Vielfalt mit Sinn und Verstand

Betriebsinhaber
eberhard Hollmann –
ausgeprägt unternehmerisch
orientiert und vielfältig
ausgerichtet als Land- und
energiewirt
Quelle. Väderstad
Quelle. Kerzel
Acker+Betriebsportrait
Konservierende Bodenbearbeitung – Zu Winterraps bestellt Eberhard Hollmann die
Flächen bereits seit 20 Jahren pfluglos.
Vielfalt mit Sinn und Verstand
Seit mehreren Jahrhunderten hat die Landwirtschaft in der Familie Hollmann aus ense-Bittingen, kreis Soest, Tradition. Jedoch verlässt sich Betriebsleiter eberhard Hollmann heute nicht nur auf klassische elemente der
Landwirtschaft. Sein Spektrum ist vielfältig. Neben 220 Hektar Ackerbau
und Schweinemast hat sich der Landwirt zudem der energieerzeugung
und der Produktion von 2.500 Hektolitern rohalkohol verschrieben. eine
Biogasanlage, Windkrafträder und eine Brennerei gehören zum Betrieb.
Des Weiteren bewirtschaftet Hollmann zusätzlich 150 Hektar in einer kooperation. eine Vielfalt, bei der ein kühler kopf gefragt ist.
Höhenlage schützt vor Hitze
D
er Betrieb von Eberhard Hollmann
befi ndet sich auf dem Haarstrang, ein
Höhenzug am südlichen Rand der
Westfälischen Bucht in Nordrhein-Westfalen.
Der Hof wird zusammen mit seiner Frau und
zwei Angestellten bewirtschaftet.
tiefgründig, so dass die Frühsommertrockenheit den Kulturen in dieser Region nicht so gefährlich werden kann. Daneben fallen im Jahr
durchschnittlich 700-800 mm Niederschlag“,
beschreibt Hollmann seinen Standort. Zudem
liegen die meisten Flächen in einer Höhenlage
von 230-270 Metern. DaZwei Drittel der Flächen
mit ist es kühler als in den
Trockenschäden selten,
kennzeichnen sich durch
umliegenden
Regionen,
aber nicht ausgeschlossen
tonige Lehme mit BodenTrockenschäden sind eher
punkten zwischen 40 und
selten, aber nicht ausge50, ein Drittel der Flächen haben bis zu 70 schlossen, denn Eberhard Hollmann erinnert
Bodenpunkte. „Die Böden verfügen über ein sich noch gut an das Jahr 2003: „Da hat die Trogutes Wasserspeichervermögen und sind sehr ckenheit auch uns erwischt“.
Acker+plus | 03.10
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Acker+Betriebsportrait
Vielfalt auf dem Feld
Bodenbewirtschaftung mit System
Nicht nur die Betriebszweige sind vielfältig,
sondern auch die Palette der Kulturarten des
Ackerbaus ist reichhaltig. Schwerpunkt im Pflanzenbau von Eberhard Hollmann ist das Getreide.
Neben Winterweizen werden auch Triticale und
Wintergerste angebaut. Letztere steVermarktet wird
hen ausschließlich
nach Marktlage, nicht
für die Veredlung
nach Tradition
im
Schweinestall
zur Verfügung. Der
Weizen jedoch ist für die betriebseigene Brennerei bestimmt.
Des Weiteren baut Landwirt Hollmann Winterraps, Körnermais, Zuckerrüben und Möhren
an. Der Körnermais ist ebenfalls für die Veredlung bestimmt. Jedoch lässt sich in manchen
Jahren im Verkauf ein höherer Preis erzielen als
mit der Veredlung, und diese Strategie verfolgt
auch Hollmann.
In Sachen Bodenbearbeitung ackert Hollmann seit knapp
10 Jahren so gut wie pfluglos. Aber auch schon vorher wurde zu verschiedenen Kulturen nicht gepflügt. „Zum Winterraps nach Winterweizen und Wintergerste verzichten
wir schon seit langem auf den Pflug. Im Zuge des Erosionsschutzprogramms von 1990 stellten wir unseren Betrieb
allmählich um, “ so Hollmann. Niedriger Bodendruck ist
eine weitere positive Eigenschaft, die in den Augen des
westfälischen Betriebsleiters für pfluglos spricht: „Der gesamte Betrieb zielt
auf diese MaßnahPfluglos dort, wo
me ab. Alle schweren
Sinn gegeben ist
Maschinen und Geräte, besonders der
Mähdrescher und das Güllefass, sind mit Niedrigdruckreifen ausgestattet.“ Die Wahl des Bodenbearbeitungsverfahrens ist für Hollmann aber auch eine Kostenfrage. Mit
den Einsparungen hat der Landwirt Wachstum in seinem
Betrieb geschaffen. „Würde ich alle meine Flächen pflügen,
wäre dies eindeutig zu teuer. Vor allem seit dem Flächenzuwachs 2003 durch die Kooperation.“
Jedoch hat der Pflug auf dem Betrieb immer noch seine Daseinsberechtigung. „In einem nassen Herbst werden
schwierige Flächen gepflügt. Trockene Jahre sind an unserem Standort gute Jahre. Die tonigen Lehme haben eine
gute Wasserspeicherkraft. Ein nasser Herbst ist ein Vorzeichen für eine nicht so gute Ernte“, weiß Hollmann seinen
Standort einzuschätzen.
