Pädagogisches Material Habalukke Schätze einer vergessenen

NMB Neues Museum Biel / Nouveau Musée Bienne
Seevorstadt 52 / Faubourg du Lac 52
Postfach / Case postale
2501 Biel / Bienne
Pädagogisches Material
Habalukke
Schätze einer vergessenen Zivilisation
Singender König, Terrakotta, Bronzezeit (2800–1400 v.Chr.)
Kunst- und Kulturvermittlung
[email protected]
Tel.: 032 328 70 33
www.nmbiel.ch
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Inhaltsverzeichnis
Die Ausstellung: zwischen Archäologie und zeitgenössischer Kunst ............................................... 3
Habalukke ....................................................................................................................................... 4
Ein blaues Wunder.......................................................................................................................... 5
Das archäologische Objekt im Museum .......................................................................................... 7
Interpretation eines Objektes ....................................................................................................... 7
Wert eines Objektes .................................................................................................................... 8
Archäologie der Zukunft .............................................................................................................. 8
Bibliografie .................................................................................................................................... 11
Die Ausstellung: zwischen Archäologie und
zeitgenössischer Kunst
Das NMB Neues Museum Biel zeigt zum ersten Mal eine Retrospektive, welche den
prähistorischen Statuetten der mediterranen Zivilisation Habalukke gewidmet ist. Die einzigartigen
Ausstellungsobjekte, wie der berühmte «Singende König», stammen zum grössten Teil aus der
zwischen 1902 und 1939 entstandenen Sammlung des Oberst Walter Affolter und sind vom
Nationalmuseum Sehnah geliehen.
1902 betritt der Solothurner Oberst Walter Affolter (1878–1964) die Insel Sehnah zum ersten Mal
als er sich auf der Rückfahrt von einer Studienreise auf die Kykladeninseln befindet. Im Herzen
des Mittelmeerraumes entdeckt er dort eine vergessene Zivilisation, die Habalukke-Kultur.
Oberst Walter Affolters Porträt gemalt von Ferdinand Hodler, 1909
Dies ist der Ausgangspunkt der vom Berner Künstler Hans-Ulrich Siegenthaler (HUS) entwickelten
fiktiven Realität. Der Oberst Affolter ist niemand anderes als das Alter Ego des Künstlers. Unter
diesem Pseudonym haucht er auf äusserst detaillierte und rigorose Weise der auf Landkarten
häufig fehlenden Insel Leben ein. Er erschafft Artefakte, die von allen Bereichen der Kunst
inspiriert sind: Darunter Skulpturen, Bildtafeln von Objekten, Modelle von Ausgrabungsstätten und
ein Briefaustausch mit Carl Irlet – aufgeklärter Liebhaber aus Twann (BE), der Fundstücke der
Pfahlbauer aus dem Bielersee während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sammelte. Mit der
Gründung einer Fluggesellschaft, des aktiven Printmediums Berena News, politischer Organe oder
gar eines Museums für zeitgenössische Kunst (NAMO), verleiht HUS der Insel Sehnah, welche mit
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ihren politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Institutionen der Schweiz sehr ähnelt, eine sehr
starke Glaubwürdigkeit.
Habalukke
Die Habalukke-Kultur wird in mehrere Phasen unterteilt und lässt sich am besten an der Typologie
der im Religions- oder Bestattungskontext entdeckten Figuren ablesen.
Die Insel Sehnah ist seit der frühen Jungsteinzeit (Proto-Habalukke, 7000–4200 v.Chr.) bewohnt.
Die ersten Behausungen wurden aus Lehm gebaut und sind bis heute erkennbar. Mit ihnen wird
rote Keramik ohne Oberflächenbearbeitung verbunden. Diese erste Phase zeichnet sich durch das
Erscheinen von Violinen-förmigen Statuetten aus, für die heimische Steine verarbeitet wurden.
Diese Art von Statuetten wird abgelöst durch solche aus gebranntem Ton, den sogenannten
„weissen Idolen“ (Proto-Habalukke, 4200–2800 v.Chr.), die das Ende der Jungsteinzeit markieren.
Gehörnten Figuren aus der späten Jungsteinzeit
Charakteristisch für die Kultur der Habalukke (Klassisches Habalukke, 2800–1400 v.Chr.) sind die
sogenannten „blauen Statuetten“. Diese Figuren scheinen mit der Entstehung einer neuen sozialen
Ordnung einherzugehen, die auf einer nicht kriegerischen Aristokratie beruht und zwischen 2000–
1400 v. Chr. die Palastkultur in Sehnah hervorbringt.
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Singende Statuetten aus gebranntem Ton aus der Bronzezeit
Das Verschwinden dieser Zivilisation ist noch nicht eindeutig geklärt und ist zur Zeit Inhalt von
