42 Top Job Elektronik Forumsgespräch mit drei Preisträgern von »Top Job Elektronik« 981 5 »Und irgendwann stimmen die Zahlen nicht mehr« 31 153 Am 12. Februar wurden in Berlin die diesjährigen »Top Job«-Preisträger gekürt – dabei wurde auch das »Top Job Elektronik«-Siegel vergeben. Mit drei Preisträgern aus unserer Branche und der Top-Job-Veranstalterin Silke Masurat haben wir über den Arbeitsmarkt für Ingenieure diskutiert: Über Erwartungen an Bewerber, Arbeitgeberattraktivität, anspruchsvolle Kandidaten und den Wandel am Arbeitsmarkt. A xel Tripkewitz ist Geschäftsführer der Fujitsu Electronics Europe GmbH. Die 50 Mitarbeiter in Deutschland sind mittelständisch geführt, aber Teil der globalen Fujitsu-Familie. Fujitsu hat bereits mehrmals an Top Job teilgenommen und steht in diesem Jahr als zweitbester Arbeitgeber seiner Größenklasse auf der Siegertreppe. Was die Top Job Jury unter anderem beeindruckte: eine ausgeprägt menschliche Firmenkultur und große Bemühungen um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Stärken bescheinigt die Top Job -Analyse auch dem Führungskonzept: Axel Tripkewitz – bereits seit 1988 im Unternehmen - weist Führungskräften eine Vorbildfunktion zu, die weit über das Fach- liche hinausreicht: »Die Aufgabe von Führungskräften ist es bei uns, Respekt zu vermitteln und Mitarbeiter dazu zu motivieren, über den Tellerrand hinauszuschauen, mitzudenken und Verantwortung zu übernehmen.« Trotz aller bescheinigten Vorzüge beklagt Axel Tripkewitz einen »extremen Fachkräfteman- Anja Müller, Leiterin Human Resources bei der Fritz Kübler GmbH, versucht seit einem halben Jahr vergeblich, drei offene Positionen mit Softwareentwicklern zu besetzen. 6 Trend-Guide Die besten Arbeitgeber 2016 www.elektroniknet.de 2 73 gel«, der sich oft nur per Headhunter beheben lasse. Das »Mekka der Halbleiterei« sei eben in München, und jemanden von München oder Stuttgart nach Frankfurt zu bekommen, »ist schwierig«. Schwierig auch, weil die Anforderungen an die gesuchten Spezialisten nicht mehr dieselben seien, sagt Tripkewitz: »Früher war es extrem schwierig, Entwickler zu finden. Heute suchen wir Ingenieure, die auch noch Kommunikationskenntnisse haben und unsere Produkte dem Kunden erklären können. Das Denken in Lösungen wird komplexer und stärker als früher, wir sind als Lieferant aufgefordert, an der Entwicklung der Lösung mitzuarbeiten«. f der u a s n u n Sie 016 Besuche world 2 8 nd 23 ded embe25d. Februar 2016 | Halle 5 - Sta 23. bis Der Kandidatenteich, in dem alle fischten, sei »absolut überschaubar«. Derzeit sucht Fujitsu Electronics E-Technik-Absolventen als Applikationsingenieure an der Schnittstelle zwischen Soft- und Hardware. »90 Prozent der Mitarbeiter haben bei uns ein Bachelor- oder Master-Studium absolviert«, so Tripkewitz. Anja Müller leitet die Human Resources Abteilung der Fritz Kübler GmbH, Spezialist für Positions- und Bewegungssensorik, Zähl- und Prozesstechnik sowie für Übertragungstechnik. »Wir suchen eher Generalisten mit guter fachlicher Grundlage«, erklärt sie. »Unsere Ingenieure sind breit aufgestellt«. Die Produktpalette erweitere sich ständig und bleibe damit interessant. Ein abgebrochenes Studium ist dabei kein KO-Kriterium, der Fachkräftemangel macht pragmatisch: »Wer kann, der darf«, sagt Müller. Das mittelständische