Hauptsache: Haare

Hauptsache:
Haare
Leipzigs beste Friseure setzen auf überdurchschnittlichen Service
Sie sind Schönheitsberater, Handwerker, Vertraute und
Pychologen in Personalunion – Friseure. Allein über Leipzig
sind 869 Salons verstreut, die sich um Kopf und Seele der
Kunden kümmern. Bei den Meistern der Schere kommen
die Gäste nicht nur optisch auf ihre Kosten. Leipzig Exklusiv
hat bei drei Top-Coiffeuren der Stadt vorbeigeschaut, die
sich mit Haut und Haaren der Hauptsache widmen.
N
üchtern betrachtet sind sie nichts weiter als ein
Gemisch aus Keratin, ein paar Mineralstoffen,
Wasser und Fett – unsere Haare. Würden wir sie
nicht schneiden lassen, hätten sie eine Länge von etwa 107
Zentimeter, bevor sie ausfallen. Da leuchtet es ein, dass man
vorher lieber jemanden an den Schopf lässt, der sich damit
auskennt. Darum gehen auch 70 Prozent der Bevölkerung
regelmäßig zum Friseur. Vor allem beim Thema Frauen
und ihre Frisuren wird es heikel. Da wird beim Gang zum
Haarestutzen nicht selten einiges an Adrenalin durch den
Körper gepumpt. Um jeden Zentimeter Haar wird mitunter
gefeilscht, die Mähne muss nach der Überholung perfekt
sitzen. Fehler beim Schneiden, Färben und Co. verzeihen die
allerwenigsten. Ganze Salons wurden in der Vergangenheit
schon von verschnittenen Kundinnen in Rage verwüstet,
Anwälte schlagen sich regelmäßig mit Schadensersatzklagen
herum, weil die einstige Haarpracht nach verunglückten
Blondierungen wie Neuschnee herunterrieselte oder
ungewollte Schneisen statt Lockenpracht auf dem Kopf
alle Blicke auf sich zogen. Friseurbesuche sind eine haarige
Angelegenheit, die Angst vor der Schere wie dieselbe vor
dem Zahnarzt bei Weitem keine Seltenheit. Kein Wunder:
Im Mittelalter zogen Friseure ja auch Zähne. Da nannte
sich der Berufsstand allerdings noch Bader – lang ist’s her.
Die Friseurkunst von heute hat allerdings auch nichts mehr
mit tosenden Trockenhauben, ziependen Kämmen oder
betonierendem Haarspray zu tun, wie es etwa noch in den
Siebzigerjahren der Fall war. Heute stehen Schlagwörter
wie „individuelle Looks“, „typgerecht“ und „passend zum
Lifestyle“ im Raum. Überhaupt: Selbst das Wort Friseur
ist mittlerweile ein alter Zopf. Hairstylist nennt sich der
Figaro von heute. Und bei ihm ist der Kunde auch nicht
einfach ein Kunde, sondern Gast. Wenn nicht sogar Freund,
denn das Verhältnis zum Coiffeur des Vertrauens geht
nicht selten ins Intime. Nicht nur, weil das Fuhrwerken
am Allerheiligsten ohnehin Vertrauen voraussetzt. In der
Zeit auf dem Frisierstuhl wird bei Waschen, Schneiden,
Föhnen so manche Neuigkeit von Brisanz, wenn nicht
sogar das eine oder andere Geheimnis weitergegeben.
Kaum verwunderlich, wenn die Friseurgeschäfte für
anspruchsvolle Kunden oft auf Behaglichkeit setzen
und folglich große Scheibenflächen vermeiden, hinter
denen die Kundschaft ganz gerne mal wie Fischlein im
Aquarium von Passanten beäugt wird. Auch auf furiose
Wortspielereien, die Friseurgeschäfte zu oft mit Namen
wie „GmbHaar“, „VorHair – NachHair“, „HairGott“ oder
„Dirty Hairy“ brandmarken, verzichten Leipzigs namhafte
Salons. Wer etwas auf sich hält, betitelt sein Geschäft in
den meisten Fällen mit seinem Klarnamen – nicht nur ein
Balsam für Auge und Ohren, sondern in erster Linie ein
Versprechen für Qualität und Ambition: Rathgeber-Stengl,
Strese, Ponater, Seemann & Köhler, Streitberg, Bergmann,
Trostdorf, Reimann & Reimann ...
