Jungviehaufzucht – ein teures Vergnügen

Tier
■ BAUERNBLATT l 9. Mai 2015
Erfolgreich füttern
Jungviehaufzucht – ein teures Vergnügen
Zu den umfangreichen Vollkostenrechnungen, die in den Betrieben
der Rinderspezialberatung gefertigt werden, gehören auch die Auswertungen über die Kosten der
Jungviehaufzucht. Die Aufzuchtkosten für das Jungvieh sind im
vergangenen Auswertungsjahr
2013/14 um 131 € auf jetzt 2.130 €
je erzeugter Färse angestiegen.
Davon sind 117 € auf die höheren
Futterkosten zurückzuführen. Die
Berechnungseinheit für die Vollkostenauswertung in der Jungviehaufzucht ist die „erzeugte Färse“. Dazu gehören alle Färsen, die
durch die Abkalbung im Betrieb zu
den Kühen versetzt worden sind,
und alle weiblichen Jungrinder, die
älter als ein Jahr waren und verkauft wurden. Zusätzlich werden
auch die Bestandsveränderungen Erfolgreiche Jungviehaufzucht beginnt mit guter Kälberaufzucht. In einem
finanziell mit berücksichtigt und durchselektierten Kuhbestand müssen nicht alle weiblichen Kälber aufgezogen
in „Produktionseinheiten“ umge- werden.
rechnet.
Betrieb. Aufgrund des Wachstums alter um weitere zwei bis drei MoIn Schleswig-Holstein war der im Bereich der Milchproduktion und nate herabzusetzen und die Futterfrühzeitige Verkauf überschüssiger der immer knapper und teurer wer- kosten zu senken.
weiblicher Kälber bislang nicht üb- denden Futterflächen wird man in
lich. Erst in den letzten Jahren hat Zukunft einzelbetrieblich noch stärReserven
hier vor allem in den Wachstumsbe- ker über den notwendigen Umfang in der Produktionstechnik
trieben ein Umdenken eingesetzt, der Jungviehaufzucht diskutieren
da Stallplatz, Futterfläche und Ar- müssen.
Bei den produktionstechnischen
Die aktuellen Auswertungen zei- Kennziffern der Jungviehaufzucht
beit teure und knappe Faktoren
sind. In vielen Betrieben werden gen, dass noch große Reserven in der (siehe Übersicht 1 auf der nächsten
aber immer noch alle weiblichen Jungviehaufzucht bestehen. Dazu Seite) hat es im vergangenen AusKälber aufgezogen und kommen im gehört, den Jungviehbestand auf wertungsjahr nur geringe VerbesseBetrieb zur Abkalbung. Nur fünf der den notwendigen Anteil für die Be- rungen gegeben. Das Erstkalbealter
ausgewerteten Milchviehbetriebe standsergänzung zu reduzieren so- stagnierte bei 28,8 Monaten. Zwihatten gar kein Jungvieh mehr im wie das durchschnittliche Erstkalbe- schen den erfolgreichen und den
weniger erfolgreichen Betrieben lag
eine Differenz von zwei Monaten.
Bei einer kontinuierlichen Besamung auch während der Sommermonate ist es denkbar, das Erstkalbealter um weitere zwei bis drei Monaten zu senken. Die Verlustrate
ging von 5,6 auf 5,2 % zurück.
Für die Aufzucht einer Färse wurden im Durchschnitt der Betriebe
8,0 dt Kraftfutter eingesetzt, das
sind zirka 1,2 dt mehr als im zurückliegenden Auswertungsjahr. In den
8,0 dt sind auch das Kälberaufzuchtfutter und das anteilig verfütterte
Mineralfutter enthalten. In den vergangenen vier Auswertungsjahren
ist der Kraftfuttereinsatz nahezu
kontinuierlich angestiegen. Die erfolgreichen Betriebe setzten trotz
geringerer Futterfläche 1,5 dt Kraftfutter weniger ein als der Durchschnitt, die weniger erfolgreichen
Betriebe benötigten 1,3 dt mehr.
An Futterfläche wurden 0,52 ha je
erzeugter Färse benötigt, das ist geringfügig mehr als im Vorjahr. Beachtlich sind allerdings die großen
Unterschiede der erfolgeichen gegenüber den weniger erfolgreichen
Betrieben im Flächenverbrauch von
0,15 ha je aufgezogener Färse. Bei
durchschnittlich 53,7 aufgezogenen
Färsen macht dies einen Flächenmehrverbrauch von 8,1 ha aus. Bei
weiter steigenden Flächenkosten
muss unbedingt an der Futterflächenproduktivität gearbeitet werden. In der Tendenz nimmt genau
wie bei den Milchkühen auch beim
Weidegang in der Jungviehaufzucht: Die tägliche Kontrolle von Tränkwasser- Im zweiten Aufzuchtjahr reichen Silagen mit niedrigeren Energiegehalten.
versorgung und Infektionsdruck durch Sommermastitis ist unerlässlich.
