38 München Telefon (089) 53 06-420 [email protected] Telefax: (089) 53 06-86 56 Münchner Merkur Nr. 207 | Mittwoch, 9. September 2015 HANDWERK ................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. Wenn Männer Schuhe lieben Temel Cicek hat sich mit seiner kleinen Manufaktur in Trudering auf Maßanfertigungen spezialisiert Eigentlich schaut der Betrieb an der Wasserburger Landstraße 254 wie ein normaler, kleiner Schuhladen mit Werkstatt und Schlüsseldienst aus. Wie viele. Wären da nicht diese zahlreichen Holzfüße. Es sind die Leisten von Kunden. Dreidimensionale abstrakte Holzkopien von Füßen. Denn Temel Cicek produziert zusammen mit seinem Sohn Yilmaz in Trudering Schuhe der edelsten Sorte – er macht Maßanfertigungen. Nach der Schule hatte Vater Temel, der in Heidelberg aufgewachsen ist, eine Ausbildung zum Elektroinstallateur gemacht. „Aber ich war unglücklich mit diesem Beruf.“ Viel lieber hätte er ein anderes Handwerk gelernt: Schuster. „Ich bin seit meiner Kindheit von Schuhen begeistert, habe als Kind auch immer Schuhe geputzt und mir die Nase an den Schaufenstern der Schuhgeschäfte plattgedrückt.“ Also schulte er um. Mit Erfolg. Cicek ist mittlerweile seit fast 30 Jahren Schuhmacher mit Leidenschaft. Die Herstellung eines maßgefertigten Schuhs ist aufwändig. Rund 300 Arbeitsschritte sind nötig, sagt Cicek senior. Zuvor wird mit dem Kunden das Modell besprochen. Was soll es werden? Cicek hat einiges im Angebot. Ein Budapester mit typischem Lochmuster? Oder lieber ein Derby mit höherer Schnürung? Ein sportlich-eleganter Oxford oder ein moderner Monk mit Schnallen? Zur Auswahl stehen außerdem noch der Norweger, der frühere Arbeitsschuh der Fischer, der Österreicher und der Loafer, der Haferlschuh ohne Schnürung. Dazu die vielen Details: mit Seitennähten, Schnallen, Troddeln, Verzierungen, farbigem Futter, Namensstickerei? Oder liebe ohne? Mit welcher Sohle und in welcher Lederfarbe? Die Qual der Wahlen kann bei Cicek groß sein. „Einen handgefertigten Maßschuh kauft man halt nicht einfach so.“ Dann werden die Holzleisten gefertigt. Ein 3D-Laser nimmt sieben Maße von jedem Fuß. „Ein Fuß ist wie ein genetischer Fingerabdruck, es gibt ihn nicht zweimal“, erklärt Cicek. Schon links und rechts stimmen bei keinem Menschen zu 100 Prozent überein. Die Schuhgröße sage nichts über die Passform aus. Zur Si- Budapester und Haferlschuh: Temel Cicek in seiner kleinen Schuhmanufaktur an der Wasserburger Landstraße 254. Die Sohlenform wird aufgezeichnet: Dafür nutzt Cicek eine individuell gefräste Fuß-Kopie – den sogenannten Leisten. cherheit misst der Schuhmachermeister mit der Hand immer nochmal nach. Denn der Leisten ist enorm wichtig, er ist quasi das Fundament der Schuhherstellung. Nur auf einem perfekten Leisten kann ein ausgezeichnet passender Schuh entstehen. Per Lasertechnik wird aus einem Buchenklotz eine FußKopie. Etwa 200 Euro kostet so ein Leistenpaar, das starken Druck, Hammerschläge und Nägel aushalten muss. Danach beginnt der Aufbau des Schuhs – mit Brandsohle, Korkeinlage, Rahmen und mehr. Es wird genagelt, gestochen und genäht. Etwa 220 Stiche pro Schuh. Klassische Handwerkskunst. „Im Vergleich zu nur geklebten und holzgenagelten Schuhen ist ein komplett rahmengenähter Schuh sehr viel haltbarer“, sagt Cicek. Hinzu kommt besserer Tragekomfort. „Der Fuß wird Maßschuhe als Geschäftsmodell: Yilmaz Cicek möchte den Laden seines Vater weiterführen. FOTOS: OLIVER BODMER in einem wirklich guten Schuh nicht müde, weil die Sohlen sich bewegen.“ Mindestens einmal muss der Kunde zwischendrin zur Anprobe kommen. Insgesamt dauert es gut acht Wochen, bis ein Paar fertig ist. „Manche Männer freuen sich wie kleine Kinder auf ihr neues Schuhwerk“, weiß der Handwerksmeister. Cicek wird emotional, wenn er vom Schuhmachen erzählt. Er hat sich intensiv mit seinem Beruf beschäftigt, hat die Geschichte der verschiedenen Modelle studiert, mit Orthopäden wie Neurologen über Füße und das Gehen gesprochen. Man könnte den Türken mit dem badischen Dialekt ohne weiteres auch „Professor Schuh“ nennen. Es sei so schade, dass der klassische Schuhmacher fast ausgestorben sei, sagt Temel Cicek. In Deutschland gibt es nur eine Handvoll, die noch echte Maßschuhe machen. Durch die modernen Produktionsmethoden und die Massenfertigung „sind wir Schlappenflicker geworden“, so Cicek. Um zu überleben, bieten viele Schuhmacher zusätzlich Schlüsseldienst, Messerschleifen und den Batteriewechsel bei Uhren an. Cicek träumt davon, dass sein Sohn Yilmaz, der gerade die Gesellenprüfung macht, vielleicht eines Tages wieder von der reinen Schuhfertigung leben kann. Deshalb tüftelt der Schuhmacher daran, wie das teure Schuhwerk ohne Qualitätsabstriche erschwinglich werden kann. Maßschuhe zum Konfektionspreis sozusagen. Denn derzeit ist ein solches Unikat nicht billig. 