pferdeleute züchten betreffend
Subventionen trennen? Wohl kaum. Die (Mehrheit der) Züchter würden nicht zu Hengstkörungen gehen um hochpunktierte Hengste auszulesen damit ihre Fohlen danach beim
Fleischer landen.
Sind Subventionen gerechtfertigt?
Fallen die Subventionen weg, wird es für die Züchter schwierig ihre Zucht weiter zu führen.
Und verlorene Züchter kann man kaum wieder zurückgewinnen.
Kulturgut oder Schlachtgut?
Zum heutigen Zeitpunkt sind es 7 % des konsumierten Pferdefleischs, das aus der Schweiz
kommt. Das restliche Pferdefleisch wird vom Ausland importiert. Innerhalb der 7% nimmt
das Fohlenfleisch 20% des einheimischen Pferdefleisches ein.
Sollte man also doch mehr eigenes Freiberger Pferdefleisch produzieren? Wenn wir den
Freiberger als "Kulturgut" beibehalten wollen, dann meiner Meinung nach ein deutliches
nein. Die alte Mythe von Hengstblut für starke Männer ist lächerlich und wertlos.
Menschen erlangen nicht die Kraft oder Heilung des Pferdes indem sie Pferdefleisch essen,
sondern die Heilwirkung findet in der lebendigen Präsenz mit dem Pferd statt
(wissenschaftlich belegt). (Mehr darüber in meinem 90minütigen Dokumentarfilm, der in
Postproduktion ist.)
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Wollen wir Schweizer, und das sollten wir, den Freiberger als "Kulturgut" erhalten, dann soll
das Schwergewicht der Zucht auf "pro-leben" gelegt werden, was der SFV gemäss unserer
letzten Sitzung auch anstrebt.
Verbesserungspotential Aufzucht und Ausbildung
Um das Freiberger Pferd in all seiner grossartigen Vielfalt im Markt zu bestärken wäre es
wünschenswert, für die Aufzucht auch dementsprechend pferdegerecht eingerichtet
Stallungen zu ermöglichen. Ein ebenso förderlicher Aspekt wären schonende und vor allem
vertiefte Einreitausbildungen. Im Bereich Fahrausbildung gibt es jetzt bereits eine Berufsgattung. Dementsprechend dürfte eine erhöhte Ausbildungskostenunterstützung vom Bund
gerechtfertigt und sinnvoll sein.
Gemeinsame Ziele anstreben zum Wohle des Freiberger Pferdes
Es ist mir persönlich ein Anliegen, dass alle beteiligten Berufsorganisationen, die zum Wohle
der Freibergerzucht arbeiten, mehr gemeinsame Kommunikation finden. Dazu gehört auch
einmal Kompromisse einzugehen. Als ich meinen Freibergerfohlen-Dokumentarfilm öffentlich
zu präsentieren begann, jeweils mit Experten-Podiumsgesprächen um die Schlachtfohlensituation von den verschiedenen Seiten zu beleuchten, um Lösungen zu finden, beauftragte
der Bund eine Expertenarbeitsgruppe um Lösungen zur Erhaltung des Freibergers zu
recherchieren. Um diesen neuen Arbeitsprozess nicht zu stören, stellte ich weitere Filmvorführungen in der Schweiz sofort ein.
Fortschrittliche Arbeitsmodelle
Und falls der Freiberger Zuchtverein u.a. gemeinsame Wege findet mit dem Schweizer
Tierschutz STS in gewissen Bereichen offen zusammen zu arbeiten, stets mit dem höchsten
Interesse für das Freiberger Pferd, dann könnte die Freibergerzucht grösseren Aufschwung
erleben. Bei einem solchen "Einverständnis" entstünde auch ein Alleinstellungsmerkmal für
den SFV über welches aktuell keine andere Pferderasse in der Schweiz verfügt. Und zu guter
Letzt ist alles im Leben eine Frage der persönlichen Ethik, die nicht konstant kontrolliert
werden kann.
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