Ist dieser noch zu hoch, wird Stroh eingemischt. Ein Muss: unbedingt auf eine
Fotos: Johannes Thomsen Mineralstoffergänzung achten!
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34
Tier
BAUERNBLATT l 9. Mai 2015 ■
Jungvieh der Anteil der Weidefläche
weiter ab, während der Anteil der
Winterfutterfläche leicht ansteigt.
An der Veränderung des Futterflächeneinsatzes ist die weitere Verschiebung zu verstärkter Stallhaltung erkennbar. Bei intensiverer
Aufzucht und einer Reduzierung des
Erstkalbealters ließe sich die Futterfläche um 0,1 bis 0,2 ha je aufgezogener Färse herabsetzen.
Produktionskosten
weiter gestiegen
In der Vollkostenrechnung nach
dem DLG-Schema wird zunächst die
Leistung des Betriebszweiges Jungviehaufzucht ermittelt. Je erzeugter
Färse ist eine Leistung von 1.565 €
errechnet worden. Etwa 90 % dieser
Summe stammen von den in den
Kuhbestand versetzten Färsen, die
mit 1.600 € bewertet wurden. Da
nur 85 % der Färsen im Betrieb abkalben, errechnet sich daraus eine
Summe für die innerbetrieblichen
Versetzungen von 1.384 €. Der Restbetrag von 182 € setzt sich aus vorzeitigen Abgängen und anteiligen
Verkäufen (140 €) sowie der Bestandsveränderung (42 €) zusammen. Bei der Summe Leistung gesamt gab es kaum Unterschiede zum
Vorjahr: Zwischen den Erfolgsbetrieben und den weniger erfolgreichen
Betrieben lag eine geringe Differenz
von 44 € je erzeugter Färse.
Bei den Direktkosten sind zunächst die Kosten der Bestandsergänzung aufgeführt (213 €), die fast
ausschließlich aus der Bewertung
der in die Jungviehaufzucht versetzten weiblichen Kälber bestehen.
Den größten Anteil an den Direktkosten nehmen mit 1.235 € die Futterkosten ein, das entspricht einem
Anteil von 74 % der Direktkosten
beziehungsweise von 58 % der gesamten Produktionskosten. Die Ausgaben für Milchprodukte betrugen
126 € je erzeugter Färse. Für die
8,0 dt Kraftfutter wurden 201 € ausgegeben. Darin sind anteilig auch
das Kälberaufzuchtfutter und das
zugeteilte Mineralfutter enthalten.
Den größten Anteil bei den Futterkosten nimmt mit 907 € das im Betrieb selbst erzeugte Grundfutter
ein.
Schlechteres Grundfutter
für Jungvieh
Die Vollkosten für die Futterproduktion werden für jeden ausgewerteten Betrieb vorab ermittelt. Durch
die Zuteilung der Weideflächen und
den Verbrauch an Silagen werden
auch die dazugehörenden Kosten
aufgeteilt und den Betriebszweigen
anteilig berechnet. An dieser Stelle
ist anzumerken, dass bei der Zuteilung der Grundfutterkosten nicht
immer berücksichtigt wird, dass das
Jungvieh in der Tendenz das schlechtere Grundfutter erhält und eher auf
extensiver geführten Weiden gehalten wird. Dadurch können Kostennachteile von 100 bis 150 € je Färse
entstehen. Besonders markant ist
der große Unterschied in den Grundfutterkosten zwischen den erfolgreichen und den weniger erfolgreichen
Betrieben bei den Grundfutterkosten von 367 € je erzeugter Färse.
Die weiteren Direktkosten (Tierarzt, Besamung, Wasser und anderes) weichen nur geringfügig von
den Vorjahreswerten ab. In den
sonstigen Direktkosten sind auch die
Stromkosten enthalten, anders als in
den Vorjahren, als sie zu den Kosten
der Arbeitserledigung zählten. In
der Summe belaufen sich die Direktkosten auf 1.673 €. Die Direktkos-
Übersicht 1: Ergebnis der Vollkostenrechnung der Jungviehaufzucht Übersicht 2: Ergebnis der Vollkostenrechnung der Jungviehaufzucht
510 Betriebe der Rinderspezialberatung 2013/14
Produktionstechnik
510 Betriebe der Rinderspezialberatung 2013/14, Sortierung nach Erstkalbealter
2010/11 2011/12 2012/13
2013/14
St.
