KVB FORUM Ausgabe 12.2015

R ec ht intere ssant
Investitionskostenabschlag
Kaum eine Woche vergeht, in der nicht in der Presse
zu lesen ist, wie schlecht es um die Finanzierung der
deutschen Krankenhäuser bestellt ist. Es ist augenfällig: Die Klinikvertreter machen mobil, weil ihre
Kassen leer sind und die Bundesregierung sich zum
Ziel gesetzt hat, noch in dieser Legislaturperiode
wesentliche Weichen zu stellen, um die „Krankenhausversorgung zukunftsfähig zu gestalten“.
N
eben wesentlichen Änderungen im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG)
und Krankenhausentgeltgesetz
(KHEntgG) wird im Rahmen des
Krankenhausstrukturgesetzes
(KHSG) nun auch der – im Vertragsarztrecht (SGB V) verankerte
– Investitionskostenabschlag nicht
nur abgesenkt, sondern ersatzlos
gestrichen. Damit wird der Wettbewerb zwischen den niedergelassenen Vertragsärzten und den Krankenhäusern – auch unter wirtschaftlichen Aspekten – weiter verzerrt.
Doppelfinanzierung verhindern
Den Investitionskostenabschlag
(§ 120 Absatz 3 Satz 2 SGB V),
wonach die Vergütung ambulanter
Krankenhausleistungen (pauschal)
um zehn Prozent zu kürzen ist, gibt
es seit Einführung des SGB V (1989).
Erklärtes Ziel der Abschlagsregelung war, eine „Doppelfinanzierung
der für die Krankenhausambulanzen aufgewendeten Investitionen,
„„ zum einen aus öffentlichen
Steuermitteln,
„„ zum anderen über den Investitionskostenanteil in den kassenärztlichen Gebühren“
zu verhindern.
K V B F O R U M 12/2015
Das KHG, das im Wesentlichen die
Finanzierung und Investitionsförderung der Krankenhäuser (Investitionskosten werden von den Ländern aus Steuermitteln finanziert)
regelt, schreibt keine festen Beträge oder prozentualen Anteile der
Finanzierung durch die öffentliche
Hand fest. Diese dürften von Krankenhaus zu Krankenhaus (und Bundesland zu Bundesland) sehr unterschiedlich sein. Wohl gerade
auch aus diesem Grund hat sich der
Gesetzgeber seinerzeit für einen
pauschalierten Abschlag entschieden.
RECHT INTERESSANT
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Dieser Abschlag ist „sachlich gerechtfertigt und systemgerecht“
(so das Bundessozialgericht) und
hat sich über ein Vierteljahrhundert bewährt. Die Frage, ob die Bemessung des Prozentsatzes (ausgehend von dem erklärten Ziel des
Gesetzgebers) tatsächlich zutreffend war, wurde von der Rechtsprechung an keiner Stelle vertieft. Alles in allem steht jedoch zu vermuten, dass der Anteil der öffentlichen Förderung in der Vergangenheit eher über zehn Prozent als
darunter lag.
Wie werden Investitionen (re-)finanziert?
Vertragsärztliche Behandlungen werden ebenso wie ambulante
Notfallbehandlungen im Krankenhaus über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgerechnet. Bei der Kalkulation des EBM
sind neben dem Arztlohn auch die für die ärztlichen Leistungen erforderlichen Investitionen anteilig mit eingepreist und abgegolten.
Während Vertragsärzte notwendige Investitionen – im Gegensatz zu
den Krankenhäusern – aus eigenen Mitteln bestreiten müssen, werden Krankenhäuser, die im Krankenhausplan aufgenommen sind,
aus Steuermitteln öffentlich gefördert. Infolge dieser öffentlichen
Zuwendungen (beispielsweise für Gebäude und medizinisch-technische Geräte) wurde die EBM-Vergütung bei ambulanter Krankenhausbehandlung bislang pauschal um zehn Prozent gemindert.
