Interview Bea Heim - Pro Senectute Solothurn

Das Alter: Neuer Abschnitt, neue Chance
Bea Heim spricht über ihren Werdegang, ihre Familie, ihre Anliegen in der Politik
Bea Heim, Nationalrätin und Präsidentin Pro Senectute Kanton Solothurn
Interview: Jean-Pierre Simmen
J.S.:
Bea Heim, ich möchte zu Beginn einiges zu Ihrem bisherigen Lebensweg erfahren.
Bea Heim:
Gerne. Was möchten Sie wissen?
J.S.:
Wo sind Sie aufgewachsen?
Bea Heim:
Ich bin in Aarau geboren und aufgewachsen, zusammen mit einer älteren Schwester.
J.S.:
Sie besuchten alle Schulen in Aarau?
Bea Heim:
Ja, nach der Primar- und Bezirksschule die Kanti Aarau mit Maturaabschluss in Latein und
Hebräisch.
J.S.:
Dann wechselten Sie an die Universität.
Bea Heim:
An die Uni Basel. Dort studierte ich Medizin, wir heirateten während des Studiums. 1 ½
Jahre vor dem Staatsexamen kam unser erstes Kind zur Welt. Da uns die notwendige
Infrastruktur fehlte, um gleichzeitig Mutter und Studentin zu sein, musste ich das
Medizinstudium abbrechen. Vorerst widmete ich mich ganz der Familie. Später wechselte
ich die Studienrichtung und schloss an der Universität im Fach Biologie ab. Mit dem dritten
Kind im Bauch schloss meine Ausbildung für meinen Beruf als Rhythmiklehrerin und
Heilpädagogin ab.
J.S.:
Und diesen Beruf übten Sie dann auch aus?
Bea Heim:
Ja dabei geht es um die Förderung von Kindern im Kindergarten- und frühen
Primarschulalter, die ein sprachliches Defizit haben. Die Kombination von musikalischer
Früherziehung und heilpädagogischer Rhythmik setzt auf „Sprachförderung durch
Bewegung“.
J.S.:
Was verraten Sie uns über Ihre Familie?
Bea Heim:
Ich darf sagen, dass mein Mann und ich in einer schönen Partnerschaft leben, geprägt von
gegenseitiger Wertschätzung. Er schätzt mein Engagement in der Politik sehr, er hat es
immer bereichernd gefunden, dass beide aktiv sind. Und wir sind mächtig stolz auf unsere
Tochter und unsere beiden Söhne.
J.S.:
Reden wir doch jetzt von Politik. Sie haben erste politische Erfahrungen in Starrkirch-Wil
gemacht, 1989 wurden Sie auf Anhieb in den Kantonsrat gewählt, 1999 waren Sie
Kantonsratspräsidentin und, bald darauf, Präsidentin der Gesundheitskommission.
Bea Heim:
Ja, das war eine schöne Zeit. Ich fühlte mich nahe bei den Menschen. Wichtig war mir der
direkte Draht zur Regierung. Besonders schätzte ich auch die Kontakte zu den Unternehmern; vor allem, weil mir die Sicherung von Arbeitsplätzen ein zentrales Anliegen ist.
Die Politik beschäftigte mich immer intensiver. Ich wollte als Politikerin die Zusammenhänge
immer besser verstehen, deshalb besuchte ich an der Universität Basel eine Weiterbildung
in Wirtschaft und Recht.
J.S.:
Im Jahr 2003 wurden Sie als Vertreterin der SP des Kantons Solothurn in den Nationalrat
gewählt. Sie haben in unzähligen Gremien und Kommissionen mitgearbeitet. Unter
anderem sind Sie Mitglied in der Sozial- und Gesundheitskommission. Das ist ja wohl kein
Zufall.
Bea Heim:
Nein, es ist für mich ein willkommenes Privileg, in dieser Kommission mitzuarbeiten,
weil dort viele meiner Anliegen zur Sprache kommen.
J.S.:
Zum Beispiel?