archäologischen Untersuchungen, welche von Professor Braumeier der Universität Berena
durchgeführt werden.
Ein blaues Wunder
Die „blauen Statuetten“ der Habalukke ziehen uns nicht nur mit ihren ausdrucksstarken, rufenden,
schreienden, singenden Gesichtern sondern auch mit dem satten, leuchtenden Lapislazuli-Blau in
den Bann. In der westlichen Welt wurde die Farbe Blau in der künstlerischen Produktion wie auch
im gesellschaftlichen und religiösen Leben lange Zeit wenig eingesetzt. Dies lässt sich einerseits
damit erklären, dass die Herstellung der Farbe sehr
umständlich war, andererseits besteht auch die Möglichkeit,
dass Blautöne schlicht und einfach nicht geschätzt wurden,
denn die Römer verbanden mit dieser Farbe die Barbaren, die
Trauer und den Tod. Bei den Ägyptern hingegen war die Farbe
Blau sehr beliebt. Man benutzte sie für Sarkophage,
Skulpturen, Papyrusblätter oder Wandmalereien. Die Farbe
stand stellvertretend für das Glück, die Unsterblichkeit und die
Wahrheit. Sie wurde aus Kupfersilikat gewonnen, einer
Mischung aus Quarzsand, Kalzium, Kupfer und
Schmelzsubstanzen (zum Beispiel pflanzliche Asche). Diese
Technik zur Herstellung des ersten synthetischen Pigments
tauchte um 2600 v. Chr. auf.
Grabmaske des Tutanchamun,
Ägyptisches Museum in Kairo
© Wikipedia
In Europa schränkten verschiedene Faktoren die Färber und Maler beim Gebrauch der blauen
Farbe ein, denn es war sehr schwierig blaue Pigmente zu finden oder zu herstellen und diese dann
zu verarbeiten. Die Kelten und Germanen verwendeten dafür Waid, eine in den gemässigten
Zonen Europas weitverbreitete Pflanze. Der Farbstoff Indigotin ist in den Blättern dieses Busches
enthalten. Jedoch war das Verfahren, um das blaue Färbemittel zu erhalten, sehr langwierig und
kompliziert. Ein weiterer blauer Farbstoff kann auf einfachere Weise aus den Blättern eines
anderen Busches, der Indigopflanze, produziert werden. Allerdings ist diese Pflanze nicht in
Europa heimisch, sie wird aus Indien und dem Mittleren Osten
importiert. Das macht sie zu einem sehr teuren Produkt. Gleiches
gilt für den Lapislazuli, einem sehr harten Stein, der vor allem in
Afghanistan zu finden ist und dessen Abbau sehr lange dauert.
Die Maler konnten dieses Pigment nur für kleine Flächen
verwenden, da es eine sehr geringe Deckkraft hat. Aus dem
weniger kostspieligen Azurit wurde das blaue Pigment gewonnen,
welches in der Antike und im Mittelalter am meisten eingesetzt
wurde. Allerdings war es äusserst schwierig zu verarbeiten und
Azurit © Wikipedia
erzeugte weniger schöne Blautöne.
Gegen Ende des Mittelalters änderte sich die Bedeutung und der Einsatz von Blau abrupt, als die
Farbe im Westen mit dem Marienkult verbunden wurde. Auch durch die Könige, insbesondere
durch die französischen Monarchen, wurde Blau zu einer modischen Farbe aufgewertet. Mit ihr
assoziierte man die Begriffe Freude, Liebe, Loyalität, Frieden und Trost. Während der Reformation
wurde Blau insbesondere in Bezug auf die Bekleidung zu einer moralischen Farbe umgedeutet.
Die Begeisterung für Blautöne wurde begünstigt durch die Meisterleistungen der Färber, die
Liberalisierung des Indigo und die Entdeckung eines neuen künstlichen Pigments im 18.
Jahrhundert, welches neue Nuancen in der Malerei und beim Färben ermöglichte: Das
Preussischblau. Ein Jahrhundert später wurde das sehr teure Kobaltblau erfunden, welches
Vincent van Gogh als göttliche Farbe bezeichnete.
Seit dem 20. Jahrhundert ist Blau die meist getragene Farbe in der westlichen Welt. Dies ist
hauptsächlich auf die Jeans-Mode zurückzuführen. Es ist gleichwohl interessant anzumerken,
dass Blau in der westlichen Farbsymbolik als ruhig, friedlich, fern, ja beinahe neutral empfunden
wird. Es ist daher kein Zufall, dass Blau auf internationaler Ebene zum Symbol des Friedens und
der Völkerverständigung wurde und in den Emblemen der UNO oder der Europäischen Union
Gebrauch findet. Laut Umfragen ist Blau ausserdem die Lieblingsfarbe der europäischen und
amerikanischen Bevölkerung. Denn Blau erinnert an den Himmel, das Meer, die Ruhe, das Reisen
aber auch an die Erinnerung, das Verlangen und das Träumen.
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Das archäologische Objekt im Museum
Die Ausstellung ist als Dialog zwischen der Geschichte der Habalukke-Kultur, der Archäologie, der
Sammlung Affolter und der heutigen Museumspraxis gestaltet. Ihr liegen zum einen Fragen und
Gedanken in Bezug auf die Epistemologie der Archäologie zugrunde (Was ist Archäologie und wie
ist sie entstanden? Wie wird sie bewertet und anerkannt? Worauf bezieht sie sich und wie
entwickelt sie sich weiter?), zum anderen beschäftigt sie sich mit dem Status des
Ausstellungsobjekts (Wie wird ein Gegenstand zu einem Ausstellungsobjekt in einem Museum?
Welcher Diskurs wird darüber geführt? Wie wird es ausgestellt?).