Re cht interes sant
Belastbare Zahlen fehlen
Umso mehr überraschte es, dass
der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum KHSG vom 26. August
2015 vorsah, den Investitionskostenabschlag für die Klinikambulanzen von zehn auf fünf Prozent zu
halbieren. Belastbare Zahlen, anhand derer der seinerzeit geplante
Schritt hätte nachvollzogen werden können, suchte man in den
Gesetzesmaterialien vergeblich.
Wenn der Gesetzgeber ernsthaft
erreichen wollte, das Honorar für
ambulante ärztliche Leistungen
der Krankenhäuser um solche Beträge zu „bereinigen“, über welche
die Kliniken – im Gegensatz zu
Vertragsärzten – infolge öffentlicher Zuwendungen (insbesondere
Investitionskosten für Gebäude
und medizinisch-technische Geräte) verfügen, müsste ermittelt werden, in welchem Umfang tatsächlich eine Förderung der Krankenhäuser erfolgt ist (beziehungsweise zukünftig erfolgen soll). Dann
hätte offen in eine Diskussion eingetreten werden können. Dies ist
leider ausgeblieben.
Stattdessen wurde im weiteren
Verlauf des Gesetzgebungsvorhabens der Investitionskostenabschlag komplett aufgegeben. Dies
verwundert insofern, als die Bundesregierung in ihrem Gesetzesentwurf im August noch ausgeführt
hatte, dass „um eine Doppelfinanzierung bei den Investitionskosten
zu vermeiden, … bei öffentlich geförderten Krankenhäusern weiterhin ein Investitionskostenabschlag
bei der Vergütung ambulanter ärztlicher Leistungen nach § 120 Absatz 1 zu berücksichtigen“ ist. Zu
diesem Zeitpunkt stand der Investitionskostenabschlag als solcher
nicht zur Disposition (lediglich dessen Höhe). Umso mehr überrascht
die Kehrtwende, die wenige Wochen
später – heimlich, still und leise –
vollzogen wurde. Nach über 25 Jahren wird der Investitionskostenabschlag komplett abgeschafft. Wenige Worte im Beschlussantrag genügen hierfür: „Absatz 3 Satz 2
wird aufgehoben.“ Begründet wurde dies lapidar damit, eine sofort
finanzwirksame Stärkung der Krankenhausambulanzen zu erreichen.
Vom Ausgleich einer Doppelfinanzierung oder gar dem Eingeständnis, dass ein solcher politisch nicht
mehr angezeigt sei, ist keine Rede
(mehr). Vielmehr setzt sich der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien weder mit der ursprünglichen
Intention des Abschlags, noch damit, dass diese nun überholt sei,
auseinander.
ziell eher höher gewesen sein
müsste), wird diese Schieflage mit
dem KHSG eklatant verstärkt werden.
Verzerrung des Wettbewerbs
führt dazu, dass bestimmte Investitionen aufseiten der Krankenhäuser doppelt finanziert werden
(Steuermittel plus EBM). Dies
stellt zweifelsohne eine erhebliche
Schlechterstellung der Vertragsärzte dar.
Ging man in der Vergangenheit bereits davon aus, dass der ZehnProzent-Abschlag den – durch öffentliche „Förderungen“ (= Finanzierung der Investitionskosten nach
KHG) – erlangten Vorteil nicht adäquat widerspiegelt beziehungsweise ausreichend „abschöpft“
(sondern der Prozentsatz tenden-
Der Gesetzgeber hätte gut daran
getan, offen zu legen, dass er das
ursprüngliche Ziel (Vermeidung
einer Doppelfinanzierung der für
Krankenhausambulanzen aufgewendeten Investitionen) mit dem
sogenannten Krankenhausstrukturgesetz willentlich aufgibt.
Unfairer Wettbewerb: Eine Streichung des Investitionskostenabschlags im Klinikbereich erscheint
nicht gerecht-
Vor diesem Hintergrund erscheint
es unerheblich, die Gesamtvergütung in entsprechendem Umfang
anzuheben. Denn die Streichung
des Investitionskostenabschlags
fertigt und stellt
eine erhebliche
Schlechterstellung der Vertragsärzte dar.
Jörg Himbert
(Rechtsabteilung der KVB)
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