2 — Südtiroler Wirtschaft Südtiroler Wirtschaftszeitung — Nr. 6 | 16 — Freitag, 12. Februar 2016 Südtiroler Wirtschaftsforum – Der Brunecker Elmar Mair arbeitet im Silicon Valley an der Zukunft des Automobils – und kommt am 11. März nach Brixen Schlaf, Fahrer, schlaf Elmar Mair erfindet gerade das Auto 2.0 – nicht alleine, aber immerhin. Vielleicht schon in 15 Jahren wird das Auto fahren und der Fahrer dabei schlafen. Elmar Mair hat der SWZ erzählt, warum er die Südtiroler beneidet und was Südtirol vom Silicon Valley lernen kann – und was besser nicht. SWZ: Herr Mair, wie schaut unsere Mobilität in zehn Jahren aus? Wird mich mein Elektroauto von zu Hause an den Arbeitsplatz fahren, und ich lese während der Fahrt die Tageszeitungen auf dem Tablet? Elmar Mair: Die volle Autonomie ist definitiv die Zukunft. Aber aus heutiger Sicht dauert es noch mindestens 15 Jahre, bis es so weit ist, vielleicht mehr. Erstens sind noch technologische Sprünge notwendig, zweitens ist heute die gesamte Verkehrsinfrastruktur auf menschliches Fahren ausgelegt. Einzelne Komponenten des autonomen Fahrens – etwa ein Staupilot – werden schrittweise schon in den nächsten Jahren auf den Markt kommen. Zuerst wird es den Staupilot für die Autobahn geben, dann wird autonomes Fahren auf freien Autobahnen möglich werden, wobei die Geschwindigkeiten langsam erhöht werden. Irgendwann werden wir dann auch auf Landstraßen autonom fahren können und in eingeschränkten städtischen Gebieten – je komplexer und allgemeiner die Umgebung, desto größer die Herausforderung an die Technik. Das autonome Fahren kommt scheibchenweise. Die ersten Scheibchen sind ja schon Realität. Autos können bereits autonom bremsen, beschleunigen, sogar einparken. Achtung, eines sind die Assistenzfunktionen, das andere die sogenannten pilotierten Funktionen. Derzeit sind ausschließlich Assistenzfunktionen auf dem Markt: Das Auto übernimmt nie die Verantwortung für sein Tun, sondern es ist immer der Fahrer, der Gas gibt oder einen Knopf drückt und den Vorgang jederzeit stoppen kann. Beim autonomen Fahren übernimmt das Auto die Verantwortung, und theoretisch kann der Fahrzeuginsasse dann schlafen. Ich darf also wirklich davon träumen, vom Auto gefahren zu werden und am Tablet Zeitung zu lesen. (lacht) Nun, ich gehe eher davon aus, dass Sie die Zeitung wennschon auf dem Bordmonitor lesen – vorausgesetzt, Ihnen wird beim Lesen im Auto nicht schlecht. • Zur Person Ihr Arbeitgeber Atieva arbeitet an einem elektrischen Auto mit autonomen Funktionen. Will Atieva der Volkswagen von morgen sein? Sicher wäre das das Ziel – und zwar ganz ohne Abgasskandal. Scherz beiseite, an der kalifornischen Westküste gibt es derzeit unzählige Start-ups, die sich damit beschäftigen, das Auto neu zu definieren. Wir dürfen gespannt sein, was dabei herauskommt. Derzeit wird das Auto 2.0 erfunden. Nichts bleibt, wie es war. Das bisherige Denken, wie ein Auto auszusehen hat, wird abgelegt. Vielmehr wird darüber nachgedacht, wie ein Auto bestenfalls aussehen sollte und vor allem, was es können sollte, um den Bedürfnissen der Menschen zu entsprechen. Beim Auto vollzieht sich in den nächsten Jahren jener Wandel, der in der Kommunikation mit dem Wechsel vom Mobiltelefon zum Smartphone bereits passiert ist. Wird es ein Elektroauto? Ja, Tesla und andere Hersteller haben längst gezeigt, dass es geht. Freilich muss die Technologie für das autonome Fahren zu hundert Prozent fehlerfrei arbeiten, bevor sie auf den Markt kommt. Selbst der kleinste Unfall wäre verheerend für