571
422
529
128
Betriebe
St.
48,0
51,2
51,9
51,5
erzeugte Färsen 1)
Erstkalbealter
Mon.
28,0
29,0
29,0
30,0
Verluste
%
4,1
4,9
5,6
5,6
0,62
Futterfläche
ha
0,58
0,51
0,50
davon Weide
ha
0,23
0,17
0,16
0,17
davon Silagefläche
ha
0,35
0,34
0,34
0,45
Kraftfutter
dt
6,3
6,5
6,8
9,3
Vollkostenrechnung Euro je PE1) Färse
innerbetriebl.
€
1.196
1.188
1.327
1.382
Versetzungen
Verkäufe, Sonstiges
€
136
127
159
165
Bestands11
31
62
51
veränderungen
Leistung gesamt
€
1.343
1.347
1.548
1.597
Bestandsergänzung
€
174
214
204
239
Futterkosten
€
990
1.039
1.116
1.526
davon Kraftfutter
€
167
173
204
242
davon Milchprodukte €
78
97
112
155
davon Grundfutter
€
745
768
801
1.128
Tierarzt, Medikamente €
58
55
56
61
Besamung, Zucht
€
23
26
25
32
sonstige Direktkosten
€
36
70
69
95
Zinsansatz
€
82
84
85
77
Direktkosten
€
1.363
1.489
1.555
2.030
Direktkostenfreie
€
-20
-142
-7
-432
Leistung
Arbeitserledigung
€
337
271
293
323
Gebäudekosten
€
126
136
134
166
sonstige Kosten
€
22
18
18
29
Gemeinkosten
€
558
425
445
517
Produktionskosten
€
1.847
1.914
1.999
2.547
davon Faktorkosten
€
500
408
408
417
kalkulatorisches
€
-504
-567
-451
-950
Betriebszweigergebnis
1)
PE = Produktionseinheit Färse, berücksichtigt Bestandsveränderungen
30-33
Mon.
> 33
Mon.
St.
510
138
232
100
Betriebe
63,5
55,2
44,0
St.
53,7
erzeugte Färsen 1)
Erstkalbealter
Mon.
28,8
26,0
28,3
31,3
Verluste
%
5,2
4,8
5,0
6,5
0,58
Futterfläche
ha
0,52
0,47
0,50
davon Weide
ha
0,15
0,11
0,15
0,19
davon Silagefläche
ha
0,37
0,35
0,35
0,38
Kraftfutter
dt
8,0
8,7
7,5
8,2
Vollkostenrechnung Euro je PE1) Färse
innerbetriebl.
€
1.384
1.384
1.384
1.382
Versetzungen
Verkäufe, Sonstiges
€
140
130
144
134
Bestands42
60
48
25
veränderungen
Leistung gesamt
€
1.565
1.574
1.576
1.541
Bestandsergänzung
€
213
195
233
210
Futterkosten
€
1.234
1.221
1.186
1.285
davon Kraftfutter
€
201
217
188
201
davon Milchprodukte €
126
136
118
136
davon Grundfutter
€
907
867
879
948
Tierarzt, Medikamente €
53
62
52
47
Besamung, Zucht
€
28
34
29
21
sonstige Direktkosten
€
73
73
75
70
Zinsansatz
€
71
63
69
79
Direktkosten
€
1.673
1.649
1.644
1.712
Direktkostenfreie
€
-107
-76
-67
-171
Leistung
Arbeitserledigung
€
299
297
297
307
Gebäudekosten
€
135
126
131
151
sonstige Kosten
€
23
20
23
24
Gemeinkosten
€
457
443
452
482
Produktionskosten
€
2.130
2.092
2.095
2.194
davon Faktorkosten
€
405
358
396
448
kalkulatorisches
€
565
-519
-520
-653
Betriebszweigergebnis
1)
PE = Produktionseinheit Färse, berücksichtigt Bestandsveränderungen
40
38,3
35,0
4,3
0,78
0,28
0,51
8,1
Produktionstechnik
- 25 % gesamt +25 %
510
53,7
28,8
5,2
0,52
0,15
0,37
8,0
128
49,7
28,0
5,4
0,47
0,14
0,32
6,5
1.384
1.378
140
42
127
48
1.565
213
1.235
201
126
907
53
28
73
71
1.673
-107
1.553
172
1.018
154
103
761
41
21
52
68
1.371
182
299
135
23
457
2.130
405
-565
271
94
19
384
1.755
410
-202
alle
Betriebe
< 27
Mon.