Bea Heim:
Die Gesundheitspolitik liegt mir sehr am Herzen. Wir sind daran, unser Gesundheitswesen aus qualitativer und ökonomischer Sicht zu verbessern; insbesondere muss die
medizinische und pflegerische Versorgung für die Zukunft sichergestellt werden. Aber in
der politischen Realität haben wir zu wenig Grundlagen für tragfähige Lösungen. Deshalb
engagiere ich mich für eine wissensbasierte Gesundheitspolitik.
J.S.:
Wo setzen Sie Ihre Akzente in der Alterspolitik?
Bea Heim:
Die Alterspolitik des Bundes ist zu stark auf die ökonomischen Faktoren fixiert. Die
Politik tut zu wenig, damit den Seniorinnen und Senioren Wertschätzung und
gesellschaftlichen Anerkennung entgegengebracht wird. Das Alter ist ein neuer
Abschnitt, eine neue Chance. Die Politik sollte viel stärker die Ressourcen nutzen und
verstärken, welche ältere Menschen mitbringen. Die Verkümmerung dieser Ressourcen
und die damit verbundene gesellschaftliche Isolation und Diskriminierung führen viele
alte Menschen in schwierigste Situationen und führen europaweit in beunruhigendem
Masse auch zu Süchten und Suiziden.
J.S:
Und wie könnte man die Seniorinnen und Senioren besser integrieren?
Bea Heim:
Das Wichtigste ist, sie nicht auszuschliessen. Mir scheint manchmal ihr Wissen und ihre
Erfahrungen wie ein Schatz, den die Gesellschaft noch nicht entdeckt hat. Die Aufgabe
der Politik ist es, gute Rahmenbedingungen schaffen, damit die älteren Menschen
möglichst lange autonom, gesund und in ein soziales Netz eingebunden bleiben.
Wichtig ist dabei eine neue Beschäftigungspolitik. Es gibt so viele Arbeiten und
Aufgaben. Die Gesellschaft ist auf die Leistungen und Unterstützung von älteren
Menschen angewiesen. Doch fehlt es an entsprechenden Strukturen. Die Politik ist hier
gefordert. Ich plädiere für eine Flexibilisierung des Rentenalters, so dass ältere
Arbeitnehmende autonom entscheiden können, ob sie weniger lange oder eben länger
arbeiten wollen. .
J.S.:
Sie sind seit 20 Jahren im Stiftungsrat Pro Senectute Kanton Solothurn, seit 19 Jahren
als Präsidentin. Warum ist Ihnen die Pro Senectute ein Anliegen?
Bea Heim:
Weil Pro Senectute nicht vom Klischee ausgeht „Alter = Zerfall“; vielmehr werden die
älteren Menschen so begleitet und unterstützt, dass sie möglichst lange autonom,
gesund, sozial eingebunden und materiell gesichert leben können; dass sie sich
möglichst lange an den positiven Seiten des Alters freuen können, möglichst lange ihre
eigenen Ressourcen einbringen und nutzen können. Pro Senectute setzt dieses
Programm breitflächig mit Bildungs- und Sportangeboten aber auch mit der Möglichkeit
in Projekten und Dienstleistungen zu engagieren. Deshalb versuche ich, diese
Institution nach Kräften zu unterstützen.
J.S.:
Welches sind in Ihren Augen die Stärken der Pro Senectute Kanton Solothurn?
Bea Heim:
Eine ganz grosse Stärke sehe ich darin, dass die Pro Senectute Kanton Solothurn ihre
Dienstleistungen rollend an die Bedürfnisse der älteren Menschen anpasst. Mit den vier
dezentralen Fachstellen für das Alter ist sie nahe bei den Menschen in den Regionen. Pro
Senectute Kanton Solothurn betreibt zudem im Auftrag des Kantons die Koordinationsstelle Alter und erfüllt damit eine dringend notwendige Aufgabe. Es ist mir ein Anliegen, an
dieser Stelle dem Stiftungsrat, der Geschäftsleitung und allen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern für ihre motivierte und qualifizierte Arbeit zu danken.
J.S.:
Frau Heim, ich danke Ihnen für das Gespräch.