Schätze heben - Landesvereinigung für Gesundheit Sachsen

Schätze heben
Handlungsempfehlung zur Resilienzförderung in Kindertagesstätten
In unserer komplexen Welt werden die alltäglich zu bewältigenden Anforderungen anspruchsvoller und vielfältiger. Diese
gesellschaftlichen Veränderungen spürt auch das Fachpersonal in den Kindertagesstätten
(KiTa), die als Betreuungs- und
Bildungsinstitutionen umfangreiche Aufgaben zu realisieren
haben.
Zu viel, zu klein, zu laut...
... zu ansteckend - beschreibt die
häufigsten Probleme. Die Bandbreite der Belastungen reicht von
erhöhtem Lärmpegel, Infektionsrisiken, einer nicht erwachsenengerechten Ausstattung sowie
ungünstiger Körperhaltungen bis
hin zu Personal- und Zeitmangel.
Diese und andere Beanspru-
Resilienz – Kompetenz
der Zukunft
Der Begriff Resilienz leitet
sich ab vom englischen Wort
resilience – Spannkraft, Elastizität, und wird als die psychische Widerstandsfähigkeit
gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken
definiert. Es steht für die erlernbare Fähigkeit, Stress und
Belastungen erfolgreich zu
bewältigen.
chungen wirken sich kurz- und
langfristig auf den individuellen
körperlichen und seelischen Gesundheitszustand der Beschäftigten sowie auf das Miteinander
im Team aus. Daher sind neue
Handlungsempfehlung
Lösungen gefragt, um die Gesundheit von KiTa-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu erhalten
und zu fördern.
Mitarbeitende in KiTas...
... brauchen Widerstandskraft,
um im Beruf zu bestehen. Um
die psychische Widerstandsfähigkeit zu fördern, ist es wichtig, Ressourcen zu erschließen
und Potenziale zu entwickeln.
Individuelle Schutzfaktoren wie
ein gutes Selbstwertgefühl, Neugier, Humor, Optimismus, Kommunikationsfreude, Anpassungsfähigkeit, Eigeninitiative und die
Fähigkeit, Probleme zu lösen,
wirken dabei fördernd.
Das Projekt „Schätze heben“
ist ein Modellprojekt der Gesundheitsziele zur Förderung
der seelischen Gesundheit in
Kindertagesstätten aus Sachsen-Anhalt und wurde durch
die Landesvereinigung für Gesundheit Sachsen-Anhalt e.V.
von 2013 bis 2015 durchgeführt, finanziell gefördert durch
die Kroschke Kinderstiftung
und die Unfallkasse Sachsen-Anhalt. Das Projekt setzte
ressourcenorientiert bei den
Stärken und Schutzfaktoren
der pädagogischen Fachkräfte,
Kinder und Eltern an. KiTa-Mitarbeitende standen dabei insbesondere im Fokus. Sie agieren
als Vorbild im kreativen Umgang
mit schwierigen Situationen und
im Vorleben von lebensbejahenden Entscheidungen. Je resilienter sie sind, umso einfacher können sie Kinder und deren Eltern
Resilienz vermitteln sowie den
KiTa-Alltag gesund und aktiv
gestalten. Die nachfolgenden
Empfehlungen, Tipps und Vorschläge wurden im Ergebnis
des Projektes für und mit KiTaPraktikern entwickelt.
Bevor der Startschuss fällt
Um es vorweg zu nehmen, Resilienzförderung in der KiTa ist kein
Allheilmittel, aber eine Chance!
Manchmal sind es die kleinen
Schritte, die neue Möglichkeiten
eröffnen Belastungen zu mildern
und somit schützend wirken. Resilienzförderung in der KiTa ist
ein Lernprozess und eine Aufgabe für das ganze Team.
Auch der längste Weg
beginnt mit einem
ersten Schritt.
Chinesisches Sprichwort
Vor dem Start sollte man bedenken:
Einverständnis
Das Team sollte dem Vorhaben
aufgeschlossen gegenüber stehen. Dabei ist es in Ordnung, wenn
zu Beginn nicht alle aus dem Kollegium gleichermaßen begeistert
sind.
Engagement
Die Erwartungshaltungen sollten
geklärt sein. Wer etwas erwartet,
ist in einer Warteposition. Statt
im eigenen Interesse zu handeln, erwartet sie oder er, dass
andere etwas für sie/ihn tun.
Bleibt das Erwartete aus, kann
dies demotivieren bzw. zur Resignation führen. Daher sollte allen beteiligten Akteuren bewusst
sein, dass letztendlich nur so viel
im Prozess umgesetzt wird, wie
vorher auch als Engagement hinein gegeben wurde.
