Die Instandsetzung von Fenstern: Wem gehören sie, wer setzt

19. Pantaenius-Immobilientagung
Die Instandsetzung von Fenstern:
Wem gehören sie, wer setzt instand, wer zahlt?
Prof. Dr. Florian Jacoby
Hamburg, 19. November 2015
Agenda
I.
Grundlagen
II.
Was gehört wem?
III. Wer setzt instand?
IV. Wer zahlt?
Instandsetzung von Fenstern
Hamburg, 19. November 2015
Folie 2
1. Regelungsprobleme
§ 21 Abs. 1 WEG:
Soweit nicht in diesem Gesetz oder durch Vereinbarung der
Wohnungseigentümer etwas anderes bestimmt ist, steht die
Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums den
Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu.
§ 16 Abs. 2 WEG:
Jeder Wohnungseigentümer ist den anderen
Wohnungseigentümern gegenüber verpflichtet, die Lasten des
gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der
Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines
gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen
Eigentums nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz
2) zu tragen.
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2. Gesetzliche Weichenstellung
• Wenn ein Gebäudeteil im gemeinschaftlichen
Eigentum steht, dann haben grundsätzlich die
Wohnungseigentümer
- in der Eigentümerversammlung über die Instandhaltung und
Instandsetzung zu entscheiden (Verwaltung) und
- die Kosten der Maßnahme nach Miteigentumsanteilen zu
tragen (Kostentragung).
• Wenn eine Sache im Sondereigentum steht, dann
- hat der Sondereigentümer zu entscheiden und die Kosten
(aus seiner eigenen Beauftragung) selbst zu zahlen,
- Beschlüsse der Wohnungseigentümer sind mangels
Beschlusskompetenz nichtig.
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3. Gerechtigkeitsgefühl: Individuelle
Nutzung von Gemeinschaftseigentum
• Spezifische Gebrauchsmöglichkeit am
Gemeinschaftseigentum
- aufgrund von
Sondereigentum oder
Sondernutzungsrecht
- für
einzelnen Eigentümer (individuell) oder
mehrere Eigentümer
(Nutzergruppe, insbesondere Mehrhausanlage)
• Bewertung/Reaktion
- „Das gleicht sich schon aus.“
- „Jeder soll für das aufkommen, was er nutzt.“
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4. Steuerungsmöglichkeiten
•
•
•
§ 10 Abs. 2 WEG:
Das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander bestimmt sich nach
den Vorschriften dieses Gesetzes (...). Die Wohnungseigentümer können
von den Vorschriften dieses Gesetzes abweichende Vereinbarungen treffen,
soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist.
§ 10 Abs. 3 WEG:
Vereinbarungen, durch die die Wohnungseigentümer ihr Verhältnis
untereinander in Ergänzung oder Abweichung von Vorschriften dieses
Gesetzes regeln, sowie die Abänderung oder Aufhebung solcher
Vereinbarungen wirken gegen den Sondernachfolger eines
Wohnungseigentümers nur, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im
Grundbuch eingetragen sind.
§ 10 Abs. 4 WEG:
Beschlüsse der Wohnungseigentümer gemäß § 23 (...) bedürfen zu ihrer
Wirksamkeit gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nicht
der Eintragung in das Grundbuch.
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II. Was gehört wem
• Bestandteile der zum Sondereigentum zählenden Räume sind
grds. Sondereigentum (§ 5 Abs. 1 WEG)
• Ausnahmsweise sind die Bestandteile Gemeinschaftseigentum,
wenn
- Veränderung wäre Beeinträchtigung iSv § 14 (§ 5 Abs. 1 WEG),
- Äußere Gestaltung des Gebäudes bestimmt (§ 5 Abs. 1 WEG),
- Für Bestand oder Sicherheit erforderlich ist (§ 5 Abs. 2 WEG),
- Dient zum gemeinschaftlichen Gebrauch (§ 5 Abs. 2 WEG),
- Zu Gemeinschaftseigentum erklärt (§ 5 Abs. 3 WEG)
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Fenster sind Gemeinschaftseigentum
BGH v. 22.11.2013 - V ZR 46/13:
Kellerausgangstür, Nebenausgangstür und Fenster
stehen zwingend im Gemeinschaftseigentum.
