Die Geschichte von „Boss“

Die Geschichte von „Boss“
Wesen und Charakter des Labradors
Der Labrador besticht durch sein ausgeglichenes und besonders
familienfreundliches, kinderliebes Wesen. Er ist äusserst anpassungsfähig, liebt das
Wasser, ist intelligent, eifrig und begleitet sein Herrchen überall hin. Bei aller
Sensibilität ist er dabei jedoch weder ängstlich noch aggressiv. Ausdauernd,
geduldig, arbeitswillig und neugierig, eignet er sich dennoch nicht zum Wachthund.
Seine Ausgeglichenheit rührt wohl auch daher, dass er lange Zeit als Jagdhund
genutzt wurde und noch genutzt wird, wobei seine besondere Liebe zum Apportieren
hervorragende Dienste leistet.
Obwohl ein sehr ruhiger Hund, braucht er, neben viel Bewegung, eine sinnvolle
Beschäftigung, die ihn ausfüllt und für seine Gesundheit äusserst wichtig sind. Eine
weitere Eigenschaft, die diese Rasse so beliebt macht, nennt der Engländer „will to
please“ was besagt, dass der Hund den grossen Wunsch hat, seinem Herrchen zu
gefallen. Dabei reagiert er sehr schnell, ist besonders gelehrig, gefügig und leicht zu
lenken.
Die Geschichte von „Boss“
Als mit 14 Jahren unsere Labradorhündin Joya eingeschläfert werden musste,
wollten wir eigentlich das Kapitel „Hund“ abhaken. Doch schon bald merkten Erika
und ich, dass uns etwas fehlt! Das freudige Begrüssen beim Nachhause kommen,
das Spielen und die ausgedehnten Spaziergänge in der Natur. Es fehlte der treue
Vierbeiner!
Nach einem „hundelosen“ halben Jahr bewarben wir uns bei der bekannten Schule
für Blindenführhunde in Allschwil für einen Familienhund. Das sind Hunde, welche
nach dem ersten Lebensjahr bei einer sogenannten Patenfamilie die anspruchsvolle
und teure Ausbildung zum Blindenführhund, aus gesundheitlichen oder psychischen
Gründen, nicht absolvieren können. Nach einem persönlichen Gespräch in Allschwil
bekamen wir den positiven Bescheid, dass wir alle Kriterien für die Übernahme eines
Familienhundes erfüllen. Die Wartezeit dauert ca. ein Jahr, sagte man uns! Nun fing
das Warten an!
Schon nach kurzer Zeit, kam das unerwartete Telefon aus Allschwil, dass sie den
passenden Hund für uns haben. Ein 1jähriger Labrador-Rüde der „ausgemustert“
wurde, weil ein Splitter an seinem Ellbogen entfernt werden musste.
Nun nahmen wir Kontakt zu unserer Patenfamilie auf. Ein liebenswürdiges,
kinderloses Pärchen, welches schon elf Labrador-Welpen der Schule im ersten
Lebensjahr das Grundlegende beigebracht haben. Das heisst, sie haben schon elf
mal einem niedlichen Welpen aufgezogen, in ihr Herz geschlossen, um Ihn nach
einem Jahr wieder der Blindenhundeschule abzugeben - für uns unfassbar!
Nachdem wir einen Termin vereinbart hatten, fuhren wir erwartungsvoll nach Risch
am schönen Zugersee, um das Pärchen und natürlich den Hund kennen zu lernen.
Schon bei der Vorfahrt schauten Erika und Ich uns ungläubig an.“Ist das die richtige
Adresse?“ Durch ein reichverziertes Eisentor gelangten wir in eine wunderbare,
weitläufige Parkanlage mit Villa und diversen Nebengebäuden direkt am See.
Was wir noch nicht wussten - wir befanden uns auf dem gut bewachten, riesigen
Grundstück der Villa eines prominenten Schweizers.