Kommunikation
Sprache prägt Denkweisen – und
damit auch Verhalten. Es geht
nicht darum, wer hat recht oder
gar schuld, sondern was brauche
ich, was braucht der Andere, wer
möchte mich unterstützen und
wie kann ich andere unterstützen.
Eine gute Kommunikationskultur
ist Voraussetzung für den Erfolg.
Offenheit
Um neue Wege zu beschreiten,
ist Offenheit unabdingbar. Nur
so können frische Gedanken,
Vorschläge und Rückmeldungen
konstruktiv genutzt werden.
Handlungsempfehlung
Geduld
Ohne kleine Schritte zu würdigen, sind große nicht möglich!
Zu Beginn des Prozesses ist es
vor allem wichtig, diesen in Gang
zu bringen. Kleine Erfolge motivieren und laden ein zum weitermachen. Es geht also nicht darum, sofort die härtesten „Nüsse
zu knacken“.
Toleranz
Es gilt, die unterschiedlichen Bedürfnisse der KiTa-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter zu beachten,
Wesensunterschiede anzuerkennen und ein Gefühl der Wertschätzung zu ermöglichen.
Mitstreiter/-innen
Allein geht es nicht. Teamarbeit
ist angesagt, am besten nach
Fähigkeiten und Fertigkeiten. Jedoch sollte sich eine Person der
Einrichtung um die Koordination
kümmern, was nicht heißt, dass
dies durch die Leitung erfolgen
muss.
Veränderungswille
Sind die Grundlagen gelegt, gilt
es, sich zielstrebig auf den Weg
zu machen und dabei Bewährtes
zu nutzen und Neues auszuprobieren.
Gemeinsam auf Schatzsuche
gehen
Zur Einführung ist es hilfreich,
sich im Team zunächst erst einmal darüber zu verständigen,
was seelische Widerstandskraft
für jeden bedeutet und eine eigene, individuelle Stärkebilanz
zu erstellen. Danach erfolgt gemeinsam eine Bestandsaufnahme (IST-Analyse) vorhandener
Potenziale und Belastungen in
der KiTa. Hierzu erhält jedes
Teammitglied vier Karten (Zettel
tun es auch). Auf den ersten Beiden werden positive Dinge wie
z. B. unterstützendes Verhalten
des Teams oder fördernde Verhältnisse, die bereits im KiTa-Alltag verankert sind, notiert. Auf
den anderen beiden werden Aspekte aufgeschrieben, die sowohl
individuell als auch für das Team
belastend wirken.
Die Auswertung der positiven
Dinge ist eine Art „Schatzkiste“
die dabei hilft, sich bewusst zu
werden, welche guten Ansätze
bereits vorhanden sind. Sie hilft
zudem „weitere Schätze“ zu entdecken, die noch als ungenutzte
Ressourcen im Team bzw. in der
Einrichtung schlummern. Die Zusammenstellung der Belastungen
und der sich daraus ergebende
Bedarf dienen als Grundlage, um
in einem nächsten Schritt mit dem
Team Verbesserungs- und Lösungsvorschläge sowie Umsetzungsideen zu erarbeiten.
Wer für sich Chancen und Möglichkeiten erkennt, dem fällt die
Weiterentwicklung von Potenzialen und die Nutzung von Ressourcen sowohl für das Team als
auch für die Arbeit mit dem Kind
leichter. Sammeln Sie Ideen
und Anregungen, damit sich
alle Akteure in der KiTa wohl
fühlen. Was soll sich in der Einrichtung langfristig verändern?
Lassen Sie Ihrer Fantasie zunächst freien Lauf, ohne gleich
an eine realistische Umsetzung
zu denken, entwickeln Sie einen Ideenpool.
Wie geht es dann weiter?
Was tun, nachdem so viele Meinungen, Potenziale, Kritikpunkte, Anregungen und Ideen gesammelt wurden? Ordnen Sie
diese in Gruppen und planen
Sie das weitere Vorgehen.
Für eine erfolgreiche Umsetzung ist eine genaue Zielformulierung wichtig. Überlegen
Sie, welche Strategien es
braucht, Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, Erkenntnisse
Handlungsempfehlung
zu gewinnen oder die eigene
Persönlichkeit zu stärken. Entnehmen Sie Ihrem Ideenpool
geeignete Maßnahmen, welche
mit den vorhandenen Ressourcen umsetzbar sind. Legen Sie
für jedes geplante Vorhaben in
einem nächsten Schritt die Zuständigkeiten fest und vereinbaren Sie, bis wann die Aufgaben
erledigt sein sollen. Je konkreter die Aufgaben, Personen und
Termine dabei festgelegt werden, umso weniger kommt es
zu Missverständnissen (schriftliches Ergebnisprotokoll).
