Friedhelm Wachs Glaube, Freiheit, Verantwortung - Zum Unternehmer berufen und befreit! Predigt im Unternehmer-Gottesdienst am Pfingstmontag, dem 25. Mai 2015, in der St. Marienkirche zu Berlin Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Draußen dröhnen die Maschinen. Die Turbinen surren und heulen und zeigen das Kommen und Gehen zehntausender Menschen aus aller Herren Länder an. Innen treibt ein Stimmengewirr von A nach B von Z nach C. Geschäftsleute hetzen übermüdet zu Ihren Abflugschaltern, andere lassen sich treiben im Strom der Reisenden. Eine jerusalem'sche Stimmenvielfalt liegt als Klangteppich auf dem Flughafen Frankfurt, ganz wie uns Lukas Jerusalem zu diesem ersten Pfingsten beschreibt: Lärm erfüllte Gassen in einer vielsprachigen Stadt, als die Menschen zusammenlaufen und vor Staunen außer sich geraten. - So berichtet Lukas in seiner Apostelgeschichte vom Geschenk des Heiligen Geistes zu Pfingsten. Ganz anders Johannes: Leise ist es bei ihm in jenem Haus in Jerusalem, wie in der neuen Kapelle im Transitbereich des Terminal 1 auf dem Flugsteig B im Flughafen Frankfurt. Ein Ort der Zuflucht für einige, die das Gewirr draußen verunsichert. Wessen Seele fürchtet, findet hier Rückzug. In Furcht, schreibt Johannes, zusätzlich verwirrt von jenen Vorkommnissen und unvorstellbaren Botschaften, rücken die Jünger zusammen und schließen sich ein. Sie trauern. Jesus ist tot. Ängstlich und einander tröstend rücken sie zusammen. Doch so eng zusammenrücken können sie gar nicht, daß nicht immer noch die Leere bliebe, die der Tod ihres Heilands hinterlassen hat. So dicht können sie gar nicht die Reihen schließen, daß nicht weiterhin diese Lücke klafft und die Wunde schmerzt, die das Fehlen Jesu bedeutet. - Wer füllt diese Lücke? Geht es uns nicht oft genug genauso? In unserem täglichen Treiben erschöpft, empfinden wir eine Leere mit der wir umgehen müssen. Eine Leere, die es zu füllen gilt. - Eine Leere, die Pfingsten schließt. "Jesus sprach nun wieder zu ihnen: Friede euch! Wie der Vater mich ausgesandt hat, sende ich auch euch. Und als er dies gesagt hatte, hauchte er sie an und spricht zu ihnen: Empfangt Heiligen Geist!" Jesus sendet sie aus, sie sind berufen, sie sollen unternehmen. Heute können wir singen: "Nun bitten wir den Heiligen Geist um den rechten Glauben" (EG 124, 1). Wir können singen: "Zünd uns ein Licht an im Verstand" (EG 126, 3). Wir können singen: "Führ uns durch die Lebenszeit" (EG 128, 7). - Pfingsten bestärkt uns im Glauben. Die Ausgießung des Heiligen Geistes schließt jene Lücke. In Galater 5 Vers 1 heißt es: "Zur Freiheit hat Christus uns befreit." Beides, der heilige Geist und die Befreiung durch Jesus Christus schaffen uns den Raum in Freiheit und Verantwortung etwas zu schaffen, etwas zu unternehmen. In diesem Sinne gibt es auch nur die Unter- Seite 2 von 4: "Glaube, Freiheit, Verantwortung - Zum Unternehmer berufen und befreit!" Predigt von Friedhelm Wachs am Pfingstmontag 2015 in der St. Marienkirche zu Berlin scheidung zwischen dem Unternehmer auf der einen Seite und dem Unterlasser auf der anderen Seite. Im Sinne des Glaubens können wir den Begriff des Unternehmers so weit fassen. Und selbst wenn ich den Begriff enger fassen würde, so läßt er sich doch vom lutherischen Berufs- und Gottesdienstverständnis und durch das Bibelwort, das wir heute in den Episteln gehört haben, bestens in die Arbeit als Christen integrieren: "4 Es sind mancherlei Gaben; aber es ist ein Geist. 5 Und es sind mancherlei Ämter; aber es ist ein HERR. 6 Und es sind mancherlei Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirket alles in allem. 