Interpretation eines Objektes
Als in der Renaissance erste Faustkeile aus Feuerstein gefunden wurden, hielt man diese für
natürliche statt vom Menschen geschaffene Produkte. Man nahm an, dass die Steine während
Gewittern durch das Zusammentreffen einer gewissen Dampfabgabe von Blitz und Donner mit
einer mutmasslichen metallischen Materie in dunklen Wolken geformt worden seien. Aufgrund
akribischer Forschungsarbeit über Jahrhunderte hinweg, glauben wir heute die wahre Bedeutung
dieser Fundstücke zu kennen: Nach heutigem Wissen gehören Faustkeile zu den ersten
Werkzeugen des Menschen. Sie wurden durch das Behauen von Steinen geschaffen und wurden
vielseitig verwendet: zum Hacken, Schneiden, Schaben, Schlagen und sogar Werfen. Es ist die
Arbeit der ArchäologInnen, diesen ehemaligen, grösstenteils in Vergessenheit geratenen Kontext
der Fundstücke zu rekonstruieren. Wie ist das Objekt zu dieser Form gelangt? Wozu wurde es
wohl benutzt? Ist das Objekt intakt erhalten oder gehörten einst andere Elemente dazu, die sich
inzwischen zersetzt haben? Je weniger schriftliche Überlieferungen zur Verfügung stehen, desto
grösser ist auch der Anteil an Spekulation beim Auswerten archäologischer Funde. Bei der
Rekonstruktion der damaligen Umstände spielen die Vorstellungs- und auch Erfindungskraft Imagination und Fiktion - in die Wissenschaft hinein.
Fauskeitl aus Feuerstein, Museum von Toulouse
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Vielleicht haben sich auch die heutigen ForscherInnen getäuscht und der sogenannte
Faustkeil ist eigentlich ein versteinertes Gebäck? Oder was könnte es deiner Meinung
nach sein?
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Wert eines Objekts
Amphoren (bauchige, enghalsige Krüge aus Ton mit zwei Henkeln) haben heute einen besonderen
Wert, weil sie zu den materiellen Überresten der Antike gehören und vom damaligen Alltag
zeugen. Damals aber besassen sie diesen Wert nicht, denn sie
wurden lediglich als Einwegbehälter für den Transport von wertvollen
Gütern wie Wein oder Öl benutzt und danach weggeworfen. So
können Amphoren als Beispiel für antiken Abfall verstanden werden,
der erst durch die Erhaltung über die Jahrtausende zu einem Schatz
geworden ist. Es gibt aber auch Beispiele richtiger Schätze, die
zunächst für Abfall gehalten wurden. Der römische Silberschatz von
Augusta Raurica (Kaiseraugst, CH) zum Beispiel wurde unabsichtlich
durch einen Bagger aus der Erde gehoben. Noch bevor dessen Wert
erkannt wurde, gelangten Teile des Schatzes in eine Abfallgrube der
Baustelle, von wo sie schlussendlich geborgen wurden.
Gebrauchsamphoren, Bodrum
Museum, Türkei © Wikipedia
Auch wenn etwas aufgrund des Materials keinen hohen Wert besitzt, kann es durch seine Rarität
oder seine ideelle Bedeutung als wertvoll erachtet werden.
Gibt es Dinge, die du wertvoll findest, obwohl ihr materieller Wert eher klein ist?
Welche Dinge, die wir heute als Abfall wegwerfen, werden spätere Generationen
vielleicht als wertvoll erachten?
Archäologie der Zukunft
Trotz der hoch entwickelten Technik gibt es bezüglich der Interpretation von Funden oft Lücken
und bleibende Fragezeichen. Das Rätselhafte der Archäologie mag dazu verleiten, den
Zeitgenossen oder der Nachwelt absichtlich Rätsel aufzugeben.
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Welchen Sinn werden die Menschen in 2000 Jahren aus heutigen Überbleibseln
konstruieren? Vielleicht halten sie Gartenzwerge für Priesterstatuen oder Aludosen für
eine Art Briefumschlag?
Eis schmilzt, Papier verbrennt, Tinte verschmiert. Selbst Stein kann durch Einwirken von Wind und
Wetter mit der Zeit zerfallen und zu Sand werden. Zersetzungsprozesse passieren durch
biologische Akteure wie Bakterien und Mikroorganismen (z.B. Schimmelpilze), durch chemische
Vorgänge wie Oxidation (die Reaktion mit Sauerstoff) oder auch durch physikalische (z.B.
Temperaturschwankungen) und mechanische Einwirkungen (z.B. Abnützung durch den Gebrauch).
Je nach Temperatur, Feuchtigkeit oder Vorkommen von Mikroorganismen in der Umgebung bauen
sich verschiedene Stoffe schneller oder langsamer ab; eine durchschnittliche Angabe dieser Dauer
bietet folgende Tabelle:
Papier
Baumwolle
Karton
Sperrholz
Zigarettenstummel
Kaugummi
Holz
Weissblechdose
Leder
Aluminium
Plastik
3 Monate
6 Monate
2 Jahre
3 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
15 Jahre
50 Jahre
50 Jahre
200 Jahre
1000 Jahre
Polystyrol
Glas
Keramik
unbestimmt
unbestimmt
unbestimmt
Im Gegensatz dazu verhindert oder verzögert die Konservierung auf physikalische und auch
chemische Weise Zerfallsprozesse.
Gibt es Dinge, die du gerne vor dem Zerfall retten und ewig haltbar machen würdest?
Wie würdest du das anstellen?
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Bibliografie
Bücher