Veränderung braucht Zeit...
...und geht nur Schritt für Schritt.
Daher ist es von Vorteil im Team
festzulegen, welche Themen
besonders relevant sind bzw.
wo der dringendste Handlungsbedarf besteht (Punktabfrage).
Bei den geplanten Veränderungen muss das Rad nicht
immer neu erfunden werden
- hier sollten bereits vorhandene Erfahrungen unbedingt einfließen. Und es müssen nicht
immer die großen Dinge sein,
die umgesetzt werden. Ob die
Einführung eines „Übergabebuches“, um die Kommunikation
zwischen Früh- und Spätschicht
zu verbessern; Dienstpläne, die
langfristiger geschrieben werden, um die Freizeit besser zu
planen; eine Karte mit einem
motivierenden Spruch am Wochenanfang oder sich einfach
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vorzunehmen, Kolleginnen bzw.
Kollegen häufiger bewusst zu loben, können ein Anfang auf dem
Weg zum Ziel sein.
Zum Schluss ist es wichtig zu
überprüfen, ob die geplanten
Interaktionen und Prozesse wirklich zu den gewünschten Ergebnissen geführt haben. Sind die
Aufgaben erledigt und die Ziele
erreicht, genießen Sie die Bestätigung Ihres resilienten Handelns. Läuft es nicht wie geplant,
lassen Sie das nicht einfach unter
den Tisch fallen, denn dann führt
es zu Demotivation. Gemeinsam
sollte noch einmal genau überprüft werden, woran es liegt und
welche „Weiche“ vielleicht neu
gestellt werden muss.
Was tun, wenn all das dem
Team nicht hilft?
Zunehmende Belastungen im
Arbeitsalltag können sich auf die
seelische Konstitution ganzer
Teams niederschlagen - es geht
an die Substanz. Teamcoaching
oder Supervision durch externe
Fachkräfte (der Austausch mit
anderen) wird notwendig, um
Stärke zu finden und langfristig
wieder Freude an der Arbeit in
der KiTa zu gewinnen.
Mit an Bord: Eltern und Kinder
Eltern möchten ihren Kindern bei
der Entwicklung zu einer emotional stabilen und selbstbewussten
Persönlichkeit helfen und wünschen sich dabei Unterstützung.
Für ein vertiefendes Verständnis
ist ein Elternabend unter dem Aspekt, was Kinder für das Leben
stark macht, sinnvoll. Die Durchführung eines speziellen Elternkurses zur Resilienzförderung ist
ergänzend möglich, um Eltern zu
ermutigen, ihr Kind altersgemäß
zu begleiten, anzuleiten und vor
allem die Fähigkeiten und Stärken ihres Kindes in den Blick zu
nehmen. Praktische Erfahrungen von Selbstwirksamkeit hel-
fen Kindern stark zu sein. Denn
dabei entwickeln sie Vertrauen in
eigene Fähigkeiten und Stärken
und erleben, dass sie durch ihre
Handlungen in der Umwelt Veränderungen bewirken. Kinder anzuregen, schwierige Situationen
selbst zu überwinden, sie zu ermuntern eigene Entscheidungen
zu treffen und Fehler zu machen
und dabei sensibel mit Gesprächen zu begleiten, ist längst Alltag in vielen Kindertagesstätten.
Jedoch ermöglichen Reflexion
und Austausch über deren Umsetzung im Team nicht nur eine
eigene „innere“ Überprüfung sondern auch Anregungen und Anstöße für weitere Vorhaben.
Ansprechpartner/-innen und Unterstützung finden Sie hier!
Claudia Bachtenkirch
Julia Chrapa
Landesvereinigung für Gesundheit
Sachsen-Anhalt e.V.
Badestr. 2, 39114 Magdeburg
Tel.: 03 91/ 8 36 41 11,
Fax: 03 91/ 8 36 41 10
Mail: [email protected]
Kindertagesstätten
KiTa „Abenteuerland“, Hohe Börde
Janine Warnke, Regine Müller
Tel.: 03 92 06/5 32 56
KiTa „Märchenburg“, Haldensleben
Stefanie Fischer, Juliane Steinmann
Tel.: 0 39 04/ 4 01 38
KiTa „Max und Moritz“, Haldensleben
Nadine Dziewior, Isabell Damerau
Tel.: 0 39 04/ 4 34 55
Mit freundlicher Unterstützung der Kroschke-Kinderstiftung und der Unfallkasse
Sachsen-Anhallt.
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Erschienen:
Landesvereinigung für Gesundheit Sachsen-Anhalt e.V.
Druckerei Mahnert GmbH
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2015
Handlungsempfehlung