Alle Menschen gehören zusammen

12 | B E R L I N E R G E S P R Ä C H E
LEBENSHILFE-ZEITUNG
2/2015
In unserer LHZ-Serie „Berliner Gespräche“ führen ReporterTandems, ein Mensch mit, einer ohne Behinderung, gemeinsame
Interviews. Die Interview-Partner kommen aus der Politik, der
Wirtschaft, aus der Kultur oder dem Sport. Für diese Kooperation
hat die LHZ Schauspieler aus dem integrativen Theater Thikwa in
Berlin gewonnen. Dazu gehören Peter Pankow (von links), Nico Altmann, Katharina Maasberg, Torsten Holzapfel, Anne-Sophie Mosch,
Robert Janning und Martina Nitz. Wir bereiten die Gespräche
immer in der Gruppe vor. Zunächst holen wir Informationen aus
dem Internet, dann überlegen wir uns die Fragen.
„Alle Menschen gehören zusammen“
Wir haben mit Markus
Grübel gesprochen. Er
ist Politiker. Er arbeitet im
Verteidigungsministerium.
Und interessiert sich für
soziale Themen: Auch
weil er eine Schwester
mit Behinderung hat.
Herr Grübel, Sie haben Ihren Wehrdienst bei der Luftwaffe gemacht
und sind Offizier der Marine. Haben
Sie persönlich Erfahrung mit Kriegswaffen und Auslandseinsätzen?
Ja, jeder Soldat macht Erfahrungen mit Kriegswaffen. Dafür wird er
ausgebildet. Zum Beispiel am Gewehr, dem Maschinengewehr und
der Panzerfaust. Ich habe außerdem
viele Waffen, die auf einem Kriegsschiff sind, kennengelernt. Ich war
2008 auch auf einem Auslandseinsatz im Libanon. Dort haben wir mit
Kriegsschiffen die Küste bei Israel
und dem Libanon bewacht.
Jetzt arbeiten Sie im Verteidigungsministerium. Wie ist Ursula von der
Leyen denn so als Chefin?
Sie ist eine sehr interessante Chefin. Ich habe selten einen Menschen
erlebt, der zwei so unterschiedliche
Seiten in sich vereint. Einerseits ist
da ein einfühlsames, mütterliches
Element, andererseits kann sie auch
die strenge Vorgesetzte sein.
Gerade gibt es viele Probleme mit
dem Gewehr G 36. Es funktioniert
nicht richtig. Sind deshalb schon
Menschen verletzt worden?
Bisher ist kein Fall bekannt. Trotzdem fällt mir eine abschließende Antwort schwer. Es wird eine Kommission geben, die das untersuchen wird.
Dann wird sich zeigen, ob es doch
Berichte gab.
Die vielen Konflikte in der Welt machen uns Angst. Muss Deutschland
sich mehr engagieren? Kann es zu
einem dritten Weltkrieg kommen?
Deutschland ist ein großes Land,
dem es wirtschaftlich gut geht und
das mitten in Europa liegt. Deshalb
muss Deutschland sich engagieren
und mehr Verantwortung übernehmen. Aber das heißt nicht unbedingt,
dass das militärisch sein muss. Es gibt
ganz verschiedene Möglichkeiten: Das
können politische Verhandlungen und
Diplomatie sein, mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe. Und natürlich müssen wir
auch mit der Bundeswehr tätig werden, wenn es nötig ist.
Bevor Sie im Verteidigungsministerium gearbeitet haben, gehörten sie
dem Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend an. Erleben Sie
bei sich eine Spannung zwischen
dem sozialen und militärischen Bereichen?
Die Bundeswehr besteht aus Menschen. Das heißt: Es geht immer auch
Markus Grübel ist Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Neben der Bundeswehr sind dem Esslinger CDU-Politiker aber auch soziale Themen
nah: Seine Schwester hat das Down-Syndrom. Robert Janning (links) sprach mit Markus Grübel über Inklusion, kaputte Waffen und Gartenarbeit.
Foto: Nina Krüger
um Menschen. Das macht also keinen Unterschied für mich. Und auch
bei der Bundeswehr stellen wir uns
die Frage, wie Dienst und Familie
besser zu vereinbaren sind oder wie
eine gute Kinderbetreuung aussieht.
Und natürlich gibt es verletzte, behinderte oder verwundete Soldaten –
und hier geht es genauso wie bei anderen Menschen mit Behinderung
um Inklusion und Barrierefreiheit.
derschule und jetzt ist sie in der
Werkstatt. Deshalb kenne ich auch
viele andere Menschen mit Behinderung. Eine Gruppe aus ihrer Werkstatt habe ich auch schon zu mir in
den Bundestag eingeladen. Außerdem hat meine Frau Multiple Sklerose und kann nicht mehr gut laufen.
Ich habe also auch einen engen Bezug zum Thema Körperbehinderung
in der Familie.
Wäre das Geld für die Bundeswehr
nicht doch besser im sozialen Bereich
angelegt – angesichts von Armut,
Flüchtlingen und Obdachlosen?