Unternehmen aus Villingen-Schwenningen will vor allem seine Unabhängigkeit bewahren und braucht dazu ein gesundes Wachstum. Lothar und Gebhard Kübler leiten das Familienunternehmen in zweiter Generation. Im Mittelpunkt steht dabei die Kaizen-Philosophie des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses auf allen Ebenen und ein breiter Informationsfluss: Über Strategien, Ergebnisse und andere Neuigkeiten informieren das Intranet, Informationsveranstaltungen und eine eigene Mitarbeiterzeitschrift. Die Firmenleitung geht auf die Wünsche der Mitarbeiter ein und berücksichtigt sie innerhalb des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Große Probleme hat Anja Müller derzeit damit, Software-Ingenieure zu finden: »Spezialisten für Embedded Software sowie hardwarenahe Softwareentwickler mit vier bis fünf Jahren Berufserfahrung. Über ein halbes Jahr hatten wir hier drei Positionen unbesetzt und konnten bis heute erst zwei davon besetzten.« Um den Nachwuchs zu sichern, arbeitet die Fritz Kübler GmbH eng mit den Hochschulen Konstanz und Furtwangen zusammen. »Das gelingt uns im Moment noch gut«, sagt Müller. Den Spezialistenmangel versuche man, mit Nachwuchskräften so gut es geht abzufangen. Aber das funktioniere nicht überall. »Im Außendienst zum Beispiel brauchen wir heute keine reinen Verkäufer mehr, sondern Vertriebsingenieure, die auch technische Informationen an die Kunden weitergeben können. Da hat sich das Berufsbild total gewandelt.« Aber »kommunikative und extrovertierte Ingenieure«, das sei so wie die eierlegende Wollmilchsau. Hilfreich sei zumindest Weiterbildung. »Ingenieure sind dankbar, wenn man sie dabei unterstützt.« Aber echte Lust darauf hätten die wenigsten. Weil diszi- Hightech Bauelemente für Ihre Innovationen. Electronics Worldwide Als einer der führenden Distributoren für elektronische Bauelemente bieten wir Ihnen weltweit ein breites Produktportfolio, kompetente technische Unterstützung bei Produktentwicklung und Design-In, individuelle Logistik-Lösungen sowie umfangreiche Serviceleistungen. Semiconductors Displays & Boards Passive Components Storage Technologies Electromechanical Components Wireless Technologies Informationen zu RUTRONIK: +49 (0) 7231 801-0 | www.rutronik.com Überzeugen durch Leistung www.elektroniknet.de Trend-Guide Die besten Arbeitgeber 2016 Consult | Components | Logistics | Quality 42 981 5 Top Job Elektronik geber zu schärfen, um gegen große Namen am Standort zu bestehen, sagt Silke Masurat von der zeag GmbH. Sie bezeichnet Fälle wie die von Datatec als Klassiker. »Fachkräftemangel gibt es sehr oft in Ballungsräumen.« Axel Tripkewitz, Geschäftsführer von Fujitsu Electronics Europe: »Heute suchen wir Ingenieure, die auch noch Kommunikationskenntnisse haben und unsere Produkte dem Kunden erklären können«. 31 153 plinarische Führungsverantwortung gerade von Ingenieuren oft nicht gewünscht sei, unterstütze man auch die Fachkarriere. Roland Bertler ist Marketingleiter beim Fachdistributor Datatec aus Reutlingen. Seit seiner Gründung 1985 ist der Messgerätespezialist kontinuierlich gewachsen. Dahinter steht die Kultur eines inhabergeführten Familienunternehmens: Beständigkeit, Zuverlässigkeit und Verantwortung – auch den 100 Mitarbeitern gegenüber. Bei Datatec stehe der Mensch im Mittelpunkt, und das Prinzip von gegenseitigem Nehmen und Geben präge das Unternehmen, sagt der Firmengründer und Geschäftsführer Hans Steiner. »Bei uns sitzt man mit dem Chef auf dem gleichen Stockwerk, hat offene Türen, keine Hierarchien«, ergänzt Bertler. »Das müssen wir stärker bewerben.