Denn: Fenster
• sind Gebäudebestandteile,
• und
bestimmen das äußere Erscheinungsbild,
sind regelmäßig für Bestand und Sicherheit
erforderlich.
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Keine Sondereigentumszuweisung in TE
Beispiel aus einer Teilungserklärung:
„Fenster gehören zum Sondereigentum.“ Welche Wirkungen äußert diese
Regelung?
• BGH v. 26.10.2012 – V ZR 57/12: Durch die Teilungserklärung kann
Sondereigentum an wesentlichen Bestandteilen des Gebäudes nicht begründet
werden; § 5 Abs. 3 WEG lässt nur ungekehrt die Zuweisung von Bestandteilen
zum Gemeinschaftseigentum zu. Die gesetzliche Zuweisung von Bestandteilen
zum Gemeinschaftseigentum durch § 5 WEG ist indes zwingend und kann nicht
durch Vereinbarung verändert werden.
• OLG Karlsruhe v. 7.7.2010 - 11 WX 115/08: Ist die Zuweisung von Bauteilen
zum Sondereigentum dinglich unwirksam, kann die gem. § 140 BGB gebotene
Umdeutung für Bauteile im räumlichen Bereich des Sondereigentums (hier:
Fenster- und Türelemente) ergeben, dass für sie die Instandhaltungs- und
Instandsetzungspflicht auf eigene Kosten bei den jeweiligen
Wohnungseigentümern liegen soll.
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III. Wer setzt instand?
• Nach Gesetz ist Instandsetzung des gemeinschaftlichen
Eigentums eine Maßnahme ordnungsmäßiger
Verwaltung durch die Eigentümer.
• Vereinbarung der Eigentümer kann
Instandsetzungsverantwortlichkeit verlagern.
• Beschlussweise Verlagerung („Jeder Eigentümer setzt
sein Fenster selbst instand“) ist mangels
Beschlusskompetenz nichtig.
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Drohende Haftung der Eigentümer
BGH v. 17.10.2014 – V ZR 9/14:
1. Entspricht nur die sofortige Vornahme einer zur Instandsetzung
des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen
Sanierungsmaßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung, ist für die
Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten oder des Alters
einzelner Wohnungseigentümer kein Raum.
2. Erleidet ein einzelner Wohnungseigentümer einen Schaden an
seinem Sondereigentum, weil eine Beschlussfassung über die
sofortige Vornahme derartiger Instandsetzungsmaßnahmen
unterblieben ist, so trifft die Verpflichtung zum Schadensersatz
nicht den rechtsfähigen Verband, sondern diejenigen
Wohnungseigentümer, die schuldhaft entweder untätig geblieben
sind oder nicht für die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw.
sich enthalten haben.
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Folie 11
BGH lässt Vereinbarung zu!
• BGH v. 22.11.2013 – V ZR 46/13: Die genannten
Bestimmungen verpflichten den einzelnen
Wohnungseigentümer zur Instandhaltung und
Instandsetzung von im Gemeinschaftseigentum
stehenden Türen und Fenstern, die sich im Bereich
seines Sondereigentums befinden;
• BGH v. 2.3.2012 – V ZR 174/11: Damit wird nicht nur
die Kostenlast geregelt (zu einer derartigen Regelung
vgl. Senat, Urteil vom 10. Juni 2011 - V ZR 2/10),
sondern auch die Verwaltungsbefugnis im Hinblick auf
diesen Teil des Gemeinschaftseigentums.
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Folie 12
Auslegungsprobleme
• Nach der Teilungserklärung umfasst die
Instandsetzungspflicht insbesondere die Türen und
Fenster einschließlich Rahmen und Verglasung,
ausgenommen den Farbanstrich der Außenseite der
Wohnungsabschlusstüren und Fenster.
• In wessen Verantwortlichkeit fällt der Austausch der
Fenster?