Quelle. Hollmann
Kampf dem Ackerfuchsschwanz
Landwirt Hollmann setzt auf integrierte Systeme –
die Gärreste aus der betriebseigenen Gülle werden
auf die Felder zurückgebracht
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Das pfluglose Bodenmanagement bringt jedoch nicht
nur Vorteile. So hat Eberhard Hollmann mit dem Ackerfuchsschwanz
zu
kämpfen. „Die VerIntegrierte Maßnahmen
grasung der Flächen
zur Bekämpfung von
stellt ein besonAckerfuchsschwanz
deres Problem dar.
Der große Anteil an
Getreidekulturen begünstigt den Ackerfuchsschwanz zusätzlich, ebenso wie fehlende Wirkstoffe und entstehende
Acker+plus | 03.10
Resistenzen. Den Weizen habe er noch einigermaßen unter Kontrolle, allerdings räume der
Weizen erst Mitte August das Feld, und Raps wäre
somit als Folgekultur zu spät. Deshalb hat sich
der Landwirt zu Wintergerste als Vorfrucht zum
Raps entschieden. Das Feld wird eher geräumt,
Gülle zur Förderung der Strohrotte kann ausgebracht werden und die termingerechte Raps-Aussaat ist gewährleistet. „Es müssen vernünftige
Strategien her, damit der Wintergerstenanbau
die Verbreitung des Ackerfuchsschwanzes nicht
Quelle. Hollmann
Quelle. © Kerstin-Nimmerrichter
Acker+Betriebsportrait
Vielfalt wird im Betrieb Hollmann groß geschrieben –
das verteilt das Risiko, und dafür packt die ganze Familie mit an
fördert. Eine von meinen ist der Anbau von Sommerungen
und Raps“, gibt sich Hollmann bestimmt.
Feste Größe Zwischenfruchtanbau
Auch der Zwischenfruchtanbau ist fester Bestandteil im
Flächenmanagement von Betrieb Hollmann. Diese, meistens Senf, kommen vor den Sommerungen wie Zuckerrüben und Mais, zum Einsatz. Positive Erfahrungen bestätigen seine Überzeugung: „Ich baue Zwischenfrüchte an, um
der Erosion, besonders an kuppigen Stücken, entgegen zu
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Acker+Betriebsportrait
wirken. Aber auch,
Situationsangepasstes
um der NährstoffHandeln geht vor
verlagerung vorzuTradition
beugen, so dass der
Stickstoff für die Folgekultur erhalten bleibt“, erklärt Hollmann. „Ich versuche, die
Zwischenfrüchte regelmäßig in die Fruchtfolge zu integrieren.
Der Anbau kommt nur bei einer Ausnahme nicht in Frage,
nämlich wenn der Herbst zu nass ist. Auch wenn’s paradox
klingt: Vor zwei Jahren beispielsweise haben wir zu Gunsten
des Bodenschutzes auf Zwischenfruchtanbau verzichtet. Die
Aussaatbedingungen waren schlichtweg zu schwierig.“
Kreislaufwirtschaft
Die einzelnen Betriebszweige wurden nicht ohne Grund
erschlossen. „Ich verfolge eine Art Kreislaufwirtschaft auf
meinem Hof“, beschreibt Eberhard Hollmann seine Überzeugung.
Beispiel: Der geerntete Weizen wird in der Brennerei
verarbeitet. Die dabei entstehende proteinreiche Schlempe wird in der Schweinemast verfüttert. Die anfallende
Schweinegülle wird in der Biogasanlage verwertet, und
die Gärreste werden letztendlich auf die Felder zurückgebracht.
Beispiel: Auch die bei der Biogasproduktion entstehende
Abwärme geht nicht verloren. Zum einen wird sie zur Beheizung der Wirtschaftsgebäude und der Hollmannschen
Wohnräume genutzt. Zum anderen erfolgt ein kontinuierliches Trocknen von Holz und je nach Bedarf auch von
Hackschnitzeln.
Durch diesen Kreislauf trägt jeder Betriebszweig zum
Endergebnis bei – es gibt keinen direkten Schwerpunkt.
Nur die Ergebnisse der einzelnen Bereiche können von Jahr
zu Jahr eine unterschiedliche Gewichtung einnehmen.
Teller-Tank-Diskussion aktuell ohne Chance
Die 360 KW Biogasanlage wird mit Speiseabfällen aus
der Gastronomie sowie mit der betriebseigenen Schweinegülle „gefüttert“. „Bis jetzt baue ich keinen Halm für die
Biogasanlage an“, defi niert Hollmann sein Vorgehen.