1300 Euro kostet ein handgestochener Schuh. Günstiger, weil gut 50 Arbeitsschritte weniger, ist der rahmengenähte, so genannte „Goodyear welted“. Er kostet etwa 580 Euro. Edle Treter sind durchaus wieder im Kommen. Fast täglich haben die Ciceks Anfragen. Rechtsanwälte, Ärzte, Banker, Manager – sie alle schätzen den guten Auftritt. „Da unten kann keiner lügen“, weiß Cicek. In der feinen Gesellschaft erkenne man sich gegenseitig am exklusiven Schuhwerk. Ein Statussymbol. Wer dazu gehören will, lässt anfertigen. Vier bis fünf Paar brauche ein Mann in seinem Schrank, sagt der Schuhmacher. „Zwei Schwarze, je einen Hell- und einen Dunkelbraunen, dazu einen Norweger für den Winter.“ Das reicht. Handgefertigte Schuhe halten ein halbes Leben lang. Wenn man gewisse Regeln beachtet. „Nach einem Tag tragen, einen Tag ruhen lassen, zum Beispiel“, empfiehlt Cicek. „Schuhspanner benutzen, regelmäßiges Putzen und fachgerechtes Trocknen bei Nässe gehören auch dazu.“ Und alle halbe Jahre richtig waschen. „Wie der Mensch seine Haut pflegt, muss man auch seine Schuhe pflegen.“ Zur Reparatur geht’s in eine Fachwerkstatt wie die Truderinger Manufaktur. Kenner lassen sich die Reparatur vorab erklären, schauen sich die Maschinen an. „Ein handgenähter Schuh ist auch ein Liebhaberstück“, sagt Cicek. „Wenn’s um ihre Handgenähten geht, haben Männer genauso ein intensives Verhältnis zu Schuhen wie Frauen.“ CARMEN ICK-DIETL München kann auch Kunst Das Kompetenzteam für Kultur- und Kreativwirtschaft der Stadt nimmt an der Dachauer Straße seine Arbeit auf Das Image der kreativsten Stadt Deutschlands hat unbestritten Berlin: Aufstrebende Modemacher, Computerspielentwickler, junge Designer – hippe Ideen wie diese würden die meisten wohl in der Hauptstadt verorten. Was kaum jemand weiß: Auch München zählt deutschlandweit zu den wichtigsten Standorten der Kunst- und Kreativwirtschaft. Dieses künstlerische Potenzial der Region soll nun einerseits bekannter gemacht und andererseits ausgebaut werden – mit dem Kompetenzteam für Kultur- und Kreativwirtschaft, das die Stadt in den kommenden fünf Jahren mit 3,3 Millionen Euro finanziert. Ziel der neuen Struktur: Künstler und Kreative umfassend zu allen Belangen rund um Gründung, Finanzierung und den Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz zu beraten. Bereits vor einem Jahr hatte die Stadt das Kompetenzteam ins Leben gerufen und den langjährigen Bundesbeauftragten für Kultur- und Kreativwirtschaft in Bayern, Jür- gen Enninger, als dessen Leiter gewinnen können. Nun sind auch die restlichen fünfeinhalb Stellen besetzt, damit ist das Team komplett. Das Besondere daran: Die einzelnen Mitarbeiter sind zwar beim Kultur-, Kommunaloder Wirtschaftsreferat angestellt, sie arbeiten aber gemeinsam im Kreativquartier an der Dachauer Straße. Künstler und Kreative sollen so kompetent und aus einer Hand betreut werden. Die Federführung über die neue Struktur liegt beim Referat für Arbeit und Wirtschaft, und damit beim Zweiten Bürgermeister Josef Schmid. Der lobte am Dienstag bei der Pressekonferenz im Kreativquartier das Projekt als „bundesweit einmalige Einrichtung“, deren „Strahlkraft weit über München hinaus“ reiche. Der Wirtschaftszweig, um den sich das Kompetenzteam kümmert, umfasst weit mehr als nur bildende und darstellende Kunst: Architektur, Design, Film, Musik, Rundfunk, der Buch- und Pressemarkt, die Werbe-, die Software- und Gamesindustrie – all das ge- Hand in Hand: Frank Sollmann, Jürgen Enninger, Julia Seidel, Lisa Maier und Peter Kowarik Strömer (v. l.) vom Kompetenzteam, in der Mitte Bürgermeister Josef Schmid FOTO: KURZENDÖRFER hört zur Kunst- und