« Die Mitarbeiter profitieren dabei von einem Team, das sich eigens mit der Arbeitgeberattraktivität befasst, um das Engagement der Belegschaft zu pflegen. Durch die Belobigung durch ein Gremium oder die Wahl zum »Jahresmaster« wird Einsatz bei Datatec belohnt. Die Mitarbeiter sind umsatzbeteiligt und erhalten entsprechende Prämien, engagierte Kräfte können zudem an besonderen Seminaren teilnehmen. Außerdem erhalten alle jährlich die Möglichkeit, das Stuttgarter Wissensforum sowie ein externes Seminar »Mitarbeiterenergie« zu besuchen. genwärtig ist. Denn, so die Sicht von Hans Steiner, die Menschen machten den entscheidenden Unterschied, ob ein Unternehmen im Mittelmaß versinke oder ob es zu Spitzenleistungen imstande sei. Datatec sucht schon seit längerer Zeit zwei Ingenieure für den Vertriebsaußendienst. »Und da wir keine Boxenschieber sind, müssen unsere Verkäufer alle einen technischen Background haben, um die Geräte erklären zu können. Unsere Leute gehen auf Messen, halten Vorträge, das Aufgabenspektrum wird immer größer – Präsentieren, erklären, verkaufen. Das zu finden, ist schwer«, weiß Roland Bertler. Da helfe nur, das eigene Profil als Arbeit- Marktgerechte Gehälter zu bezahlen, ist für kleinere Firmen unerlässlich, um Bewerber zu überzeugen. »Unsere Einstiegsgehälter sind moderat. Aber mit 45.000 Euro Einstiegsgehalt für Master-Absolventen falle ich nicht um«, erklärt Müller, ergänzt aber: »Aber natürlich gibt es einen Unterschied zwischen Konzern und Mittelstand.«. Manche Berufseinsteiger hätten Gehaltsvorstellungen, »die wir nicht erfüllen können oder wollen«, sagt Müller, denn nach zwei oder drei Jahren müsse man als Unternehmen noch mal was drauflegen können; mit der Berufserfahrung schnelle der Wert des Mitarbeiters in die Höhe. »Da muss man als Unternehmen mitgehen, sonst verliert man sie an die Konkurrenz«, weiß Müller. Das Gehalt bei Fritz Kübler orientiere sich an der Arbeitsaufgabe und werde nach einem halben Jahr Einarbeitungszeit projektbezogen vereinbart mit individuellen Zielen und variablen Anteilen. Auch Axel Tripkewitz weiß um die Notwendigkeit, marktgerechte Gehälter anzubieten. »Gute Leute haben eine extreme steile Lernkurve. Manche ziehen nach drei Jahren Berufserfahrung gleich mit anderen, die bereits fünf bis sieben Jahre Erfahrung haben. Die müssen die Gehaltssprünge mitmachen, sonst werden sie abgeworben.« Die Aufgabe sei es, solche Kandidaten möglichst früh zu identifizieren und Ihnen herausfordernde Aufgaben und persönliche Unterstützung durch den Roland Bertler ist Marketingleiter beim Fachdistributor Datatec aus Reutlingen. »Wir sind zwar klein, aber haben einen besonderen ’Spirit‘. Freude und Werte werden bei uns groß geschrieben«. So soll die Vision 2020 »Wissen teilen, mit Freude erleben, Werte schaffen« verwirklicht werden, indem sie beispielsweise mit einer Projektion, die Fokustrends aufgreift, oder als Bildschirmhintergrund auf allen Rechnern ge- 8 Trend-Guide Die besten Arbeitgeber 2016 www.elektroniknet.de 2 73 Silke Masurat