REGION Südostschweiz | Mittwoch, 9. September 2015 3 Back to the roots Gesundheitstourismus ist keine Neuheit. Es braucht nur ein «Lifting». «Für Graubünden ist es noch nicht zu spät» Ein Kommentar von Fadrina Hofmann D Gesundheitstourismus heisst der Megatrend der kommenden Jahrzehnte. In Pontresina haben am Montag verschiedene Experten an der ersten Konferenz zum Thema Gesundheitstourismus in Graubünden teilgenommen. Das Fazit: Der Zug rollt und es ist höchste Zeit aufzuspringen. Zeit zu handeln: Peter Tschirky, CEO Grand Hotel Bad Ragaz, prognostiziert für die nächsten Jahre einen Boom im Gesundheitstourismus. von Fadrina Hofmann D ie Menschen werden immer älter. Das Thema Schönheit und Gesundheit wird immer wichtiger. Gesundheitstourismus hat ein enormes Potenzial im Alpenraum. Ganze Destinationen könnten sich als Gesundheitsregionen vermarkten. Der grosse Vorteil dabei: Es ist kein saisonales Geschäft. Ausserdem sind die Gäste nicht so preissensitiv, da Pensionäre bekanntlich meistens Geld haben und auch Krankenkassen und Versicherungen einen Beitrag zum Erholungsaufenthalt leisten müssten. «Eine wunderbare Synergie» Graubünden mit seiner intakten Natur, der modernen Infrastruktur und der hohen Qualität im Medizinalbereich würde sich für Gesundheitstourismus geradezu anbieten. Während in Deutschland die Chance aber schon lange erkannt wurde, steckt die Schweiz noch in Kinderschuhen. Peter Tschirky, CEO der Grand Hotel Bad Ragaz AG, ist diesbezüglich eine der wenigen Ausnahmen, denn Gesundheitstourismus ist sein Kerngeschäft. «Gesundheit und Tourismus bilden eine wunderbare Synergie», sagte er an der ersten Konferenz zum Thema Gesundheitstourismus in Graubünden. Organisiert wurde der Anlass auf privater Initiative. Der Saal im Rondo in Pontresina war am Montagnachmittag voll besetzt. 120 Fachbesucher und Referenten aus mehreren Kantonen sowie aus Deutschland waren ins Oberengadin gereist, um sich über die Möglichkeiten des Gesundheitstourismus zu informieren. Experten aus Medizin, Kli- nikvermarktung, Hotellerie und Touristik stellten Märkte und Behandlungsfelder vor und skizzierten Geschäftsmodelle und Anforderungen an die Leistungsträger. «Schönheit, Bewegung und Ernährung sind heute zentrale Eckpfeiler der Gesellschaft», sagte beispielsweise Tschirky. Er gehe davon aus, dass in 15 Jahren Gesundheitstourismus eine Mischung aus Ferien, Prävention, Erholung und Rehabilitation sein werde. «Wichtig ist die Mischung zwischen gesunden Gästen und Kranken», betonte er. Jeder Hotelier müsse sich schlussendlich fragen: Wie krank darf mein Hotel sein? Tschirky liess es sich nicht nehmen, bei dieser Gelegenheit einen Appell an die Politik zu machen. Es wäre «mehr als wünschenswert», wenn die Politik die Privatwirtschaft besser unterstützen würde, meinte er. Es sei nämlich höchste Zeit, auch bei uns die Weichen für einen Gesundheitstourismus zu stellen. Ein erhebliches Marktpotenzial Dass Graubünden Marktchancen in diesem Bereich hat, davon ist Franz Kronthaler von der HTW Chur überzeugt. Anhand der Ferienregion Davos/Klosters hat er während zwei Jahren an einer möglichen Strategie gearbeitet. Das Resultat: In Davos/Klosters würden sich vor allem Höhentrainings für Sportler und die Konzentration auf Allergiker/Asthmatiker anbieten. «Im Bereich Gesundheitstourismus besteht ein erhebliches Marktpotenzial», stellte Kronthaler fest. Gemäss seinen Prognosen kommt nun eine lange Periode, in der Gesundheitstourismus stark gefragt sein wird. «Es gibt nicht den Gesundheitsmarkt, sondern viele», betonte Kronthaler. 120 Teilnehmer waren an der von Christian Gart mann organisierten Konferenz «Gesundheit und Tourismus» in Pontresina dabei. Jon Domenic Parolini erkennt das Potenzial Auch Regierungsrat Jon Domenic Parolini nahm an der Gesundheitstourismus-Konferenz in Pontresina teil. Seiner Mei nung nach hat Gesundheitstou rismus ein Marktpotenzial. «Die regionalen Player müssen jetzt aktiv werden», meinte er auf An frage. Zuerst brauche es aller dings Ideen und Visionen. Vom Kanton her seien die Möglichkei ten einer finanziellen Unterstüt zung limitiert. Hand bieten könne die Regierung nur über die wirt schaftliche Förderung von Einzel projekten und zwar als Anstoss finanzierung oder mit einmaligen Beträgen. Laut Parolini ermöglicht Gesundheitstourismus eine interessante Nische für die Destinationen. » Interessier te Regionen müssen selber ent scheiden, ob sie diese besetzen möchten und wenn ja, in welchem Sektor», meinte er. Eine kantona le Strategie zu entwerfen, wertet er hingegen als «schwierig». (fh) Bild Rolf Canal Fachleute unterscheiden dabei zwischen