7 In einem jeglichen erzeigen sich die Gaben des Geistes zum allgemeinen Nutzen." Unsere tägliche Arbeit als Unternehmer ist per se Gottesdienst. Wie auch die tägliche Arbeit unserer Mitarbeiter Gottesdienst ist. Und wie die tägliche Arbeit aller Christen aus unserem lutherischen Verständnis Gottesdienst ist. Selbst wenn ich dieses weitgefaßte Bild des Unternehmers versus dem des Unterlassers zugrunde lege, dann unterscheidet sich der christliche Unternehmer vom weltlichen Unternehmer in einem sehr zentralen Punkt, der im gemeinsamen Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland "Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit" 1997 wunderbar formuliert wurde: "Weil die Menschen in Jesus Christus bereits erlöst sind, brauchen sie sich in ihrer Lebens- und Weltgestaltung nicht selbst zu erlösen. Das befreit zu einem Handeln, das nicht länger der Sorge um sich selbst und der Absicherung durch Macht verpflichtet ist, sondern den Anforderungen der Sache und dem gegenseitigen Dienst." (RZ 94) Für mich speist sich daraus ein Dreiklang aus Glaube, Freiheit und Verantwortung. Weil Christus uns zur Freiheit befreit hat und wir beauftragt sind, die Erde zu bebauen und zu bewahren, haben wir die Freiheit, unser Leben und die Erde zu gestalten. Dafür verantworten wir uns gegenüber Gott. Für mich als Unternehmer bedeutet das 1. zuzuhören. Den Heiligen Geist zu empfangen und daraus im Leben Verantwortung zu tragen ist das Ergebnis eines Dialoges. Es kommt zwar auf das Hören an, aber entscheidend ist die Phase zwischen Empfangen und Reaktion. Hier entsteht alles nehmen, geben und auch abgeben. Christus schenkt mir die Filter dafür. 2a. Es bedeutet, der Versuchung immer wieder erneut zu widerstehen, mich von materiellen Gütern des Lebens verführen zu lassen und die Gewinnmaximierung absolut zu setzen. Gott die Ehre zu geben, heißt der Übermacht des Gewinnstrebens zu widerstehen und auch anderen Aspekten des Lebens Raum und Maß zu geben. Christus gibt mir die Maßstäbe dafür. 2b. Es ist meine Aufgabe als Unternehmer, die Arbeitsfelder, die ich mir gesucht habe oder in die ich gestellt wurde, anzunehmen und sachgerecht zu erledigen und mich nicht von den institutionellen Spielen und Zwängen ablenken zu lassen, oder Risiken für Dritte einzugehen, die der eigene Machterhalt in weltlicher Umgebung oft erfordert. Christus schenkt mir die Gelassenheit dafür. Seite 3 von 4: "Glaube, Freiheit, Verantwortung - Zum Unternehmer berufen und befreit!" Predigt von Friedhelm Wachs am Pfingstmontag 2015 in der St. Marienkirche zu Berlin 3. Gott ist nicht der Gott eines Landes, er ist der Schöpfer der gesamten Welt. Mit der Vernetzung der Menschheit durch die Globalisierung übernehme ich auch Verantwortung für die Zustände in der Umwelt und in den Sozialsystemen anderenorts. Christus schenkt mir den Blick für Nachhaltigkeit. Gleichwohl greifen diese Freiheit und Verantwortung auch hier weiter. Sie erfordern, meine eigenen Gaben und Kräfte nicht nur dem Beruf, sondern auch der Gesellschaft zu Nutze zu machen. Das bedeutet auch, an der Gestaltung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mitzuwirken. Dietrich Bonhoeffer hatte 1942/43 im Auftrag des Bruderrates der Bekennenden Kirche daran mitgewirkt, eine Wertefundierung für ein demokratisches Deutschland zu schaffen. Daraus entstand das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft auf der Basis theologischer Grundlegung und damit nicht nur als Wirtschafts- sondern auch als Werteordnung. Es ist bemerkenswert aktuell. Geschrieben in Lebensgefahr wurde es heute vor 70 Jahren unter den knarrenden Dielen des Brugger-Hofs tief im Schwarzwald aus seinem Versteck herausgezogen und den Alliierten als deutscher evangelischer Beitrag für eine Zukunftsordnung übergeben. Es ist wert, daß wir uns zu diesem Jubiläum, jetzt nach genau 70 Jahren, daraus einige Passagen in unseren Alltag mitnehmen: Geschrieben "In der Stunde Null. Die Denkschrift des Freiburger 'Bonhoeffer-Kreises': Politische Gemeinschaftsordnung. Ein Versuch zur Selbstbestimmung des christlichen Gewissens in den politischen Nöten unsere Zeit" (Anlage 4): "Die Gebote des Herrn richten