Kulturwirtschaft, an der in Oberbayern inzwischen jeder dritte Arbeitsplatz hängt. Allein in der Landeshauptstadt haben 16 000 Kreativ-Unternehmen mit 75 000 Beschäftigten ihren Sitz, zusammen erwirtschaften sie einen Umsatz von rund elf Milliarden Euro. Die Hauptaufgaben des Kompetenzteams liegen in drei Bereichen: Zum einen sollen Künstler und Kreative hier wirtschaftlich beraten werden – etwa darüber, wie sie einen Businessplan aufstellen, Kunden akquirieren und angemessene Preise für ihre Produkte festsetzen können und um welche Fördertöpfe sie sich bewerben können. Zum anderen will das Kompetenzteam dabei helfen, die einzelnen Teilbranchen besser untereinander zu vernetzen. Bei sogenannten Branchen-Meet Ups will das Team Zulieferer, Produzenten und Kunden zusammenbringen, um so den Austausch in den oft kleinteiligen Branchen zu verbessern. Drittens will das Kompetenzteam Künstlern und Kreativen helfen, trotz der angespannten Lage auf dem Münchner Mietmarkt an bezahlbare Ateliers und Büros zu kommen. Dafür will die neue Anlaufstelle sich unter anderem auf die Suche nach geeigneten Räumen machen und Kreative und Künstler zusammenbringen, damit sie sich die oft großen Räume teilen können. Besonders wichtig ist Bürgermeister Josef Schmid und Leiter Jürgen Enninger eines: Das Angebot des Kompetenzteams soll leicht zugänglich sein und allen Künstlern und Kreativen offenstehen. Die neue Anlaufstelle fügt sich damit perfekt in das Konzept des Kreativquartiers zwischen der Dachauer- und der SchwereReiter-Straße ein – schließlich soll dort in den nächsten Jahren ein Zentrum der Kunstund Kulturszene in München entstehen. KATHARINA MUTZ AKTUELLES IN KÜRZE Dieb nach sieben Monaten identifiziert Anhand von DNA-Spuren ist ein Dieb identifiziert worden, der im Februar das Auto einer Frau aufgebrochen hatte. Zu seiner Beute zählte ein Navigationssystem, ein Laptop und mehrere private Briefe und Rechnungen. Letztere warf er in ein Gebüsch, wo sie eine Fußgängerin fand. Die Laimer Polizisten stellten fest, dass der Mann die Scheibe des Autos eingeschlagen hatte, um an die Geräte zu gelangen. An den Briefen befanden sich deshalb Blutspuren. Anhand der DNA konnte das Landeskriminalamt einen 29-jährigen Albaner ermitteln, der momentan in einem Hamburger Gefängnis sitzt. pnb Herbstbasar bis 18 Uhr Der Herbstbasar der Direkt-Hilfe findet am 11. und 12. September jeweils von 10 bis 18 Uhr statt und nicht, wie am Montag irrtümlich angekündigt, von 10 bis 13 Uhr. An beiden Tagen gibt es im LodenfreyPark (Osterwaldstraße 10) Dirndl, Trachten- und Abendkleidung, Schuhe, Taschen, Schmuck und Ac- Das kleine Rätsel: Wie viele Menschen besuchen den Englischen Garten im Jahr? I. Im Schnitt 5 Millionen II. Im Schnitt 6 Millionen III. Im Schnitt 4 Millionen cessoires und vieles mehr zu Schnäppchenpreisen. Der Erlös kommt Menschen zugute, die an der Stoffwechselerkrankung Multiple Sklerose (MS) leiden. Anfahrt: Bus 59 (Osterwaldstraße), U6 (Dietlindenstraße), U 3/6 (Münchner Freiheit). Infos: www.direkthilfe-ms.de. sc Riem: Führung zu KZ-Außenlager Als in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges der Flughafen Riem bei Luftangriffen der Alliierten mehrmals schwer beschädigt wurde, richteten die Nazis in Riem ein KZAußenlager ein, um Häftlinge für die Aufräumarbeiten vor Ort einzusetzen. Wer mehr über die Riemer Internierungslager erfahren will, für den bietet das Archiv der Münchner Arbeiterbewegung am Donnerstag, 10. September, eine Führung an. Los geht es vor der Inspektion der berittenen Polizei um 16 Uhr in der Schichtlstraße 46. Hier war damals das ehemalige KZ-Außenlager beheimatet. Die Führung dauert rund zwei Stunden. Um Anmeldungen unter Telefon 089/834 46 83 wird gebeten. ans Volkstanzvorführung in Obermenzing Der Verein für Volksmusik und Volkstanz D’Blutenburgler lädt am kommenden Samstag, 12. September, zu einer Volkstanzvorführung in den Zehentstadel im Zehentstadelweg auf Höhe von Schloss Blutenburg ein. Der Eintritt beträgt 8 Euro. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr. ans Auflösung: Richtig ist Antwort I.: Im Schnitt besuchen 5 Millionen Menschen den Englischen Garten im Jahr.
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