primär präventiven sowie gesundheitserhaltenden Massnahmen und medizinisch bedingten Behandlungen. Von den medizinischen Fachgebieten werden unter anderem Onkologie, Orthopädie und Psychosomatik als Gebiete mit grossem Potenzial genannt. Dazu kommt eine breite Palette an Rehabilitationsprogrammen. Vom stetig wachsenden Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung könnten auch vorbeugende Angebote profitieren, wie medizinische Checkups, Trainingsprogramme oder Stressabbau-Programme. «Man muss auf den Zug aufspringen. Der Zug fährt», betonte der Professor. Der Gesundheitstourismus befinde sich erst in einer frühen Marktphase. «Für Graubünden ist es noch nicht zu spät», meinte Kronthaler. Wichtig ist die Spezialisierung Die Frage laute jetzt: Soll sich ganz Graubünden im Bereich Gesundheitstourismus positionieren oder die einzelnen Destinationen? Kronthaler schlägt den Weg über die Destinationen vor. «Wichtig ist das Alleinstellungsmerkmal», sagte der Referent. Die Destinationen müssten sich spezialisieren. Eine überregionale Strategie auf Kantonsebene wertet der Experte aber als gute Option. Erfolg winke nur, wenn die speziellen Kompetenzen der Regionen berücksichtigt werden, wenn alle beteiligten Akteure einbezogen werden, wenn eine Zielgruppendefinition bestehe, wenn die Qualität gewährleistet sei, und wenn die Produkte permanent optimiert werden. Gefragt sind nun konkrete Projekte für Hotels, Kliniken, Gemeinden oder ganze Talschaften – und eine passende Vermarktungsstrategie. as Thema Gesundheitstourismus ist eigentlich alles andere als neu. Die Mauritiusquelle in St. Moritz beispielsweise gilt als die älteste Fassung einer Heilquelle im Alpenraum. Sie wird auf das Jahr 1411 v. Chr. datiert. 1519 versprach Papst Leo X. jedem die völlige Absolution, der zur Quellenkirche des heiligen Mauritius nach St.Moritz pilgerte. Weltberühmt wurden die Heilquellen von St. Moritz dann im 16. Jahrhundert dank des Naturarztes Paracelsus. Adlige und mondäne Persönlichkeiten aus ganz Europa besuchten das «Heil bringende Wasser» im Oberengadin. Der Bädertourismus startete hier schliesslich 1815 und machte aus dem Engadin, was es immer noch ist: eine beliebte Tourismusregion. So viel zur Historie. Heute reichen Trinkkuren und lange Spaziergänge nicht mehr, um die Touristen anzuziehen. Das Thema Gesundheit und Schönheit ist aber so aktuell wie nie zuvor. Statistiken gehen davon aus, dass in der westlichen Welt ab 2050 mehr als die Hälfte der Bevölkerung im Pensionsalter sein wird. Ältere Menschen bevorzugen ruhigere Aktivitäten, pflegen Körper und Geist und investieren Zeit und vor allem Geld dafür. Kurzum: Sie sind die idealen Graubünden-Gäste. An dieser Stelle könnten die Touristiker ansetzen. Die Hotellerie und das Gesundheitswesen in Graubünden und in anderen Schweizer Berggebieten könnten vom Gesundheitstourismus nachhaltig profitieren. Der ausgezeichnete Ruf der Schweizer Medizin und Hotellerie gilt laut Experten als entscheidender Vorteil bei der Lancierung von neuen Angeboten im internationalen Gesundheitstourismus. Ein grosser Teil des Gesundheitstourismus ist dem klassischen Tourismus nah und könnte vielerorts als Ergänzung bestehender Angebote aufgebaut werden. Im Grunde genommen müssen jetzt nur innovative Ideen her, die sich auf die seit jeher genutzten Stärken Graubündens rückbesinnen: das Wasser, die reine Luft, die intakte Natur und vor allem die Ruhe. IMPRESSUM Unabhängige schweizerische Tageszeitung mit Regionalausgaben in den Kantonen Graubünden, Glarus, St. Gallen und Schwyz. Herausgeberin Somedia Publishing AG Verleger: Hanspeter Lebrument CEO: Andrea Masüger Redaktionsleitung Martina Fehr (Chefredaktorin), Pieder Caminada, René Mehrmann (Stv. Chefredaktoren), Reto Furter (Leiter Region Graubünden), Rolf Hösli (Redaktion Glarus), Patrick Nigg (Überregionales), Thomas Senn (Redaktion Gaster/See), René Weber (Sport) Kundenservice/Abo Somedia, Sommeraustrasse 32, 7007 Chur, Telefon 0844 226 226, E-Mail: [email protected] Inserate Somedia Promotion Verbreitete Auflage (Südostschweiz Gesamt): 81 302 Exemplare, davon verkaufte Auflage 78 482 Exemplare (WEMF-/SW-beglaubigt, 2014) Reichweite 159 000 Leser (MACH-Basic 2015-1) Erscheint siebenmal wöchentlich Adresse: Südostschweiz, Sommeraustrasse 32, 7007 Chur, Telefon 081 255 50 50 E-Mail: Regionalredaktion: graubü[email protected]; Redaktion Inland, Ausland: [email protected]; Redaktion Sport: [email protected]; leserreporter@ suedostschweiz.ch; [email protected] Ein ausführliches Impressum erscheint in der Dienstagsausgabe © Somedia
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