Recht und Unsinn Eine Übersicht um Thema multiresistente Erreger in der stationären Altenpflege Worüber reden wir? MRSA 6 Standard- und Reserveantibiotika Virulenz gering (meist Besiedlungen) Überleben auf Fläche 6 Wochen – 7 Monate 3MRGN Enterobakterien und Acinetobacter 4 Reserveantibiotika Pseudomonas aeruginosa 2 Reserveantibiotika Virulenz gering, Überleben Tage – 4 Monate VRE/GRE ohne Linezolidresistenz 3 Reserveantibiotika Virulenz gering, Überlebensdauer Wochen MRE – die wirklich unangenehmen 4 MRGN Enterobakterien und Acinetobacter 3 Reserveantibiotika Pseudomonas aeruginosa 1 Reserveantibiotikum Virulenz gering, Überleben Tage – 4 Monate VRE/GRE mit Linezolidresistenz 2 Reserveantibiotika Virulenz gering, Überlebensdauer Wochen MRE – Habitate MRSA: Nase, Rachen, Haut, Wunden 3/4 MRGN Enterobakterien: Darm, Harnröhrenmündung, Wunden Acinetobacter: Haut, Rachen Pseudomonas aeruginosa: Atemwege, Wunden www.institutschwarzkopf.de © PD Dr. med A. Schwarzkopf VRE/GRE Darm, Harnwege Gesetze und Verordnungen - Gelebtes Rechtsleben Bewohnerschutz? § 23 Abs. 3 IfSG: Die Leiter folgender medizinischer Einrichtungen haben sicherzustellen, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, zu vermeiden. … Die Einhaltung des Standes der medizinischen Wissenschaft auf diesem Gebiet wird vermutet, wenn jeweils die veröffentlichten Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut und der Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie beim Robert Koch-Institut beachtet worden sind. § 36: Folgende Einrichtungen legen in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene fest und unterliegen der infektionshygienischen Überwachung durch das Gesundheitsamt… … Personalschutz? § 4 BiostoffV: Gefährdungsbeurteilung RG: 2 (auch als MRE), Schutzstufe 2, ungezielte Tätigkeit TRBA 250 Schutzkleidung (Ziffer 4.2.6 ff) Immer zu tragen bei Verdacht auf mögliche Kontamination Immer zu wechseln bei (unsichtbarer Kontamination) Kontaminierte Arbeitskleidung ist durch Arbeitgeber aufzubereiten MNS als „Berührschutz“ (5.7.2) MRE in der TRBA 250 (Ziffer 5.7) Keine Schutzkleidung, wenn kein Körperkontakt (5.7.2) Schutzkleidung, wenn Kontakt, individuelle Risikobewertung Schutzkleidung im Zimmer kontaminationsgeschützt aufbewahren Wäsche und Abfall wie üblich entsorgen (Cave 5.5.1 Abstimmung mit der Wäscherei) MedHygV § 13 Sektorübergreifender Informationsaustausch www.institutschwarzkopf.de © PD Dr. med A. Schwarzkopf Die Einrichtungen nach § 1 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 haben bei Verlegung, Überweisung oder Entlassung von Patientinnen und Patienten Informationen über Maßnahmen, die zur Verhütung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und von Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen und mit Multiresistenzen erforderlich sind, an den Rettungsdienst, die aufnehmende Einrichtung oder die niedergelas sene Ärztin oder den niedergelassenen Arzt weiterzugeben. MedHygV § 15 Ordnungswidrigkeiten Ordnungswidrig im Sinn des § 73 Abs. 1 Nr. 24 IfSG handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig … 4. entgegen § 13 infektionsschutzrelevante Informationen nicht weitergibt. Der Bayerische Weg: Keine Keime für die Heime Ein Überleitungsbogen, der Erreger verschweigt, ist Unsinn! Warum Unsinn? Datenschutz erstreckt sich nur auf die Allgemeinbevölkerung sowie nicht examinierte Berufsgruppen (Reinigungsdienst, Haustechnik) Sanierungen wirken nur, wenn lückenlos weitergeführt Hausärzte geben den Arztbrief – falls überhaupt – in der Regel nicht sofort