• BGH v. 22.11.2013 - V ZR 46/13: Da schon der
Anstrich nicht von der Instandsetzungspflicht erfasst
wird, muss das erst recht für den Austausch gelten;
also ist die Gemeinschaft verpflichtet.
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Folie 13
IV. Wer zahlt?
• Gesetzliche Kostenverteilung: MEA aufgrund von § 16
Abs. 2 WEG
• Abweichende Vereinbarung der Eigentümer
• Beschlussfassung auf Grundlage von § 16 Abs. 4 WEG
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Vereinbarung
•
•
Beispiel: In der Teilungserklärung heißt es u. a.:
„Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach
der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks
oder gemäß dieser Teilungserklärung zum
ausschließlichen Gebrauch durch einen
Wohnungseigentümer bestimmt sind (z.B. Fenster),
werden auf dessen Kosten instand gesetzt und instand
gehalten.“
Folge: Über die Maßnahme hat die
Eigentümerversammlung zu beschließen, die Kosten
sind abweichend von § 16 Abs. 2 WEG den
betroffenen Eigentümern aufzuerlegen.
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Folie 15
Kostenregelung durch Beschluss
§ 16 Abs. 4 WEG:
1Die Wohnungseigentümer können im Einzelfall zur
Instandhaltung oder Instandsetzung im Sinne des § 21
Abs. 5 Nr. 2 oder zu baulichen Veränderungen oder
Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 und 2 durch
Beschluss die Kostenverteilung abweichend von
Absatz 2 regeln (...).
2Der Beschluss zur Regelung der Kostenverteilung nach
Satz 1 bedarf einer Mehrheit von
- drei Viertel aller stimmberechtigten
Wohnungseigentümer im Sinne des § 25 Abs. 2 und
- mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile.
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Folie 16
Beispiel Neuanlage
• Lassen sich in einer neuen WEG-Anlage über § 16
Abs. 4 WEG anfechtungsfest die Kosten für die
Sanierung von bestimmten Fenstern, den
nutzenden/betroffenen Eigentümer auferlegen?
• BGH v. 18.6.2010 - V ZR 164/09: grds. nicht
ordnungsmäßig, also anfechtbar, da
- entweder jetzt (allein) zahlender Eigentümer bei künftiger
Sanierung weiterer Fenster nach Gesetz (§ 16 II WEG)
fremde Fenster mitbezahlen muss, was ungerecht wäre,
- oder aus Gedanke der Gleichbehandlung eine Bindung folgt,
dass künftig immer Fenster selbst zu bezahlen sind, was aber
dagegen verstieße, dass 16 Abs. 4 – Beschluss nur
Wirkungen für Einzelfall äußern darf.
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Folie 17
Abwandlung:
Altanlage mit gefestigter Übung
• In der Vergangenheit wurden in einer Anlage stets
Fenster von den „betroffenen“ Eigentümern bezahlt,
obwohl die Gemeinschaftsordnung keine entsprechende
(wirksame) Regelung enthält.
• Die Fenster eines Eigentümers sind sanierungsbedürftig
und er verlangt Austausch.
• Lassen sich die Kosten der Maßnahme über § 16
Abs. 4 WEG mit der erforderlichen Mehrheit dem
betroffenen Eigentümer auferlegen?
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Folie 18
Lösung: Abwandlung
• Eine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es noch
nicht, in BGH v. 18.6.2010 - V ZR 164/09 gab es keine
„gefestigte Übung“ in der Anlage.
• Meines Erachtens ist der Beschluss ordnungsmäßig
und daher nicht anfechtbar,
- weil der Verteilungsmaßstab der jetzt zu
beschließenden Maßnahme die bisherige Praxis
fortsetzt.
- Ordnungsmäßigkeit ergibt sich aus
Vergangenheit, ohne dass – im Unterschied zu
BGH v. 18.6.2010 - V ZR 164/09 – Bindung für die
Zukunft (!) damit einhergeht.
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Folie 19
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Prof. Dr. Florian Jacoby
Direktor der
Forschungsstelle für Immobilienrecht,
Universität Bielefeld
Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld
[email protected]
www.jura.uni-bielefeld.de/fir/
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