leitet die zeag GmbH, den Veranstalter von »Top Job«. Sie sagt: »Um gegen große Namen bestehen zu können, hilft nur, das eigene Profil als Arbeitgeber zu schärfen«. Chef zu bieten. »Dann schafft man es, gute Leute nicht zu verlieren«, erklärt Tripkewitz. Ein weiterer wichtiger Punkt für Arbeitgeberattraktivität ist Weiterbildung als Investition in den Mitarbeiter. Anja Müller: »Es geht darum, Entwicklungsmöglichkeiten anzubieten. Wir haben zum Beispiel Nachwuchsprogramme oder »Action Learning« in Form von realen Projektaufgaben. Dazu bieten wir die passenden Schulungen, auch für Soft Skills – eine Win-win-Situation«. Die Employability des Mitarbeiters zu sichern, ihn einsetzbar im Sinne der Unternehmensstrategie zu halten, ist für Axel Tripkewitz einerseits eine klassische Managementaufgabe, andererseits auch eine Bringschuld des Mitarbeiters: »Jeder ist seines Glückes Schmied.« Ist eine niedrige Fluktuationsrate ein Gradmesser für hohe Mitarbeiterzufriedenheit? Da zeigt sich Anja Müller skeptisch: »Trägheit täuscht oft Zufriedenheit vor«, weiß sie. Wer unzufrieden sei, wechsele nicht gleich den Job. Das weiß auch Silke Masurat. »’Korrosive Energie‘ treibt gute Leute weg, die Trägen bleiben«. Im Rahmen von Top Job wird deshalb die ’organisationale Energie‘ eines Unternehmens gemessen, um gezielt den Hebel ansetzen zu können. Der größte Fehler sei, schlechte Ergebnisse einfach in der Schublade verschwinden zu lassen. Das vergrößere die korrosive Energie noch. Unzufriedenheit falle nicht von heute auf morgen auf, wie Axel Tripkewitz erklärt: »Es fängt damit an, dass die Leute unzufrieden sind. Und irgendwann stimmen die Zahlen nicht mehr.« www.elektroniknet.de Bei Datatec hingegen fällt nichts unter den Tisch. Die Teilnahme an Top Job sei für das Unternehmen als »Spiegel« wertvoll, wie Bertler erklärt. Aber auch die Außendarstellung sei wichtig. »Wir wollten natürlich auch das Siegel gewinnen. Dadurch wird positiv über uns geredet. Denn schließlich sei Personalmarketing nur nachhaltig, wenn die Außendarstellung mit der Unternehmenskultur übereinstimmt. Da sind sich die Diskutanten einig. Auf Arbeitgeberbewertungsportalen werde ein Missverhältnis sonst schnell korrigiert. »Man sollte sich nach außen nicht anders verkaufen, als man ist«, ergänzt Roland Bertler. Die Flexibilisierung der Arbeitswelt ist derzeit in aller Munde. Wie weit sind die Unternehmen bereit zu gehen? Bertler: »Die Frage lautet ’Was macht dich glücklich‘? Wir müssen uns dem Thema öffnen und die Mitarbeiter fragen. Wobei jedem Mitarbeiter andere Dinge wichtig sind: Der eine will mehr Elternzeit, der andere ein Sabbatical, der nächste private Postsendungen an den Arbeitsplatz. Auch Anja Müller setzt auf flexible Arbeitszeiten. »Wir versuchen, wegzugehen von der reinen Kernzeit-Diskussion und den Teams selbst mehr Verantwortung und Flexibilität zu geben, ohne die Serviceleistung und Ansprechbarkeit für den Kunden zu beeinträchtigen.« Der Teamgedanke lasse sich auch auf andere Bereiche übertragen. Für Silke Masurat ist das der Schlüssel: »Wo will das Unternehmen hin, wo will mein Team hin, wo ist meine Aufgabe? Wenn man sich als Teil des Teams versteht, regelt sich vieles von alleine.« (sc) ■ Trend-Guide Die besten Arbeitgeber 2016
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