27-30
Mon.
1.390
164
-24
1.532
172
1.435
196
124
1.115
46
11
72
92
1.827
-295
296
154
26
475
2.303
511
-771
Tier
■ BAUERNBLATT l 9. Mai 2015
tenfreie Leistung je erzeugter Färse
beträgt im Mittel aller ausgewerteten Betriebe minus 107 €. Die Erfolgsbetriebe hatten gegenüber den
weniger erfolgreichen 659 € geringere Direktkosten, zirka 80 % davon
sind in niedrigeren Futterkosten begründet.
Die ermittelten Gemeinkosten lagen mit 457 € nur 12 € über dem
Vorjahreswert. Den größten Teil davon macht mit 299 € die Arbeitserledigung aus, gefolgt von den Gebäudekosten in Höhe von 135 € je
aufgezogener Färse. Sonst gab es
nur geringfügige Verschiebungen
gegenüber dem Vorjahr. Auch bei
den Gemeinkosten waren die Erfolgsbetriebe im Vorteil. Die Gemeinkosten waren 133 € niedriger
als in den weniger erfolgreichen Betrieben.
Die gesamten Produktionskosten
einer erzeugten Färse betragen somit im Durchschnitt aller ausgewerteten Betriebe 2.130 €, das sind
131 € mehr als im vergangenen Jahr.
Wenn man die Ansätze für die Be-
wertung der eigenen Faktoren (Kapital und Arbeit) von 405 € herausrechnet, bleiben noch Kosten von
1.725 € je erzeugter Färse. Die Differenz der gesamten Produktionskosten je erzeugter Färse zwischen
den Erfolgsbetrieben und den weniger erfolgreichen Betrieben betrug
792 € – die Gründe wurden erläutert.
Bei
Produktionskosten
von
2.130 € je aufgezogener Färse, einer
Reproduktionsrate von 32,2 % und
einer Milchleistung je Kuh von
8.363 kg ist jedes Kilogramm Milch
mit 8,2 ct aus der Jungviehaufzucht
belastet. In der geschlossenen Produktion, die die Milchviehhaltung
und die Jungviehaufzucht mit der
dazugehörigen Futterproduktion
als eine nicht teilbare Produktionseinheit versteht, wird diese Kostenbetrachtung unumgänglich sein. National und international wird grundsätzlich immer die Jungviehaufzucht
der Milchproduktion zugerechnet
und ist deshalb als einzelne Kostenposition nicht sichtbar.
Auswertungen zeigen, dass sich ein
niedriges Erstkalbealter lohnt und
hohe Erstkalbealter von über 30 MoVon den 515 ausgewerteten Be- naten zu vermeiden sind.
trieben hatten fünf keine eigene
Jungviehaufzucht. Von den verbliebenen 510 Betrieben (Übersicht 2) zeigten 138 (27 %) ein ErstIn der Jungviehaufzucht gibt es
kalbealter (EKA) von weniger als
noch große Reserven. Dies kann
27 Monaten. Die Mehrzahl von
anhand der Auswertungen der
232 Betrieben (45 %) wies ein EKA
Rinderspezialberatung eindeuzwischen 27 und 30 Monaten auf,
tig belegt werden. Die Schwachweitere 100 Betriebe (20 %) eines
stellen sollten aufgedeckt wervon 30 bis 33 Monaten, und 40 Beden, dazu dient eine detaillierte
triebe (8 %) lagen im ErstkalbealBetriebszweigauswertung. Mitter sogar über 33 Monaten. Diese
hilfe der Beratung sollten die
letzte Gruppe fällt durch einen
Milchviehbetriebe ihre individudeutlich höheren Weide- und Geelle Strategie für die Jungviesamtflächenverbrauch etwas aus
haufzucht ausarbeiten. Dann
dem Rahmen, was sich auch auf
wird sich die angestrebte Kosdie Futter- und Produktionskosten
tensenkung positiv auf den Beauswirkt.
triebserfolg auswirken.
Je größer die Zahl der aufgezogenen Färsen im Betrieb war, desto
Johannes Thomsen
niedriger war das Erstkalbealter. Je
Landwirtschaftskammer
niedriger das Erstkalbealter, desto
Tel.: 0 43 81-90 09-47
geringer der Weide- [email protected]
weise Futterflächenverbrauch. Die
Einfluss
des Erstkalbealters
FAZIT
Schlachtkühe
Klassifizierung und Ausschlachtung
Der Landwirt ist enttäuscht: Der
Schlachtkuhabrechnung
seines
Viehhandelsunternehmens ist wenig Erfreuliches zu entnehmen.