Ein wirkliches Kleinod befindet sich in Leipzigs
Vorzeige-Adresse. In der Rotunde der MädlerPassage, direkt über dem Glockenspiel aus Meißener
Porzellan, versteckt sich die Frisierstube mit Namen
J. C. Woyzeck. Zugegeben, hier ist die Ausnahme von
obiger These, denn hier frisiert natürlich nicht Johann
Christian Woyzeck persönlich. Jener Perückenmacher
und Namensgeber des Salons wurde 1824 bei der letzten
öffentlichen Hinrichtung innerhalb Leipzigs wegen des
Mordes an seiner Geliebten auf dem Markt enthauptet und
diente damit als historische Vorlage für Georg Büchners
„Woyzeck“. Wer durch die vornehme Ladenstraße flaniert,
wird allerdings höchstens bei gewissenhafter Lektüre
des Messingschildes am Aufgang D auf den Figaro unter
der gläsernen Kuppel aufmerksam. Laufkundschaft?
Fehlanzeige! „Neben der Lage in der Innenstadt war das mein
Hauptkriterium bei der Ladensuche“, schmunzelt Inhaber
Dirk Stötzner, der sich im Alleingang im J. C. Woyzeck
der Freunde des guten Haarschnitts annimmt. Warum der
Maître absolut keinen Wert auf Zufallskundschaft legt, ist
schnell erklärt: „Solchen Leuten ist es doch gelinde gesagt
egal, wohin sie zum Friseur gehen.“ Und dass sein Stübchen,
das schon vor seiner Zeit einen Friseursalon beherbergte,
bei dem 40-Jährigen eine ganz besondere Stellung hat,
steht außer Frage. Hier wurde bei der Einrichtung
noch selbst Hand angelegt, statt auferlegten Trends
hinterherzuhecheln. Ein gehöriger Hauch von Nostalgie
liegt in der Luft, gewürzt mit der Schärfe von Extravaganz.
Klassik und Kitsch reichen sich die Hände – und vertragen
Foto s: Chr is tian Mo dla ( 4), D C Leipz ig, Jan Ko bel/A rn stadt
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Handarbeit: Artistic Director Jana Martin gehört zu Leipzigs Top-Friseuren.
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sich dabei ganz hervorragend: Antiquitäten wie eine alte
Ladenkasse, hier und da Vogelkäfige und natürlich die im
Fenster thronende Barbie-Sammlung, von der ab und an
Schuhe und Outfits mit der Kundschaft getauscht werden.
Gediegen und trotzdem urgemütlich geht es zu. Beinahe zu
jedem Stück hat Stötzner eine Geschichte auf Lager: Die
Friseurwand aus dunklem Holz ist beispielsweise nicht auf
retro gemacht, sondern tatsächlich eine Maßanfertigung
aus dem Jahr 1921. „Ein Ebay-Schnäppchen, das unter der
falschen Kategorie eingestellt war“, erzählt er und kommt
ins Plaudern. Als er sie in Adorf bei Chemnitz ausbauen
wollte, sei der Vorbesitzer wegen
einer
durchzechten
Nacht
unverschämt spät aufgetaucht.
„Als
Wiedergutmachung
konnte ich alles aus dem
Friseurladen
mitnehmen,
was mir gefiel“, krümmt sich
Stötzner vor Lachen und nimmt
einen genüsslichen Zug aus
seiner E-Zigarette. Noch eine Besonderheit des Woyzecks:
Hier darf sich jeder, dem es danach ist, mit aufgetragener
Färbung, Strähnchenhaube und Co. erst einmal auf die
Couch fläzen, um es sich bei „Käffchen und Zigarettchen“
gemütlich zu machen. Während Kylie Minogue leise aus
dem Schrankradio säuselt, wird in aller Ruhe geschwatzt.
Und wenn es der Zufall will, nimmt in der Zwischenzeit
der eine oder andere RB-Fußballer auf einem der alten
Frisiersessel Platz.
Dabei sei er zum Friseurberuf gekommen wie die Jungfrau
zum Kinde, gesteht Stötzner. In fettige Haare habe er
nie fassen wollen. Eine speckige Matte haben heute die
allerwenigsten Kunden, von der guten Ausbildung profitiert
er hingegen noch immer. „Das war noch ganz alte Schule.