Knut Ebeling, Stefan Altenkamp (Hg.), Die Aktualität des Archäologischen in Wissenschaft,
Medien und Künsten, Frankfurt: Fischer Taschenbuch Verlag, 2004

Laurent Flutsch, Futur antérieur. Trésors archéologiques du 21e siècle après J.-C., Gollion :
Infolio, 2005

Michel Pastoureau, Bleu. Histoire d’une couleur, Paris: Le Seuil, 2002
Internetseiten

http://www.wikipedia.com

http://www.inrap.fr/atlas/lgv-est-europeenne-2/decouvertes-lgv-est-2/bleu-egyptien-antique

http://www.augustaraurica.ch/fr/visiter/le-musee/le-tresor-dargenterie/

http://www.larousse.com

http://www.culture.gouv.fr/culture/organisation/dapa/pdf/archeologie-questions2007.pdf

http://www.cleaningservicenewyorkcity.com/life-cycle-of-trash.html

http://sciencelearn.org.nz/Contexts/Enviro-imprints/Looking-Closer/Measuringbiodegradability

http://www.cvwma.com/storage/File/Trashytimelinekit.pdf

http://d43fweuh3sg51.cloudfront.net/media/assets/wgbh/lpsc10/lpsc10_doc_lpaappendix/lps
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
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