sich nicht nur an die einzelnen Menschen, …. Sie gelten auch für die Gemeinschaften des Lebens und Schaffens, für den Inhalt der sie bestimmenden Ordnungen. Die Kirche muß daher auch zur Wirtschaftsordnung Stellung nehmen." (I. Kirchliche Grundlegung) "In ihrer Stellungnahme zur Wirtschaftsordnung muß die Kirche von Christus zeugen. Sie dient damit der Befreiung von allen weltlichen Heilslehren." (I. Kirchliche Grundlegung) "Was die Kirche nicht selbst zur Wirtschaftsordnung zu sagen berufen ist, hat sie den christlichen Laien zu überlassen." (I. Kirchliche Grundlegung) "Zur richtigen Bestimmung der Wirtschaftsordnung müssen die Menschen so genommen werden wie sie sind; …. Sowohl der Eigennutz des Menschen wie seine Bereitschaft, zum Besten der eigenen Familie zu wirken, können durch einen geordneten Wettbewerb zur Förderung des Gesamtwohles nutzbar gemacht werden." (II. Sachnotwendige Grundsätze des Wirtschaftslebens und seiner Ordnung) "Die zu verwirklichenden Ordnungsgrundsätze sollen den auf Leistung, d. h. auf Dienst an der Gesamtwirtschaft berufenen Wettbewerb zur Geltung bringen. Seite 4 von 4: "Glaube, Freiheit, Verantwortung - Zum Unternehmer berufen und befreit!" Predigt von Friedhelm Wachs am Pfingstmontag 2015 in der St. Marienkirche zu Berlin In allen dafür geeigneten Wirtschaftsbereichen sollen diese Grundsätze sich "automatisch" auswirken, soll also die Ordnung auf Selbstverantwortlichkeit der Einzelwirtschaften beruhen, sollen Markt- und Preisfreiheit herrschen." (IV. Grundlinien neuer Ordnung) So hat der Freiburger Kreis mit der Sozialen Marktwirtschaft einen Rahmen geschaffen, der es wert ist, Maßstab für unser Handeln zu bleiben. Auch in unser Kirche lohnt es, diesen Maßstab immer wieder heranzuziehen im Diskurs um unsere Wirtschafts- und Sozialordnung. So heißt es auch in der Denkschrift des Rates der EKD "Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive" von 2008: "Die Besinnung auf das Menschenbild und die Grundwerte, auf denen die Soziale Marktwirtschaft gründet, ist die unerläßliche Voraussetzung für eine nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage. Hier liegt der genuine Beitrag der Kirchen. Denn das Menschenbild des Christentums gehört zu den grundlegenden geistigen Prägekräften der gemeinsamen europäischen Kultur und der aus ihr erwachsenen wirtschaftlichen und sozialen Ordnung." (RZ 92) Und in der Denkschrift des Rates der EKD "Gemeinwohl und Eigennutz - Wirtschaftliches Handeln in Verantwortung für die Zukunft" von 1991 heißt es: "Überall im Leben und so auch in der Wirtschaft übernehmen Menschen in ihrem Handeln Verantwortung für andere Menschen und die Mitwelt. Solche Verantwortung von Menschen für Menschen und für die Mitwelt ist zugleich Verantwortung vor Gott. Verantwortung vor Gott bedeutet für Christen, gemeinsam nach Maßstäben des Gebotes Gottes zu fragen, an denen das Handeln zu prüfen ist und miteinander nach Orientierung zu suchen, von der sich Verantwortung nach Gottes Willen leiten lassen soll." (RZ 95) So schließt sich der Kreis zu Pfingsten. Wir sind alle Unternehmer und wir sind alle berufen und befreit. Ob wir nun im Gewimmel unseres großstädtischen Tages wie auf dem Frankfurter Flughafen oder hier Mitten in Berlin den Heiligen Geist suchen und empfangen. Oder ob wir uns dazu in sakrale Schutzräume wie die Flughafenkapellen oder hier in St. Marien zurückziehen. Aus unserem Glauben empfangen wir die Freiheit und aus der Freiheit die Verantwortung für unser Unternehmertum. So sind wir in die Welt gesandt. Und so bewahre der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Friedhelm Wachs, Leipzig Mitglied im Vorstand des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer Sprecher der regionalen Arbeitsgruppe des AEU in Mitteldeutschland Geschäftsführender Gesellschafter der Wachsonian GmbH * * *
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