Den ganzen Tag wurden Haare geschnitten, so habe ich
das Handwerk von der Pike auf gelernt.“ Der Meister
weiß um sein Können, mangelndes Selbstvertrauen ist ihm
charakterfremd. Als Dienstleister im herkömmlichen Sinne
sieht sich Stötzner ohnehin keineswegs. Den lieben langen
Tag Kunde um Kunde abzufertigen, sieht das Konzept
nicht vor, sofern es denn
überhaupt je eins gegeben hat.
50 Kunden müsste er im Monat
die Haare schneiden, um allein
die Kaltmiete in der vornehmen
Lage zu erwirtschaften. Doch der
einzigartige Ruf des Stübchens
lässt das dortige Telefon (mit
Wählscheibe und Schnur) sehr
viel öfter schnarren. Aber im Woyzeck muss es einfach
menschlich passen – Grundsympathie zwischen Friseur
und zu Frisierenden wird nicht verhandelt. Kunden werden
sowieso ausschließlich mit Vornamen in den Kalender
eingetragen. Es verwundert daher kaum, dass Stötzner ganz
gern mal bei der Kundschaft selektiert, wenn die geäußerten
Frisurenwünsche dem Experten die nicht vorhandenen
Haare zu Berge stehen lassen. Wird ein Gespräch mit „Mit
mir kann man alles anstellen, nur Arbeit darf die Frisur
nicht machen“ eröffnet, ist die Wahrscheinlichkeit, dass
die Schere zum Einsatz kommt, gering. Gleiches gilt beim
Wunsch nach Radikalveränderungen oder fragwürdigem
Tricolor-Look. Stötzner mag ein bunter Vogel sein, seine
Arbeit ist hingegen klassisch. „Wenn weder der Kunde noch
»Wenn es mir gut geht,
geht es ja auch dem
Kunden gut.«
Wer auch immer sich in Stötzners Hände begibt, bekommt
mehr als nur schöne Haare. Was sich in anderen Salons
Termin nennt, ist im Woyzeck ein Besuch, bei dem es
als angenehmen Nebeneffekt eben eine gute Frisur gibt.
Leipziger Unikat: Dirk Stötzner in seinem Salon J. C. Woyzeck.
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Ganz oben: Beim Besuch der Frisierstube J. C. Woyzeck ist der Ausblick in die Mädler-Passage inklusive.
ich am Ende glücklich wären, ist keinem gedient. Warum
also Zeit verschwenden?“ Wie viele Menschen pro Tag in
den Genuss seines Könnens kommen, hängt von vielen
Faktoren ab: Lust, Wetter, Laune. „Mir muss es hier in
erster Linie gefallen, schließlich bin ich im Schnitt zehn
Stunden im Laden“, bringt es Dirk Stötzner auf den Punkt
und fügt lakonisch hinzu: „Wenn es mir gut geht, geht es ja
auch dem Kunden gut.“ Und der ist neben dem Herrn der
Haare schließlich König dort oben in der Kuppel über dem
berühmten Glockenspiel.
Um sich in Eigenregie fremdem Haarputz widmen zu
dürfen, bedarf es heutzutage einer Ausbildung von drei
Jahren. „Nicht verwunderlich, wenn Lehrlinge die ganze
Zeit Haare kehren, Kaffee kochen und vielleicht einmal
die Woche einen Schnitt üben dürfen“, mahnt Stötzner
kritisch. Trotzdem ist Friseur
noch immer der beliebteste
Ausbildungsberuf
unter
Mädchen. „Allein im letzten
Jahr gab es 116 neue Lehrlinge
in Leipzig, davon sogar 15
Jungen. Insgesamt
werden
nur mehr KfZ-Mechatroniker
ausgebildet“, erzählt Andrea
Wolter, Pressesprecherin der Handwerkskammer zu
Leipzig. Nicht zuletzt die Einführung des tariflichen
Mindestlohns, der ab August deutschlandweit in Kraft
tritt, hat das Friseurhandwerk endlich aus der Ecke der
ewigen Niedrigverdiener geholt. Das Image der Branche
habe sich seitdem erheblich gebessert, zeigt sich auch
der Zentralverband des deutschen Friseurhandwerks
zuversichtlich. Doch wer erfolgreich am Markt bestehen
und sich von der schneidenden Konkurrenz abheben will,
braucht mehr als seinen Meister. Diese Prüfung wurde
im vergangenen Jahr in Leipzig zwar von 30 Absolventen
erfolgreich abgelegt, wie Wolter zu berichten weiß, doch
auch in dieser Branche sind Ideen und Konzepte mit
dem gewissen Etwas gefragt, gerade wenn das gehobenere
Klientel bedient werden soll. Der Sättigungsgrad ist hoch,
die Zahl der Friseursalons in Deutschland wird auf etwa
80 000 geschätzt, das wäre ein Laden pro 1000 Einwohner.