die Marktakzeptanz – dem Menschen werden Fehler verziehen, der Maschine nicht. Das autonome Fahren wird ganz sicher Leben retten, denn die Hauptursache für Verkehrsunfälle ist menschliches Versagen. Nichtsdestotrotz müssen wir realistisch sein und einräumen, dass es auch in Zukunft Unfälle geben wird, auch tödliche. Die hundertprozentige Sicherheit existiert nicht. Ich hoffe, dass beim ersten Unfall durch autonomes Fahren die gesellschaftliche Sensibilität so weit ausgeprägt ist, dass nicht nur der eine Unfall gesehen wird, sondern vielmehr die vielen vermiedenen Unfälle. Eine der größten technischen Herausforderungen wird diesbezüglich die Klassifizierung der Umgebung. Wie meinen Sie das? Der Mensch ist unheimlich gut darin, die Umgebung zu klassifizieren: Das ist ein Baum, das ist ein Fahrrad, und das ist ein Mensch. Die Herausforderung liegt darin, der Maschine das gleich gut beizubringen, dazu noch die Fähigkeit Elmar Mair, 1983 in Bruneck geboren, arbeitet im wahrsten Sinne des Wortes an der Zukunft. Er leitet in Menlo Park im kalifornischen Silicon Valley beim Start-up-Unternehmen Atieva die Abteilung „Autonomes Fahren“. Zuvor arbeitete er bereits am Robert Bosch Research and Technology Center in Palo Alto an Technologien für das Autonome Fahren, zuerst als Technischer Leiter, dann als Gruppenleiter. Es handelt sich um eine Zukunftstechnologie, die die Mobilität revolutionieren könnte. Bevor Mair nach Kalifornien übersiedelte, forschte er mehrere Jahre lang am Deutschen Luftund Raumfahrtzentrum (DLR) im Bereich der Mobilen Robotik. Studiert hat er in Innsbruck und an der Technischen Universität München, wo er 2012 den Doktor in Informatik mit Schwerpunkt Robotik erlangte. Elmar Mair ist Mitglied von Südstern, dem Netzwerk der Südtiroler im Ausland, Mitveranstalter des Südtiroler Wirtschaftsforums. 2014 erhielt er den Futura-Förderpreis für junge Südtiroler im Ausland. des vorausschauenden Denkens und die Fähigkeit, die beste Entscheidung zu treffen. Ganz banal: Entscheidet sich das Fahrzeug in der Notsituation dafür, einen Fahrradfahrer zu verletzen, oder dafür, auf einen Baum auszuweichen und den Autoinsassen zu verletzen? Das sind schwierige Fragen. Kann das autonome Fahren die Mobilität beschleunigen? Im Gegenteil, der Mensch wird sich wieder daran gewöhnen müssen, mit einer sicheren Geschwindigkeit unterwegs zu sein. Der Mensch fährt in der Regel ja immer über dem Limit – bewusst wird ihm das erst, wenn er bremsen muss. Tatsächlich heißt es vom Google-Auto, es fahre wie eine Oma. Es fährt einfach vorsichtig. • Info Südtiroler Wirtschaftsforum 2016 am 11. März Das Südtiroler Wirtschaftsforum ist zu einem beliebten Treffpunkt für Unternehmer, Führungskräfte und Entscheider geworden. Im vergangenen Jahr zählte das Forum knapp 350 Teilnehmer. Die zwölfte Auflage geht am Freitagnachmittag, 11. März, im Forum Brixen über die Bühne. Veranstalter sind das Management Center Innsbruck (MCI), Business Bestseller, Südstern und der Unternehmerverband Südtirol (UVS). Die SWZ ist Medienpartner. Das Programm 13.00 Uhr Come together 14.00 UhrArno Kompatscher, Landeshauptmann 14.15 UhrPaolo Pininfarina, Präsident Pininfarina spa: Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern 15.00 UhrHermann Hauser, Risikokapital-Unternehmer: Forschung, Technologie & Gründung am Beispiel Cambridge & Silicon Fen 15.45 Uhr Kommunikationspause 16.15 UhrElmar Mair, Leiter Autonomous Driving bei Atieva, Menlo Park (USA): Was wir aus dem Silicon Valley lernen können. Und was nicht. 