Wenn es nur Deutschland gäbe und
wir eine Insel wären: ja. Aber das ist
nicht so. Denken wir nur mal an die
Menschen im Irak. Die würden sagen:
Das Wichtigste für uns sind Frieden,
Freiheit und Sicherheit. Ich denke,
das ist die Grundlage für alles. Deshalb finde ich, das Geld in der Bundeswehr ist gut angelegt.
Welche Ideen haben Sie, um Inklusion
in der Gesellschaft weiter voranzubringen?
Die wichtigste Voraussetzung für
Inklusion ist ein Umdenken im Kopf.
Das Bewusstsein der Menschen muss
sich ändern. Ich versuche, durch mein
Vorbild zu zeigen, dass es normal ist,
dass alle zusammen sind. Wer das
anders sieht, muss mir das erst mal
begründen. Alle Menschen gehören
zusammen. Das lebe ich!
Sie sind sozial sehr engagiert. Zum
Beispiel im Bereich Hospiz und bei
Sozialverbänden. Haben Sie auch
persönliche Erfahrungen mit Betroffenen gemacht? Zum Beispiel
mit Menschen mit Behinderung?
Ja, ich habe eine kleine Schwester,
die das Down-Syndrom hat. Ich bin
als Kind damit ganz selbstverständlich aufgewachsen. Sie war in einem
speziellen Kindergarten, auf der För-
Islamisten und auch Gruppen wie
Pegida machen uns Angst. Sie stehen
für Ausgrenzung. Wie gehen Sie persönlich und politisch damit um?
Das ist eine schwierige Frage. Ich
will Islamisten und Pegida jetzt auch
nicht in einen Topf werfen. Um radikale Islamisten zu bekämpfen, unterstützen wir die Kurden im Irak.
Zum Thema Pegida. Da sage ich:
Mit denen arbeite ich politisch nicht
zusammen. Aber ich versuche, diesen
Menschen klar zu machen, dass es
keine einfachen Antworten gibt. Die
Welt ist vielschichtig.
Sie sind in vielen Vereinen, Verbänden und Stiftungen aktiv. Haben Sie
da noch Freizeit?
Ganz, ganz wenig. Ich habe ein
Rennrad. Das habe ich zehn Jahre lang
keinen Meter gefahren. Ich habe ein
Wildwasserkajak – das hat mein Vater
verschenkt, weil es in seiner Garage
stand und ich es nicht nutze. Auch meine Skier werden wenig bewegt. Aber:
Ich habe einen sehr spannenden Beruf.
Ich komme sehr viel rum: Ich war gerade im Irak, ich war in der Türkei. Ich
habe Freude an meinem Beruf.
Interessieren Sie sich auch für Kultur
und fürs Theater? Kochen Sie selbst?
Ja, ich interessiere mich dafür, aber
es bleibt wenig Zeit. Wenn ich mal
Karten fürs Theater habe, kommt fast
immer was dazwischen und meine
Frau muss dann doch alleine gehen.
Ich koche auch gern, aber eher selten. Das liegt auch daran, dass meine
Frau noch lieber kocht. Deshalb haben wir da eine Arbeitsteilung: Da sie
das aufgrund ihrer Krankheit nicht
mehr so gut kann, schneide ich alles
klein und wasche hinterher ab. Sie
übernimmt das Kochen.
Wenn Sie doch mal Freizeit haben:
Wie erholen Sie sich?
Ich erhole mich bei der Gartenarbeit. Das hätte ich früher auch nicht
gedacht. Aber am besten kann ich
mich im Garten entspannen, zum Beispiel beim Rasenmähen. Und zwar in
Esslingen – in Berlin bin ich zum Arbeiten, in Esslingen zum Leben.
Berlin ist viel größer und gefährlicher
als Ihre Heimatstadt. Fühlen Sie sich
in Berlin wohl oder wären Sie lieber
in Schwaben – oder anderswo?
Ich fühle mich in Berlin wohl.
Nachts, wenn es gefährlich sein könnte,
schlafe ich. Ich bin auch meist in
Mitte unterwegs, da sind viele Touristen und man ist selten allein. Ich
wohne am Hackeschen Markt, da ist
immer viel Leben. Ich habe mich hier
noch nie gefürchtet.
Auf ihrer Homepage schreiben Sie,
dass Sie sich für Blasmusik begeistern.
Machen Sie auch selber welche??
Ich spiele selber schon lange nicht
mehr. Aber ich bin Präsident der Blasmusik-Vereinigung in meiner Heimat.
Ich unterstütze zum Beispiel die Jugendarbeit und verschiedene Wettbewerbe.
Wie ist Ihre Beziehung zur Heimat?
Das Schöne ist: Esslingen ist nicht
ganz klein, aber man trifft trotzdem
immer jemanden, den man kennt.
Heimat ist für mich der Ort, an dem
viele Freunde, Bekannte und die Familie sind. Ich versuche am Wochenende immer, in Esslingen zu sein.