Zur Top-Adresse wird niemand über Nacht, dahinter steht
ein Konglomerat aus Klasse, Qualität, Stil und Innovation.
Und wer suchet, der findet – und zwar in Markkleebergs
Hauptmagistrale. Hier hat Jana Martin vor vier Jahren mit
dem jüngsten Salon der Unternehmensgruppe Hair by
Hentschel ein Refugium für all jene geschaffen, die Wert
auf hervorragenden Standard setzen – angefangen bei ihren
Mitarbeitern bis hin zu den hochwirksamen Produkten
auf Pflanzenbasis von Aveda.
In der ehemaligen Schneiderei,
wo früher Stoffe geschnitten
wurden, stutzen die Scheren seit
2011 nun die Haarpracht der
Markkleeberger – und Leipziger.
Denn über den gewöhnlichen
Friseurbesuch, bei dem das
Verwöhnprogramm
beim
kredenzten Kaffee beginnt und gleichzeitig auch endet, geht
ein Termin bei Martin meilenweit hinaus. So etwas verbreitet
sich lauffeuergleich. „Wir legen hier besonderen Wert auf
eine ganzheitliche Beratung“, erzählt die 31-jährige. Dabei
wird umfassend analysiert, welcher Typ Mensch auf dem
Frisierstuhl Platz genommen hat, welcher Kleidungsstil
präferiert wird – und natürlich, wie der Gast selbst wirken
will. „Die gesamten Informationen geben Impulse, die im
Anschluss zu einem Werk gebündelt werden“, versucht
»Im höherpreisigen
Segment ist Service
einfach unerlässlich.«
Martin zu beschreiben, wie der finale Look jedes Mal vor
ihrem geistigen Auge entsteht. Das „Sich-Reinfühlen“
sei die Essenz des Ganzen. Damit ist allerdings nicht das
Nachfragen gemeint, ob die Wassertemperatur angenehm
ist oder ob es noch ein Glas Wasser zur Gala-Lektüre
sein darf. Hier werden tatsächlich Rituale praktiziert, die
Bestandteil einer „Sinnesreise“ sind. Klingt gut und fühlt
sich noch besser an: Mit ätherischen Ölen werden Kopf-,
Schulter- und Nackenbereich massiert, um zu „entstressen“.
Danach beginnt die Typ-Optimierung. Wirkt beispielsweise
Farbe ein, gibt es Handmassagen statt Regenbogenpresse.
Haarwäsche ist hier nicht gleich Haarwäsche: Nicht wenige
hoffen dabei, dass sich Shampoo, Spülung und Farbe
besonders schlecht auswaschen lassen, damit sie noch länger
in den Genuss der speziellen Massagegriffe kommen, die
dabei angewendet werden. Spricht Artistic Director Martin
von einer Art „Day Spa“ ist das keineswegs übertrieben,
denn nachdem das Haar sitzt, gibt es noch einen „Finishing
Touch“ – eine Auffrischung des Make-ups. Selbst bei
der Platzierung im Laden wird penibel darauf geachtet,
dass Gast und Stylist unter sich sind, damit der Fokus
des Besuchs ganz auf dem gemeinsamen „Projekt“ liegt.
Alles gemäß dem Motto „Very personal hairstyling“. „Im
höherpreisigen Segment ist Service einfach unerlässlich“,
ist die Haarvirtuosin überzeugt. Und das keinesfalls nur
im Umgang mit Stars und Sternchen wie Cheryl Shepard,
Mareile Höppner oder Susanne Klehn, die Hair by
Henschel regelmäßig willkommen heißt. „Jeder Kunde wird
ein paar Tage später angerufen, damit wir die Möglichkeit
haben, bei Unzufriedenheit schnell zu reagieren“, erzählt
die gebürtige Thüringerin. Die Angst vor Reklamationen ist
unangebracht: Es sei eine Chance, eventuell noch einmal
Hand anzulegen und den Kunden zufriedenzustellen.
Außerdem schaffe eine solche Extraleistung Vertrauen.