16.50 UhrRichard Piock, Präsident Durst Phototechnik: Innovation gestaltet Zukunft – Warum wir unser Land neu erfinden müssen und was es dazu braucht. 17.25 UhrChristina Scholochow, Gründerin und Business Angel, mohemian: Wie man auch als kleines Start-up-Unternehmen international reüssieren kann 18.00 UhrGeselliger Ausklang mit Buffet Moderation: Christian Pfeifer, SWZ Informationen: Anmeldungen unter www.wirtschaftsforum.it. Bis 12. Februar wird ein Frühbucherbonus von zehn Prozent auf den Ticketpreis von 240 Euro plus MwSt gewährt. Vergünstigungen gibt es bei Mehrfachanmeldungen (ab drei Tickets 160 Euro plus MwSt). Sie haben in Ihrer noch jungen Berufskarriere nicht nur am autonomen Fahren gearbeitet, sondern ganz allgemein an der Robotik. Schafft sich der Mensch mit der Entwicklung von menschenähnlichen Robotern ab? Es wird noch einige Generationen dauern, bis Roboter alle menschlichen Tätigkeiten beherrschen. Aber die Robotik hat längst begonnen, unseren Alltag zu verändern, und sie wird das in zunehmendem Maße tun. Es existieren ja bereits Roboter, die Staub saugen, irgendwann wird der staubsaugende Roboter dann auch Hemden bügeln und Rasen mähen. Die Robotik ist eines der Zukunftsthemen schlechthin, gesellschaftlich, politisch und auch philosophisch. Ganz viele Unternehmen investieren enorme Summen. Insgesamt wird diese Entwicklung der Menschheit nützen – der Mensch schafft sich nicht ab, sondern er erleichtert sich das Leben. Stellen Sie sich vor, Sie lassen die Roboter für sich arbeiten. Wie eng ist eigentlich noch ihr Kontakt zu Südtirol? Kalifornien befindet sich nicht gerade um die Ecke. Ich bin zwei bis drei Mal pro Jahr in Südtirol und halte auch sonst engen Kontakt mit Familie und Freunden. Ich gebe zu, dass ich jedes Mal, wenn ich nach Südtirol komme, ein bisschen neidisch auf meine Landsleute bin. Diese Ausgeglichenheit, diese Ruhe, diese Nähe zur Natur vermisse ich. Eine Rückkehr dürfte mit Ihrer Spezialisierung ausgeschlossen sein. Ich würde sie nicht kategorisch ausschließen. Im Grunde braucht man heute fürs Arbeiten nur mehr ein Notebook. Von daher lassen sich auch vom Standort Südtirol aus interessante Projekte verfolgen, egal, ob für Südtiroler Firmen oder für Firmen irgendwo auf der Welt. Ihr Vortrag beim Südtiroler Wirtschaftsforum trägt den Titel „Was wir aus dem Silicon Valley lernen können. Und was nicht“. Verraten Sie uns doch vorab jeweils einen Punkt. Mich fasziniert am Silicon Valley die knallharte und selektive Mitarbeiterauswahl. Es werden nur außerordentlich gute Leute eingestellt, und lieber lassen die Firmen eine Stelle vorübergehend unbesetzt, als dass sie zehn durchschnittliche Leute aufnehmen. Diese Kompromisslosigkeit bringt mit sich, dass man im Silicon Valley mit unglaublich interessanten, motivierten, qualifizierten Leuten zusammenarbeitet und jeden Tag dazulernt. Im Silicon Valley wird vor Augen geführt, dass Topleute andere Topleute anziehen – im Grunde ließe sich ein solches Umfeld auch anderswo schaffen, warum nicht in Südtirol. Es ist ein äußerst motivierendes Umfeld, das jeden Einzelnen zu Höchstleistungen treibt. Damit wären wir auch schon bei einem negativen Punkt: Die Leute gehen in ihrer Arbeit auf. Sie lieben ihren Job so sehr, dass der Feierabend oft zu kurz kommt. Folglich ist die Work-Life-Balance nicht optimal. Langfristig ist das natürlich kein gesunder Lebensstil. Interview: Christian Pfeifer ®© Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata
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