Schlachtgewichte unter 300 kg, diverse Kühe in der Handelsklasse
„P“, entsprechend mager fällt der
Schlachterlös aus. Im folgenden
Beitrag wird die Klassifizierung
und Ausschlachtung von Schlachtkühen analysiert.
sive Mägen und Darm sowie Euter,
Kopf und Fell die Ausschlachtung
unter 50 % – dies insbesondere bei
den mageren Kühen mit gesundheitlichen Problemen.
Neben der Zucht spielen andere
Faktoren eine Rolle. Ist es sinnvoll, eine Kuh, die für die Schlachtung vorgesehen ist, nach oder während des
Abmelkens noch auffleischen zu lassen? Vorbei sind die Zeiten, als solche
Kühe dann mit den Färsen noch auf
die Weide kamen. Futterflächen sind
mittlerweile knapp, Stallplätze sowie
Gülleentsorgung teuer, und Zeit ist
Mangelware. Kühe mit gesundheitlichen Mängeln inklusive Fundamentproblemen fleischen ohnehin nicht
auf, und die Futterverwertung ist für
den Fleischansatz meist miserabel.
Die Option, mittels Einkreuzung von
Fleckvieh der „Magersucht“ entgegenzuwirken, hat bislang nur wenig
Verbreitung gefunden.
Ein Blick in die amtliche Handelsklassenstatistik zu Beginn des Jahres
2015 zeigt das Ergebnis dieser Entwicklung. Da viele Bundesländer
nicht alle Handelsklassen veröffentlichen und schon gar nicht deren Gewichte, sei hier die amtliche Handelsklassenstatistik des Landes Nordrhein-Westfalen angeführt. In diesem Bundesland, wie in anderen
auch, wird Milchviehhaltung sowohl
auf reinen Grünlandstandorten als
auch in Acker-/Grünlandmischgebieten durchgeführt.
Der Eindruck täuscht nicht. Die
Klassifizierung der milchbetonten
rot- und schwarzbunten Schlachtkühe und Färsen ist in den letzten Jahren schlechter geworden. Das gilt sowohl für die Handelsklasseneinstufung als auch für die Schlachtgewichte. Die Gründe sind nachvollziehbar. Die Zucht auf „Milchadel“ Tabelle 1: Schlachtkühe: Klassifizierung und Schlachtgewichte
hat zu einer wohl noch rahmigeren, gemäß amtlicher Notierung in Nordrhein-Westfalen
aber umsatzbetonten Milchkuh geführt. Fleischansatz ist in diesem Fall Handelsklasse Schlachtkühe Ø- Schlachtgewicht warm Kuhschlachtungen relativ
R3
368 kg
3,8 %
nicht gefragt; er ist physiologisch soO3
332 kg
33,7 %
gar unerwünscht. Diese Kühe haben
ein enormes FutteraufnahmevermöO2
302 kg
10,8 %
gen; selbst über 50 kg FrischsubsP3
279 kg
4,8 %
tanzaufnahme pro Tag sind schnell
P2
266 kg
13,5 %
erreicht. Wenn solche Kühe, die
P1
242 kg
21,2 %
nicht genüchtert wurden, ans
87,8
%*
Schlachtband kommen, sinkt nach
*
Rest:
Handelsklassen
Schlachtkühe:
U2,
U3,
R2,
R4,
O4
Blutentzug, Organentnahme inklu-
Vorab: Die Schlachtkühe aus den
reinen Grünlandgebieten sind deutlich leichter als aus den Ackerbauregionen und erreichen in der Mehrzahl nur die Handelsklassen „P“. Die
Maissilage und oft auch energiereichere Grassilagen aus Niederungen
sind in den Grundfutterrationen
kaum zu ersetzen!
Klassifizierung
ist gewichtsabhängig
Im Grunde erfolgt die subjektive
Einstufung in die Handelsklassen
durch den neutralen Klassifizierer
immer noch nach dem alten DLGSchnittführungsschema vergangener Jahrzehnte. Würde sie in
„Reinform“ angewandt, wäre der
Anteil der P-Kühe noch höher.
Denn wo findet sich bei den HFMilchkühen noch ein nennenswerter Keulenansatz? Und wenn die
Kuh am Haken hängt, zieht sich die
schwach ausgeprägte Keule noch
weiter nach innen. Trotzdem, theoretisch müsste es leichte Kühe mit
guter Klassifizierung geben. Aber
das Gewicht beeindruckt eben
auch den neutralen Sachverständigen. Jedenfalls zeigt die Praxis ein
klares Bild (Tabelle 1).
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