Martin verlangt viel von ihren Mitarbeitern – und sich
selbst. Wer bei und mit ihr arbeitet, soll mit Leidenschaft,
mit Inbrunst am Werk sein. Für sie selbst ist der Beruf
Berufung und hört nicht nach Feierabend auf. So hatte die
Wahl-Leipzigerin Ende letzten Jahres beim Europäischen
Filmpreis in Riga einiges von Rang und Namen über einen
Kamm geschoren. „Das war wirklich lustig, eine ganz
andere Welt. Vor allem sieht man dabei ganz wunderbar die
Liftingnarben so mancher Damen“, lächelt sie vielsagend.
Namen will sie keine nennen. Für Martin sind sie nicht
wichtig, sie will wertvolle Erfahrungen sammeln, Input
aufsaugen. Gleiches gilt für die Fashion Week Berlin, bei
der sie zweimal im Jahr Models wie Lena Gercke oder
Franziska Knuppe onduliert und stylt. Wer Aufträge wie
diese mit Hang zum Jetset gleichsetzt, geht auf Irrwegen.
„Sieben Shows in drei Tagen – das ist ein wirklich straffes
Programm.“ Eigene Kreationen kommen auf solchen Events
kaum zum Tragen, da die Stylings vorher entworfen und
genau umgesetzt werden müssen. Ihre eigene Handschrift
bringt Jana Martin an anderer Stelle ein. In diesem
Jahr wurde ihr mit dem German Hairdressing Award
erneut der Ritterschlag der deutschen Friseurbranche
erteilt. Eine größere Wertschätzung seiner Arbeit gibt
es für einen deutschen Friseur nicht. Wer die Trophäe in
diesem Fotowettbewerb erhält, bei dem in verschiedenen
Kategorien das eigene kreative Können mittels Bildern
präsentiert wird, hat sich unter Tausenden Einsendungen
deutschlandweit behauptet. Die Konkurrenz ist stets riesig,
Martins Freude über den diesjährigen Gewinn in der
Kategorie Herren war sicher riesiger. Die vier Fotos, mit
denen sie ins Rennen ging, waren unübertroffen. Mal wieder,
Preisverleihung: In diesem Jahr setzte sich Jana Martin (im Minikleid) zum dritten Mal beim German Hairdressing Award gegen
Deutschlands beste Friseure durch – diesmal in der Kategorie „Herren“.
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könnte man fast sagen, denn den „Oscar der Haarbranche“
nahm die Top-Stylistin schon zweimal zuvor entgegen.
Eines der diesjährigen Siegerfotos ziert übrigens den
Titel dieses Magazins. Und apropos Männer: Auch wenn
die Nachfrage nach Friseurdienstleistungen heutzutage
zu großen Teilen auf den gestiegenen Stellenwert von
Schönheit zurückzuführen ist, gehen die Herren der
Schöpfung mit 68 Prozent fast genauso regelmäßig zum
Coiffeur wie das schöne Geschlecht mit 71 Prozent.
Überhaupt haben Männer haartechnisch sehr wohl einiges
vorzuweisen, auch wenn 50 Prozent der über 50-Jährigen
zur Glatzenbildung neigen: Das längste bisher gemessene
Haar wuchs nicht bei Rapunzel, sondern auf dem Kopf eines
vietnamesischen Herrn und war
6,8 Meter lang. Und um noch
eine Lanze fürs Männerhaar zu
brechen: Eine abgeschnittene
Haarlocke von King Elvis
brachte bei einer Auktion 2009
stattliche 18 300 Dollar ein. Für
ein einzelnes Haar vom Pilzkopf
des Ex-Beatles John Lennon
griff wiederum ein Fan aus Hongkong ziemlich tief in die
Tasche: 3460 Euro zahlte der 2004 auf einer Auktion in
Spanien.
den Sinn kommen. In die Gründerzeitvilla am Rande
des Clara-Zetkin-Parks hatte sich Inhaberin Fox-Georgi
schon vor Jahren verliebt, lag das Anwesen doch auf dem
Arbeitsweg in ihren ersten Salon, mit dem sie 2004 nach
beruflichen Wanderjahren in Leipzigs Könneritzstraße
sesshaft geworden war. Als dieser langsam zu klein und ein
Ortswechsel unumgänglich wurde, ging es in eben jenes
Objekt am Elsterflutbett. Wie selbstverständlich, also ob es
seit jeher so gewesen sei, erstreckt sich der Laden über neun
großzügige Räume. Doch Fakt ist: Silke Fox-Georgi war
mit der Salon-Eröffnung im Erdgeschoss des mondänen
Domizils, dort wo früher ein Immobilienbüro saß,
Vorreiterin, Visionärin und Abenteurerin in einem. „Die
Leute haben mich für verrückt
erklärt“, erinnert sich die
40-Jährige. Dabei sei die Miete
noch immer günstiger als für ein
Geschäft in der Innenstadt mit
gerade mal der halben Größe.