weiter Weder die KRINKO-Empfehlungen noch die TRBA 250 können zeitnah korrekt umgesetzt werden. Unnötige Risiken, die Ordnungswidrigkeiten bis hin zu Straftaten (einschließlich fahrlässiger Tötung oder Körperverletzung) darstellen können. Apropos Sanierung… Theoretisch könnte die Hausärzteschaft MRSA-Kontrollen abrechnen. Praktisch haben nur ca. 5 % die entsprechende Fortbildung gemacht Sanierungsmittel – außer Turixin – müssen Betroffene selber kaufen Die Sanierungskontrollen in Krankenhäusern verlieren an Aussagekraft Was ist mit dem Zimmer? Problem MRSA-Positive mitarbeitende Keine Regelung durch BGW (soll nach 54 Jahren MRSA und ca. 30 Jahren MRSA in Deutschland jetzt mal diskutiert werden Patientenferner Einsatz – was ist das? Sanierung im häuslichen Bereich einschließlich Partner und Haustiere Rechtsgrundsätze in der Pflege Wer macht was? Weisungsgebundenheit der Pflegekraft www.institutschwarzkopf.de © PD Dr. med A. Schwarzkopf Allgemeine Arbeitsanweisungen (Dienstanordnungen, Schweigepflicht, Pflegestandards, Hygieneplan), als arbeitsrechtliches Dokument in Kraft gesetzt Konkrete Dienstanordnungen Einzelfallanordnung der behandelnden Ärzte Einzelfallanordnung der Pflegedienstleitung Einzelanordnung der Hygienebeauftragten, falls als weisungsberechtigt ausgewiesen Einzelanordnung der Leitung Hauseigene oder Träger-Standards Arbeitsrechtlich verbindlich, wenn in Kraft gesetzt Selbstverpflichtung der Einrichtung(en) Müssen – wie die Versorgung allgemein – dem „Stand der Technik“ entsprechen Müssen daher z.B. jährlich aktualisiert werden (Audit) Können patientenindividuell nach Risikobewertung modifiziert werden (Dokumentation!) „Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik“ Stand der Technik können sein Normen: DIN, EN, ISO AWMF-Leitlinien Expertenstandards Empfehlungen von Fachgruppierungen Hygiene: RKI-Empfehlungen (Höchster Rang!) Verantwortungsbereiche Behandelnde Ärzte Diagnostik Behandlungskonzept Therapie Angemessene Hilfsmittel Auswahl und Überwachung des Pflegepersonals bei Delegation ärztlicher Aufgaben Qualitätssicherung Hygiene Pflegepersonal Grund- und Funktionspflege Pflegerische Ergänzung des ärztlichen Behandlungskonzepts (Behandlungspflege) Assistenz bei ärztlichen Tätigkeiten Fortlaufende Überwachung der Patienten und Meldung bei Problemen Qualitätssicherung Hygiene Verantwortungsbereiche Prinzipiell gelten dabei: Grundsatz der Eigenverantwortung: www.institutschwarzkopf.de © PD Dr. med A. Schwarzkopf Jeder ist für seine Handlungen verantwortlich und muss melden, wenn er dazu nicht fähig ist. Grundsatz des Vertrauens Jeder darf darauf vertrauen, dass andere eingesetzte Mitarbeiter ihre Pflicht erfüllen Entsprechendes gilt für Anweiser und Ausführende. Dabei muss der Anweiser die richtigen Mitarbeiter auswählen und instruieren, dann darf er auf korrekte Ausführung vertrauen. Der Ausführende darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Anordnung sachgerecht und fachgerecht ist und schuldet die korrekte Ausführung. Die Remonstration beschreibt das Recht und die Pflicht, bei Anordnungen, die eine Gefahr bedingen, zu widersprechen. Dabei wird zunächst nachgefragt (richtig verstanden?) dann darauf hingewiesen und letztlich dokumentiert. Der „Prawda-Effekt“ - Hygiene kann jeder – die Frage ist nur wie gut Die Zeit des kalten Krieges… Der amerikanische Präsident und der Generalsekretär der Sowjetunion laufen um die Wette. Der amerikanische Präsident gewinnt. In der New York Times steht: Der amerikanische Präsident und der Generalsekretär der