Staunend standen wir da und
dachten: „In dieser traumhaften
Umgebung durfte Boss sein
erstes Lebensjahr verbringen,
was für ein Privileg!“ Plötzlich
trat aus einem Nebengebäude
ein Pärchen mit einem
verspielten, jungen Labrador. Es
war der Gärtnereichef und Frau
mit Boss, die uns herzlich
begrüssten! Natürlich war nun
der Hund im Mittelpunkt.
Der Gärtnereichef beliefert die Familie der Villa mit frischem Gemüse oder
Schnittblumen und pflegt natürlich den weitläufigen Park. Boss ist immer in seiner
Nähe. Der beste „Spielkollege“ vom kleinen Labrador war der Riesenschnauzer vom
Besitzer der Villa. Was für ein Privileg für einen Welpen, sich täglich mit einem
prominenten Hund in einer solchen Parkanlage tummeln zu können! Erika und ich
hatten fast ein schlechtes Gewissen, dass wir unserem neuen Vierbeiner diese
einmaligen Umstände nicht mehr bieten können!
Trotzdem fuhren wir glücklich nach diesen unvergesslichen Eindrücken wieder nach
Hause mit dem Gedanken: „Was sind das für Menschen, welche die Gabe haben,
ein Jahr so viel Liebe und Leidenschaft in ein Tier zu investieren, um es dann wieder
herzugeben!“
Die Übergabe von Boss, erfolgte ein paar Wochen später in der Blindenhundeschule
in Allschwil in Anwesenheit des Patenpärchens, der Schulleitung und uns. Wir
erhielten einen mehrseitigen Vertrag mit allen Details.
Da der Hund laut Vertrag Eigentum der Schule bleibt, müssen wir verschiedene
Bedingungen erfüllen. Zum Beispiel sind wir verpflichtet, nach der jährlichen
Kontrolle beim Tierarzt, ein Faxformular über das aktuelle Gewicht und den
Gesundheitszustand des Hundes zu übermitteln! Bei der Gewichtszunahme von
mehr als 15 % des Idealgewichts von 35 kg, kann es zu einer Umplatzierung des
Hundes führen! Dafür übernimmt die Schule sämtliche Tierarzt- und
Medikamentenkosten im Zusammenhang mit der Ellbogenoperation.
Mit guten Ratschlägen und Glückwünschen wurden wir nun von der Schule
verabschiedet und mit Boss im Kofferraum fuhren wir Richtung Winterthur. Viele
Gedanken gingen uns auf der Heimfahrt durch den Kopf. Wie wird er auf unsere
Katze reagieren? Wie wird er sich in der neuen Umgebung einleben? Wird er sich
wohlfühlen im neuen Zuhause?
Wir waren angenehm überrascht, dass alles von Anfang an recht gut funktionierte!
Man spürte die Allschwiler-Gene und die gute Junghunde-Erziehung die er bei
Minnings genossen hatte. Boss freundete sich sehr schnell mit uns und unserer
Katze Sina an. Die täglichen Spaziergänge waren beim Freilaufen noch mit etwas
Stress verbunden, da der Hund noch nicht so fest auf uns fixiert war.
Nun sind über vier Jahre verstrichen. Wir haben schon viel Schönes, aber auch
Ärgerliches mit unserem liebenswürdigen aber manchmal sturen Boss erlebt! Die
Verfressenheit beim Labrador ist ja bekannt. Boss macht da keine Ausnahme. Er
holte schon einen Hackbraten, eine Wähe und eine Torte von der unbeaufsichtigten
Küchenkombination!
Nach den wöchentlichen Besuchen bei meiner 95jährigen Mutter und das Hüten
unseres 4jährigen Enkels Laurin, wo wir gut beobachten können, wie bereichernd
diese Begegnungen zwischen Mensch und Tier sind, war es naheliegend, dass wir
uns mit dem Gedanken befassten, mit Boss die Therapiehunde-Ausbildung zu
absolvieren.
Nun sitze ich hier, in einem tollen Team von
Gleichgesinnten, werde fachmännisch geschult
von zwei Profis Armin und Ruth und hoffe, nach
bestandener Prüfung, mit Boss als Team, viele
Patienten mit ihren verschiedenen
Beeinträchtigungen und Bedürfnissen zu
beglücken!