Ein halbes Jahr hätten sie ihr
gegeben. Mittlerweile geht ihr
Konzept dort schon sechs Jahre
auf. So idyllisch die Lage an Leipzigs grüner Lunge auch
ist, Laufkundschaft gibt es hier so gut wie keine. Außer den
schwarzen Fahnen mit dem goldenen Hauswappen, die sich
vor der Sonnenterrasse im Wind wiegen, deutet nichts auf
Figaro Fox-Georgi hin. Der treue Kundenstamm trägt das
gute Renommee ohnehin seit Anbeginn weiter. „Statt Einsa-Lage bieten wir Eins-a-Qualität“, betont die gebürtige
Sächsin. Zeit ist ein Luxus, der hier geboten wird.
»Statt Eins-a-Lage
bieten wir
Eins-a-Qualität.«
In Deutschland dominieren kleine Friseurbetriebe den
Markt. 97 Prozent der Unternehmen haben weniger
als zehn Mitarbeiter, erwirtschaften drei Viertel des
Branchenumsatzes. Mit sechs Angestellten fällt auch
DC Leipzig darunter – zumindest rein zahlenmäßig.
Wer nämlich einmal im Salon von Silke Fox-Georgi war,
dem wird in Anbetracht der Ladenfläche von stattlichen
280 Quadratmetern das Wort klein eher als letztes in
Es geht entschleunigt zu: Ein Termin beginnt nicht
damit, dass dem Kunden noch an der Garderobe der
Frisierumhang übergeworfen wird. Mitnichten! An Stelle
eines Umhangs schützt hier zwar sowieso ein Kimono beim
Hairstyling, bevor es aber so weit ist, geht es zunächst in den
Loungebereich, wo man inmitten antiker Liebhaberstücke
willkommen geheißen wird. Ankommen, in Ruhe einen
vorzüglichen Latte Macchiato genießen, den viele als den
besten der Stadt loben – erst dann geht es los. Zehn Plätze
stehen zur Verfügung, die Verteilung ist so ausgeklügelt
und diskret, dass jeder Gast ungestört umsorgt wird. „Ruhe
ist mir absolut wichtig“, unterstreicht Fox-Georgi eine der
Hauptsäulen ihres Geschäftsmodells. Hektik reimt sich bei
ihr auf Makel. Um hervorragende Ergebnisse zu erzielen,
müsse man sich konzentrieren, so die Hausherrin. Das gilt
nicht nur beim tatsächlichen Handanlegen, sondern auch
und vor allem beim ausführlichen Vorgespräch, in dem das
Ideal für den Kunden herausgefiltert wird. „Aus der Beratung
entsteht einfach alles“, ist die Meisterin der Schere überzeugt.
Alles andere sei technisches Know-how, das nicht zuletzt
in guten Seminaren trainiert werden kann. Auf den Blick
für das mögliche Optimum kommt es an, darin schneiden
Fox-Georgi wie die zwei Maestros, die hier beschäftigt sind,
einwandfrei ab. Farbtypanalyse, Bestimmung der Halslänge
– viele Faktoren werden zu Rate gezogen. Zum Trend
Ganzkörper-Programm: italienische Waschliegen mit
Massagefunktion bei DC Leipzig.
