R ec ht intere ssant Investitionskostenabschlag Kaum eine Woche vergeht, in der nicht in der Presse zu lesen ist, wie schlecht es um die Finanzierung der deutschen Krankenhäuser bestellt ist. Es ist augenfällig: Die Klinikvertreter machen mobil, weil ihre Kassen leer sind und die Bundesregierung sich zum Ziel gesetzt hat, noch in dieser Legislaturperiode wesentliche Weichen zu stellen, um die „Krankenhausversorgung zukunftsfähig zu gestalten“. N eben wesentlichen Änderungen im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) wird im Rahmen des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) nun auch der – im Vertragsarztrecht (SGB V) verankerte – Investitionskostenabschlag nicht nur abgesenkt, sondern ersatzlos gestrichen. Damit wird der Wettbewerb zwischen den niedergelassenen Vertragsärzten und den Krankenhäusern – auch unter wirtschaftlichen Aspekten – weiter verzerrt. Doppelfinanzierung verhindern Den Investitionskostenabschlag (§ 120 Absatz 3 Satz 2 SGB V), wonach die Vergütung ambulanter Krankenhausleistungen (pauschal) um zehn Prozent zu kürzen ist, gibt es seit Einführung des SGB V (1989). Erklärtes Ziel der Abschlagsregelung war, eine „Doppelfinanzierung der für die Krankenhausambulanzen aufgewendeten Investitionen, zum einen aus öffentlichen Steuermitteln, zum anderen über den Investitionskostenanteil in den kassenärztlichen Gebühren“ zu verhindern. K V B F O R U M 12/2015 Das KHG, das im Wesentlichen die Finanzierung und Investitionsförderung der Krankenhäuser (Investitionskosten werden von den Ländern aus Steuermitteln finanziert) regelt, schreibt keine festen Beträge oder prozentualen Anteile der Finanzierung durch die öffentliche Hand fest. Diese dürften von Krankenhaus zu Krankenhaus (und Bundesland zu Bundesland) sehr unterschiedlich sein. Wohl gerade auch aus diesem Grund hat sich der Gesetzgeber seinerzeit für einen pauschalierten Abschlag entschieden. RECHT INTERESSANT 20 Dieser Abschlag ist „sachlich gerechtfertigt und systemgerecht“ (so das Bundessozialgericht) und hat sich über ein Vierteljahrhundert bewährt. Die Frage, ob die Bemessung des Prozentsatzes (ausgehend von dem erklärten Ziel des Gesetzgebers) tatsächlich zutreffend war, wurde von der Rechtsprechung an keiner Stelle vertieft. Alles in allem steht jedoch zu vermuten, dass der Anteil der öffentlichen Förderung in der Vergangenheit eher über zehn Prozent als darunter lag. Wie werden Investitionen (re-)finanziert? Vertragsärztliche Behandlungen werden ebenso wie ambulante Notfallbehandlungen im Krankenhaus über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgerechnet. Bei der Kalkulation des EBM sind neben dem Arztlohn auch die für die ärztlichen Leistungen erforderlichen Investitionen anteilig mit eingepreist und abgegolten. Während Vertragsärzte notwendige Investitionen – im Gegensatz zu den Krankenhäusern – aus eigenen Mitteln bestreiten müssen, werden Krankenhäuser, die im Krankenhausplan aufgenommen sind, aus Steuermitteln öffentlich gefördert. Infolge dieser öffentlichen Zuwendungen (beispielsweise für Gebäude und medizinisch-technische Geräte) wurde die EBM-Vergütung bei ambulanter Krankenhausbehandlung bislang pauschal um zehn Prozent gemindert. Re cht interes sant Belastbare Zahlen fehlen Umso mehr überraschte es, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum KHSG vom 26. August 2015 vorsah, den Investitionskostenabschlag für die Klinikambulanzen von zehn auf fünf Prozent zu halbieren. Belastbare Zahlen, anhand derer der seinerzeit geplante Schritt hätte nachvollzogen werden können, suchte man in den Gesetzesmaterialien vergeblich. Wenn der Gesetzgeber ernsthaft erreichen wollte, das Honorar für ambulante ärztliche Leistungen der Krankenhäuser um solche Beträge zu „bereinigen“, über welche die Kliniken – im Gegensatz zu Vertragsärzten – infolge öffentlicher Zuwendungen (insbesondere Investitionskosten für Gebäude und medizinisch-technische Geräte) verfügen, müsste ermittelt werden, in welchem Umfang tatsächlich eine Förderung der Krankenhäuser erfolgt ist (beziehungsweise zukünftig erfolgen soll). Dann hätte offen in eine Diskussion eingetreten werden können. Dies ist leider ausgeblieben. Stattdessen wurde im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsvorhabens der Investitionskostenabschlag komplett aufgegeben. Dies verwundert insofern, als die Bundesregierung in ihrem Gesetzesentwurf im August noch ausgeführt hatte, dass „um eine Doppelfinanzierung bei den Investitionskosten zu vermeiden, … bei öffentlich geförderten Krankenhäusern weiterhin ein Investitionskostenabschlag bei der Vergütung ambulanter ärztlicher Leistungen nach § 120 Absatz 1 zu berücksichtigen“ ist. Zu diesem Zeitpunkt stand der Investitionskostenabschlag als solcher nicht zur Disposition (lediglich dessen Höhe). Umso mehr überrascht die Kehrtwende, die wenige Wochen später – heimlich, still und leise – vollzogen wurde. Nach über 25 Jahren wird der Investitionskostenabschlag komplett abgeschafft. Wenige Worte im Beschlussantrag genügen hierfür: „Absatz 3 Satz 2 wird aufgehoben.“ Begründet wurde dies lapidar damit, eine sofort finanzwirksame Stärkung der Krankenhausambulanzen zu erreichen. Vom Ausgleich einer Doppelfinanzierung oder gar dem Eingeständnis, dass ein solcher politisch nicht mehr angezeigt sei, ist keine Rede (mehr). Vielmehr setzt sich der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien weder mit der ursprünglichen Intention des Abschlags, noch damit, dass diese nun überholt sei, auseinander. ziell eher höher gewesen sein müsste), wird diese Schieflage mit dem KHSG eklatant verstärkt werden. Verzerrung des Wettbewerbs führt dazu, dass bestimmte Investitionen aufseiten der Krankenhäuser doppelt finanziert werden (Steuermittel plus EBM). Dies stellt zweifelsohne eine erhebliche Schlechterstellung der Vertragsärzte dar. Ging man in der Vergangenheit bereits davon aus, dass der ZehnProzent-Abschlag den – durch öffentliche „Förderungen“ (= Finanzierung der Investitionskosten nach KHG) – erlangten Vorteil nicht adäquat widerspiegelt beziehungsweise ausreichend „abschöpft“ (sondern der Prozentsatz tenden- Der Gesetzgeber hätte gut daran getan, offen zu legen, dass er das ursprüngliche Ziel (Vermeidung einer Doppelfinanzierung der für Krankenhausambulanzen aufgewendeten Investitionen) mit dem sogenannten Krankenhausstrukturgesetz willentlich aufgibt. Unfairer Wettbewerb: Eine Streichung des Investitionskostenabschlags im Klinikbereich erscheint nicht gerecht- Vor diesem Hintergrund erscheint es unerheblich, die Gesamtvergütung in entsprechendem Umfang anzuheben. Denn die Streichung des Investitionskostenabschlags fertigt und stellt eine erhebliche Schlechterstellung der Vertragsärzte dar. Jörg Himbert (Rechtsabteilung der KVB) K V B F O R U M 12/2015 21
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