Alternative Energiegewinnung betreibt der landwirtschaftliche Unternehmer außerdem in Form mehrerer
Windkrafträder. Zusammen mit der Biogasanlage und
einer kleinen Photovoltaikanlage werden 3,2 MW in das
Stromnetz eingespeist. Mit Windkrafträdern kennt sich
Eberhard Hollmann bereits seit 1990 aus. „Damals baute
ich mit 80 KW eine der ersten Anlagen in der Region. Ich
wollte meinen Betrieb von der Stromversorgung unabhängig machen“, erinnert er sich.
Beratung – Teil des Gesamtkonzeptes
Zu seinem Erfolgskonzept zählt der Landwirt nicht nur
die betriebliche Vielfalt, sondern auch die Beratung. Und
diese ist ebenso vielseitig wie die Standbeine des Betriebes
– Industrieberatung, Verbandsberatung, und – besonders
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entscheidungssicherheit durch
Informationsfluss
wichtig – der
Austausch unter Berufskollegen. „Wir diskutieren positive als
auch negative Angelegenheiten, und jeder kann
für sich entscheiden, ob das in seinem Betrieb
umgesetzt werden kann oder nicht“, analysiert
Hollmann. Neben dem Erfahrungsaustausch
kommen auch regelmäßig Vertreter von Firmen
und Verbänden auf den Hof, um produktionstechnische Aspekte sowohl für den Acker- und
Pflanzenbau als auch für die anderen Betriebszweige zu erörtern. „So bleibt man immer auf
dem neusten Stand der Dinge.“, befürwortet
Eberhard Hollmann auch die privatwirtschaftliche Beratung.
Aber den höchsten Stellenwert nimmt die
betriebswirtschaftliche Beratung ein. Die Aus-
Acker+plus | 03.10
Acker+Betriebsportrait
Ein Praktiker blickt nach vorn
Er weiß aber auch, dass Stillstand
Rückstand bedeutet, denn ein
Blick auf die kommenden Jahre
lässt ihn laut nachdenken: „Ich
frage mich, was in näherer Zukunft
mit der Zuckerrübe in unserer
Region wird. Ich befürchte, dass
die Transportkosten in die 100 km
weit entfernte Fabrik den Erlös
bald übersteigen werden.“ Auf
dem Standort werden jedoch gute
Zuckerrübenerträge von 750 bis
800 dt realisiert, und – getreu
seiner Überzeugung, den Betrieb
an den Markt anzupassen –
zieht Hollmann bereits jetzt eine
Alternative ins Kalkül: Nämlich die
Perspektive, die Zuckerrübe in die
Biogas­anlage einzusetzen.
Zwischenfruchtanbau – ein fester
Bestandteil im Flächenmanagement von
Eberhard Hollmann (hier: Senf)
wertung des Gesamtbetriebes, der einzelnen
Betriebszweige sowie der Vergleich mit anderen
Betrieben sind für Hollmann unerlässlich: „Das
gibt mir Halt und Sicherheit für meine Entscheidungen.“
Bewertung der Vielfalt
„Negativ an unserer Vielfalt ist die zeitweilige Arbeitsbelastung. Im täglichen Arbeitsablauf kann es manchmal zu Überschneidungen
kommen. Wenn zum Beispiel in der Biogasanlage das Rührwerk ausfällt, im Schweinestall die
Fütterung nicht richtig funktioniert und gleichzeitig auf dem Feld ein optimaler Zeitpunkt für
die Aussaat besteht, ist ein erheblicher „Spagat“
erforderlich – aber das ist alles nur eine Frage der
Organisation. Wir halten zudem keinen „Win-
Acker+plus | 03.10
Quelle. Deutsche Saatveredelung AG (DSV)
„Die Landwirtschaft hat meiner
Meinung nach Zukunft. Die Dinge
müssen aber richtig und umfassend angepackt sein. Dabei muss
der Landwirt seine Zahlen kennen
und sich über Kostenstrukturen
und Stückkosten im Klaren sein“,
gibt sich der landwirtschaftliche
Unternehmer Eberhard Hollmann
zuversichtlich.
terschlaf“, in dieser Zeit läuft die Brennerei auf
Hochtouren und notwendige Reparaturen werden getätigt“, schränkt Hollmann ein.
Aber er Landwirt sieht die positiven Seiten,
die aus seiner Sicht maßgeblich sind: „Die unterschiedlichen Betriebszweige verteilen das
wirtschaftliche Risiko! Darüber hinaus greifen
sie ineinander und schaffen so beste Voraussetzungen, um zum Gesamterfolg beizutragen. Und
die Arbeiten sind sehr vielschichtig. Ich mag die
Abwechslung. Jeder Tag gestaltet sich anders –
ich werde immer wieder auf ein Neues gefordert.
Zusammen mit meiner Familie bewerkstellige
ich diese Aufgaben.“
Thekla Kerzel
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