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Entschleunigt: Silke Fox-Georgi nimmt sich ausgiebig Zeit für ihre Kunden.
erkorene Looks werden nur ungern stoisch an Mann und
Frau gebracht – schließlich sei der ganze Termin eine Art
Projekt, das ergebnisoffen beginnt, aber mit der Bestnote
enden soll. Dass DC Leipzig ausschließlich ein Laden für
Leipzigs gehobene Einkommensklasse ist, dagegen wehrt
sich die Friseurmeisterin vehement. „Natürlich haben wir
hier Kunden, denen es leichter fällt, dreistellige Beträge
für ihr Styling auszugeben. Andererseits kommen auch
Gäste, die vorher extra Blut spenden gehen oder sich
eine Hose weniger im Monat kaufen, um das Geld in
sich selbst zu investieren.“ Ihre Klientel sei keine „UpperClass“, sondern normale Menschen, die einfach einen
hohen Anspruch an sich selbst haben. Bei Titulierungen
wie „Promifriseur“ schaltet die Chefin grundsätzlich ab,
auch wenn allgemein bekannt ist, dass Brigitte Nielsen
schon bei ihr gewesen ist und sie Andie MacDowell und
Naomi Campbell die Haare in Form gebracht hat. Nie
würde Fox-Georgi damit hausieren gehen. „Wir sind und
bleiben ein klassischer Dienstleister.“ Jedem Kunden wird
der gleiche Service geboten: seien es nun das Glas Prosecco
auf der Sonnenterrasse oder die italienischen Waschliegen,
die eine Haarwäsche ganz nebenbei zum Massagetermin
machen. „Die Preise sind auch nicht willkürlich festgelegt,
sondern anhand von Personal- und Sachaufwendungen
der hier gebotenen Qualität kalkuliert“, stellt Fox-Georgi
klar. Deswegen sei eine Preissteigerung nach Einführung
des besagten Mindestlohns in der Sebastian-BachStraße auch nie Thema gewesen, schließlich beschäftige
sie hochqualifizierte Mitarbeiter, die schon immer
entsprechend entlohnt wurden.
Eine Ausnahme, denn viele Betriebe mit niedrigem
Gehaltsniveau mussten in der Tat um Kundschaft bangen,
da die Personalkostensteigerung einen Preissprung auslöste
– im Freistaat Sachsen sogar um stolze 9,7 Prozent. Der
teuerste Friseur der Welt schnippelt aber immer noch
in London und nennt sich Stuart Phillips. Dort blättert
man für einen Haarschnitt astronomische 35 000 Euro
auf den Tisch. Zugegeben, im Preis enthalten sind
dabei nicht nur das Hairstyling, sondern auch FirstClass-Flug, Limousinenservice und einige Nächte in
Londons bestem Hotel. Der Deutsche gibt sich dann
doch etwas bescheidener: Durchschnittlich sollen Frauen
42 Euro, Männer 16 Euro für einen Friseurbesuch ausgeben.
Wer mit echter Hingabe wie Dirk Stötzner, Jana Martin
und Silke Fox-Georgi ans Werk geht, lässt sich den
Erfolg nicht über den Kopf wachsen. So verwandelt sich
Stötzners Laden zur Leipziger Buchmesse schon mal in
ein Lesestübchen, Martin plant Workshop-Abende, damit
die Kunden ihre Frisuren auch im Alltag selbst perfekt
legen können, und das DC-Leipzig-Team lockt jährlich
das städtische Neujahrssingen aus seinem Habitat, um die
Leipziger Gastronomen und Medienvertreter für ihren
stimmgewaltigen Auftritt optisch auf Vordermann zu
bringen. Ohne Honorar, hier geht es ausschließlich ums
Vergnügen. „Wenn ein Projekt mich reizt, dann mache ich
auch alles möglich“, erklärt Fox-Georgi, die ihre Urlaube
schon mal fernab jeglichen Komforts in der Weite Sibiriens
verbringt oder sich mit Bus und Kajak gen Norwegen
aufmacht. Es ist die Suche nach neuen Herausforderungen,
dem packenden Unbekannten, die sie vorantreibt. So ist
auch eine Expansion in Form eines zweiten Geschäfts
nicht undenkbar. Wie schon am Clara-Zetkin-Park müsse
bei der Lage Köpfchen bewiesen werden, denn auch ein
neuer Standort sollte wieder möglichst untypisch sein.
Am Cospudener See vielleicht, sinniert die Haarkünstlerin.
Konkrete Pläne gibt es nicht, die Zeit wird es zeigen.
Denn die ist ja stets auf der Seite der Friseure: Schließlich
wächst das menschliche Haar täglich zwischen 0,3 und
0,5 Millimetern, wobei Männer- schneller als Frauenhaare
wuchern, und die Haare generell zwischen dem 15. und
30. Lebensjahr am intensivsten sprießen. Für Nachwuchs
ist also gesorgt.
Linda Nieke