Sowjetunion liefen um die Wette. Der amerikanische Präsident hat gewonnen. Aber was steht in der Prawda? Ein Rennen bedeutender Staatsmänner fand statt. Dank heroischer Anstrengung gelang es unserem Generalsekretär einen ehrenvollen zweiten Platz zu erringen… … während der amerikanische Präsident nur Vorletzter wurde! So wird heute eine Menge Unsinn verkauft… Beispiel Steckbeckenspüler Autor DIN Bezug MPBetreibV Steckbeckenspüler sollen auf einen A0-Wert von 600 eingestellt und möglichst validiert werden. Dann entsprechen sie Spektrum AB nach RKI. Evidenz: Keine Kosten: Hoch, da viele ältere Geräte kaputt gehen. Tatsächlich müssen Steckbeckenspüler nicht validiert werden, es kommt maßgeblich auf die Reinigungsleistung an. Also: UNSINN www.institutschwarzkopf.de © PD Dr. med A. Schwarzkopf 2. Beispiel: Händedesinfektionsmittelspender Autor: VAH e.V. Bezug: Arzneimittelrecht Händedesinfektionsmittelspender müssen mit der Maschine aufbereitet werden, vor jedem Befüllen. Gezeigt werden defekte Spender mit entsprechender Verkrustung Evidenz: Keine Kosten: Maschine 20.000 Euro, mindestens eine Maschine voll Zusatzspender zum Austauschen, 1 Vollzeitkraft auf 200 Betten Also: UNSINN 3. Beispiel: Wipe-Trommeln Autor: VAH E.V. Wipe-Trommeln sollen vor der Wiederbefüllung mit einem anderen Mittel desinfiziert oder maschinell aufbereitet werden. Die Industrie bietet Einmalpackungen an Evidenz: Biofilm wurde nachgewiesen, oft keine oder falsche Aufbereitung Hier sollten klare Regelungen getroffen werden. Flächendesinfektion Also: Kein Unsinn! 4. Beispiel Quelle: TRBA 250 Alle Flächen müssen leicht zu reinigen und zu desinfizieren sein. Eigentlich logisch, aber häufiger Grund zur Beanstandung! Desinfektionshindernisse Fugen „weißes Pflaster“ Nicht laminierte Aushänge Unlackierte Holzflächen Abgeplatzte Beschichtung von Inventar Also: Kein Unsinn! Umgang mit MRE -Eine Abwägung im Einzelfall - wo sitzt der Erreger? - welcher ist es (wieviele Reservenantibiotika gibt es? MRE Postmortal Keine Mitteilungspflicht, da Basishygiene als ausreichend betrachtet wird. Bestimmte Rituale können bei Erklärung als infektiös nicht mehr durchgeführt werden Daher ist die Indikation der Erklärung „Infektiös“ streng zu stellen www.institutschwarzkopf.de © PD Dr. med A. Schwarzkopf Bündelstrategie Festlegung geeigneter Maßnahmen Erstellung einer Checkliste Pflege Reinigungsdienst Externe Dienstleister Schulen, schulen, schulen… Fazit Die Heime bewegen sich im Graubereich. Dies ist gesellschaftlich gewollt und kann nicht geahndet werden. Infektionsprävention kommt vor Datenschutz. Alle examinierten Kräfte haben Schweigepflicht. Wer die Rechtnormen bei bestehenden Möglichkeiten nicht befolgt, bietet Lücken für Zivil- und Strafverfahren. Aber Risikobewertungen erlauben Spielräume. Diese können nur mit ausreichend gut geschultem Personal genutzt werden (absolute Evidenz!) Geld ausgeben für evidenzlosen Mumpitz können wir uns nicht mehr leisten. Quellen: Infektionsschutzgesetz (www.rki.de) BiostoffV (www.juris.de) TRBA 250 (www.baua.de), Stand 2015 Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (www.rki.de – Infektionschutz –Krankenhaushygiene und Infektionsprävention – Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention) Buchquellen Schwarzkopf A. Multiresistente Erreger im Gesundheitswesen. Mhp-Verlag, Wiesbaden. Schwarzkopf A. Praxiswissen für Hygienebeauftragte. 4. Auflage 2015, Kohlhammer-Verlag Stuttgart. www.institutschwarzkopf.de © PD Dr. med A. Schwarzkopf
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